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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 22.04.1903
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1903-04-22
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19030422013
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1903042201
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1903042201
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Bemerkung
- S. 2926-2927 fehlen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1903
- Monat1903-04
- Tag1903-04-22
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Morgen-Ausgabe -8.P.ILM 1S8MZ. Druck und Verlag von E. Pol> i» Leipzig. Ltt«». 97. Jahrgang. Mittwoch den 22. April 1903. Sir. 201 XU01.3SL r.vL?:— 8L zu ab: als ri«» HbZiO «.v. »v. «.o. »v. K Srtra Beilagen (gesalzt), uur mit ser Morgen-Ausgabe, ohne Postbeförderun^ «0.—, mit Postbesörderung 70.—. Etiketten streiligkeitrn in Washington. Ir. Etwas Gutes scheinen die festgeprägten Formen euro päischer Hofettkette doch zu haben, den Beweis hierfür liefert uns — nicht erst jetzt — Washington, aus dem so ziemlich jedes Jahr Nachrichten über Berstimmungcn kommen, welche den Mangel eines genau ausgearbeiteten Kodex -er Ttikettenvorschrtften zur Ursache haben. Lange genug hat man sich darüber gestritten, wie die Damen der Staatssekretäre, der „amtlichen Familie" des Präsidenten, unter einander rangieren sollen. Dann wurde diese schwie rige Frage durch einige Botschaftsdamen kompliziert, die sich durch die mit Mühe und Not zu stände gekommene Rangordnung nicht genügend berücksichtigt fanden, »nd jetzt haben wir als Neuestes Etikettenintrigen, welche von -en Damen der gleichen — bedauerlicherweise der deut schen— Botschaft gegen einander gesponnen nmrden. Während die Rangstreitigkeiten der amerikanischen Mi nistergattinnen eine rein amerikanische Angelegenheit sind, hat die Frage, ob diese Ministergattinnen den Frauen -er Botschafter, oder diese ihnen zuerst ihre Aufwartung machen sollen, schon so viel böses Blut gemacht, daß Prä- sident Rooseveltsich schließlich veranlaßt sah, diese An gelegenheit durch ein Machtwort zu entscheiden, indem er dekretierte: die Damen der Staatssekretäre haben die Botschaftsdamen zuerst zu besuchen. Damit schien ein auch politisch nicht ganz ungefährlicher KonfliktSstoff aus der Welt geschafft; denn eS ist Tatsache und von den in Washington akkreditierten Diplomaten vielfach peinlich empfunden worden, baß die Amerikanerinnen geradezu et was darin suchen, die Gemahlinnen der Botschafter und der Gesandten -urch ihr Auftreten zu verletzen, während an- -erseits auch die Vertreter -es diplomatischen Korps selbst begrtindete Veranlassung hatten, sich über Zurücksetzungen usw. bet offiziellen Empfängen zu beklagen, wo einige Senatoren aus dem Westen sich eine Freude daraus machten, die auswärtigen Diplomaten „an die Wand zu drücken". Der amerikanische Takt scheint dabei völlig zu versagen, und sogar ein so ruhiger Mann, wie Lord Pauncefote erklärte einmal, die Art, wie man im Weißen Hause von vordringlichen Elementen beiseite ge stoßen werde, könne auch dem Bescheidensten das Blut in Wallung bringen. Für die Anmaßung der Damen aus der Gesellschaft der „Vierhundert" kann endlich als charakteristisches Bei spiel die Unverschämtheit jener Mrs. Vanderbilt dienen, über die gelegentlich des Aufenthaltes des PrinzenHeinrichin Amerika viel gesprochen wurde. Prinz Heinrich kannte von Kiel her die sogenannte „arme Mrs. Vanderbilt" — arm nur