Suche löschen...
01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 25.07.1902
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1902-07-25
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19020725012
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1902072501
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1902072501
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1902
- Monat1902-07
- Tag1902-07-25
- Monat1902-07
- Jahr1902
- Links
-
Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
BezugS'PreiS 1» der tzauptexpedition oder deo tm Stadt bezirk und de» BoroNea errlchtetro Aus gabestelle» abgeholt: vierteljährlich L.KV, - zweimaliger täglicher Zastelluug in« HullS ö.bO. Durch die Post bezogeu für Deutschland u. Oesterreich vierteljährlich^6, Pir die übrigen Länder laut ZeitungSprnSltste. Nedaclion und Erpedition: IohanntSgasie 8. Fernsprecher 153 nud 229. Ftltalrvpedtttone», Alfred Hahn, Buchhandlg., llotversitätsstr.S, L. Lösche, Kaiharineustr. 14, u. KüalgSpl. 7. —-»<> Haupt-Filiale Vresdeu: Strehleuerstraße S. Fernsprecher Amt l Nr. I7IS. Haupt-Filiale Serlin: KSniggrüherstraße US. Fernsprecher Amt VI Nr. S3SL Morgen -Ausgabe. MWAer.TaMait Auzeiger. Amtsblatt des AjimgNchen La«-- und Amtsgerichtes Leipzig, -es Mathes und Polizei-Amtes -er Lta-L Leipzig. Anzeigen «PreiS die 6 gespaltene Petitzeile LS H. Reel«««» unter de»Nedoctioasstrich lLarsprätea) 75 vor den Faurilieum»? richte« («gespalten) 50 Tabellarischer md Ztffernsatz entsprecheud Häher. — Lebüdren für Nachweisungen and Ossertrnaouapm« 85 (exrl. Porto). Extra-Beilage» (gefalzt »»« E der Morgen-Ausgabe, oh»« Postbesärderuug SO.—, mit PostbesSrderaag 70^> Iiuuahuuschluß fiir Alyrigtll: Ab«»d-As-gab«r vormittag« lv Uhr. Morg«»-L»«gabe: Nachmittag« 4 Uhr. Anzeige» Pad stet« an di» Expedition zu richte». Die Expedition ist Wochentag« ununterbrochen geöffnet vou früh S bi« Abend« 7 Uhr. Druck »»d Verlag von L. Pol» t» Lelpzm. Nr. 373. Freitag den 25. Juli 1902. 98. Jahrgang. Die Streiks im Jahre 1901 verglichen mit den Vorjahren. i. Die vom kaiserlichen statistischen Amte in einem um fangreichen Bande mit zahlreichen Tabellen veröffentlichte Statistik der Streiks und Aussperrungen <m Jahre 1901 verdient eine eingehendere Würdigung, weil sie eine wesentliche Ergänzung der Erfahrungen darstellt, die bei der Beurtheilung iler wirthschastlichcn und soeialen Ent wickelung in Betracht kommen. Streik und Aussperrung, an sich rechtlich durchaus zulässige Kampfmittel, sind zweifel los zweischneidige Waffen, deren Anwendung die ultima rntio im Streite zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern sein sollte. Die Häufigkeit ihrer Anwendung läßt nicht nur einen Schluß zu auf die Gestaltung der Beziehungen zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern, sondern auch auf die wirthschastlichcn Verhältnisse im Allgemeinen, auf die Entwickelung der Arbeitsbedingungen, die Ausübung des Eoalitionsrechtes u. A. m. Nimmt man den Umstand hinzu, daß namentlich bei den Streiks vielfach weite Kreise in Mitleidenschaft gezogen werden, so bedarf es kaum einer