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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 05.03.1903
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1903-03-05
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19030305022
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1903030502
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1903030502
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
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- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1903
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Anzeigen «PretS die Sgejpalteae PeM-eUe 8d Reklame» uuter dem RrdaNtvnestrich (ägespallen) 7ö vor den FamUteuuach richten (S gespalten) SO Tabellarischer und Hiffernsatz entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisungen uud Offerteaanuahm» LS H (excl. Porto). Srtra-Verlage» gesalzt), .rur mit der Morgeu-AuSgabe, ahne Postbewrderung so.—. mit postbesörderuog ^l kV.—. Annahmrschluß mr Anzeige»: Abeud-AuZgab«: «ormittag« 10 Uhr. Morgen-AnSgab«: Nachmittag« 4 Uhr. Anzeige» stad stet« an die Expedition zu richten. Die Expedition ist Wochentag» ununterbrochen geöffnet von früh 8 bi« abend« 7 Uhr. Druck und Verlag von L. Polz tu Leipzig. Nr. 117. Politische Tagesschau. ' * Leipzig, 5. März. Sisenbahnfragen im Reichstage. Im Gegensätze zu verschiedenen seiner preußischen Kol legen, die es abiehnen, im Reichstage auf die Beschwerden der Redner au« dem Hause zu antworten, war gestern der Eisenbahnminister Budde im Reichstage erschienen, um bei der zweiten Beratung de« EtaiS veS ReichSeiscnbahnamteS, dessen Cbef er ist, seinen Kritikern Rede und Antwort zu stehen. Biel Neues konnte er freilich, nachdem er soeben erst im preußischen Abgeordnetenhause sein Programm ent wickelt batte, nicht sagen. Hervorgehoben ser nur, daß er der falsche» Auffassung gegenüberlrat, er habe sich im Ab- geordneteuhause ablehnend gegen daS Verlangen nach einer Personentarifresorm verhalten. Nur gegen Experi mente auf diesem Gebiete habe er sich erklärt, die von dem Ziele einer einheitlichen Regelung im ganzen Reiche sich entferne» Würden. Man wird ja da, wo diese Bemerkung beherzigt wer de» soll, ihr Gewicht nicht verkennen. Im übrigen drehten sich die Verhandlungen hauptsächlich um daSKoalit«onSrecht der Eisen bahnarbeiter, um eine Frage also, über die man selbst im sozialdemokratischen Lager nicht einig ist. So besteht be züglich dieses umstrittenen Rechtes zwischen dem „DorwärlS" uud dem „Weckruf", dem Organ deS sozialdemokratischen Eisenbahnerverbandes, eine Meinungsverschiedenheit gründ- sätzlicher Art. Während nämlich der „Vorwärts" der Mei nung ist, daß die preußischen Eisenbahner, als der Reichs gewerbeordnung nicht unterstellt, auf Grund der preußischen Verfassung daS KoalitionSrecht hätten, ist der „Weckruf" der Ansicht, daß die Eisenbahner wegen des § 6 der Gewerbe ordnung da« KoalitionSrecht nicht besitzen. Der „Weckruf" schreibt in dieser Beziehung: „WaS den 8 6 der Gewerbeordnung betrifft, der die Eisenbahner von dem Gebrauche de» Koalitionsrechte- — unserer Ansicht nach in durchaus widerrechtlicher Weife — auSschiießt, so trifft dieser Paragraph sicher nicht aus die Arbeiter, die in den Rrbenbetrieben befchästigt siod, zu, rbensoweuig wir aus diejenigen Arbeiter, die nicht statuSmäßig angestellt sind. . . . E» muß aber seitens der Arbeitervertreter im deutschen Reichstage