insofern, als sie einige Millionen weniger hat als ihre Schwägerin —, inachte ihr einen Besuch, über den die Presse berichtete, und die „reiche" Mrs. Vanderbilt erließ darauf eine Erklärung des Inhalts, aus den Berichten der Blätter könne ent nommen werben, daß Prinz Heinrich bei ihr gespeist habe, das sei aber falsch, da cs, um bei ihr zu dinieren, einer Einführung von besonderer Seite auch für den Bruder des deutschen Kaisers bedürfe. Bemerkens- wert ist, daß diese Erklärung von den Damen der „Vier hundert" nicht etwa belächelt, sondern als Zeichen republi kanischen Stolzes viel gerühmt wurde und bei vielen Damen den Wunsch der Nachahmung erweckte. Eine Amerikanerin ist nun auch die Gemahlin des deutschen Botschafters Speck v. Stern bürg, und daß etwas von dem Geiste der „Vierhundert" in ihr lebt, be weist der neueste Etikettenkonsltkt in Washington. Die Baronin v. Sternburg verlangte, daß die Gattinnen der übrigen diplomatischen Vertreter ihr zuerst Besuch machten, waS diese aber nicht taten, sodaß die Baronin für daS diplomatische Korps in Washington einfach nicht vor handen war. Das Verlangen der Gemahlin des deutschen Botschafters entsprach an sich dem Gewohnheitsrechte; dieses Gewohnheitsrecht war aber in jüngster Zeit insofern durchbrochen worden, als die Gemahlin -es englischen Botschafters Herbert, gleichfalls eine Amerikanerin, den anderen Botschaftsüamen zuerst ihre Aufwartung ge macht hatte. Danach empfand man die Haltung der Ge mahlin deS deutschen Botschafters als unberechtigten Stolz, den speziell Lady Herbert — und diese mit einiger Be gründung — sich nicht gefallen lassen wollte. Kompliziert wurde der Fall dadurch, daß auch die Damen des Per sonals der deutschen Botschaft, insbesondere die Gräfin Quadt, die neue Botschafterin nicht zuerst besuchen wollte, was immerhin sein Bedenkliches hatte, da es sich um die Gemahlin des direkten Vorgesetzten ihres Gatten handelte. Gras Quadt ist denn auch daraufhin abberufen worben und einige andere verheiratete Attaches werden ihm folgen müssen. An unterrichteter Stelle in Berlin versichert man, daß diese Abberufungen ohnehin beschlossene Sache gewesen und Lurch den Etiketten- konflikt nur beschleunigt worden seien. Wie -em auch fei: man Hai di« Empfindung, daß Frau von Haupt-Filiale Dresden: Marirostraße ÜL. Fernsprecher Amt l Str. 171S. Bezugs-Preis i» der -auptexpe-ittoa oder deren Ausgabe- stell« abgebolt: vierteljährlich ^tl 8.—, bei zwetmaltger täglicher Zustellung ins Hau« S.75. Durch die Post bezogen ftlr Deutsch- land u. Oesterreich vierteljährlich ^il 4.50, für die übrigen Länder laut ZettungspreiSlsstr. Redaktion vnd Erve-Mo»: IvhanniSgasse 8, Fernsprecher ISS «ad ÜLS. FUialeepedtttoue« r Alfred Hahn, Buchhandlg„ UaiversttätSstr.S, L Lösche, Katharinenstr. Ich «. KüatgSpl. 7. Sternburg in Washington mehr als „ stolze Ameri kanerin" denn alsGemahlinrinesdeutschen Diplomaten gehandelt habe und es jedenfalls schon mit Rücksicht aus ihren Gatten gegenüber den Damen der deutschen Botschaft nichtsoweit hätte kommen lassen dürfen. Den Frhrn. Speck v. sternburg trifft, wie an amtlicher Stelle versichert wird, keine schuld — ob man damit seiner eheherrlichen Autorität nicht ein etwas zweifelhaftes Zeugnis ausstellt? Jedenfalls aber hat der Botschafter die Veröffentlichung der Vorgänge nicht veranlaßt. Die künftigen Damen der deutschen Botschaft in Washington haben es nun allerdings einfacher, da sie zweifellos den ersten Besuch machen müssen; wie sich aber die Angelegenheit zwischen Frau