weiteren Rechtfertigung des Interesses, welches der stati stischen Erfassung dieser Erscheinung entgcgengebracht wird. Im deutschen Reiche hat mau diese socialpolitiche Aufgabe in früheren Jahren etwas vernachlässigt,- erst seit dem 1. Januar 1899 werden auch bei uns in einheitlicher Weise entsprechende Erhebungen gemacht, welche die Grundlage für eine umfassende amtliche Statistik über die aus dem Arbeitsverhältnis; zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern sich ergebenden Couflicte, soweit sie in Streiks und Aussperrungen in die Erscheinung treten, ab geben. Das Jahr 1901 mit seiner fast auf allen Gebieten deS wiethschastlichen Lebens sich geltend machenden Depression war für die Durchführung von Streiks im Großen und Ganzen wenig günstig. Daher ist denn auch für dasselbe im Vergleich zum Vorjahre, in welchem sich der Niedergang erst anbahntc, eine beträchtliche Abnahme der Arbeitsein stellungen, sowohl der Zahl, wie dem Umfange nach, zu verzeichnen. Es fanden nämlich im Jahre 1901 im Ganzen 1071 Streiks statt, gegen IE im Vorjahre und 1336 im Jahre 1899. Zur Beendigung gelangten im letzten Berichts jahre 1056 Streiks, darunter 28 von den 29 Ausständen, die bereits vor dem 1. Januar 1901 begonnen hatten. Der am 15. März 1900 angefangcnc Streik der Maurer in Friedland iMecklenburg-Strelitz) dauert heute noch fort. Von den im Jahre 1901 ausgebrochenen 1042 Ausständen waren am Schlüsse des Jahres 14 noch nicht erledigt. Im Jahre 1900 gelangten 1433 Streiks zur Beendigung, darunter sämmtlichc 48 aus dem vorhergehenden Jahre Übernommenen,- im Jahre 1899 wurden 1288 Ausstände beendigt, darunter ebenfalls sämmtlichc noch tn das Jahr 1898 hineinreichenden. Der Anthcil der einzelnen Bundesstaaten an der Streik bewegung ist, waö die größeren Staaten anlangt, in den drei Jahren der statistischen Erhebungen folgender ge wesen: Auf Preußen entfielen im letzten Jahre 640 von den 1071 Ausständen, was einem Anthetl von 59,76 Pro cent gleichkommt,- im Jahre 1900 waren die entsprechenden Zahlen 943 bezw. 64,57 Procent, im Jahre 1899 835 bezw. 62,50 Procent. An zweiter Stelle stand in allen drei Jahren Sachsen mit 97, 117 und 149 Ausständen, bezw. 9,06 Procent, 8,00 Proccnt und 11,15 Procent. Die dritte Stelle nahm in; letzten Jahre Hamburg ein mit 87 Streiks, bezw. 8,12 Procent l1900 : 83 bezw. 5,68 Procent, 1899: 62 bezw. 4,64 Procent), während in den vorhergehenden Jahren Bayern an dieser Stelle stand, das jetzt 77 Streiks >7,19 Procent), gegen 99 >6,77 Procent) tn 1900 und 102 <7,64 Procent) in 1899 zu verzeichnen hatte. In weitem Abstande folgen daun für 1901 Mecklenburg-Schwerin mit 28 Ausständen <1900: 11, 1899: 2), Braunschweig mit 22 Ausständen <1900: 19, 1899: 23), Baden mit 21 Ausständen <1900:26, 1899: 21), Bremen mit 16 Ausständen <1900: 24, 1899: 15), Hessen mit 12 Ausständen (1900 : 23, 1899: 28), Sachsen-Weimar mit 11 Ausständen <1900 : 7, 1899 : 5). Die übrigen Bundesstaaten hatten weniger als 10 Streiks zu verzeichnen, nämlich Anhalt 9, Württemberg 8 <1900: 17 und 1899: 20), Oldenburg 8, Sachsen-Altenburg 6, Lübeck 6, Mecklenburg-Streliy 