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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 12.04.1894
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1894-04-12
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18940412022
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1894041202
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1894041202
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1894
- Monat1894-04
- Tag1894-04-12
- Monat1894-04
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Reklamen unter de« Redactionsstrich lt>« spalten) vor den gamiliennachrichte» (6 gespalten) 40 Gröbere Schrillen laut unserem Preis verzeichnis Tabellarischer und Ziffervfatz nach höherem Tarif. extra-vrilagrn (gesalzt), n«r mit der Morgen-Ausgabe , ob ne Postbesärderuug ^4 60.—. mit Postdesorderung ^l 70.—. Annaffmeschlllb für Anzeige«: Adend-Ausgade: Bormittag- 10 Uhr. Marge n-Ausgabe: Nachmittag« 4 Uhr. Sonn- und Festtags früh VF Uhr. Bet den Filialen und Ännabinestellr» j« ei« halbe Stund« früher. U»»et>e» sind stet» an die Expeditia» zu richten. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. 88. Jahrgang. politische Tagesschall. * Leipzig. 12. April. Nach den jetzt getroffenen Anordnungen wird der Reichs tag in seiner fetzigen Session von größeren Borlagen un erledigt liegen lassen: die Tabak- und die Weinsteuer, scwie den Fiuanzrcsormplan, den Gesetzentwurf, be treffend die Bekämpfung gemeingesährlicker Krank beil cn, der schon die vorige Legislaturperiode obne Er- gebiiiß beschäftigt bat und in dieser Session nicht einmal zur ersten Lesung gekommen ist, den Bericht der Börsen- untersuchungScommission. Bevor er aber seine wenig liibmliche Thäligkeit bis zum Herbste schließt, wird der Reichstag der Welt noch das erbauliche Schauspiel der Spaltung seiner beiden größten Fraktionen geben. Schon morgen bei der Berathung des vom Grasen Canitz eingedruckten Gesetzentwurfs ans Monopoli- siruug des Geschäfts mit ausländischem Getreide für das Reich wird sich zeigen, daß der so lange übertünchle Riß, der durch die Reihen der Vrutschronser- »ativen Fraction geht, im Stillen sich zur unüberbrück bare» Kluft erweitert hat. Bei welcher Gelegenheit die Zerspaltung de« Zentrums zu Tage treten und ob sie sich durch die MandatSniederlegung des bisherigen Führers I>r. Lieber auch äußerlich dorumentiren wird, laßt sich noch nicht mit Bestimmtheit sagen. Jedenfalls be sieht schon jetzt da« Eentrum nur noch dem Ramen nach als Fraktion. Wir habe» bereits im Morgenblatte den Brief des -Herrn I)r. Lieber mitgetheilt, in dem er sagt, er wolle politisch »erben. Heute lauten die Nachrichten darüber, ob er seinen Entschluß ausgeführt oder nicht, widersprechend; im Reichs lage und im preußischen Abgeordnetenhause ist von seiner MandatSniederlegung noch nicktS bekannt. Auf alle Fälle aber i» Herr llr. Lieber ein politisch todlcr Mann, auch wenn er seine parlamentarische Thäligkeit noch einige Zeit fortsührt, und mit seinem politische» Tode erlöscht auch der so lange sorgfältig gewahrte Schein der Einheit der Ecntrumspartei. AlS demokratische Partei des nackten unfruchtbaren Wider- irruebs zeigte sich das Eentrum unter Führung des Herrn Lieber bei der Militairrewri» und bei den Steuervorlagen; al» rr bei den Handelsverträgen, Rom und Fulda zu Liebe, den Beweis liefern wollte, daß das Eentrum nicht eine Partei dcS unfrucblbaren Widerspruchs sei, hob sie sich durch Trennung