immer wieder darauf hin gewirkt werden, daß dieser Paragraph au» der Gewerbeordnung dahin abgeöndert wird, daß er auf die in dem Paragraphen an- geführten Gewerbe beschäftigten Arbeiter keine Anwendung findet." So der »Weckruf- am 28. Februar d. I. Ja grundsätz licher Uebereiustimmung mit dem »Vorwärts- hat gestern Herr Budde im Reichstage wie schon dieser Tage im preußischen Abgeordnetenhause den Eisenbahnern da» Recht, sich zu vereinigen, nicht bestritten, sondern ausdrücklich zu gestanden; tatsächlich besteht ja auch eine große Zahl von Fach- und UnterstützungSvereiuen der Eisenbahner, die sogar von oben gefördert werden. Aber Herr Budde hat zugleich mit größter Entschiedenheit erklärt, daß er jede Beteiligung au Umsturzbestrebungen, d. h. wohl an Versuchen, die Sicher heit de« Betriebe« und die Erfüllung der Verkehrsaufgaben in Frage zu stellen, verhindern werde. Hierin pflichtet dem Minister, unter der Voraussetzung der Abstellung zweifellos vorhan dener Mißstände, die „Soziale Praxi«- „rückhaltlos" bei. DaS genannte Organ der Sozialresormer bezeichnet eS als die erste und heiligste Pflicht des Eisenbahnminister«, dafür zu sorgen, daß die ihm anvertraute Verwaltung sich in geregelten Bahnen bewege und der Verkehr sich ordnungs mäßig abwickele. „Wo die Ausübung des KoalitionSrechie« der Arbeiter" schreibt die „Soziale Praxis" wörtlich, „mit der Erfüllung dieser Pflicht der Verwaltung in Kon Donnerstag den 5. März 1903. 97. Jahrgang. flikt gerät, müssen für jene Schranken gezogen werden. DaS öffentliche Wohl, daS heute in beträchtlichem Maße von dem Eisenbahnverkehr abhängt, geht den auf Selbst- bülfe gerichteten Bestrebungen eines Einzelnen oder selbst einer Klaffe vor." Wann und wo diese Schranken aufzurichten seien, lasse sich nicht ein für allemal, sondern nur von Fall zu Fall feststellen. Weide eine grundsätzliche Lösung versucht, so erscheine al« der einzige AuSweg, mehr und mehr die Ar beiter der Staatsbetriebe mit den vollen Rechten der ange stellten Beamten in Bezug auf Sicherung der Existenz, Aufrücken nach dem Dienstaller, Pension ufw. auszustatten, wo für jedoch die Pflichten der Beamten in vollem Umfange übernommen werden müßten. Minister Budde bat sich gestern über diesen Vorschlag nicht erklärt, aber die Schaffung Tau sender von neuen Beamtenstellen im preußischen Eisenbahn- elat und im Reichspostetat zeigt an, daß man im Reiche und in Preußen gleichfalls an diesen Weg dealt. Die Interpellation über den Trierer Vorfall ist, wie die „Germania- behauptet, ausgelaufen wie daS be kannte »Hornberger Schießen." Auf gleicher Linie mit dieser Behauptung steht die weitere, die Rede des Abgeordneten Roeren sei eine „wabre Erquickung- gewesen. Es ist wobl möglich, daß man im ultramontanen Lager die Geschichte so bald, als eS angebt, der Vergessenheit überliefern möchte, denn unmittelbar vor den ReichS- tagSwahlen hatte der Vorstoß deS Bischofs Korum doch wie ein Blitzstrahl gewirkt, der einen Hellen Schein auf die Lage wirft; die protestantischen Kreise deS Volkes haben aufs neue eine Aufklärung darüber erhalten, daß der Kampf der römischen Kirche gegen den Staat und die moderne Entwickelung niemals ausbört, sondern nur zeit weilig zurückgeslellt wird, wenn man auf Grund dieser Taktik politische Geschäfte macken kann. Die „Germania verkündet weiter, das Zentrum könne mit dem Verlaus der Interpellation zufriedener sein als seine Gegner. In