5, Elsaß-Lothringen 5 (1900: 17, 1899: 14), Sachsen-Meinigen 4, ebenso Reuß j. L., Sachseu- Coburg-Gotha 2, Schwarzburg-Sondershausen, Schwarz burg-Rudolstadt und Schaumburg-Lippe je 1. Waldeck, Reuß ä. L. und Lippe hatten 1901 überhaupt keinen Streik. Im Jahre 1900 war nur Schaumburg-Lippe in dieser Lage, das auch 1899 keinen Ausstand zu verzeichnen hatte, neben Schwarzburg-Rudolstadt, Waldeck und Lippe. Vou den preußischen Provinzen hatte das inbustriereiche Rheinland im vergangenen Jahre die meisten 1112) Streiks aufzu weisen, während es in den beiden vorhergehenden Jahren mit 131 bezw.125 Streiks erst an 3. Stelle stand. Berlin welches 1900 mit 179 Ausständen und 1899 mit 227 Aus ständen die Spitze hielt, steht 1001 erst an dritter Stelle mit 92 Streiks. Die zweite Stelle nahm in allen drei Jahren die Provinz Brandenburg mit 110 bezw. 171 bezw. 169 Ausständen ein; die vierte Stelle hat die Provinz Sachsen. Die wenigsten Streiks <je 2) entfielen 1901 auf West preußen und Hohenzollern, welch letzteres in den beiden vorhergehenden Jahren keinen Streik aufmies. Den einzelnen Gcwerbegruppen nach entfielen in allen drei Jahren die meiste» Streiks auf das Baugewerbe, nämlich 1901: 382 oder 35,67 Proccnt aller Streiks. 1900: 507 oder 34,68 Procent und 1899: 478 oder 35,78 Procent. Augenscheinlich hat das Baugewerbe tn diescnJahrcn abso lut und relativ die größte Strcikneigung vethätigt. An zweiter Stelle steht für die drei Jahre die Industrie der Holz- und Schnitzstoffe mit 114 Streiks oder 10,64 Procent. Sie wies 1900: 117 Streiks <13,47 Procent), 1899: 163 oder 12,20 Procent auf. Die dritte Stelle nimmt für die beiden letzten Jahre die Industrie der Steine und Erden ein mit 103 Streiks <9,62 Proccnt) in 1901 und 101 Streiks <6,91 Procent) in 1900, während sie 1899 mit 113 Streiks <8,46 Procent) an vierter Stelle stand. Damals nahm die dritte Stelle die Metallverarbeitung mit 146 Streiks <10,93 Pro cent) ein, welche im letzten Jahre ebenso, wie 1900, mit 102 bezw. 95 Streiks an vierter Stelle stand. Einen ver- hältnißmüßig geringen Antheil an den Streiks trotz starker Arbeiterzahl hatten die Textil- und die Maschincn-Jn- dustrie, welche im vergangenen Jahre besonders noth- leidend waren. Die erstere hatte nur 59 Streiks lgegen 74 in 1900 und 106 in 1899) zu verzeichnen, die letztere 38 igegcu 68 in 1900 und 46 in 1899). Im Verkehrsgewcrbe und im Handelsgcwerbe war die Abnahme der Streiks nicht minder groß. Das erstere wurde von 15 Ausständen lgegen 58 in 1900 und 32 in 1899) betroffen, das letztere von 18 Ausständen lgegen 47 in 1900 und 16 in 1899). Die chemische Industrie hatte nur 4 Streiks «gegen 8 bezw. 4 in den Vorjahren) zu verzeichnen. Auch die Buchdrucker hatten bei einer verhältnißmäßig hohen Arbeiterzahl nur 8 Streiks lgegen 17 bezw. 14) zu verzeichnen. Machte sich darnach im vergangenen Jahre durchweg schon in der Zahl der Streiks eine Abnahme bemerkbar, so zeigte sich dieselbe noch auffallender in dem Umfange der Ausstände. Von den 1056 im Laufe des Jahres 1901 zur Beendigung gelangten Streiks wurden insgesammt 4561 Betriebe mit 