v. Sternburg und den übrigen Botschaftergattinnen ordnen wird, bleibt abzu warten. Vielleicht erhält die stolze Dame „von oben" einen kleinen Wink, keine weiteren Schwierigkeiten zu bereiten. Jedenfalls wäre es aber, wie die geschilderten Vorgänge beweisen, sehr wünschenswert, daß nächstens auch Washington seinen Etikettenkoder erhielte. Vielleicht verschreibt man sich zur Ausarbeitung desselben irgend eine abgedankte Hofschranze aus dem „abgelebten Europa" und dieses ist dann für das aufstrebende Amerikanertum doch wenigstens von einigem Nutzen. Haupt-Filiale Lerlin: A«l vrmcker, Hrrzgl. Bayr. Hosbuchhandlg., Lützowstraße 10. Fernsprecher A»»: VI Nr. «LOS. l. ». ». ». ». in der Zentrale der Partei bat man aufgeatmet, daß die niedenheinischen Textilarbeiter nachzegeben haben und man so der Sorge überboben ist, für 22 000 volkewirischastlich so wenig kräftige Arbeiter zu sorgen. Die 6000 Arbeiter und Arbeiterinnen in Pirmasens notdürftig über Wasser zu hallen, ist augenblicklich für die Partei und die Gewerkschaft keine leichte Ausgabe; denn wenn auch Tausende in die Wablkasse fließen. Abertausende kostet die Agita tion. Der Vorstand des (sozialdemokratischen) Vereins deutscher Schuhmacher hat gestern einen scdr bombastischen Aufruf zu Gunsten der Pumasenser er lassen. ES sollen überall Geldsammlungen organisiert, üoerall Versammlungen arrangiert werden, in denen daS Vorgehen der Pirmasenser Schubfabrikanten den V rfammelten klar gemacht und diese zur Unterstützung der Pirmasenser Kollegen ausgefordert werden sollen. „Wir wollen den Pirmasenser Sckuhfabrikanlen, die unsere Oigauisation vernichten wollen, die wohlver diente Niederlage bereiten". Der Verein Deutscher Schuhmacher hat nur ein geringes Vermögen, c rca 72 000 braucht er mindestens in der Wove, um die Pirmasenser Kollegen genügend unterstützen zu lönnen. Eine solche Summe kann der sozialoemkratliche Verein der Schuhmacher höchstens in Worten ausbringen. Von den an deren Gcwerkichaflen ist nicht viel Hülfe zu erwarten, da sie durch kleinere Streiks und Aussperrungen mit sich selbst zu tun haben; die politische Sozialdemokratie kann zur Zeit während deS Wahlkampfes keinen Pfennig entbehren. Allein diesen Kampf gegen die Pirmasenser Schubfabrikanten auSzusechten, ist die sozialdemokratische Organnanon bei weitem nicht stark genug. Von den 6000 au«- g»sperrten Arbeitern und Arbeiterinnen sollen 4000 der sozialdemokratischen Organisation, 200 dem Hirfch-Dui ckerschen Gewerlveieine und 1000 dem „Ebristlichen Schuomacher- Verbände" angehören. Diese letzteren werden durch den TerroriSniu« nicht zusammengehalien; das Ende des Kampfe« fleht also fest. Die Herren Agitatoren fühlen ras auch; unau«- gesetzt betonen sie, der 16. Ium werde die Aniwort geben, man solle „die Niederknütielung und Veriklavuvg des Prole tariats" zur Wahlparole erheben. Die Agitatoren veigessen ganz uud gar, baß der dreiste Uebermut der jozialdeuiokra- lifchett Organisation einzig und allein die Ausiperiungea hervorgerufen Hal; wollten die yabntamen Herren im eigenen Haufe bleiben, fo konnten sie sich nicht weiter auf der Nase heruintanzeu lassen. lH Berlin, 21. April. (DieStraßburgerkatho- lrsche Fakultät alsZan kapsel für die Kle rikalen.) Daß Schweigen nicht immer Gold ist, muß die klerikale „Köln. Volksztg." bei ihrer Ausein andersetzung mit dem „Elsässischen Volksboten" über die Straßburger katholische Fakultät er fahren. Die sakultütefreundlick-e „Köln. Volksztg." hat bekanntlich die Frage gestellt, ob es logische