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Dresdner neueste Nachrichten : 05.06.1909
- Erscheinungsdatum
- 1909-06-05
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id490223001-190906057
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id490223001-19090605
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-490223001-19090605
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungDresdner neueste Nachrichten
- Jahr1909
- Monat1909-06
- Tag1909-06-05
- Monat1909-06
- Jahr1909
- Titel
- Dresdner neueste Nachrichten : 05.06.1909
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Aufiage 100 000 ta- DkanerNeuefteNaW Nr. t49. Im. lEL Schwibde 5. Luni 1909. Indessen- Unabhängige Tageszeitung. Muse-ent- Die einspalttqe Kolpuelsette kostet sür Dresden und-sorgen 25 Ps« sür ans-stets U Ps» sue das Ausland 40 Os. Tabelleusax ON. Die sweispaltiqeßethme eile sürDrezden und Umqe uns 1 Ut» süt auswätts t,50 Ist. Bei Wieder holungen und Jagresumsäyea Nah-it ums Satis. Ebifsres gebühren 20 Ps. nsekate von auswätts werden nur gegen Vorausbezahluuq ausser-muntern Für las Erscheinen an bestimmten Tagen nnd Plätzen wird nicht gar-innere Tele phonischeslussabe loansersseu unzulässig. Unsre Orest-net nnd auswärtigenlUUASUestellem sowie sämtlichellnuoncem Expedlttoneu im Jus nnd Ausland nehmen Jusekate zu Original-reisen nnd see-hatten an. Diese Nimm-er umfaßt 14 Seiten. Roman siehe Seitey 11 ukyxfsjzcheunmärichteu Seite 9. Zweikaiserzusammenkunft. Wieder einmal bestätigt fich ein Bismarckwori: »Von Berlin nach Petersbum ist der Weg allemal kürzer als von irgendeine-: andern Kaviiale nach der rufsifchen Hauptstadt« Dieser Satz gilt natürlich auch umgekehrt, und die Engländer, die schon glauben, nach den letzten Balkanereianisscn Rußland in der Tasche zu haben, müssen sich nun zu ihrer großen Enttäufchung davon überzeugen. Was bat die Preßi betze der letzten Monate gegen-Deutschland aefrnchtetP Trotzdem uns die »Nowoie Wremia«, deren enge Be ziehungen zn gewissen Meinungsmachern an der Themfe längst bekannt sind, iaft auf eiaene Faust den Krieg erklärt hatte, empfindet doch der Zar, bevor er mit andern Herrschern zufammenkommt, das Be dürfnis, sich mit dem Deutschen Kaiser auszusprechen Es ist natürlich nicht ohne Absicht aefcheben, daß in der halbamtlichen Ankündiaung von deutscher Seite bezüglich der bevorstehenden Zweikaiserbegegnnng ausdrücklich hervorgehoben wurde, daß Kaiser Wil helm dabei einer Einladung des Kaifers von Nuß land folgen wird· Das ist bedentiam nnd für uns im höchsten Maße erfreulich. Nicht wir laufen Rufs land nach, nicht wir bitten beim Zaren um aui Wetter und gleichsam um Vergebung fiir unsre iefte Bünd nigtreue gegenüber Oefterreich-Ungarn. Der Zur ift es vielmehr, der allen uanflaivifiifch-englischen Hebe reien zum Trotz dic seit Reval recht locker gewordenen Fäden, die beide Kaiserreiche verbinden, wieder fester zu knüpfen versuchen will. Daß er dabei auf dem-J fcher Seite alles Entgeaenkommen finden wird, das mit unsern Bündnisvflichten irgend vereinbar ift, bedarf keiner weiteren Hervorhebuna. Diesfeits ist man ftets bereit, auch mit dem benachbarten Nuß land in den beften nnd freundschaftlichsten Ve ziehungen zu leben. Ein volles Jahrhundert acichichtticher Entwick lnng lehrt, daß die Interessen Deutschland-Preußens nnthißlands überall nebeneinander bestehen können, sa, daß es sowohl ans wirtschaftlichem wie ans poli tischem Gebiete bestimmte Interessen aibt, die von beiden Nachbarmächten in gleichem Maße gewahrt und gepflegt werden können, müssen. Tiefe Erkennt nis-, die in Deutschland