141220 Arbeitern betroffen. Die Höchstzahl der während der Dauer des Streiks gleichzeitig Streiken den belief sich auf 55 262 Personen. Die 1483 im Jahre 1900 beendeten Ausstände hatten sich auf 7740 Betriebe mit 298 819 Arbeitern erstreckt. Die Höchstzahl der gleichzeitig Streikenden betrug 122 803. Tie im Jahre 1899 beendeten 1288 Streiks betrafen 7121 Betriebe mit 256 858 Arbeitern. Damals belief sich die Höchstzahl der gleichzeitig Streiken den auf 09 338 Personen. Während durch die Streiks im Jahre 1899 1890 Betriebe gänzlich zum Stillstände gebracht wurden und 1900 2733 Betriebe, gelang dies im Jahre 1901 nnr bei 1178 Betrieben. In 3525 Betrieben mit 52 555 Arbeitern hatte die Streikbewegung von 1901 sich auf den ganzen Betrieb erstreckt <1900 : 6038 Betriebe mit 142 842 Arbeiter:» 1899 : 5478 Betriebe mit 109 052 Arbeitern), während n: 1036 Betrieben mit 88 665 Arbeitern <1900: 1702 Betriebe mit 155 977 Arbeiter», 1899: 1643 Betriebe mit 147 806 Arbeitern) der Ausstand nur einzelne Be schäftigungsarten ergriffen hatte. In Folge der Streiks mußten im Jahre 1901 insgesammt 7420 Arbeiter <1900: 9007, 1899: 10 122) unfreiwillig feiern. 803 von den zur Beendigung gelangten Ausständen beschränkten sich auf je 1 Betrieb, waren also Einzclstreiks, während 253 sich als Gruppcnstrciks darstellten. 1900 wurden 1018 Einzelstreiks und 415 Grnppenstreikö gezählt. 1899: 931 Einzelstreiks und 357 Gruppenstreiks, so daß also die letzteren in stärkerem Maße abgenommcn haben, als die ersteren. Die Statistik unterscheidet ferner „Angriffsstreiks" und „Abwchrstrciks". Unter ersteren werden diejenigen Ar beitseinstellungen verstanden, mittels deren die Arbeiter eine Aenderung des bisherigen Arbcitsvcrhältnifses, also etwas Neues, zu erreichen suchen, unter letzteren jene Fälle, in denen die Streikenden einer Verschlechterung der Ar beitsbedingungen, einem wirklichen oder vermeintliche» Eingriff des Unternehmers in ihre Rechte, enkgegentrcten. Im Jahre 190l wurden nach dieser Unterscheidung 697 <66,0 Procent) Angriffsstrciks und 359 <34,0 Procent) Ab wehrstreiks gezählt. 1900 überwogen die Angriffsstreiks <1127) die Abwehrstreiks <306) in weit erheblicherem Maße, ebenso 1899, wo 1019 Angriffsstreiks 269 Abwehrstreiks gegenüberstanden. Auch hier zeigt sich der Einfluß der ungünstigen Geschäftslage im vergangenen Jahre. Aehn» lich steht es mit der Durchschnittszahl der bei einem Streik betheiligten Arbeiter. Im Jahre 1901 betraf eine Arbeits einstellung durchschnittlich 52,3 streikende Arbeiter und 4,3 Betriebe,' im Jahre 1900 stellten sich diese Ziffern auf 85,7 und 5,4, im Jahre 1899 auf 77,1 und 5,5. Bei den Angriffs strciks erhöhte sich 1001 die Durchschnittsziffcr der Streiken den auf 53,2, diejenige der in Mitleidenschaft gezogenen Betriebe ans 5,8. -Im Jahre 1900 waren die entsprechende» Ziffern 98,1 und 6,5, im Jahre 1899 : 81,4 und 6,6. Auf jeden Abwehrstrcik kamen im Jahre 1001 im Durchschnitt 50,6 Streikende und 1,5 Betriebe; im Jahre 1900 : 40,0 Streikende und 1,5Betriebe; in: Jahre 1899 ; 61,lStreikende und 1,5 Betriebe. Auf die Dauer der Streiks