Konsequenz sei, erst die Fakultät zu bekämpfen und dann an ihr Professor werden zu wollen, was tatsächlich vvrgekommen sei. Die letztere Behauptung bezeichnete der „E.säinjche Volksbote" als eine „gemeine, tendenziöse Verleumdung" und nannte ihren Urheber ein „niederträchtiges Subjekt" für den Fall, daß das rheinische Zentrumsblatt nicht binnen acht Lagen durch die Nennung von Namen Beweise für seine Be hauptung erbrächte. Namen zu nennen aber lehnt jetzt die „Köln. Volksztg." ab, worauf der „Elsässische Volks bote" einfach erklärt, daß er seine oben wtedergegebene Eharakteristtk aufrecht erhalte. Unter politisch einander nahestehenden Blättern ist ein derartiger Verkehr nicht üblich, selbst unter gegnerischen Organen bildet er die Ausnahme. Man muß daher doppelt gespannt daraus sein, ob die ,„Köln. Volksztg." die obige Charakterisierung durch das Straßburger Blatt rubia cinstcckt oder nicht. * Berlin, 21. April. (Ein wichtiges kleri kales Selbstbekenntnis.) Ein hübsches Bild von der klerikalen politischen Agitation im religiösen Ge wände, wie sic bei uns in Deutschland das Zentrum be treibt, gibt der römische „Lsscrvatore Eattolico" in seiner Nummer vom 10. April. Nach dem „Osscrvatore" müßte die Haltung der deutschen Katholiken den Glaubens genossen auf der ganzen Welt als Muster dienen, da sie erreicht hätten, daß selbst der Kaiser dem Zentrum offen seine Sympathien bezeuge, oder, wie es eigentlich im Sinne des Blattes heißen sollte, bezeugen müsse. Das Zentrum ist eben nach dem ultramontanen Blatt „die Seele aller katholischen Vereinigung". „Das Zentrum hat es fertig gebracht, seinen Geist allen Schichten der Gesellschaft einzuflößen. Es hat die Univer sitätsstudenten nicht weniger diszipliniert (sic!) als die jungen Arbeiter oder die Landbevölkerung Obschon diese einzelnen Kategorien von Vereinigungen besondere Ziele haben, so sind sie doch alle gerichtet auf die Apo logie des religiösen und politischen (siel) Katholizismus. Da hinter jeder religösen Frage immer eine politische steckt, müssen sich diese Vereinigungen mit der Politik befassen und demgemäß ihre Mitglieder er ziehen. Um ihrem Zweck gerecht zu werden, mutz jede dieser Vereinigungen, welcher Art sie auch immer sein mag, die katho lische Presse (lies ZentrumSpresie) fördern und deren Macht kreis durch eine kluge und aktive Propaganda zu vergrößern suchen." . . . „Man hat auch einen Mobilisationsplan dieser so verschiedenen und zahlreichen Kräfte aufgestellt. Der Plan für die Schlacht ist selbst bis in die Einzelheiten geregelt. Der Gcneralstab hat klare und bestimmte Befehl« erlassen und den Häuptern der einzelnen Vereinigungen liegt nichts andere- ob, als diese auszuführen." Es ist vorauszusehen, daß diese Schwatzhaftigkeit den Zentrumsorganen in Deutschland nicht gerade sehr ge legen kommen wird. Erst vor wenigen Wochen haben diese Blätter wüsten Lärm geschlagen, weil am Rhein die Behörden den sogenannten martanischen Kongrega tionen für Gymnasiasten entgegentraten. Wer wirb jetzt der Regierung noch einen Borwurf daraus zu machen wagen, wenn daS von Rampolla so hochgeschätzte Organ selbst erklärt, Laß „Liese Vereine, welcher Art t.0 uv. l.0. i.0. i.o. Ot») i. o. i.o. l.0. m.Op.88 w-LpLö t.0. t.0. 