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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 11.09.1905
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1905-09-11
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19050911010
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1905091101
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1905091101
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Handelszeitung
- Jahr1905
- Monat1905-09
- Tag1905-09-11
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Bezug-.Prei- tn der Haupterpeditw« oder deren Ausgabe' stellen abgeholt: vterteljührlich ^ss S.—, bei täglich zweimaliger Zustellung in« Hau» vierteljährlich 8.7k. Durch unsere aus» wärtigen Ausgabestellen und durch di« Post bezogen für Deutschland und Oesterreich vierteljährlich 4.S0, für di» übrigen Länder laut Zeitungsprei-liste. Diese Nummer lostet aus A allen Bahnhöfen und bei III llh T den ZeitungS-Berkäufet^ s Redaktion mrd Expedittonr Johannisgasse 8. Fernspr. Nr. ISS, Nr. 222, Nr. 117S Berliner Redaktion» lvurea«: Berlin 7, Dorotheenstraße SS. Del. I, Nr. S27S. Dresdner Redaktion»-vurea«: Dresden.«^ «önneritzsir. LS, Del. i, Ätr. 4Ü8S. Nr. ML Morgen - Ausgabe. MMrr.TllgMaN Handelszeitung. Amtsblatt des Äönigl. Land- und des Äönigl. Amtsgerichtes Leipzig, des Aales «nd des Aolizeiamtes -er Stadt Leipzig. Anzeigen-Preis ote ü gespaltene Petitzeil» 25 Pf. Familien-, Wohnung»- und Strllen- Anzeigen 20 Pf. inanzielle Anzeigen, LeschästSanzeigen unter ;ext oder an besonderer Stelle nach Taris, ür va» Erschernen an bestimmten Tagen u. stützen wird kein« Garantie übernommen. Anzeigen und Extrabeilagen nur in der i Morgen-Ausgabe Schluß der Annahme aachmrttag» 4 Uhr. I «uzeigeu-Uumchmer «uguftusvlatz 8, Eck« Johmmt-gaffe. Die Expedition m Wochentag» uuuuterbrochen geöffuet von neüh S di» abend» 7 Uhr. Filial-Expedttiou: Berlin, Lützowstr. 1v . . Dresden, Marienstr. 34. Druck -nd «erlag von « Pol, w Leipzig (Inh. vr. «, N. L «. tklinthardt). Herausgeber: vr. Viktor Kltukhardt. Montag N. September lW5.t 89. Jahrgang. Var Wichtigste vom Lage. * In Wien hat wegen der Krisisin Ungarn ein Kronrat unter Vorsitz des Kaisers stattgefunden. Die Entscheidung über Ungarn wird in wenigen Lagen fallen. (Siehe Letzte Depeschen.) * An der serbischen Grenze hat ein blu tiger Zusammen st oh zwischen serbischen und tür kischen Truppen stattgefunden. (Siehe Letzte Depeschen.) * In Japan droht eine Ministerkrisis. Die Straßenunruhen haben aufgehört, aber die Angriffe gegen die Regierung dauern sorr. lS. Letzte Depeschen.) politische Lisch enrchsu. * Dem Präliminarfrieden von Ports mouth ist am letzten Dienstag die feierliche Unterzeich nung des Vertrages durch die Bevollmächtigten der beiden Staaten gefolgt. Nach langen Wochen Harter- Arbeit, zähen Feilschens und unfreundlicher Ausein andersetzungen hatte man zulevr doch eine neue Grund lage für die Wiederherstellung des Friedens zwischen Japan und Rußland gefunden. Damit schienen alle lrüheren Differenzen weggewischt, und seilens der Unter händler war die bei der Unterzeichnung ausgesprochene Hoffnung, daß nunniehr feste und freundliche Bezieh ungen zwischen beiden Reichen bestehen möchten, gewitz ehrlich gemeint. Ob aber diese Hoffnung in Erfüllung gehen wird, das hängt nicht von den augenblicklichen Stimmungen ab, sondern von der Frage, ob beide Mächte bei dem Friedensvertrage bestehen können. Die Friedensbedingungen selbst sind wenigstens in einem Auszuge, der dem „Matin" von Herrn Witte zugesteckt wurde, bekannt geworden. Es