scheint die wtrthschaftliche Lage weniger von Einfluß ge wesen zu sein. Von den 1901 zur Beendigung gelangten Streiks haben 36,7 Procent uicht über 5 Tage gedauert. Im Jahre 1900 war das Bcrhältniß ungefähr das gleiche, nämlich 37,6 Proccnt, und ebenso im Jahre 1899, nämlich 34,4 Procent. Deutsches Reich. * Leipzig, 24. Juli. (Die Bedeutung des M i t t e l l a n d c »r n a ls für Skchsien.) Die „Sächsische nationallib. Eorrespondenz" schreibt: Aus dem jüngst erschienenen Jahresbericht derPlauenerHan- delskammer ist bekannt geworden, daß auch die sächsischen Handels- und Gewerbekreise zu einer gut achtlichen Aeußerung darüber aufgefordert worden sind, welche Vvrthcile das große preußische Canalproject für sie Feuilleton. Mamsell Tophal's erste und einzige Liebe. Humoreske von O. Lübkert. vcachdruL verbot!». Sie hate ein goldenes Herz, unsere Mamsell Regine; darüber waren Groß und Klein sich einig auf dem väter lichen Gut. Der Eltern Achtung halte sie sich durch ihre Rechtschaffenheit und Treue erworben, uns Kindern aber hatte sie sich durch Zustccken extragroßer Kuchenstücke, durch so manchen kleinen Liebesdienst unentbehrlich gemacht; in mein vierzehnjähriges Backfischherz aber hatte sie sich damals, als diese kleine Geschichte spielte, vollends durch das Verständniß geschmeichelt, das sie meinen jungen Leiden entgcgenbrachtc. Ich lohnte ihr denn auch damit, daß ich sie zu meiner völligen Bcrtrau en machte, und das erleichterte mich sehr; war ich doch im gefürchteten Stadium der besten Backfischschwärmcrei, und wenn die dummen Jungen, meine Brüder, auch noch so „albern" waren, sich im Geheimen hin und wieder über unserer Mamsell Absonderlichkeiten, unter denen sich ihr gutes Herz ver steckte, lustig zu machen, so war ich doch schon „zu ver- ständig", um mich wie die ungezogenen Rangen zu be nehmen. Auch sühlte ich mich innerlich nicht wenig ge schmeichelt, eine so gereifte Person wie Mamsell zur Ver trauten zu haben und ihr Gegenvertrauen zu genießen. Denn bald knüpfte ein neues Baud unsere Freundschaft fester. Ich hatte, wie ich bald erfuhr, in Mamsell Regine eine Leidensgefährtin. Auch sie liebte unglücklich, und wenn sie ihrem Schmerz auch nicht gleich mir in Thränen Luft machte, an Seufzern stand sie mir kaum nach. Ach sie verstand so gut mein Unglück, lachte nicht wie die dum men Jungen über den Gegenstand meiner hoffnungslosen Liebe, ja sie sand sogar, vielleicht nur aus Mitleid mit mir, den „Göttlichen", nämlich meinen Clavierlehrer aus der nahen Kreisstadt, weder mager noch häßlich, zwei Thal- fachen, die sich eigentlich nicht gut wcgdisputtren ließen — und schien mein Urthcil „bildschön" und „himmlisch nett" ganz zu theilen. Wie wohl that cs, wenn sie mir, nachdem ich mich bei ihr ausgeklagt und ausgeweint, mitleidig über die dicken Zöpfe strich und mich tröstete: „Mach Dich nix »ich aus die dummen Jungs ihr Ge- schwätz. In so'n männliche Creaturens steckt sich das schon frühsten» drin mit die Boshcitens. Un übrigens zudem mein Lisching ist das mit die Gesmäcker sehr verschiedent- lich, wat dem Einem sicn Uhl iS, iS dem Annern sien