abgesehen von nanz vereinzel ten, politisch kaum in Betracht kommenden Gruppen, scst Gemeingut ist, wird in Rnßland freilich ost nenng und nicht immer ohne Ersolg bekämpft- Sie bricht sich aber bei den Regierenden auch dort nach vorüber gehenden Schwankungcn stets Bahn und ist atmen scheinlich auchbeijn Zaren zn neuen Ehren gekommen. Er trägt denn doch schließlich Bedenken, sich den neuen, noch wenig erprobten englischen Freunden vollends in die Arme zu werfen. nnd hält es für ni«'.»licher und weiser, den Draht mit Berlin nicht abreißen zu lassen. Darin begegnet er sich mit den verantwortlichen Leitern der deutschen Politils. Tiefe bleiben trotz aller mitnntcr sehr wenia ermutiaenden Erfahrung fort gesetzt bemüht, die Beziehungen des Deutschen Reiches zn Rußland von ernsten Und dauernden Trü bungen fteizuhalten und solche, die ohne ihr Ver schulden entstehen, nach Möglichkeit zu beseitigen. Sie "leitet dabei die schon von Bismarck vertreten-c An kschauung, daß es zwischen Deutschland und Rußland keine Gegensätze geben könne die nicht bei einigem gegenseitigen guten Willen iiberbriickbar seien- Die hohe politische Bedeutung dieser Herrscher begegnung ist unverkennbar und wird wohl nirgends abgestritten werden können. Freilich haben wir es uns längst abgewöhnt, derartige Ereignisse zu überschätzen Davor bewahren uns die Erfahrunan der Neuzeit Wie häufig kommen ietxt die Monate-lieu und ihre Minister zusammen, tauschen Freundschaft-I beteuerungen miteinander ans und trennen sich unter den Jubelhymnen der beiderseitiaen Oiiiziösen Hinterher ist aber meist alles beim Alten aeweien, nnd wenn die Fcititimmuna nur zu bald sich verfluch tigt hat, beginnen die Hebereien von neuem. Man denke nur an den Berliner Besuch König Eduardö und dessen Folgen. Wir glauben daher auch keinen Augenblick- daß die bevorstehende Kaiserbeaeanung eine neu-e Aera turmhoher Freundschaft zwischen Deutschland und Russland herauffiihren wird, wün schen dies auch nicht« da sie nur auf Kosten Oefter reichs zu erkaufen wäre. Immerhin zeigt die Ein ladung des Zaren an den Deutschen Kaiser, daß das offizielle Rußland noch weit entfernt iit von iener Politik grundsätzlicher Teutichfeindlichteit, die die »Nowoie Wrcmia« nicht müde wird, zu besürwortenJ Größte Auflage in Sachsen. Reduktion tmd Hanptgefchästsstelle Ferdknqndstraße 4. Fernsprecberx Redaktion Nr. 8897. Esxpedltton Nr. 4571. Verlag M sen ganz in sein sonst so verichlossenes Herz geschlos sen und war förmlich stolz aus dessen wachsende par lamentarische Erfolge. Wenn Barth von der Reichs tagstribüne herab sprach, hatte er keinen aufmerksame ren nnd empfänglicheren Zuhörer als Eugen Rich ter. Wesentlich dieser persönlichen Freundschast ent sprang im März 1884 die Vereinigung der beiden liberalen Gruppen zu der großen Deutsch-freisinni »gen Partei, der' neben Richter nnd Barth hervor- Iragende Parlamentarier wie Rickert, Bamberger, Hänel und andre Leuchten des damaligen Liberaliss mug angehörteu Die Militärsrage war es, die einen Keil in diese hossnungsreiche Vereinigung trieb und zur abermaligen Trennung der Freunde führte. Dr. Barth schlug sich mit Rickert nnd Bamberger zu der kleineren Freisinnigen Vereinigung und seitdem be stand zwischen ihm nnd Eugen « ichter eine Todseind schast, die sich aus die Freisinnige Volkspartei nnd s äter aus die Freisinnigen überhaupt übertrug Im Fahre 1901 wurde er zum letzten Male vom Wahl kreisc Wittenberg in den Reichstag gewählt. Aber seine Rolle war, je mehr er mit einigen persönlichen Gesinnungsgenossen, zu denen auch Friedrich Rau mann und andre National-Soziale