wird dadurch lediglich bestätigt, daß die Preßspürhunde ui Portsmouth während der Verhandlungen fast immer aiif der richtigen Fährte waren; nur die englische Flau macherei hatte den eigentlichen Charakter der Konserenz gefälscht. Herr Witte Weitz, was mancher abendländische Diplomat nicht weiß, daß man am besten fährt, wenn man es mit der siebenten Grotzinacht hält. Er hat des halb auch in den schwierigsten Augenblicken der Verband- lungen aus seinem Herzen keine Mördergrube gemacht. Vielleicht hängt es damit zusammen, daß er setzt etwas überschwänglich, fast als ein Triumphator gefeiert wird. In Wirklichkeit hat er doch wohl nur erreicht, daß Rutz- land aus seinem bösen Renkontre mit Japan mit einem blauen Auge davonlommt. Seine Hoffnungen aus einen eisfreien Hafen in Asien mutz es wenigstens auf die grie- chischen Kalenden vertagen. Es sitzt wieder in Sibirien fest, ohne Verbindung mit der See. Nur Wladiwostok gibt ihm die Möglichkeit zum Seehandel. Aber die Küstenprovinz ist setzt wieder ein losgerissener Teil, nur durch die eingleisige mantschurische Bahn mit dem übrigen Sibirien verbunden. Viel kommt freilich darauf an, wie es mit der Räumung der Mantschurei gehalten wird. Nach dem ersten Zusatzartikel des Vertrages sollen Heide Parteien nur fünfzehn Soldaten auf den Kilometer zur Üeberwachung der Eisenbahn in der Mantschurei zurücklassen. Las wäre für Rußland nicht mehr als eine Division. Dann ist es mit seinem Einfluß auf China vorbei. Gewiß will auch Japan die Mantschurei unter deit gleichen Bedingungen räumen. Aber es sitzt in Port Arthur und Talnh, lind es hat die südliche Hälfte der mantschurischen Bahn. Damit fällt ihn, von selbst auch der wirtschaftliche Nutzen zu, der sich aus dec Mantschurei ziehen läßt. Indessen ist wohl noch nicht ge- sagt, ob gerade der Artikel 3 des Vertrages so strikt durch- geführt wird. Beide Mächte wissen sa ohnehin, dah es auch bei einem künftigen Zusammenstoß zwischen Ruß- land und Japan der Boden der Mantschnrei sein würde, auf dem die Entscheidung fällt. Damit soll durchaus nicht gesagt sein, daß an das friedliche Ende nur zu bald sich ein neuer blutiger Anfang knüpfen werde. Zunächst ist der Friede wohl ehrlich gemeint, ganz einfach, weil beide Teile eine Pause nötig haben, um zu verschnaufen. Nur kann man sich nicht verhehlen, daß auch der Friede von Portsmouth noch nicht das Ende der russisch-japa nischen Tragödie bedeutet. Immerhin hat Witte es durchqesetzt, daß Japan keinen Pfennig Kriegsentschädigung erhält. Vielleicht sind die Meldungen über die Unruhen in Tokio übertrieben; auch darf man, wenn von dem Ncederbrennen einzelner Amtswohnungen der Minister die Rede ist, nicht vergessen, daß die japanischen Häus chen nicht mit europäischem Maßstabe gemessen werden dürfen. Aber es kommt nicht a..f den Sachschaden an, der angerichtet wurde, als vielmehr auf die Volksstim- mung, die in solchen Ausschreitungen sich dokumentiert. Jedenfalls muß auch der Mikado die Kundgebungen nicht nir ungefährlich gehalten haben, da er über Tokio den Belagerungszustand verhängt hat. Zugleich erkennt inan aus der Zerstörung zahlreicher christlicher Kirchen und Schulen, daß der Fremdenhaß wieder in Flammen auflodert. In der Leidenschaft kommt eben doch die in der japanischen Volksseele schlummernde Abneigung gegen die europäische Kultur zum Vorschein. Man wird abwarten müssen, ob die japanische Regierung, nachdem sie sich gegen Rußland so glänzend geschlagen hat, setzt stark genug ist, auch den chauvinistischen Volk-Wünschen einen Dämpfer aufzusctzen. Auch