Wirk lichkeit haben die Zentrumsredner Dittrich und Roeren herzlich schlecht abgefchnitten, wie das wiederholte Gcläckier, daS ihnen aus allen Parteien entzegensckallte, bewiesen hat; die Größen der Parker hielten sich vorsichtig zurück, weil sst wußten, daß für sie in diesen Auseinandersetzungen keine Ehren zu holen waren, sie überließen vielmehr die Arbeit, auf die schweren Angriffe aller Parteien zu erwidern, dem Abg. Roeren, der als parlamentarischer Klopffechter bekannt ist. Unter diesen Umständen kann man nur darüber lachen, daß die „Germania- bebauptet, eS sei von Seiten der nationalliberalen Fraktion offenbar ein schwerer taktischer Fehler gewesen, in dem vorliegenden Trierer Schulstreite daS schwere Geschütz einer Interpellation aufzufahren, statt den aus einem Zeitungsstreite bervorgegangenen Zwiespalt auch weiter als Zeitungsstreit erörtern und zum Abschluß bringen zu lassen. ES wäre Wohl dem UltramontaniSmuS erwünscht gewesen, wenn die Angelegenheit unter der Hand beigelegt worden wäre, allein die preußischen Nationalliberalen waren ihrer Vergangenheit nach verpflichtet, die Sache im Abgeordneten hause zur Sprache zu bringen, damit der Regierung Gelegen heit gegeben werde, klar auszusprechen, wie sie ihre Autorität und Wüide gegenüber dem Vorstoß eines über eifrigen Bischoss wahren will. Die Interpellation war nicht auf den Kulturkampfton gestimmt, wie die „Germania" be bauptet, denn die Nationalliberalen wollen von dem Kultur kampf »unseligen Angedenkens", wie der Abg. Hackenberg ausdrücklich versicherte, nicht- wissen. Wenn jemand den Kulturkampf heraufbeschwoien hat, so ist es der Bischof von Trier gewesen, der gegen die staatliche Schule mit den Zucht mitteln der Kirche vorgegangen ist, ohne daß irgend ein Anlaß dazu vorgelegen hätte. Ernster als die Auslassungen der „Ger mania" über den Verlaufder Interpellation sind UbrigenS die Ver suche dieses Blattes zu nehmen, den Gegenstand der Ver handlungen der preußischen Regierung mit dem Vatikan über den Erlaß deS Bischofs zu wechseln und an die Stelle dieser Verhandlungen solche über die Trierer Schulverhält nisse zu schieben. Durchaus zutreffend bemerkt die „Nat.- Zeitung" zu diesem Vertauschungsversuche: „Der Staat kann m>t der Kurie verhandeln, um ihr klar zu machen, daß eine kirchliche Anordnung zurückgenommen werden müsse, wenn nicht Folgen eintretcn sollen, welche der römischen Kirche sehr unwillkommen sein würden, aber eine preußische Regierung, welche mit dem Papst über die Einrichtung preußischer Schulen verhandelte, würde jede Spur von Ansehen einbüßen und die große Mehrheit des preußischen Volkes zu unbe dingter und schärfster Opposition herauSfordern. Wir haben aus den Erklärungen deS Grafen Bülow und deS Ministers Studt nicht entnommen, daß man daran denkt, sich mit der römischen Kurie auf Erörterungen über die Trierer Schulen einzulassen. Die Herausforderung deS Staates durch die Bekanntmachung des Bischofs Korum und die Frage, ob über unbedeutende Einzelheiten der Trierer Schulverhältnisse katholischerseitS Beschwerden erhoben werden können — was bis jetzt höchst zweifelhaft ist —, dürfen nicht vermengt werden; ließe die Regierung sich auf eine derartige Bebandlnng der Sache ein, so würde sie anerkennen, daß Bischöfe so oder ähnlich, wie Herr vr. Korum, vorzugehen berechtigt oder dabei doch wenigstens entschuldigt seien, sobald sie glauben, sich über ein Stück in