in gleiche Hälften vollständig felbst auf. Es zeigt sich eben aufs Klarste, daß der positiv-conservativc und der negativ demokratische Tbeil des Eentrums in allen Fragen, die nicht besondere katholisch-kirchliche Interessen berühre», nicht mehr zusammen wirken können, llr. Lieber mit seinen schwachen Händen, seiner mäßigen Begabung und seinen demokratischen Neigungen war am wenigsten geeignet, die große Erbschaft Windthorst's in der Leitung einer so mächtigen und dabei mit so schwierigen Verhältnissen kämpfenden Partei anzu- tretcn. Sein Rücktritt an sich ist kein sonderlicher Bcrlust lnr das Eentrum. „Ein Mann über Bord!" Aber die Umstände, unter denen er zu den Todten fällt, beweisen, laß da» einst so mächtige Eentrum dem Zerfalle nicht ent gehen kann. Unsere gestrige Mahnung an die Gegner des Icsuiten- tbumS im Reichstage, am Montag zur Scklußabstimmung über den EcntrumSantrag aus Anshelmnn des Jrsuitongesetzes sich vollständig einzufinden, um zu verhüten, daß durch defini- liv« Annahme dieses Antrags die Reichsregierung in die Versuchung zur Anknüpfung von HandelSvcrtragSverhand- luogen mit dem Eentrum versetzt werde —. diese Mahnung erhält besonderen Nachdruck durch die folgende anscheinend officiöse Auslassung einer Berliner Correspondenz: „In CentrumSkreisen ist man sehr gespannt daraus, ob bei der dritten Berathung des Jesuitenanlrags im Reichstag eine entgegen- kommende Erklärung von Seilen der verbündeten Regierungen werde abgegeben werden. Man glaubt Grund zu der Annahme zu haben, daß ein Theil der Regierungen geneigt sein möchte, dem Anträge zuzustimmen, und daß selbst bis in di« Regionen der preußischen Regierung hinein die Meinung herrsche, man könne eine Modisicirung deS Gesetzes in dem Sinne eintreten lasse», daß es jedem Bundesstaat überlassen bleibe, es mit seiner Stellung Len Jesuiten gegenüber zu halten, wie er wolle." Es ist allerdings beinahe unglaublich, daß irgend eine deutsche und besonders die preußische Regierung ,n einem Zeit punkte, in dem das Eentrum in allen Fugen kracht, daran denken könnte, dieser Partei eine Concession geradezu an den Hals zu wersen und ibren Zerfall dadurch wenigsten» für einige Zeit auszubaltcn. Aber man ist ja nachgerade daran gewöhnt, auch das Unglaubliche für möglich zu halten, und bat daher im Reichstage alle Ursache, dem BundeSrathe die Frage fern zu halten, wie er sich zn einem ReichStagsbeschlufse auf Auf hebung des JesuitengesetzeS zu stellen habe. DaS Werk der internatianalrn LanitätScvntzentton zerfällt in zwei wesentlich von einander verschiedene Theile. Der eine Theil betrifft die Maßregeln, welche den Verkehr im Rothen und im Persischen Meere aus ein höheres gesundheitliche- Niveau heben sollen; der andere Theil will Vorsorge treffen, damit das von den in Paris versammelt gewesenen Hygieinikern aller Culturstaaten Beschlossene auch wirklich zur Ausführung gelange. Hier scheint, wie schon hcrvorgehoben wurde, die Hauptschwierigkeit de« Problems zu stecken. Denn so wenig an dem guten Willen aller Betheiligten gezweifelt werden soll, so ist cs doch andererseits notorisch, daß zahlreiche und nicht unwichtige Interessen sowohl privater als öffentlicher Natur durch die Eonserenzbeschlüsse in Mitleidenschaft gezogen werden. Aber cs ist dies nicht allein, vielmehr ist ein wesentliches Hinderniß auch darin zu erblicken, daß jede Aktion ini Orient bei den Mohamedanern leicht einen religiösen, bei den Europäern einen