in diesem Falle hat aber Japan den Trost, daß e» seinem bisherigen Gegner nicht besser geht. Soviel >st allerdings richtig, daß man in Rußland den Frieden»- 'ch'Uß mit einem Uff der Erleichterung begrüßt bat. Da» russisa* Volk hatte von dem Kriege genug und über genug. Dafür wollen aber die inneren Unruhen nicht aufhören; die blutigen Krawalle von Baku und r-chuscha haben von neuem gezeigt, wie weit Rußland, noch davon entfernt ist, in seinem eigenen Hause Or8- geschaffen zu haben. Professor Martens hat zwar m Portsmouth erklärt, daß Rußland alle Gedanken auf eine großartige Weltpolitik im fernen Osten aufgegeben habe; es wolle alle seine Kräfte sammeln fick einen neuen großen Kampf, nicht auf dem Schlachtfeld, sondern auf dem Felde fruchtbingender Arbeit des sozialen, sowie des politischen Fortschritts. Und gewiß hat Professor Mar tens hier nur ausgesprochen, was die fortgeschrittensten Elemente Rußlands ersehnen. Aber der Weg des sozialen Fortschritts ist gerade in Rußland noch schwieriger als der einer aggressiven Weltpolitik. Und deshalb dürfte man nur zu bald wieder versuchen, den Frieden von Portsmouth umzustoßen, wenn man auch zunächst genug damit zu tun hat, wieder im eigenen Hause nach dem rechten zu sehen. Die Unruhen in Rußland und Japan ließen begreif, licherweise den Friedensschluß nicht zur vollen Wirkung auf die neutralen Mächte kommen. Die Stimmung ver- flaute sich bei uns noch mehr durch die Einschleppung der asiatischen Cholera. B'sher ist es glücklicher weise bei vereinzelten Erkrankungen im Gebiet der Weichsel, sowie bei einigen Fällen in Hamburg geblieben: aber es kann nur gebilligt werden, daß Preußen und Hamburg sofort sämtlich in Betracht kommenden Be hörden mobilisierten, um so die Seuche, wo sie sich auch zeigen möge, im Keime zu ersticken. Während so die Grenze kein Hindernis für die Ueber- lragung der Cholerakeime nach Deutschland war, wacht der lustige Landwirtschaftsminister v. Podbielski noch immer wie ein Cerberus darüber, daß wenigstens das nationale Schwein gesund bleibt. Diese überwachende Tätigkeit wäre gewiß sehr verdienstlich, wenn sie nicht einen sehr fatalen agrarischen Beigeschmack hätte. Denn die F l e i s ch t e u e r u n g hat allmählich eine so beäng- stigende Höhe erreicht, daß nicht bloß die Arbeiterbevöl kerung, sondern auch der Mittelstand davon aufs ärgste betroffen wird. Es heißt geflissentlich die Augen gegen den wirklichen Stand der Dinge verschließen, wenn man in der Forderung einer Erleichterung der Vieheinfuhr nur eine Parteisache erblicken will. Die Differenz zwischen Frankreich und Marokko wegen des verhafteten algerischen Muselmannes B u Mzian el Miliani, die bereits bis zu einem fran zösischen Ultimatum gediehen war, ist glücklich beigelegt worden. Der Sultan von Marokko hat dem Grafen Taillandier alle Zugeständnisse gemacht, die Frankreich gefordert hatte. Zweifellos hat die deutsche Regierung dabei alles getan, uni den gerade in diesem Augenblicke doppelt unbequemen Zwischenfall aus der Welt zu schaffen. Sie hat weiter unseren künftigen Gesandten in Tanger, Herrn Rosen, bevor er sich auf seinen Posten be gab, nach Paris geschickt, damit er mit Herrn Rouvier Fühlung suchte. Das sind zwei neue Beweise, daß die, deutsche Regierung den aufrichtigen Wunsch hat, sich mit Frankreich über Marokko zu verständigen. Es wird nun aber allmählich Zeit, daß auch die französische Regierung die Politik der Winkelzüge aufgibt und zu einer gemein- samen Marokkopolitik ehrlich die Hand bietet. In Ungarn wirft die bevorstehende Eröffnung