einem Schullesebuch oder über die Verteilung des Unterrichts zwischen evangelischen und katholischen Lehrern an einer paritätischen Schule beklagen zu können. Es wäre das Ende der Souveränität des preußischen Staates auf einem der wichtigsten Gebrete der staatlichen Tätigkeit." Ladislaus Rieger f. Im Alter von 85 Jahren ist in Prag der bedeutendste tschechische Staatsmann gestorben, nachdem er schon seit 15 Jahren fast ganz von dem politischen Schauplatz ver schwunden war, auf dem er fast ein halbes Jahrhundert eine hervorragende Rolle gespielt hat. Im Jahre 1818 zu Semil im Kreise Gitschin geboren, schlug Franz Ladislaus Rieger die Richterlaufbahn ein, die er aber 1848 infolge eines politischen Prozesses ausgab. Dieser Prozeß trug ihm aber die Wahl in den Nationalausschuß ein. Als Mitglied des österreichischen ReichSrates entwickelte er sich bald zum anerkannten Wortführer der slawischen Partei, der er auch schriftstellerisch und journalistisch diente. So schrieb er „I^s Llnvsg cl'Patricks", ferner „Böhmen, Land und Volk" u. a., auch gründete er mit Kober die böhmische Nationalencyklopädie. Hauptsächlich aber veröffentlichte er nationalökonomische Schriften, wie „Ueber iuunaterielle Güter und deren Bedeutung für die Nationalökonomie" usw. Als im Jahre 1860 infolge des Oktoberdiploms die Gründung einer tschechischen Natio nalpartei erfolgt war, trat er mit seinem Schwiegervater, dem tschechischen Historiker Palacky, an die Spitze dieser Partei und stellte im ReichSrat ein föderalistisches Pro gramm auf. Im Jahre 1863 stellte er die nationalen For derungen der Tschechen auf und unterzeichnete die De klaration des böhmischen Staatsrechts. Auf sein Be treiben blieben die Tschechen von 1863—1878 dem Reichs- rat wie dem böhmischen Landtage fern. Unermüdlich agi tierte Rieger im Bunde mit Feudalen und Ultramontanen für Wiederherstellung der Selbständigkeit der Wenzels krone und leitete 1871 unter dem Ministerirnn Hohenwart die Verhandlungen mit diesem über eine föderalistische Ge staltung Oesterreichs, die indessen scheiterten. Nachdem 1879 unter dem Ministerium Taaffe die Tschechen wieder in den Reichsrat eingetreten waren, ward R. einer der Führer der föderalistischen Regierungsmehrheit und das unbestrittene Parteihaupt der alttschechtschen Fraktion. Als solches erhielt er an seinem 70. Geburtstage ein National geschenk von 100 000 Gulden. Aber infolge des Auftretens der Jungtschechen sank Riegers Einfluß allmählich. Er hatte den Ausgleich mit den Deutschen von 1890 herbei führen helfen, den die Jungtschechen bekämpften. Auch wurde es ihm von den radikalen Tschechen verübelt, daß er das Bündnis Oesterreichs mit Deutschland anerkannte und die Hoffnungen, welche das Jung- tschechentum auf das panslawistische Rußland setzte, nicht teilte. Bei den Reichsratswahlen von 1891 wurde Rieger ebenso wie die meisten Mitglieder der alttschechischen Partei nicht wiedergewählt, und er zog sich von da an fast ganz vom politischen Leben zurück. 