politischen Beigeschmack annimmt. Im vorliegenden Fall würde also bei den Maßregeln, welche als Garantie für die praktische Ausführung ihrer Beschlüsse seitens der Pariser internationalen Sanitätsconfrreuz in Aussicht genommen sinv, sorgfältig jede Erregung religiöser oder politischer Ver dachtsmomente umgangen werden müssen. DaS wird keines wegs immer eine leichte Sache sein, und seitens der mit Ueberwachung und Ordnung des sanitairen Dienstes betrauten Organe ein nicht gerade geringes Maß von geschäftlichem Tact und persönlicher Autorität erfordern. Und hierbei wird immer von der Voraussetzung ausgegangen, daß eS allen Be- tbeiligten ehrlich um Mitwirkung zur Schaffung besserer Ver hältnisse zu thun ist. Bei dem lockeren Zusammenhang der einzelnen Bcstanttheile dcS ottomanischen Reiches, bei der Entfernung der Schauplätze deS sanitairen Wirkens von der centralen Verwaltungsstelle in Konstantinopel aber, sowie bei der an geborenen Unlust dcS Orientalen zu Allem, was die Ent faltung eigener Initiative und Selbstständigkeit deS Handelns erfordert, erscheint cs keineswegs ausgeschlossen, daß die EonventionSabmachungen aus dem weiten Jnstanzenzuge, den sie bis zur Stätte ihrer praktischen Anwendung zu durch laufen haben, so mancherlei Hemmnissen und Abschwächungen begegnen, daß sie ihrer Ausgabe, wenn überhaupt, nur zum kleinsten Theile zu genügen im Stande sind. Bei aller An erkennung der Verdienste des Pariser Eonfercnzwcrkes an sich, wird man sonach eben doch gut thun, seine praktische Bedeutung vorerst nicht zu überschätzen. DieAuthenlicilät der Unterredung Gaston Calmetres vom „Figaro" mit König Humbert von Italien vorausgesetzt, kann man sagen, baß sic die gegenwärtige Politik dcö Dreibundes im Ganzen richtig widerspiegclt Diele Politik erstrebt als ihren vornehmsten Zweck die Sicherung deS Friedens, aber sie will noch mehr als das, sie möchte auch ein freundschaftliches oder vielmehr freundliches Verhällniß der verschiedenen Staaten zu einander an- babncn, sie möchte, daß diese Friedensliebe auch in den Beziebungen derjenigen Nationen zum offenen »nd nicht mißzudeutenden Ausdruck käme, die zwar naturgemäß zu einander in einem gewissen Gegensatz stehen. deren Iiitercffcnwiderstreit aber nur durch künstliche Mittel so zu gespitzt erscheint, daß zuweilen die Entscheidung der Waffen als einzige Lösung angerufcn wird; sie möchte, kurz gesagt, das Mißtrauen überwinden. Diese» zweite Ziel der Drcibundpolitik ist bis jetzt nicht überall erreicht worden. Es ist neuerdings infolge allseitizeu offenen Ent gcgenkommenS gelungen, solche Beziehungen zwischen den Drci- vundmächten und Rußland, der einen Stütze des sogenannten GegenbundeS, herzustellen, und auch da- Verhältnis Oester reich-UngarnS zu Frankreich ist mit Glück und Geschick im Rahmen dies«r Politik gehalten worden. Dagegen sind alle Annäherungsversuche, die Deutschland Frankreich gegenüber unternommen bat. so schroff zurückgcwicsen worden, daß darin klar zu Tage trat, wo das Hinderniß lag. diese auS- gleicheade Politik de- Dreibundes zu verallgemeinern Auch Italien bat bis jetzt vergeblich erstrebt, durch aufrichtige« Entgegenkommen feine Beziehungen zu Frankreich zu bessern, und cs war längst kein Geheimniß mehr, daß ihm bei diesem Streben das korrekte, Bitterkeiten fernhallende öster reichisch-französische Verbältniß als Vorbild diente. Ein weiterer Schritt auf diesem Wege ist das nicht ganz gewöhn- licke Verfahren, daß