gehörten, nach links gravitierte, ausgespielt. Die Reichstagswahlen von 1903 brachten ihm und seinen näheren Freunden schwere Niederlagen, die sich, nachdem inzwischen die Nationen-soziale Partei zur Freisinnigen Vereini gung übergegangen war, nach der Reichstagsausi lösung vom 13. Dezember 1907 noch erheblich ver größerten. Nun geriet Dr. Barth mit den Seinen immer måkr in einen ossenen Gegensatz zur Frei sinnigen ereinigung, aus der er mit einer kleinen Gruppe ihm noch treu gebliebener Anhänger im» Februar 1908 ausschied, um die neue Demokratischel Vereinigung zu begründen, die mit ihm nicht nur ihren Führer nnd ihre beste agitatorische Kraft, son dern rFutli ihre eigentliche geistige Potenz ver oren a. Dr. Barth hinterläßt auch bei feinen politischen Gegnern das beste Andenken. Niemand wird feine persönliche Selbsilofigkeit nnd Ehrenhafiigkeit ver kennen feinetn hohen Jdealizmus, mochte er auch in die Irre rühren, die gebührendeAchtung versagen. Mit aufricht ger Teilnahme steht man an der Bahre eines Mannes, der so reich begabt war und doch nur bittere Enttäuschnngen erlebt hat. Evangelisch-fozialer Kongreß. sh. Bellt-rettu. s. Juni. Der Evangelisch-foziale Konnt-eß führte heute feine Veratunqcn zu Ende. Am Schluß feiner gestrigen Nachmittaassitzuna sprach im Anschluß an die Debatte über »Luxus und Sparsamkeit« Liz. Schneemclcher-Bcrlin über-: »Die geistigen Sirt-munqu in der deutschen Gewerk- schaftsbeweanna.« Der Redner führte aus: Die Gewerkschasisbeweauna habe die Hoffnungen, die allaemein auf sie aesetzt wurden, insofern getäuscht- als sie eine Vermehrung der Sozialdemokratie nicht habe verhindern können. Immerhin sei die wirtschaftliche selbständiae Ver tretung der Interessen der Arbeiter eine unbedingte Notwendigkeit Die gelben Gewerkschaiteu und die raterliindischen Arbeitervereine seien. auch vom christ lichen Standpunkte ans, zu ver-werfen Sie wollen den Arbeiter dureb Hunger mürbe machen. Freie Gewerkschaften sind von der Sozialdemokratie nach dem Worte eines Gewerkschaiilers »Wartet und Gewerkschaften sind eins« auch in Wirklichkeit nicht zu trennen. Aus diesem Grunde kann man es den christlichen Arbeitern nicht verdienten- daß sie beson ss Dresde- lud sprossen moustllch U Oh pro one-tat Up Ul. frei can-, durch auf-e Provinz-Filialeu monqtltch II Pf» pro Quartal MS Mk. frei caus. Mit der Beilage Illustriert- Beiseite-« oder mit der Beilage »Buchsta- Itieseude Blätter- ie 15 Pf. pro Monat mehr. poftbeziä in Deutschland nnd den deutschen Kot-umt- Uusz A t Ellustr.Neueftk monsti. AM» pro Quart Los Mk · B ohne Jllustr. Beilage . 69 « , , 200 , , J- Oeiiettelchsllsqqtsg Ausg· A llt,Jqutk. Neuem-» monatLl·öSKr., Its-Quart LIO Kr. stule ohnesllusthseilq « . 1.42 · · , t25 , Nach de- suslande per Even-L pr. Woche 1 Mk. MM 10 Pi- dere Organisationen für sich geschaffen haben. Ander seiis kann man es Leuten. die in diese Organisationen nicht gehen wollen, auch nicht verwehren, andre be tnsliche Organisationen zu qründen. und Gegen aründnngen gegen diese von christlicher Seite wieder wären nur Quertreibereien. In der Debatte ergriff nochmals Staatssekrctär a. D. Gras P o sa d ow skv das Wort. Er naan Bezug ans die angebliche Neube runa eines weftfälischen Großindustriellem daß die christlichen Gewerkschasten noch viel schlimmer seien als die Sozialdemokraten. und erklärte. dies sei die Meinung jener Leute« die die Berechtiauna einer Arbeitexbewegung überhaupt bestreiten. In der Sozialdemokratie nnd den mit ibr zusammenhängen den Gewerkschaften ist der Kampf acaen die Monartbie ein großer Fehl-er. Die Praxis