1897 wurde er ins Herrenhaus berufen und in den Freiherrnstand erhoben. Die Boerengeueräle. Zwischen den Boerengeneralen Botha, Delarey und DeWetauf der einen und V i l j o e n auf der an dern Seite ist seit längerer Zeit ein Zwist ausgebrochen. Viljoen hatte es diesen Übel genommen, daß sie ihn nicht mitgenommen hatten, als sie nach Europa reisten. Scho- Walter bespricht den Fall in der „Tägl. Rdsch.": Er sagt, die drei Generale hatten dazu keinen Auftrag und keine Ermächtigung; aber Viljoen empfand es als eine schmerz liche Zurücksetzung, daß sie ihn trotzdem nicht zur Mitreise auffordertcn. Er reiste deshalb allein mit -em nächsten Schiffe nach Europa und mied nun jede Berührung mit den drei Generalen. Chamberlain suchte diesen Zwiespalt auszunutzen, indem er Viljoen gegen die drei Generale auszuspielen suchte; aber damit prallte er an der Festigkeit der Generale ab. Als er ihnen erklärte: er könne sie nun nicht zu Mitgliedern des gesetzgebenden Rates für Trans vaal vorschlagen, erwiderte Delarey: „Excellenz überheben uns damit der Mühe des Ablehnens. Ich für meine Person denke gar nicht daran, eine politische Rolle spielen zu wollen, denn ich bin ein Bauer. Ich werde mein Haus aufbauen und meine Farm bebauen, und das wird mich völlig in Anspruch nehmen. Kann ich daneben etwas für mein Volk tun, so tue ich es gern, auch ohne daß ich Mitglied eines Rates bin . . . Wenn Exzellenz mich dazu brauchen, bin ich bereit I" Hier stockte er, um endlich hinzuzufügen: „Und Excellenz werden mich brauchen." Schowalter bespricht die persönlich schwierige Lage Viljoens und bedauert, daß die Generale ihn nicht ver söhnt und ihn nicht für die gemeinsame Arbeit gewonnen haben, und würde eS bedauern, wenn eS den Engländern gelänge, ihn für sich zu gewinnen und gegen die drei Generale auszuspielen. Schowalter schreibt deshalb gegenüber anderen Meinungen, die dahin gehen, daß die drei Generale sich durch ihre Schroffheit unmöglich ge macht, Viljoen das aber nicht getan habe und befähigt sei, eine Rolle zu spielen. — Wir aber, die wir diese Ansicht über Viljoens Begabung teilen, aber auch die politischen Fähigkeiten der übrigen Generale nach Gebühr zu schätzen wissen, können nur wünschen, daß diese Helden den Weg zu gemeinsamem einträchtigen Wirken finden. Botha, De Wet und Delarey ohne Viljoen hätten eine mächtige Partei, die „Fortschrittspartei", zu bekämpfen neben den englischen Jingoes und den HandSuppern noch eine andre, und in diesen inneren Kämpfen würden sie ihre Kraft aufreiben. Viljoen ohne Botha, De Wet und Delarey aber hätte nicht genug Rückhalt im Volke, — vor allem nicht bei den alten angesehenen „Doortrekkerfamilien", — Fattillatsn. Feierstunden. l.3j Ei» Jahr aus ei«e« Lebe«. Don Emil Roland. Nachdruck verbole» Kein Wort, ihre Adresse noch weiter zu verschweigen, stand in dem Briefe. Natürlich ließ Lenore ihn sich in der nächsten Zeichen stunde vom Zittauer abschwaven, -er ihn wie eine Trophäe Hans Sachs beim Baderschneiderschen Mittagessen über reichte. Die Platzmajorin wunderte sich sehr, daß Haus Sachs trotz seines gewöhnlichen kräftigen Appetits schon vor dein „großen Fleischgericht", wie in der Pension die piseo <io rßsistanos hieß, aufbrach und in seinem Zimmer ver schwand. Am Schreibtisch, auf dem Hausmanns Bild zwischen den Photos lachender Mimen stand, las er ihn, den Kopf in die Hand vergraben, mit einer ihm unbekannten An wandlung von Melancholie. Was zum Teufel hatte dieses Mädchen an sich, -aß sie im stände war, ibn sentimental zu machen! Was erdreistete sie sich, ihm jedesmal, wenn er an sie dachte, einen Stich ins Herz zu geben! Ob es nicht das Einfachste war, sie zu heiraten? Dann hatte er beides: erstens sie, zweitens die Briefe. Sie war zwar beträchtlich älter als er, vielleicht fünf ober sechs Jahre, aber was tat das! Solch kleine Miß verhältnisse können