Kraih. Laß ihnen snacken, Kinding, Jungö sind nu mal'n Rackertügs, un wenn sie Dir auch foppen von wegen dem, daß Dein Herr Graumann 'ne Spinne ähnlich sehen thät, laß Du Dich nicht Dein zarte» nu wie sagen doch die Dichters noch? Gott, was ich doch so gar nicht bcholt- sam bün! nu ich mein bloS laß Du Dich ihm man nicht verekeln. Mein Adam war mich auch kein An- tonis." - „Adonis, Mamsell." „So? Gott, Kind, mit die Fremdwörters is das so 'n« Swierigkeit. Was ich sagen wollt, aber ich fand ihm doch höhn, bloS daß e» mir smerzen that, daß er mich blind blieb for all meine Lieb." Sie seufzte, wischte sich mit dem Hand- rücken über daS von der Herdgluth erhitzte Gesicht, und ich seufzte verständnißvoll mit, was ich in Erinnerung an die vielen mitfühlenden Seufzer, die Mamsell Tophal für meine Klagen gehabt, als pflichtmäßige Gegenleistung an sah. Sie tätschelte mir dann auch die schmale Schulter. „Bllst 'ne gute lüte Deernl" sagte sie im Ton dank barer Anerkennung, „dafür wird Dich der lieve Gott lohnen und Dich einen guten Mann beßeern, Lisching. Heul' man nich! Steh' mir an; cs überwünd sich Aliens, glaub mich, mein Lütttng. Wenn mir mau Einer gewollt hält, hätt ich ihm auch genommen und meinem Adam ver gessen. Un' so würd Dich da- auch gehen mit Dein Grau- mann." „Nie, nie werd' ich einen Anderen heirathen!" ent- gegnete ich empört. Mamsell Tophal wiegte bedächtig den umfangreichen Kopf. „Man ümmers sachting, Lütttng!" meinte sie trocken. „Verschwör« soll man nix nich." Beleidigt erhob ich mich vom Küchenschemel, auf dem ich gehockt, und trat vor die Thür. Nein, sie verstand mich doch nicht ganz, die gute Mamsell. Nun ja, dachte ich mitleidig, sie ist ja auch schon so schrecklich alt sie zählte 82 und ihr Empfinden ist vergröbert dies mit der ganzen Ueberhcbung der höheren Tochter. Aber plötzlich ward ich meinen weltschmerzlichen Be- trachtungen durch das Nahen des Postboten entrissen. Das Erscheinen eines Stephanjüngers war immer ein kleines Ereigniß für uns Kinder. Voll Resignation stellte ich fest, daß TieS Tießen wieder einmal mit einem bedauernden: „For Sie leider nichts, Fräuleinchen", vorbeigehen würde, sein bedeutsames Achselzucken kündete mir schon von Weitem seinen täglichen Spruch an; aber siehe da, gerade vor der Küchenthür hielt TieS Tießen seinen Schritt an; erwartungsvoll hingen meine Blicke an der inhaltsschweren Tasche. Sollte Meta, meine Busenfreundin, di« man kürzlich in ein Pensionat gesteckt hatte, unseren letzten Zwist doch großmüthig ver gessen und mir geschrieben haben, natürlich nur, nm sich wichtig zu machen? „Man bloS ein Brief for Mamsell Tophal", sagte Tietzen, mir einen rosa Brief zwecks Weiter beförderung hinhaltend. „Kor mir?" fragte Mamsell, ihren Eierkuchen im Stiche lastend und zu un» tretend. „I nee, vom wen mag der denn sein? Bon mein Gwestertochterjung, was mein Pathenkinb iS, is er nicht" Sie wandte kopfschüttelnd den Brief hin und her, „ih, vom wen der woll is?" „So mach' ihn doch aus", drängte ich ungeduldig, auf» Höchste gespannt. Mamsell aber hörte mich gar nicht. „Doppelporter is da auch aus", constatirte