König Humbert sich unmittelbar an die öffentliche Meinung Frankreichs gewandt hat. Nun steht ja fest, daß die Franzosen mindestens ein ebenso große» Interesse an der Wiederaiiknüpsuna besserer Beziehungen zu Italien in handelspolitischer Hinsicht haben, wie umgekehrk die Italiener, wenn man in Frankreich auch noch weit ent fernt davon ist, sich dies allgemein einzugestchcn. König Humbert hat. um nicht den Schein zu erwecken, Laß Italien nur aus materiellen Beweggründen ein besseres Verhällniß mit seiner „älteren Schwester" anstrebc, diesen Punkt nur gestreift; dagegen hat er um so wirksamer die moralischen und politische» Momente hcrvorgehoben, die ein freundschaftliches Verhältnis beider Nationen begründen sollen: die StammcS- verwandtschaft, die BundeSgenossenschast aus Schlachtfeldern, die Friedensliebe Italiens und seiner Verbündeten. Alle diese Momente kann man nicht eindringlicher verwertben, als König Humbert e« gethan hat, und an maßgebender Stelle in Frankreich, wo man den großen Borthril einer handelspolitischen Annäherung beider Länder nicht verkennen dürfte, wird die offene loyale Aussprache und die treffende Eharakterisirung der alle Saat des Frieden», so oft sie auSgcstreut wird, ver dcrbcnden französischen Presse wohl verstanden uud gewürdigt werden; ja eS fehlt sogar nicht an Stimmen, die es für möglick kalten, daß von der französischen Regierung ein Wink bezüglich einer Beeinflussung der fast allmächtigen französischen Presse nach Rom ausgegangen sei. Wie dem auck sein mag, jedenfalls verdient die edle Absicht König Humbert'S alle AnerlcnnunA. Ob eS nun aber besonders klug war, um die iLympathicn Frankreich« für das in schweren Krisen nach Kraft und Gesundheit ringende Italic» zu werben, ist eine andere Frage. Als einer Zeit von Deutschland au» mit dem Besuch der Kaiserin Friedrick in Paris ein ähnlicher Versuch gemacht wurde, wies ibn die öffentliche Meinung in Frankreich schroff und voll Hob» zurück, und dieser Versuch ging von einem tarkcn, selbstbewußten Deutschland aus. Man hätte sich damals sagen sollen, daß der Haß der französischen Nation gegen den deutsche» Nachbar noch ebenso stark war, wie zur Zeit dcS Frankfurter Frieden«, der Elfaß Lothringen wieder mit Deutschland vereinigte. Frankreich wird Deutschland hassen, hassen bis zum Tod, bis wieder der Rhein die Grenze bildet. Fast gleich intensiv ist der Haß, den die französische Nation gegen die italienische Schwester im Busen hegt. Man kann sich in Paris nur ein Frank reich durchaus ergebenes Italien denken, weil, so sagt man. die Franzosen eS erst zur Nation gemacht habe». Deshalb, so arzumentirt man weiter, habe Italien sich ewig dankbar zu erweisen und zwar dadurch, daß es sich willenlos von Frank reich in« Schlepptau »ebmcn läßt und fick seine politischen Direktiven stets in Paris holt. Statt dessen hat dieses Italien von Frankreichs Gnaden mit dessen Todfeind sich verbunden und ist somit Schuld daran, daß Elsaß- Lothringen nicht in die Arme der trauernden „Mutte?' zurückkcbren kann. Diese „Undankbarkeit" vergißt man an der Seine Italien me, und so lange sic dauert, wird auch der unversöhnte Haß Frankreich- währen. DaS ist denn auch die Antwort, welche alle französischen Blätter einmüthig König Humbert geben. Hätte der König oder sein 8piritu« reetor, wo immer er fick auch befinde» mag, diese Antwort nicht bis auf den Wortlaut vorauSseben können? lieber die einige Tagemärsche von Timhuktu