eine Ehe nur um so eigenartiger machen. Sie war arm — aber er batte ja Geld für zwei. <Seld- gier lag ihm absolut fern. Dieser Brief erschien ihm schneidig und rührend zu- gleich. Er imponierte ihm in seiner gewissen, schlichten Einfachheit. Er hätte der Schreiberin die Kinger küssen mögen, dieselben Kinger, die ihn einst ins Gesicht hatten schlagen wollen in jener fernen, interessanten, angenehmen Vinterstunde. Plötzlich sprang er aus und langte mit turnerartiger D«i-N»a hohe« VScherSrett, da« a, altmodisch ge stickten Bandeaus an der Wand hing, einen gelben, broschierten Band. Es war das Kursbuch. ch- * Der Septembertag kam, an dem sich Helenes Begegnung mit HauSmann jährte — jene stille Stunde in der allen, kühlen Basilika Ravennas. Sie hatte sich gefürchtet vor diesem Tage. Die ganze Qual des Zurückdenkens an ein verlornes Glück, das un widerbringlich ist, peinigte sie, und wenig empfand sie von der Wonne des Leides. Das letzte Jahr hatte sie reich gemacht, ihr einen höheren Begriff von sich selbst und ihrem Können gegeben, sie gewissermaßen eingereiht als tüchtige Künstlerin in den Augen der vielen, denen Hausmanns Urteil als maß gebend galt. Aber durch alles, was ihr das neue Jahr gebracht, dessen Sylvcstergeläut damals so verheißend in ihr« Feier stunde klang, zog sich jener Mißton, der nur schärfer wurde in der Erinnerung. Es quälte sie, daß sie noch immer eifersüchtig war — um «ines Toten willen! So ohne weiteres vergeben und vergessen, das konnte sie nicht. Sie hätte es ihm so gern noch einmal laut ins Gesicht gerufen, dem Rivalen, der sie verdrängt hatte, daß sie ihn haßte dafür — haßte für all die nichtgenossenen Stunden in Hausmanns Nähe, die er ihr verscherzt hatte, er allein! Um ihre höchsten Freuden hatte er sie gebracht, ledig- lich, um sich ein paar gute Chancen für seine Karriere zu rechtzumachen. Immer wieder kreisten ihre Gedanken voll Bitterkeit um diesen einen Punkt. Sie hatte niemand, mit dem sie sich aussprechen konnte. Weder ihre Schwester noch Lenore waren dazu geeignet, und auch vor Frau Helmstetters scharfen Augen hätte sie nie den Mut oder die Lust gehabt, diese törichten Gefühle zu gestehen. Ihre Arbeit war fertig. Auf der Staffelei in dem kühlen Palazzosaale stand sie, mit Heftzweckcn auf das Reißbrett gebannt. Sie war gut geworden, diese Arbeit, trotz allen Kummer-, der in die Marmorfarben hinein gemalt war Helene saß am Fenster und schaute auf den Hellen Dom- platz hinab. Ts hatte in der Frühe gewittert. Wie erste Herbsteskühle wehte es über die Berge. Sie fror beinah« und stand auf, um sich «ärmer anzu-lehen. Da siel ihr zwischen ihren Sachen das weiße Gewand der Karthäuser- münche in die Hand, das sie damals in Ravenna getragen, als Hausmann über die elende Stiege zu ihr kam. „Auch daS Gewand wird sich bald jähren", dachte sie. Da fiel ihr ein, daß sie es doch heute am ErinnerungStage eigentlich anlegen müsse. Sie hatten ihm ja so gefallen, die weißen Mönchsfalten! Der Gürtel vom Ponte Vecchio lag auch noch da — all die Erinnerungen so sorgsam beieinander, als schönste seine italienischen Briefe, die sie noch immer mit sich führte als kostbaren Besitz. Sie war froh, daß sie an diesem Tage allein sein konnte. Frau Helmstetter traf die letzten Reisevorbereitungen in Rom. Erst in Brindisi sollte Helene sie treffen. Diese letzten Tage in Siena hatte sie noch einmal ganz für sich, ehe es dann mit der großen Karawane