des Parlaments ihre Schatten voraus. Der von Baron Fejervary in die oppositionelle Koalition geworfene Eris- apfel des allgemeinen Wahlrechts beginnt bereits seine Wirkung zu tun. Der Beschluß der Koalition, die Regie- rung in den Anklagezustand zu versetzen, ist unter diesen Umständen kaum sehr tragisch zu nehmen. Wahrschein lich wird die Regierung das Parlament auflösen, um durch Neuwahlen zu erproben, ob die Opposition die Mehrheit der Wähler hinter sich hat. vir verubigung Lokis;. Ans Tokio wird über London telegraphiert, daß in der ganzen Stadt die Ordnung vollstän dig wieder hergestellt sei. Die Straßen tragen wieder ihr alltägliches, friedliches Gepräge. Katsu- ra 8 offene Mitteilungen bei einer politischen Konferenz mit parlamentarischen Führern und einer weiteren mit Redakteuren Haden eine bessere Verständigung berge- stellt. Die Zerstörung christlicher Kirchen wird angeblich von den« gebildeten Publikum sehr bedauert. Verursacht soll sie durch die Haltung von Mitgliedern der Heils- armee sein, welche auf der Straße und in Vor lesungen sich heftig gegen die Antifriedensbewegung aus sprachen. Wie über New Rork aus Washington gemeldet wird, bekundet die Regierung Besorgnis, weil von dem amerikanischen Gesandten in Tokio seit dem Beginn der Unruhen keinerlei Tele gramme eingcgangen sind. — Don den Urteilen der englischen Preske ist noch das des „Daily Telegraph" zu bemerken, der geschrieben hat: „Der Bestand des Ka binetts Katsura ist wahrscheinlich nicht unbe- dingt notwendig kür das Wohl Japans, aber es ist not wendig, daß der Vertrag von Portsmouth ratifiziert wird. Eine Weigerung ist undenkbar, denn sie würde Japan die Sympathien der Welt entfremden und das Land in eine falsche Stellung bringen, aus der es ohne Erniedrigung keinen Ausweg geben würde." Deutsches Keich. Letvtta, l» September. * Die Kaisertag? in Homburg v. d. H. Nach dem Trinkspruch des Kaisers bei dem von ihm gegebenen Gastmahl erwiderte der Oberpräsidcnt von Windheim mit einem Hoch auf da» Kaiserpaar. Er Kob bei diesem Trintspruch hervor, daß bei aller Verschiedenheit der in der Provinz vertretenen Volk»stämme die Herzen der ge samten Bevölkerung den Majestäten warm und treu ent gegenschlagen und cm Sinn und Herzen de» Volkes ein gesunde? monarchisches Gefühl festgewurzelt vorhanden sei. — Nach der Tafel hielten die Majestäten Cercle ab und sahen von der Dorterrasie daS große Feuerwerk an. Die Stadt war glänzend illuminiert. * Der Parteitag der nationalliberalen Jugendvrreiae hat in Stuttgart mit einer Begrüßungsversammlung ani Freitag abend und einer nichtöffentlichen Sitzung am Sonnabend früh begonnen. In ihr gedachte der Vor- sitzende des Reichsverbandes, Rechtsanwalt Dr. Her mann Fischer, in warmen Worten des verstorbenen warmen Freundes der Jugendbewegung, Dr. Kam macher. Aus dem Jahresbericht ist zu entnehmen, daß die Zahl der angeschlossenen Vereine von 48 auf 59 mit mehr als 10 000 Mitgliedern gestiegen ist. Zum Ein greifen in die Tagespolitik gaben der Bergarbeiterstreik und in Süddeutschland vor allem die Landtagswahlen Veranlassung. Auch bei Gemeindewahlen arbeiteten viele Vereine erfolgreich mit. Einzelne Vereine traten der Gesellschaft für soziale Reform bei. Andere trugen durch Gründung liberaler Arbeitervereine zur sozialen Versöhnung bei. Das Verhältnis der Jugendvereine zu den alten Vereinen war im allgemeinen gut. Die auf der Leipziger Tagung beschlossene Resolution über Arbeitskauimern ist dem Zentralvorstande der Partei weitergegeben worden. Da ein entsprechender Gesetzent- Wurf dem