beweist, daß atn meisten für die Arbeiter in von Monarcben beherrsch ten Ländern geschieht. Länder mit andrer Staats form verfallen leicht der Gefahr« dasz eine Partei an die Spitze kommt. Auch die tollektivistiicbe Idee des Sozialismns ist undurchführbar, denn die Menschen sind keine Engel. Um den Bestrebunan der Sozial demokratie Abbruch zu tun, müssen wir die christliche Pfgerkscbaftsbewegnng mit allen Mitteln unter u en· Theodor Barth f. Enttiiuscht, verbittert, vor der Zeit körperlich ge brochen, ist Theodor Barth, kaum 60 Jahre alt, einer tückischen inneren Krankheit erlegen. Wer ihn nur aus der legten Periode seiner politischen Tätigkeit kannte, wir ihm nicht gerecht zu werden vermögen. Wer ihn in seiner parlamentarischen und journali stischen Glanzzeit niiher zu beobachten Gelegenheit hatte, wird ihn als einen ungewöhnlich begabten und kenntnigreiehen Redner und Schriftsteller zu würdigen wissen. Er besaß die seltene Gabe, ebenso formvollendet und packend zu sprechen wie zu schrei ben. Seine politischen Aufsiitze waren stilistische Meisterwerke und gewährten auch dem verständnis uollen Gegner einen hohen ästhetischen Genuß· Des halb mußte man mit Bedauern diesen glänzenden Geist immer mehr auf Abwege geraten sehen, wo er immer mehr nereinsamte nnd die Fühlung mit brei teren Volksschichten verlor. Das war um so be danerlicher, als er ursprünglich ganz das Zeug dazu besaß, ans die Massen zu wirken nnd sie sür seine Gedanken und Ziele zu gewinnen. Er hätte ein Volkstribun in des Wortes bester Bedeutung wer den können, mindestens aber Eugen Richter-s Nach folger als Führer der Freisinnigen Anstatt dessen geriet er immer mehr in eine einseitige Richtung, die ihn von seinen früheren Freunden nnd Gesin nungsgenossen entfernte, ihn zu dem erbittertsten Gezgner der Partei machte, der er vordem selbst an ae örte. Eugeu Richter-s Nachfolger. »Nat: wenige werden heute missen, daß ihn einst die innigste Freundschaft mit dem Vertreter sür Hagen verband, der recht eigentlich sein parlameutarischerLehrmcister gewesen ist. Als ihn im Jahre 1881 zum ersten Male der Wahlkreijs Koburg-Gotha in den deutschen Reichstag entsandte, schloß sich der damals Zweiunddreißig jiihrige eng an Eugen Richter an, der ihm mit väter licher Zuneigung entgegenkam, obwohl Theodor Barth in die Liberale Vereinigung eintrat· Man sah beide auch außerhalb des Parlament-B sast stän dig beisammen. Richter hatte den jüngeren Genos- Kontitioubfreibeit und persönliche Freiheit Das Korreserat erstattete Pfarrer Liz. Traub- Dortmund. Er kam zunächst auf den Zusammenhang derchristlichen Gewerkschaiten mit der Partei .der Christlich-Sozialen zu sprechen und erklärte: Es muß einmal mit ruhigem Ernste gesagt werden. welche Verwirrung die ChristlichsSozialen und die kirchlich soziale Bewegung in der Oeffentlichkeit dadurch an gerichtet haben, daß sie sehr ost so arbeiteten, als ob auf evangelischem Gebiete rechtmäßige Arbeit eigent lich nur von hier aus gemacht werde. Die Sozial theoretiker haben sich nun die Frage vorzulegen, was der Name christlich eigentlich besagen iolL Er richtet sich gegen die freien Gewerkschaften. weil sie sozial demokratisch, und gegen die Hirsch-Dunckerschen Ge werkvereine, weil sie liberal empfinden. Obgleich da mit politische Parteigrupvicrungen genannt sind, soll doch durch den Namen zugleich die Weltanschauung dieser andern Gewerkvereine als unchristlsich bezeichnet werden« Das ist ein hedenkliches Verfahren Die Sozialdemokratie bekämpft die Christlichen mit allen Mitteln. Und die Christlichen mit dem gleichen sog. Terrorismus die