1.0. r. L L L L s. L L r. L t.0. i.v. t.0. i.0. t.0. Ännahmeschlub für Anzeigen: Ab «ad-Ausgabe: Vormittags 10 Uhr. Morgeu-AuSgabe: Nachmittag« 4 Uhr. Anzeigen sind stet« an die Expedition zu Achten. Die Expedition ist wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 bi« abend- 7 Uhr. Aber das ist nicht das Einzige. Am 7. Mai 1875 stand im preußischen Abgeordneten hause der Entwurf des Gesetzes über die Orden und vrdensähnlichen Kongregationen zur Debatte. In seiner Begründungsrede des Entwurfes führte der Kul tusminister Vr. Falk zum Beweise für die propagan distische Tätigkeit der katholischen Ordensgemeinschaften u. a. auch den Ausspruch von Buß in breiter Ausführlich keit nach der Schrift von Wolfgang Menzel „Die Geschichte der neuesten Iesuitenumtriebe in Deutschland" an. Nach den« Kultusminister nahmen an der Debatte, in der es hoch und heiß herging, die Koryphäen des Zentrums S ch o r l e m c r - A l st, W i n d t h v rst, Dr. Franz re. teil, ein Widerspruch gegen das Eitat des Kultus ministers erfolgte jedoch n i ch t. Buh lebte damals noch, er starb erst im Jahre 1878; ja, er war Mitglied des Deutschen Reichstages und vielleicht selbst in Berlin an wesend. Die Debatte über das Ordensgesey nahm mehrere Lage in Anspruch; der Präsident des ersten deutschen Katholikentages und Mitglied des Frankfurter Parlaments, der 1851 den klassischen Ausspruch getan hatte, blieb als Mitglied des deutschen Reichstages stumm. Vielleicht sieht sich die „Köln. Volksztg." hiernach veran laßt, ihr Urteil über das ,^rntijesuitische Mätzchen" über Buß einer Revision zu unterziehen. „Die HohenMcrn unschädlich machen." Ueber die Geschichte dieses berühmten Wortes schreibt ein Theologe der „Bofsischen Zeitung": lAegenüber der antiultramontanen Bewegung, die infolge der vom Reichskanzler in Aussicht gestellten Aufhebung des 8 2 deS Jcsnitcngesetzcs weite Kreise der protestantischen Bevölkerung ergriffen hat, ist die Zen- trumsprcsse eifrig bemüht, den Jesuitenorden und die mit ihm zusannnenhängcnden extrem ultramontanen Be- strebuttgen als äußerst harmlos und ungefährlich er scheinen zu lassen. Mit besonderem Geschick unterzieht sich dieser Ausgabe ein Artikel in der „Köln. Volksztg." unter der charakteristischen Spiymarke „Antiiesuitische Mätz chen". Die piöee cle rösistance der „antijesuitischen Mätz chen" bildet dort ein Ausspruch des ultramontanen Agi tators und Präsidenten des ersten deutschen Katholiken tages, Les badischen Hofratesund Universitäts professors v. Buß, über die Ziele und Zwecke der katholischen Propaganda in Norddeutschland. Die „Köln. Volksztg." wirft den Ausspruch t>un8 t'a?c>u zu den „dicksten abgedroschenen Lügen", mit denen „täglich un- wissende Massen fanatisiert werden". Die Sache hat also, abgesehen davon, daß der Ausspruch des ehemaligen Frei burger Universitätsprofessvrs die präziseste und prägnan teste Formulierung der Methode darstellt, wie die katho lische Propaganda unter Andersgläubigen verbreitet wird, schon wegen dieser Polemik des gewiegtesten ultra montanen Blattes ein besonderes Interesse. Der Buß zugcschriebene Ausspruch lautet nach der „Kölnischen Volkszeitung": „Die Kirche rastet nicht! Mit den Mauerbrechern der Kirche werden wir diese Burg des Protestantismus langsam abbröckeln müssen. Mit einem Neye von katholischen Vereinen wer den wir den altprotestantischen Herd in Preußen von Osten nnd Westen umklammern, . . . den Protestantis mus erdrücken . . . und die Hohenzollern un schädlich mache n." Zwei Momente sind hier wegge- lassen, die gerade augenblicklich ein spezielles Interesse haben. Buß sagte auch, daß die Katholiken den Klammern für den altprotestantischen Herd in Preußen durch mög lichst viel c K löfte r Halt geben würden, ein Moment, das deswegen jetzt besonders interessant ist, weil