meerüber nach Asien ging. Da stand sie nun in ibrem weißen Kleide. Aber sie fror dennoch, trotz des weichen, warmen Stoffes. Sic ließ die Portiersfrau koinmen und Feuer anlegen im schönen Marmorkamin. Das prasselte so lustig unter den herrlichen Reliefs -es Simses, zwischen den leichtgeneigtev Genien, die das Wappen von Siena hielten. Und wie gut dieser Anblick sie erinnerte an jene roten, lodernden Kaminflammen droben in München, an denen Hausmann sich so ost die blassen, schlanken Hände gewärmt hatte. So deutlich stand seine Erscheinung vor ihren Augen — etwas durcheinandergeraten mit dem JünglingSbildnis vom Schreibtisch der Schwester — ein weicher Hauch von Jugend darüber gebreitet. Der Begriff „HauSmann", der früher drei braune Bände für sie bedeutet hatte, war nun zum verklärten Ideal für sie geworden. Da ging plötzlich die Tür, und es stand jemand auf der Schwelle. Helene fuhr aus ihren Träumen empor und starrte -en unerwarteten Gast erschrocken an. Es war Hans Sachs Auch er stand einen Augenblick wie gebannt. Der große, weite, dunkle Gaal, da- Helle Mädchen und die roten Flammen, da- alle- hatte etwa- so Phantasti sches, Unerwartetes, daß es selbst ihn, den Nüchternen, überraschte. „Sie wohnen ja hier wie die Herrin von Siena", sagte er etwas unsicher, „oder wie eine Ghrbellinenfürstin! — Verzeihen Sie mein plötzliches Eindringen", setzte er hin zu, als sie schwieg, „aber mit den gutgeschulten Portiers gattinnen deutscher Mietskasernen hat Ihre pittoreske alte Parze da unten wenig gemein. Sie hat mich ohne An klopfen oder Anmelden eigenhändig hier in den zweiten Stock geschoben." „Wie kommen Sie denn nach Siena?" fragte Helene gelassen. Sie staunte über sich selbst, -aß da- Wiedersehen sie so kalt ließ. „Mir wurde gesagt, daß Krau Helmstetter hier sei, die ich in gewissen Angelegenheiten zu sprechen habe. Nun erfuhr ich aber im Hotel, daß sie bereits abgereist ist, und dabet erfuhr ich — zufällig — auch Ihre Adresse." Helene warf ihm einen großen Blick zu. „Das heißt, Sie sehen mir an, daß ich lüge", fuhr er fort. „Ich kam um Ihretwillen." „Ich glaube. Sie lügen wieder", sagte Helene scharf. „Sie kamen nickt meinetwegen, sondern um gewisser Briefe willen, die mein sind. Aber bitte, setzen Sie sich, wir können das ja in Ruhe besprechen." Sie deutete auf einen bunten Polsterstuhl, -essen Lehne prachtvoll geschnitzt und dessen Scrdenbezug zerrissen war. „Wie schön es hier ist!" rief er. „Und wie schön Sie? Marmor — Marmor — daS ist die Devise von Siena, und Sie in Ihrer weißen Toga sehen auch wie Marmor aus, wie ein von einem Relief herabgesticgcncr Donatello oder Rossellino." „Nun, wollen Sic nicht zur Sache kommen?" „Sache? Was für ein trockene- Wort das ist für die Sache, die ich meine. Die Sache sind Sie. Ich weiß zwar, daß Sie mir nie daS Recht gegeben haben, mich um Sic und Ihre Angelegenheiten zn kümmern. Aber Rechte, die kann man ja nicht nur bekommen, die kann man sich ja auch nehmen. Glauben Sic nstr, eS ging mir durch und durch, als ich hörte, daß Sie für einige Jahre so in die blaue, ungewisse Kerne wollen, und ich möchte nur eine- fragen dürfen: tun Sie es gern oder blieben Sie lieber?" Sie iab ibn erstaunt an. „Ick möchte wissen, wa« Sic da- angelst?" stand in ihrem Blick. „Nämlich, fall» Sie es nicht gern tun, sondern um Irgend eine« praktisch«» Grund»« will««, — -all« Gig
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