Reickstage wahrscheinlich nicht zuaehen wird, nimmt vielleicht die nationalliberale Fraktion Veran lassung, nunmehr ihrerseits vorzugehen. Auch die Richt linien zum Schulantrag sind der Partei weitergegeben worden. Haben die Waffen jetzt auch zu ruhen, bis die Gesetzesvorlage erscheint, so ist doch die Haltung der Jugend durch jene Richtlinien klipp und klar gegeben. Irgend ein Abweichen ist mit den Grundsätzen der Ver eine unvereinbar. Entsprechend den Wünschen der Leipziger Tagung sind zwei weitere Vertreter der Jugend in den Zentralvorstanü der Partei ausgenom men worden. Die Zeitschrift „Nationalliberale Jugend" ist der geistige Mittelpunkt der Jugendbewegung ge worden. Ihr tritt jetzt eine Serie „Jungliberale Schrif ten", herausgegcben von Zimmermann-Köln und Fleischer-Frankfurt, zur Seite. In der nachmittags ^45 Uhr abgehaltenen ersten öffentlichen Verhandlung sprach Reichstagsabgeordneter Dr. H. Böttger über Mittel st andSpolitik. Er charakterisierte den Mittelstand als diejenige Bevöl kerungsschicht, bei der neben dem Betriebseinkommen eine gewisse Sicherheit gewährendes Besitzernkommen vorhanden ist, oder welche für den Erwerb der zum Unterhalt nötigen Produkte Hiilfsmittel besitzt. Der Referent schätzt den alten Mittelstand: Handwerker, kleinere und mittlere Kaufleute auf 2 Millionen Haus haltungen, den neuen Mittelstand: die freien Berufe, Aerzte, Anwälte. Apotheker, Künstler, Schriftsteller, Beamte. Privatbeamte, Werkmeister und die besser ge- stellten Arbeiter auf 4 Millionen Haushaltungen. Alles in allem umfaßt der deutsche Mittelstand 24 bis 30 Mil lionen Seelen. Redner schildert die hohe Bedeutung des Mittelstandes für daS kulturelle, soziale und nationale Leben, beruft sich dabei u. a. auf die politische Bedeu tung des Mittelstandes in dem polnischen Sprachgebiet. Also sei die Unterstützung und Förderung deS Mittel standes erste Staatspflicht. Aber dem gewerblichen Mittelstand müsse zugerufen werden: Gewerbefreiheit und Rechtsgleichheit sind nach wie vor die Grundlagen der heutigen Volkswirtschaft. Diese Gewerbefreiheit ist im Jntereste der guten Sitte und der Gerechtigkeit mit manchen Schranken zu versehen. Nene sittliche und orga nisatorische Gedanken müssen unser Volk und unsere Parteien in sich aufnehmen und verarbeiten. Niemand darf Philister und rückständig sein, am wenigsten der Liberalismus. Der Liberalismus ist verpflichtet, den großen neuen Aufgaben der M'ttelstandspolitik gerecht zu werden und er wird sich, soweit der gemäßigte und nationale Liberalismus in Frage kommt, dieser Auf gaben wie bisher mit aller Liebe annehmen und sie bei richtiger Beobachtung von Staats- und Selbst- hülfe zum glücklickxm Ende führen. Bei der Vorstandswahl wurden wiedergewählt Schuhmgcker-Dgcken, Stübeler-Stuttgart, PoenSgen- Berlin und Kock-Mannheim; neu hinzugewählt wurden Spitzhggen-Pirmasens, Würz-Elberfeld und Hübsch- Nürnberg. * Die Heidelberger Tagung deS Preußischen Medi zinalbeamtenvereins beschäftigte sich in ihrer Schluß- sitzung am Sonnabend zunächst mit der Beaufsichtigung der Geisteskranken außerhalb der Anstalten. Als Nefe- rent sprach hierzu Privatdozent Dr. W. Weber. Ob ein Geisteskranker yußerhalb der Anstalt gelassen werden kann, dafür sei nicht das Stadium seiner Krankheit be stimmend, sondern vielfach individuelle Verhältnisse und äußere Momente. Der Redner hielt eine allgemeine Regelung im Sinne einer Reichs! rrengeselmebung nicht für angebracht. Die öffentlichen Irrenanstalten seien in erster Linie zur Heilung und Pflege, nicht zur Unsckäd- lichmachung