der Kultusminister bei der letzten Beratung des Etats erklärt hat, es bestehe tatsächlich die Gesahr, daß Berlin von klöstcrlickien Niederlassungen förmlich umstellt werde, wenn die Regierung deren Ausbreitung nicht überwachen würde. Außerdem bemerkte Buß, daß die Katholiken die in den norddeutschen Distrikten zerstreuten Katholiken sammeln und sie mit Geld unterstützen würden, „damit sie Pioniere nach vorwärts werden", ein Beweis für die propagandistischen Bestrebungen der Ultramontanen. Die „Kölnische Volkszeitung" gibt nun diesem Ausspruche von Buß die Erklärung „Schon vor Jahren ist dieser Ausspruch eine haltlose Fälschung bezeichnet worden. Darauf erließ Herr Brecht, damals noch Redakteur der Kirchl. Korrespondenz dcs EvangelischenBundes, in diesem Blatte im März 1901 einen Aufruf." Folgt der Wortlaut des Auf rufs, in dem Brecht alle Freunde Les Bundes bittet, ihm in der Auffindung der Quelle des Ausspruches behülfltch zu sein. Dann fährt die ,Aöln. Volksztg." fort: „So lautet der Notschrei deS Herrn Brecht. Nicht nur protestantische, sondern auch katholische Blätter druckten ihn ab, um zum Suchen anzuspornen. Aber keiner wußte einen bessern Quellenbeleg, als liberale Zeitungen der 70cr Jahre." Nun, die Quelle ist jüngst wieder entdeckt worden, nach- dem sic anscheinend längere Zeit verschüttet war. In der kürzlich erschienenen dritten Lieferung des „Protest. Taschenb.", das im Auftrage des Vorstandes des Evangelischen Bunde« von Pastor lüo. Kohl sch midt in Magdeburg herausgegeben wird, wird mitgeteilt, daß die «eußernng des Herrn v. Buß nicht in einer seiner Schriften vorkommt, wie man bisher angenommen hatte, sondern im Jahre 1851 in einem Kolleg getan worden ist und daß ein Hörer des Professors, der spätere Land- gerichtSrat Beck in Offenburg, sie zuerst in der Wiener „N. Fr. Pr." im Juni 1872 veröffentlicht bat. Weber von Buß selbst, noch von anderer ultramontaner Seite ist da mals gegen die Angabe de» Lanbgericht»ratS Beck Wider spruch erhoben worden. »0. . »0. »Loa«,r.o. LL Arrzeigeri'Preis die 6gespaltene Petitzeile 25 H. Reklamen unter dem Redaktion-sttich (4 gespalten) 75 H, vor den Famillennach- richten (6 gespalten) 50 H. Tabellarischer und Ziffernsay entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisungen und Ofstrtenamiohnle LL H (excl. Porto). Deutsches Reich. Berlin, 21. April. (Klerikal-agrarisch- ko ns ervative Hetzereien gegen den ge mäßigten Liberalismus.) Man schreibt uns: Das bekannte klerikal-agrarische Organ, die „Rheinische Volksstimme", das führende bayerische Zentrumsvrgan, der „Bayerische Kurier", und das führende preußische konservative Organ, die „Kreuzzeitung", finden sich zu dem löblichen Tur, zusammen, gegen den Liberalismus, besonders in seiner gemäßigten Schattierung, zu Heyen. Tas rh-inische Blatt nimmt zum Zlujgb seiner frivolen Hetzerei den Umstand, daß Generaldirektor Bassin, Herr Wörmann, Herr Bohlen und andere Vertreter der Ham burger E)roßschissahrt eine Kandidatur zum Reichstage angeblich nicht angenommen haben. Das Blatt schreibt: „Die Sozialdemokraten mögen ruhig für das Hamburger Großhandelsgeschäft die Arbeit im Reichstage verrichten; die Bassin und Genossen haben ja ihre Sersportvereine, in denen man auf die maßgebenden Kreise weit besser ein wirken kann, als im Reichstage." Wir übergehen die in dem letzten Satze liegende Stichelei gegen den Kaiser und geben nur der Ansicht Ausdruck, daß, wenn man sich die seitens der Herren Ballin, Wörmann usw. erfolgte Ablehnung eines Mandats ohne