Sozialdemokratie Streits werden von allen Gruppen mit derselben Solidarität geführt- Tllle drei Gewerkschasten kämpfen gegen die »gelben« Gewerkschaften, und die Sprache, die gegen das Unter nehmertum bzin das Kapital geführt wird, iit doch nur in Nugncen verschieden. Das Wort christlich als Unterscheidungszeichen erscheint uns daher nicht voll bevcchtigt. Redner schloß: Es mögen manche Mängel hei den freien Gewerkschasten und den Hirsch- Dunckerschen vorhanden sein: ein Anlaß-, eine neue antistdgialdemotratische Gewerkschaft am neutraler Gru lage zu griinden, lag nicht vor. Von hier aus gewinnt die Vermutung neue Nahrung, daß es sich eben nicht bloß um eine nentralc Gewerkschaft han deln solle. Wir wünschen. daß bald eine Zeit kommen möge, in der andre Fragen sich in den Vordergrund drängen, vor allem die Frage der Stellung der ge nserkschgitlichen Organisationen im Kulturleben liber l)aupt. Nicht der unoraanisierte. sondern der orga nisierte Arbeiterstand wird kulturell in die the steigen. Ohne volle Koalitionsfreiheit wird das nicht möglich sein. Seine Sache ist es dann, in dreier Frei heit die Macht zu erringen, die das größte Geschenk der menschlichen Natur ist: Gewissenhaftigkeit. Kog litionsireihcit und persönliche Freiheit find iiir uns unentbehrliche Kräfte. Nur der Freie ist ver- New-Yorker Brief. New-York. 24. Mai. Jtn Winter werden dic Kohlen teuer, im Som mer das Eis. Das mag wohl in der ganzen Welt so sein, wo man im Winter mehr Kohlen nnd im Som- Iner mehr Eis braucht. Die Wirtschaftspolitiker fuhren die Erscheinung aus das Gesetz von Angebot und NaZsrage zurück. Die Wirtschaftspolitiker sollen sich ihr eckrgeld wiedergeben lassen. Das Brot nnd das Fleis sind im ganzen Jahre teuer. Jst daran vielleicht auch das Gesetz von Angebot-und Nachfrage schuld? Und jetzt wird das Brot noch teurer. Auch Angebot und Natlåzsrageii Die Herren Wirtschafts politiker sollen si belehren lassen: Die Kohlen preise macht der Kohlentrust, die Eispreisc der Eis trust, die Fleischpreise der Fleischtrnst und die Brot preise der Mehltrnst. Und was der Mehlttust nicht aus seinem Gewissen hat, das machen die Bäcker gcsellen mit ihrem Streik. Gegen das üblicheSteigen der Kohlenpreise kann sich schließlich schützen, wer Geld nnd einen Keller hat. Ist das eine, leider, überall auf Erden eine Seltenheit, so istss das andre hierzulande noch mehr; 999 Familien aus 1000 haben keinen Keller. Keller nnd Boden sind in den Häusern hier unbekannte Begriffe. Dic Wäsche wird, soweit überhaupt im Hause gewaschen wird, arg dem Dach oder zum errger des Hauswirts in üche nnd Badestube ge trocknet, und vom Keller, den schönen kühlen Gewöl ben, die in Deutschland Kohlenkamtner und Eis schrank zusleich sind, sind nur rudimentäreßestc vor hianden en einen Teil des »Kellers« bewohnt der ;anitor, der Hangmeistey mit seiner Familie, den andern Teil nehmen die Anlagen für Dampsheizung Hund Heißwafserversorgung des Hauses ein, und iwenn dann noch ein dritter und letzter Teil übrig LM so wird er unter die acht bis sechsunddreißig s icter geteilt; iedcr bekommt einen Verschlag, manchmal- sogar einen oerschlieszbaren, in den er die ileeren Fäsxer stellen dars, die hier als Emballage bei glmzüaen ie Hauftrolle spielen D. h. dürfen darf tman mehr, aber r skieren wird man's nicht. Wenn Bau also wirklich Kohlen »auf Spekulation« für den ; inter kaufen könnte- hat man keinen .Platz, sie kunterznbringem ist also gezwungen, die teuren reife zu bezahlen, wenn er Bedarf am größten. as ist schlimm. Aber tenreg Eis ist beinahe noch Oliv-im- » Allerdings wird von hohen