bei Dongol erfolgte Niedermeyelung der Eolonne de« französischen OberstlicutenantS Bonuicr wird jetzt in einer neuen Version berichtet, die sich aus Miltbeilungen stützt, welche der Bruder dcS gefallenen Befehlshabers, Major Bonnier, unlängst aus dem Sudan erkalten hat Danach wäre die zuerst verbreitete, amtlich bestätigte Angabe, der zufolge die ganze ErpedilionSeolonnc von den TuarcgS nächtlicher Weile rm Schlaf überfallen und uiedergrinacht sein sollte, voll ständig falsch. Oberst Bonnier — heißt es in dem neue» Bericht — befand sich aus einem RecognoSciruugS zug mit k',0 Mann und 1«» europäischen Officitren 36 Kilo meter nordwestlich von Timbuktu. Der llnterlieutenant Sarda war 5 Kitomcler rückwärts mit der Hut erbeuteter Heerde», einigen Gefangenen und Geiseln betraut; 5,0 Mann waren ihm biersür zur Verfügung gestellt worden. Am l2. Januar saßen der Oberstlieutcnant Bonnier und seine Osficierc um 5, llhr Morgens bewaffnet um ein Lagerfeuer, als von den Vorposten der Schüsse ertönten. Der Haupt mann Rigolte erhielt Befehl, mit einigen Mann nachzuseben, was sich vor dem Lager zutrage. Kaum hatte er die Außenlinie überschritten, als er mit seinen Soldaten von hcranstürmenden Rindern, Pserdcn und Kamcelcn, welche Tuareg- al- lebcndigen Wall vor sich bcrtricben, zu Boden geworfen wurde. Er selbst erhielt einen Säbelhieb über den Kops, konnte ab«r bis zu der Stelle kriechen, wo Sarda zurückgelassen worden war, während die Austürmende» über das Lager herficlen und nach kurzem Kamps Sieger blieben. Auf dicie Meldung wird von der Pariser Presse große« Gewicht gelegt, daß sie die anfänglich verbreitete Ansicht, daß Bonnier, die im Feindes land notbwendigen SicherheitSmaßregeln außer Acht gelassen habe, wenigstens znm Tbeil, widerlegt. Aber selbst wenn diese Version, waS aus mehrfache» Gerede» wenig wahr scheinlich ist, die richtige sein sollte, bliebe immer noch der ^euilletsir. Medca. Ein bürgerlicher Roman von Wilhelm Wolters. (Nachdruck verboten.) lbj (Fortsetzung.) XVI In wenig Wochen sollte Eläre mit Karl davonziebcn. Viel mußte in dieser kurzen Zeit besorgt werden, die Verwandten Karl'« besucht (nur ein paar, denn alle feine Geschwister waren in der Ferne verstreut), von den Freundinnen Abschied genommen werden. Der Unterricht wurde abgesagt, die Nachmittagsuntcrhaltungcu zwischen Paul und Anita hörten aus. Unruhig irrte Paul umher oder vergrub sich in seine Arbeiten. Der tägliche Gedankenaustausch mit dem Mädchen, in dessen Gesichte er so viele Züge der eigenen Sturm- und Drangzeil wiedcrerkannte, war ihm zn solch einem Bedürfnisse geworden, daß er eS kaum zu ertragen vermochte, ihn zu ent behren. Eine Lücke war in sein Leben gerissen, eine doppelte Lücke, und er wußte nicht, wie sie auSsüllen. Martha litt schwer unter der Stimmung deS geliebten Mannes, den jede Kleinigkeit ansbringen konnte, den der geringste Widerspruch reizte. Es ist der Schmerz um den Verlust der Schwester, dachte sie. O, wie gern hätte sie Jene ibm ganz ersetzt! „Hast Du die Rechnung für da- Kleid bezahlt?" fragte Paul eines Tage«. Martba wollte „nein" sagen, aber sie sagte „ja". Sie war bi« in ihre innerste Seele erschrocken über diefe« „ja", aber nun war'S heraus, nickt zurückzunehmen. „So gieb mit die Quittung!" „Die Quittung?" „Nun ja." „Gleich ..." Martha ging in ibr Zimmercken. Herr Gott im Himmel, wa« sollte sic thun? Ganz vergessen batte sie diese Rechnung, nicht mit einem einzigen Gedanken