Gehässigkeit erklären will, es wohl ziemlich nahe liegt, anzunehmen, daß diese Herren mit der Leitung ihrer außerordentlich großen und komplizierten Unternehmungen viel zu sehr beschäf tigt sind, um die Hälfte des Jahres über im Reichstage zubringen zu können. Die Unterstellung, daß das Ham burger Großhandelsgeschäft durch die Sozialdemokraten seine Interessen vertreten ließe, widerlegt sich wohl am besten dadurch, daß bekanntlich gelegentlich des berühmt gewordenen großen Hamburger Streiks der Hamburger Großhandel und insonderheit die Großschiffahrt von der Sozialdemokratie im Reichstage in geradezu fanatischer Weise angegriffen wurden. In der Bemühung, sozu sagen verwandtschaftliche Beziehungen zwischen Groß kapitalismus und Sozialdemokratie herzustellen, treffen die drei oben erwähnten Organe zusammen; wie die „Rheinische Volksstimme" die Herren Ballin und Ge nossen verdächtigt, so stürzen sich der „Bayerische Kurier" und die „Kreuzzeitung" auf den „großen Unbekannten", der 80 000 für Wahlzwecke der Sozialdemokratie gc- stiftet hat. Selbst wenn wirklich ein reicher L>nn der Sozialdemokratie diesen Betrag zur Verfügung ^stellt haben sollte, so kann man daraus ebensowenig enge Be- zichungen zwischen der Sozialdemokratie und dem Groß- kapitalismus konstruieren, wie man aus dem Umstande, daß cs sozialdemokratische Großgrund besitzer gibt, folgern kann, daß der Großgrundbesitz sich zu der Sozialdemokratie verwandtschaftlich hin gezogen fühle. Für die letztere Folgerung böte ja aller dings die Drohung eines der „Kreuzzeitung" in seinen Gesinnungen nahestehenden Mannes, daß man, wenn die Forderungen der Landwirtschaft nicht erfüllt würden, zur Sozialdemokratie übergehen würde, einen gewissen An halt; von dem Großkapital hat man derartige Drohungen bisher noch nicht vernommen. Auch die ^kreuzzeitung" selbst fühlt sich zur Sozialdemokratie verwandtschaftlich hingezogen — wenigstens soweit eS sich um die Be schimpfung des gemäßigten Liberalismus handelt. Stimmt sie doch der Bezeichnung der Nationalliberalen als „knochenloser politischer Quallen" wohlgefällig mit den Worten zu: „Ist daran auch nur ein Wort übertrieben?" Und baß sie im übrigen im Schimpfen eigentlich keine Anleihe bei der Sozialdemokratie aufznnehmen brauchte, weil sic über reichliche eigene Bestände verfügt, beweist sie in demselben Artikel, indem sie behauptet, bei der nationalliberalen Partei sei niemand mehr da, der Ansehen genug besitze, um die losgelassencn Hunde zurückzupfetfen und die blindwütigen Schreier zur Ordnung zu rufen. Angesichts dieser idealen Seelenharmonic zwischen norddeutschem klerikalen Agrariertum, dem führenden preußischen konservativen Organ und dem bayerischen KlerikaliSmuS wird wohl niemand mehr von einer kon- servativ-nationalliberalcn Allianz gegen da» Zentrum in Preußen zu reden wagen. Sollten an dem einen oder anderen Orte, beispielsweise in Bayern, Konservative und Nationalliberale gegen daS Zentrum zusammen- gehen, so attestieren wir der „Kreuzzeitung" die völlige Unschuld an dieser Verbindung mit den „knochenlosen Quallen". L kl. Berlin, 2l. April. (Die Sozialdemokratie und dir AuSsverrun arn.) Die Massenau-sperrungen der Arbritrr liegen der Sozialdemokratie sctwer im Magen; birr Io» Uor» »0. »0. »0. »o. »o. »rr »v. 0.V. »o. I. 0. n L U a. »o. <4 . MipMrl TssgMssü Anzeiger. Amtsblatt des Königlichen Land- und des Königlichen Amtsgerichtes Leipzig, des Nates und des Nokizeiamtes der Ltadt Leipzig.
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