Geisteskranker bestimmt. Korreferent zu dem Thema war Prof. Dr. Stolper-Göttingen. Auch er legte in seinen Ausführungen allgemeine Leitsätze vor. Den dritten Punkt der Tagesordnung bildete die Dis- kusfion über das Thema „Abwässerreinigung mit Rück sicht auf die Reinhaltung der Wasserläufe". Hierauf wurde die Tagung geschlossen. Berlin, >S. September. * Bundesrat und Beschlüsse de» Reichstage». Ent sprechend einem vom Reichstag angenommenen Antrag Gröber wird diesmal spätestens mit Vorlegung des Ent wurfes deS ReichshauShaltS-Etat» dem Eingang einer tabellarrschcn Uebersicht der vom Bundesrat auf Be schlüsse deS Reichstages gefaßten Entschließungen ent gegengesehen. Diese Uebersicht der BundcSratsent- schließungen soll sich auf sämtliche Initiativanträge und Resolutionen de» Reichstage» erstrecken, soweit solche nicht lediglich die Ueberweilung eine» Gegenstände» zur KenntniTnahme oder al» Material betreffen. Gleich zeitig wird über die Erledigung der älteren Delcklüsse de- Reich-tage» Auskunft erwartet, über welche in frühe- ren Uebersickten eine Entschließung deS BundeSrats noch nickt mitgeteilt wurde. * Südwestafrikauische Verlustlistr. Ein Telegramm aus Windhuk meldet: An Typhus sind gestorben: Reiter Heinrich Westermann, geb. am 1b. Februar 1881 zu Himmelpforten, früher im Feldartillerieregiment Nr. 45, am 4. September 1905 in der Krankensainmelstelle Gochas. Reiter Franz Herrmann, geb. am 26. Mai 1883 zu Niederbühl, früher im Infanterieregiment Nr. 142, am 6. September 1905 in der Krankensammelstelle Kubub. Sanitätssergeant Wilhelm Nierhaus, geb. am 19. Dezember 1880 zu Heven, früher im Infanterie- regiment Nr. 173, ist infolge Jagdunfall» verletzt. Schuß Unterkiefer. * Eröffnung der Olavi-Bahn. Die „Norddeutsche Allgemeine Zeitung" meldet: Nach einer bei der Otavi- Gesellschaft eingetroffenen telegraphischen Nachricht wurde der Betrieb der Htavi-Bahn auf der ganzen Strecke bis Omaruru am 1. September eröffnet. Be kanntlich war der erste Bauzug am 25. August rn Oma ruru eingetroffen. * Zum „Fall Martin" teilt die „Antisoz. Korresp." mit, daß die Absicht, gegen den NegierungSrat Martin ein Disziplinarverfahren einzuleiten, allerdings bestanden habe, aber wieder aufgegeben worden sei. Das ist ver ständig. Zugleich meldet daS genannte Blatt, daß in dem Verfasser des Aufsehen erregenden Buches der Wunsch rege geworden sei, bei passender Gelegenheit einen entsprechenden Tätigkeitskreis außerhalb Berlins bez. außerhalb der Sphäre der Berliner politischen Reichs- und Staatsämter zu erhalten. Da» beißt mit anderen Worten, Herr NegierungSrat Martin gedenkt einen ähnlichen Weg zu gehen, wie vor ihm Legattonsrat Helfferich und Regierungsrat Völcker und wird dabei sicher bei seiner Begabung Tüchtiges leisten. — Der Reichskanzler begibt sich, wie da» „B. T." meldet, von Baden-Baden nach Koblenz Mr Audienz beim Kaiser. Angeblich soll diese Reise Bülows mit Beratungen über Mittel zur Bekäuipfung der Fleischnot Zusammenhängen. — Bon dem angeblichen Rücktritt des Chefs de» Militär» kabinetts, den di« ^Nat.