daran gedacht, in der Auf regung dieser Tage^. da« sortgenommenr Geld zu ersetzen, zurückzulegen, sie hätte eS ja auch nickt einmal gekonnt fo rasch. Daß Paul aber auck daraus kommen mußte! Daß rr ihr jede beimliche Freude störte! Sie holte die Rechnung an« der verschloffcuen Briefmappe heraus. Da, vor ibr au dem Schreibtische stand ihr kleine« silberbeschlagenes Tintenfaß, auch ein Geschenk Paul s, quer dahinter lag die Feder . . . Ihre Hand zuckte, als sie nach ihr griff, aber sie zog sie nickt zurück Erhalten, Friedrich Remberg", schrieb sie, wie sie e- oft auf solchen Rechnungen dieses Geschäfts gesehen. Mit der neuen, neu erlernten Handschrift schrieb sie eS, die Paul nickt kannte. Rasch, fast obne hinzublickcn . . . DaS ist nur eine Nothlllge, eine erlaubte Notblüge . . . Morgen, gleich morgen in aller Frühe wird sie sich das Geld von Eläre leihen und eS binschickcn, dann stimmt die Quittung . .. In ein paar Tagen brkoinmt sie von Paul wieder Taschengeld, dann ist die ganze Sache in Ordnung . . . e« ist so gut, als vb es wirklich schon bezahlt wäre . . . über ihr Taschen geld verlangt Paul keine Rechenschaft. .. von diesem Taschen geld hat sie die Stunden bezahlt und von dem andern da- Klcid, da« ist also ganz einerlei, aus welcher Easse sie eS ge nommen In der Stimmung, in welcher Paul sich jetzt befand, war eS ganz unmöglich, ihm die Wahrheit auScinander- zusctzen . . . „Hier." Sic gab Paul da« Blatt. „Gut." Er warf eS auf seinen Schreibtisch. Ein paar Tage vergingen, obne daß Martha Gelegenheit gesunden, Eläre um da- Geld zu bitten. ES wurde ibr unbehaglich zu Mulbc bei dem Gedanken daran. Wenn sic doch lieber Paul Alle- sagte, dachte sie, den ganzen Her gang erzählte! ES war ja doch weiter nichts. Aber nicht eine einzige trauliche, ruhige Minute war mehr von Paul zu bekommen. War er zu HauS, so arbeitete rr, und arbeitete er nick», so war er nicht zu HauS Bald in diesem, bald in jenem Vereine, bald mit dem Weiberbaffer Martini zusammen in veralten Iunggesellenkneipe,die« srüherganzvergessen zubaben schien. Gingen sie aber zusammen in eine dieser literarischen Gesellschaften, in denen Paul von Damen umringt wurde, so hatte er noch weniger Zeit für sie, weder vorder, wenn er sich zum Vorlesen irgend welcher interessanten Poesie vorbe reitete, noch nachher, wo er zu abgespannt war. Seit Cläre - Verlobung war er doppelt ruhelos. E» war am Tage vor einem dieser Abende bei Frau von Trstow, die sich bi« in den Sommer hinein fortsehten, al» Paul Anita auf der Straß« traf. Sein Auge leuchtete auf, als er ihren kleinen runden Hut erblickte, der ihm entgegenkam, und sein Herz klopfte. Ein süßes, bange«, freudige« Gefühl durckströmte ihn. ein lang- entbebrtc« und doch so vertraute« Gefühl, da« wundersame Beben", das ihn so oft als Jüngling durchschauert, wenn er von ferne — die Geliebte sab. „Wie lange habe ich Sie nicht reden gehört!" sagte er, ihr die Hand reichend. „Meinen Sie damit, daß ich zu viel rede ?" „O nein, ich weiß nur nicht, welche Sehnsucht größer war, die. Sie zu sehen oder Sie reden zu hören... vermissen Sie unsere Plauderstunden gar nicht?" „WaS dem Einen viel nimmt, bringt dem Andern nock mehr, da« sehe ick täglich von Neuem besser ein. ein Trost, den man sich in allen Lagen Vorbalten sollte." Er war umgekehrt, und sie gingen miteinander die Straße hinunter, aus deren beiden Seiten das frische Grün der Kastanirn- däume in der Sonne schimmerte „AuS