Kohlenpreisen der armste Teil der Bevölkerung und ein Teil des Mittelstandes, soweit man von einem solchen hier reden kann, am schwersten getroffen: die armen Leute, in deren Wohnungen es keine Dampsheizung ;gibt, denen der Kiichenofen die Wärme für das ganze Heim spenden muß, und-der Teil des Mittelstandes, der in kleinen, sogenannten Privathäusern wohnt, die der Mieter selbst heizen muß· Die breite Masse wohnt in Häuser-n mit Dampsanlage zur Heizung nnd Gas für die Küche. So lange der »Landlord« der Wirt, die Miete nicht schraubt, kann’s denen gleichgültig sein, was die Kohlen kosten. Eis jedoch ist eine andre Sache. Von der Wichtigkeit des Eises bei den hiesigen mörderischen Sommern nnd an gesichts des gänzlichen Mangels an einem kühlen Plätzchen im Haus kann sich der deutsche Leser kaum einen Begriff machen. Die drüben von Großmutters Zeiten her so beliebte »Kalie Küche« kleinbürger licher Haushaltungen, jene mit einem Drahtgitter verschlossene vor das Fenster der Schattenseite ge stellte Kiste zum Ausbewahren kalter Speisen und des selbstgegillten »Kutscherbieres«, würde sich hier bei der oft ag und Nacht gleich hohen Hixe trefflich zu einem Brutapparat, wo nicht zum Ba ofen, eig nen. So hat denn auch jede mittlere Wohnung ihren Eisschrank, die »Jee box«, als notwendiges Zubehör vom Wirt geliefert. Bei der im allgemeinen durch weg nachläfsigen Bauart der amerikanischen Wozu häuser macht die Jee hox keine Ausnahme, das is erfüllt feine Bestimmung, zu schmelzen, weit bgser als die andre Bestimmung, kühl zu halten. ber mit 10 Ceuts (vierzig Pfennigen, lieber LeserU Eis pro Tag kann eine kleine Familie im heissesten Sommer ungefähr durchkommen. So lange die Hitze nicht groß ist, reichen 5 Cents. Und in diesem Jahre wird seit Anfang Mai für 5 Cents überhauYt nicht verkauft. Der italienische Kleinhändler gibt willig zu, daß ihm am 10-Centsgtück noch ein Nutzen von ca. 8 Cents bleibt, steht a er dermaßen in der Gewalt des Eistrusts, daß er, der sonst gern für ein paar Cents jede mögliche Arbeit tut, dem mächtigen! Gebiete-: folgt und nicht unter 10 Ceuts verkauft Das Publikum ist machtlos. Die ärmere Hangmutter würde ja noch herzlich froh sein, wenn das« biCentss ftückchen auch noch so winzig klein ware, aber 10 Cents ausgeben zu müssen, um.Babys Milch und» das Fleisch nnd die Butter für die ,Großen vor4 dem Verderben zu schützen, um einen Schluck des ionit ungenießbaren Wassers zu kühlen, iü sozusagen »etwas reichlich-c Jst gar Krankheit im Hause. so sift die Ausgabe schier unerschwinglich. ! Man braucht kein prinzipieller Trustverdammer zu sein, um dieses Gebaren der Eisgesellschast ver brecherisch brutal zu finden, um so mehr, da die Ent schuldigung knapper Eisernte eitel Rederei ist. SiimtlichesEiö, mit kaum nennenswerter Ausnahme wenighstens für den Hauskonsum, ist Kuiisteis. Ein wirtsk astlicher Zwang, den Tonnennreis von 272 ans 6 Dollars zu schraube-i, liegt absolut nicht vor. Das Tollste dabei ist, dasz es den wenigen ,unabbängigen« Eisproduzenten nicht im Traume einfällt, den Trust zu unterbieten. Denen ist es im Gegenteil willkom men, wenn die Preise gesteigert werden, und sie steigern wacker mit. Das Publikum hat zu bluten. Selbst der Versuch, Eis z. B. von Ncusundland zu importieren, würde, wenn er nicht von millionen reicheu Kapitalisten aus Menschenfreundlichkeit ge macht wird, scheitern. Der Trust wiirde entweder verhindern, daß Dampser zur Verfügung stehen, oder ankommende Ladungen zu solchen Preisen auf kausen, die jeder Kaufmann mit Vergnügen lieber annähme, als daß er sich mit dem Verkause so leicht »verderblicher« Ware selber mühte. Und Menschen xreunde - Carnegie stistetßibliotbeken nnd ~Heldeno nds«, Rockeseller ründet Bibelschulen nnd Nathan Strauß hat nnr pafteurisierte Milch im Kons, womit übrigens seine wirklich segendreiche Arbeit nicht herabgesetzt werden soll. Auch die Eismisere trisst die »kleinen Leute« am Iriestem und jetzt kommt noch die Brotmisere hinzu. ie Bäckergesellen streiken. Der Väckerstreik hat just noch gefehlt, nachdem das Steigen der Weizenpreise Ebon ohnehin eine· Verkleinerung der Brote und rböhung der Preise zur Folge hatte. Wenn aber nun infolge eingeschränkten Betriebs einzelne Brot sorten von til-z aus 4 Cents (von 10 auf 16 Pfennige) und darüber per Pfund gestiegen sind, so kann sich die deutsche Ha ssran eben o wie der Hausherr ein Bild davon maäem was das beißt. Und während die Zeitnn en zwts en ihren Berichten über kom mende ASWleeritiiF von dem gegenwärtigen Notstand. von rbeitdlosigkeit nnd Hunger schreiben, treten streikende Bäckergesellen und ihre guten Freunde Wagenladungen von Brot in den Kot, wcäl - kein Unionetikett aig der Ware ist. Und dann beklagt sich dick Gesells ast über die Vrutalität der Polizei, die a erdingg von ihren Kniippeln aud gieblgsien Gebrauch gemacht bat. · ( « von Mir-. i Lindaus steszgster Geburtstag. Von unterm Berliner R.—W.-Mitatbeiter. Pmtl Liudaus fiebzigster Geburtstag brachte dem Gcfcierten gestern zahlreiche Ehrungen. Fu seiner Wohnung ruhte die Klingel kaum einen ugeublich und in ungezählter Fülle häuften sich Kranz- und Blumenfpenbem kostbare Kunstgegenstände, De pcschen, Glückwunschschreiben und Adressetr. Zu den ersten, die telegraphifch gratulierten, gehörte der Herzog von Meiningen. l Jm Laufe des Vormittags erschien im Lindaus Ischen Hause alles, was zum literarischen und künstle ’rischen Berlin gehört, und ebenso stellten sich viele Wvon auswärts zu dein Tage herbeigeetlte Freunde des Jttbilars, darunter auch Generalintendant Graf IS eeb ach aus Dresden, ein. Um Z Uhr nachmittags fand eine kleine stimmungsvolle Feier statt, an deren Beginn Professor Alfr e d Klaar namens des Festkomitees mit herzlichen Worten ein prachtvolles Album überreichte- Auf zweihundert, von Emma Raupp mit künstlerischer Umrahmung geschmückten Blättern haben hier Männer und Frauen dedGeiftcs und der Wissenschaft. Lindau in Vers und Prolo. in Wort und Bild und Roten ihre Huldigung dar gebracht Man findet in diesem silbum Beiträge des erzogs von Meiuingen, des Fürsten Bitlow, Ger hart Hauptmann-L Sudermanns, Philippid, Blumen thals, Wilbrandts u.a.nr. Der Kaiser ließ dem Akt-bi lar durch den Generalintendanten Grasen Hii sen- Haeseler sein Bild im Goldrahmen mit der Krone und der eigenhändigen Widmung: »Mit herzlicheu Gliickivünschen zum 3. Juni. Wilhelm.« übermittelte Von der sonst zum 70. Geburtstag von Schriftstellers in Preußen üblicheu Verleihung des Profåskorenx titels war aus Lindaug dringenden Wunsch stand genommen worden, da Lindau mit Recht meint, dieser Titel stehe ihm nicht zu Gesicht. Die Feier war durch den vollendeten Vortrag eines Schumann schen Quintettö eingeleitet worden, an dessen Aus führung u. a. die Professoren Alsred und Heinrich Grunseld und Dessau beteiligt waren. Gesang Lill Lehmannd schloß den Akt. Am Abend versammelte einFestmahl tm Miser hos-« die Getreuen um Lindau. Eine interessante Gesellschaft hatte sich eingetxundem Man sah u. a. die Generalintendanten Gr HülfensHaeselerißerlim Graf SeebagzDredden und Dr. v. MWnbetkrs Wiedbadety.» ««se««at— Dr. »Paul .Schlenther«» ein« « n;
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