sie mit einer gewissen Ehrerbietung. „So mach ihn doch endlich auf!" rief ich dringlicher. „Mamsell, Ihr Eierkuchen verbrennt!" schrie da Hans, mein jütmfter Bruder, in die Küche hinein. «ahr-astig! Dicker Weiter Hpal» dgrchwallt« den Raum, schwarz, ein trauriger Uebcrrest vergangener Herr lichkeit, lag der schöne Eierkuchen in der übeldünstenden Pfanne. „Herrjemine!" mit diesem Aufschrei stürzte Mamsell zu rück zum Ort ihrer schnöde verlassenen Pflichten. „Der schöne Eierkuchen!" meinte ich bedauernd; bückte mich dann aber neugierig nach dem von Mamsell im ersten Schreck fallen gelassenen Brief. „Soll ich ihn aufmachen, Mamsellchen?" „I, doch lieber nich!" meinte sie, mit einem unschlüssigen Blick auf mich und den Brief. „Am Enne steht oa was drin, was nich for Kinncrs is. Wer kann es wissen!" Beleidigt legte ich den Brief auf den Küchcntisch, rach süchtig mitten in ein Häuflein vorbeigesprtyten Teiges; aber mich ganz zu entfernen, wie ich's gewollt, brachte ich doch nicht übers Herz. Aber maulend drehte ich Mamsell den Rücken; sie sollte doch fühlen, wie tief sie mich getränkt. Ein Ausruf der Ueberraschung hinter mir ließ mich aber schnell alle Schmollabsichten vergessen. Da stand Ginc Tophal, in der einen Hand den offenen Brief, in der anderen die Pfanne. „Ne, so was hätt' ich mich doch meiner Lebtag nicht ge dacht!" sagte sie verwundert, und als ich noch mit mir kämpfte, ob eine Frage auch mit meiner getränkten Freundschaft in Einklang zu bringen sei; oder ob ich meine Neugier zu unterdrücken verpflichtet wäre, setzte Mamsell die Pfanne nieder, winkte mir — konnte ich da noch wider stehen'? — und sagte mit allen Anzeichen heftigster Er regung: „Lisching, nu hör' mal blos, schreibt mich der Adam er möcht' mir sehen sein Frau wär' todt — nn er hätt' so viel Guts von mich gehört auch, daß ich ihm nich vergessen hätt' denk' blos er will kommen, mich bekucken. Lisching, Lisching, so was, so was!" Mit nervöser Hast griff sie sich an den Kopf, zerrte sie an der Schürze, als müsse ihr Adam jeden Augenblick ein treffen. „War er denn verheirathct?" fragte ich etwas er nüchtert; denn den Umstand hatte Mamsell nie ermähnt tn ihren Berichten. „Hab' ich Dich das nich verzählt — mein Dvchting? Nein? I, dann hab' ich mich das woll ganz und gar ver gessen. Na, nu is sie ja dod, die Bertha! Ich könnt' ihr nich leiden, schon weil sic ihm mich wcggcsnappt Halle. Nu aberS is sie dod; Gott hab' ihr selig. Kind, geb' mich mal die Eiterone her. Dank schöhn. Weißt, sie war so'n swarzen Deubel gräßig hübsch, un sie liefen ihr alle nach, die Kerls. Blos heirathen wollt' ihr Keiner recht; blos der Adam, der war ümmcr ein lütt Büschen dösig. Na, nu iS sie dod. Vor mein Theil kann sic in Frieden slafen. Blos, was woll der Adam von mich will? Wenn ich das bloS wttßt! Nu, er würd woll eingcschcn haben, daß 'n hübsch Vtcbsasch nicht allein glücklich machen tönt. Was meinst, Lisching? Ob er mir woll leiden mag ?" und mein Nicken voll Befriedigung ausnehmend, „nu ja, 'nen Büschen runder bün ich nu. Früher war ich wie ein Stock, und dann, was Erspartes hab' ich auch, ein