Allen, lernen Sie, Sie sind zu beneiden." „Ach, eS scheint wirklich, als würde die Lehrzeit nie zu Ende gehen, und man muß noch dazu immer Angst haben, daß man die Lehren, welche uns das Leben täglich predigt, nicht recht begriffen hat." „Wenn man stet« nur das Beste zu tbun sucht, wie Sie, so wird man sicher nicht weit vom richtigen Wege wandern." „Wie gebt eS Ihrer Frau und Ihren, Kinde?" „Ich danke, gut .. Wissen Sie, daß morgen der Thec bei Frau von Teftow ist? „Ah... ja, richtig." „Sie werden doch deshalb nicht etwa wegblcibc», weil meine Schwester nicht bingeht?" „So? Geht sie nickt?" „Nein, sie ist mit ihren, Bräutigam bei einer von dessen Tanten eingeladen... Also Sie kommen?" „Ich weiß noch nickt." „O, Sie dürfen aus keinen Fall fehlen." „Lesen Sie wieder etwas vor?" „Ja, und etwas sehr Interessante«." „Nun?" „Eine russische Novelle, mebr kann ich nicht verrathen." „Nicht« von Ihnen selbst?" „Ich gebe lieber einem Andern da« Wort. aber einem Besseren Ich wäre untröstlich, wenn meine verständnißvollste Zuhörerin fahnenflüchtig würde." „Nun sollt' ich eS eigentlich wirklich werden, da eS scheinen könnte, als sei ich so eitel, Ibr Lob ernst zu nehmen." „Wenn Sie eS mir zu Liebe nicht tbun, so thun Sie e« in Ihrem eigenen Interesse, im Interesse Ihre« zukünftigen Schriftstellerveruf-. Der Dichter, den ich Ihnen vorführrn werde, verdient cS, daß man ibn schätzen lerne, und er ist Ihnen trotz Ihrer großen Belesenheit sicherlich noch unbekannt. . . nun wcrdcn Sie wieder darüber seufzen, daß die Lehrzeit kein Ende nehme ..." „Das ist ja eben das Schöne!" ries sic. „Ta muß ich freilich meine», zukünftigen Berufe zu Liebe, wie Cie sagen, zur Stelle sein!" „Muß?" „Will, wenn Ihnen daS lieber ist." „Schließen Sie sich uns dock an, meine Frau und ich werden Sie abholen und sicher nach Hausezurückgcleilen. WollenSie?" „O, mit Vergnügen, grüßen Sic Ihre Fra», bitte, herzlich von mir!" „Ich dauke." XVII „Nein", sagte Frau von Tcstrw energisch, „daS finde ich durchaus nickt richtig, die Fraucnwllrtc cmpört sich in mir!" „Aber . . ." „Geradezu abscheulich, verzeihe» Sie, (inte ick solch' ein Mädchen!" unterbrach den erwidernden Paul eine Dame in grünem Saii'.mctklcite. „Ick finde den Charakter unwahr!" „Verzeichnet!" „Unmöglich!" „Niemals wird ei» Weib so Handel», und wenn e« so handelte, wäre eS verächtlich!" „Wo bleibt denn da die poetische Gerechtigkeit?" „Aber ich bitte Sich meine Damen!" rics Paul, indem er das kleine braune Buck, ans welchem er eben vorgelesen, beschwörend seinen entrüsteten Zuböreriiinc» cntgcgenttrrckte „Verurtheilcn Sic dock nickt allzu rasch! Bedenken Sir: Eine Fürstin, j„»g, hübsch, lebensfroh, die schönste von drei Schwestern Eine Familie, im ReickUm», ausgewachsen, mit dem Ausblicke aus de» naben, vollständigen Bankerott. Der Vater lott ..." „Einerlei", warf die Dame im Sammet dazwischen. „Bitte! , Tie einzige Rettung eine reiche Heiratb. Sonst der unausbleibliche Ruin Nun kommt da wirklich ein Man», rcicker als man c» sich auSzumalcn vermag, Besitzer unzähliger Millionen, zwar nickt mebr ganz jung, aber auck nicht alt, kein Atom«, aber auch nicht häßlich, gebildet, sehr gebildet, von Adel wie Jene. Man sieht, daß er sich für die Jüngste intcressirt. Tagtäglich kommt er in « HauS, ja, er liebt Sophie, und sie — sic bildet sich ein, daß auck sie ihn liebe ... In dieser Einbildung ist nun schon gar nicht« U«
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