-Ztg." anÄndigte, ist nach Infor mationen der „T. R." an „denjenigen «stellen, dt« davon unbedingt unterrichtet sein müßten, nicht da» miudeste be kannt". — Die bisher nationallibevale „Nordostsoe-Zeiturva" wird am 1. Oktober Provinzorgan der freisinnigen Botkspartei, Es bandelt sich hier offenbar um «inen Coup gegen die „Kieler Zeitung", die als Organ der sogenannten uberalen Parteien Schleswig-Holsteins der Berliner Leitung der freisinnigen Bolkspartei von jeher ein Dorn im Arge war. * * Kiel, 9. September. Beim Anlaufen von der kaiserlichen Werft kollidierte da» Linienschiff „Preußen" mit dem Turbinenkreuzer „Lübeck", Butde wurden er heblich beschädigt. Ziluslanck. Oesterreich. Ungar«. * Kristojstz für de» retteube, Wahlrecht^«». Rach eiuem Pest er Telegramm hat der Minister de» Jnaern Kristosfy als Kandidat für. daS Abgeordnetenhaus im Bogsaner Wahlkreis eine Prograuunrsd« gehalten. Erjagte, das allgemeine geheime Wahlrecht bilde em sicheres Mittel, um eine endgültige Lösung der Krise und ein« Regenerierung der politischen, wirtschaftlichen und sozialen Loge herbeizu führen. Im ungarischen Parlament habe die Obstruktion gesiegt, weil die Majorität bei der enge» BegrenKung des Wahlrechts vom Volke vollständig isoliert sei. Wären die breiten Bolksjchichten im ungarischen Parlament vertreten gewesen, so wäre das Abgeordnetenhaus niemals dazu ge- langt, die teure Zeit mit staatsrechtlichen Zwtstig- ketten zu vertrödeln. In Ungarn werde der Vmrifs Na tion ein ganz anderer, als der oeS Volkes: da» Parlament verirre sich vollständig im Labyrinth staatsrechtlichen Haders, die großen Ideen, die das Volk bewegen, blieben ihm völlig fremd, so die Auswanderungstraae. Hätten wir eine wirkliche Volksvertretung, fuhr der Minister fort, so würde die klägliche Lage großer Volksmassen, die sie zur Auswanderung drängt, im Parlament zur Sprache kommen, so würden die Steuerreform, sowie Eisenbahn- und Kanolbamen begonnen werden. Die Volksvertretung würde sich mit der Förderung de» Handels und der In dustrie befassen, demokratische Grundbesitz politik treiben, kurzum, das Parlament würde seine Ehre darin suchen, die Wohlfahrt der breiten Volksschichten zu fördern. Da jedoch das Parlament aus dem Kreise der ge ringen .Zahl der Privilegierten hervorgehe, kümmere es sich nickt nm diese hochwichtigen Interessen, vertiefe sick aber mit fanatischem Eifer in die staatsrechtlichen Streit- fragen. Die Erscheinung neuer Elemente im ParlamenI, die daS allgemeine Stimmrecht entsenden werde, werde zugleich neue Ideen in den Vordergrund stellen; die alten, ver brauchten staatsrechtlichen Scklagworte werden in de Rumpelkammer kommen Das allgemeine Wahlrecht reinige die politische Moral. Die häßlichen Seel en - käuse müßten aushören. Der Minister schloß seine Rede mit der Versicherung, er werde im Interesse des allgemeinen Wahlrechts auch fernerhin tätig sein. Man versuche ver gebens, ibn durck die Androhung, das; er unter An klage gestellt würde, einzuschüchtern. Rußland. * Ein AtteututSprozcß. In Moskau begann dieser Tage die Verhandlung gegen die Studenten Poteracki und Wolkow, die seinerzeit auf dem Moskauer Bahn hose ein Revolverattentat gegen Trepow ver übten. als dieser mit dem Großsürsien SeraiuS eine Reise nach Petersburg antrat Poteracki ist der Sohn eines Be amten, Wolkow Sohn eines Ehrenbürgers. Dl« Verhand lung tst ausnahmsweise öffentlich. Wolkow wird von dem oftgenannten RechtSanwalt Mandel st am verteidigt. Poteracki verweigerte jede Aussage, do er, wie er erklärt, -die staatlichen Institutionen nicht anerkennt". Tr^ow selbst war als Zeuge geladen, aber nicht erschienen. Dem Gerichtshof lag ein schreiben TrepowS vor, worin dieser ersuchte, kommissarisch vernommen zu werden. Diesem Ge such wurde trotz dem Widerspruch Mandelstvm» statt gegeben und die Verhandlung wurde vertagt. * Flucht von Gcjanftknen. Der Student Feldman», der Hauvtagitator aus dem russischen Kriegsschiffe „Po. j temkin . der seinerzeit von der russischen Polizei verdöstet
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