nett' -stück Geld, so an die vierhundert Thalcrs. Nu aber laß mir allein, Kinding. Da verswatz ich di« Zett, un'» Esten soll doch rechter Zeit auf bem Tijch.1 - Ausnahmsweise war ich heute einmal sehr folgsam. Mit langen Sätzen stürmte ich ums Haus herum, sprang — wahrscheinlich sehr wenig graziös, die paar Stufen zur Veranda empor und schrie der Mama ganz atyemlos, dafür aber mit aller Lungenkraft, die große Neuigkeit inS Ohr: „Denke Dir, Mammi, Mamsell heirathet nun ihren Adam doch noch. Er hat schon eine Frau, aber. . . ." „Was ist das für ein Unsinn?" fragte mein Batcr lachend. „Will die Regine in einen Harem?" „Ach, die ist doch todt!" schrie ich aufgeregt. „Regine oder die erste Frau?" „Na, doch des Adam'ö Bertha. Und denk' Dir, Mammi, Mamsell kann sic nicht leiden und vierhundert Thaler hat sic auch!" „Mädel, so sprich doch nicht so unzusammenhängend. Wer hat vierhundert Tüaler?" „Nun, die Mamsell, Papa!" „Steh' mal an!" sagte der Vater. „Darum!" und er pfiff durch die Zähne. Mama aber sagte: „Regine sollte vernünftig sein und hier bleiben." Ich stutzte. Die Mama hatte nicht so Unrecht. Was sollten wir ohne Mamsell anfangcn? Dann aber dachte ich an Herrn Graumann, und ich versuchte Mama davon zu überzeugen, daß man immer die Pflicht habe, dem Zuge seines Herzens zu folgen, daß die Liebe das höchste Erden glück sei; bis Vaters schallendes Gelächter mich unterbrach und mich, noch ehe die Mama mir einmal gründlich den Kopf zurechtsetzcn konnte, in die Flucht jagte. Natürlich war ich nicht nur tief beschämt; ich fühlte mich auch in meinen heiligsten Gefühlen gekränkt, fühlte mich wieder einmal unverstanden von den Meinen und darum tief un glücklich, was mich aber trotz meiner Thränen und des Vaters Verbot, nicht hinderte, die Stachelbeerbüschc eines TbcilcS ihrer noch unreifen Früchte zu berauben. Natür lich wußten bald Alle aus dem Gute um Mamsell Tophal's Shechancen, dafür batten schon meine Brüder gesorgt. Ich aber stand mich in der nächsten Zett weniger gut mit der braven Regine; hatte sie mich doch des Treubruchs an unserer Freundschaft beschuldigt, indem sie miv vorhielt: „Ne, Lisching, stöhn finden thu ich das nu »ich von Dich, daß Du mir unners die Leujcns ihr Gered' gebringt hast. Das Gefopp macht mir noch ganz rübbelliart. Dem dumm' Ding, der Mieschen, hab' ich mich schonstenS ein Maul schell' an'n Kopp gesmlssen; werd mir doch von so'n Gras aff' nicht for'n Bauern halten lassen! Das hab' ich mich durchaus nich nöthig, un denn budem wegen meine An- sichtlichkeit bei's Gsinde. Ne, Lisching, das hältst Du woll bleiben lassen sollen, budem, wo ich Dich doch so tzum Ge fallen gesnackt hab' von wegen Dein klöterige Liebe mit dem Sptnncfix, wollt' sagen Dein Herrn Graumann!" Ich stand starr, schluckte an den Thränen der Wuth, die mir in der Kehle saßen und war mir nnr über Ein» nicht ganz klar; was sollte tch Mamsell Gine am meisten ver argen, die Anschuldigung de« „Petzens", die „klöterige Liebe", ober den „Sptnneftx"?". ' - tGchluh folgt.)
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder
Erste Seite
10 Seiten zurück
Vorherige Seite