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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 24.01.1903
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1903-01-24
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19030124014
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1903012401
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1903012401
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1903
- Monat1903-01
- Tag1903-01-24
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A«zetge«ePreiD die Sgefpaltene Petilzeü« LS Kellam«, mrirr d<» RedalNoaKtrtch lä gespalten) 7L Lh vm de» FamUtemmch- richwu (k gespalten) KO Tabellarischer and Ztffernsatz entsprechend höher. — Sebührea für Nachweisnngen und Offerteuauuahm« Sk («xck. Porto). Ertra-Beilage« (gefalzt^ »ur mit der ivkorgen-Au-aab«, oha« Postbesörderrmg SV.—, mit Postbesördnutg 7E—» Iiuuahmrschluß fiir Aurei-e« Abeud»Ausgabe: vormittag» 10 Uhr. vl»rge,.«a»gaber Nachmittag» 4 Uhr. Anzeige« sind stet« 2- di« Erpedttion zu -»chien. Die Expedition ist wochentags ununterbrochen geöffnet von früh S ftk abend» 7 Uhr. Druck und Verlag von E P-»lz tu Leipzig. Nr. 42. Sonnabend den 24. Januar 1903. 97. Jahrgang. Grundlose Angriffe auf die Offiziere der deutlchen Kriegsmarine. Bon Kapttänkeutnant a. D. Graf E. Reventlow. Ein, wie er sich nennt, früherer „Kauffahrteikapitän" hat sich gemüßigt gefühlt, mehreren Blättern das Fest» kommen der,, Wittelsbach" im großen Belt mit einer langen Litanei über die Unfähigkeit des deutschen Marineoffiziers zu schildern. Der Seeoffizier ist der groß sprecherische, nichts könnende Salonmensch, der „Kauf fahrteimann" der anspruchslose, alles wissende „Mann der Arbeit". Er behauptet, daß die Marineoffiziere zu wenig Seeleute seien, und sieht die einzige Möglichkeit, aus den jetzt bestehenden heillosen Zuständen heraus zukommen, darin, daß man die Marinesteuer leute zu Navigationsoffizieren „durchwachsen" läßt. Früher, als noch Seeoffiziere vorhanden gewesen seien, die der Kausfahrteimarine entstammten, feien die Zeiten ganz anders gewesen, die heutige seemännische Erziehung geniige durchaus uicht. In Wil- helmshaven habe er neulich ein Verholmanöver gesehen — ,Her Wind war recht aus Osten", fügt er als alter See mann hinzu, damit dem Leser die Situation völlig klar ist! — da wären „funkelnagelneue" Trossen gebrochen, man habe viel zu viel geredet und überhaupt. . .; da ginge es auf den Handelsdampfern doch anders zu. Man sei ja in der Marine so von sich eingenommen, daß man selbst (!) die als Einjährige an Bord dienenden jungen Leute (diese haben ihr Stcuermannsexamen abgelegt) gar nicht beachte! Mit einem warmen Appell an die Herzen der Steuer zahler, daß „das Herummanövcrieren mit unseren Mtl- lionenschiffen den Staatssäckel zu sehr angreife", schließt der frühere „Kauffahrteikapitän" den Artikel und gibt da mit seiner naiven Argumentation diejenige Würze, welche ihn sicher den Kreisen schmackhaft machen umß, an welche er sich wendet. Seiner Meinung nach leistet lediglich das Unterpersonal etwas, die Offiziere dagegen sind sämtlich renommierende Salonmenschen. Der oft citierte „see männische Sachverständige" der Sozialdemokraten hätte keinen besseren Artikel schreiben können. Wäre diese Ten- denz nicht so klar, so könnte man bedauern, daß ans Kreisen der Handelsmarine eine derart gehässige und ur teilslose Stimme laut würde. Zum Festkommen der „Wittelsbach" läßt sich nun zu nächst bemerken, daß ihr Kommandant, Kapitän zur See Wallmann, aus -er Kauffahrtei marine hervorgegangen ist, also die von dem früheren „Kauffahrteikapitän" gewünschte seemännische Bildung besitzt. Obwohl bas Schiff während dichten Nebels in einem schwierigen Fahrwasser auflief, das von großen, tiefgehenden Kauffahrteidampfern nicht befahren wird, ist der Kommandant vom Kriegsgericht mit drei Wochen Stubenarrest bestraft worden: wer mit militäri schen Verhältnissen vertraut ist, weiß, daß dies eine harte Verurteilung bedeutet. Der „Kauffahrteikapitän" weiß aber aus Erfahrung, daß für solche „Marineglanz manöver" Orden verliehen werden. Daß auch Kauffahrtei schiffe festkommen, scheint ihm nicht bekannt zu sein, viel leicht hat er jetzt von der „L a h n" gelesen. Unparteiische Beobachter könnte es nicht wunderneh men, wenn an Bord eines neuen, eben in Dienst gestell ten Panzerschiffes während des Herausmanöverierens aus der Werft unter ungünstigen Verhältnissen nicht diejenige Stille herrschte, wie es nach längerer Jndiensthaltung der Fall ist; denn die Mannschaften und Unteroffiziere kennen das Schiff nicht, unb auch die Offiziere müssen sich erst daran gewöhnen. Mit einem Kauffahrteidampser ist schon deshalb kein Vergleich möglich, weil an Bord dieser Schiffe die Mannschaft ans lauter berufsmäßigen Seeleuten be steht, welche jahraus jahrein auf denselben oder annähernd gleichen Schiffen fahren. Der Kauffahrteidampser wird ferner nicht durch die Ausbauten und die Menge der auf und neben ihnen aufgestellten Geschütze unübersichtlich ge macht. Ein Manöveriercn im kriegsschiffmäßtgen Sinn ist mit einem Kauffahrteischiffe überhaupt nicht ausführ bar, weil die Maschinen nicht darauf hin konstruiert sind. Mancher Reserveoffizier hat während seiner Hebung in der Kriegsmarine schon die Erfahrung gemacht, daß es ein ganz ander Ding ist, mit einem schweren Kriegsschiffe zu manöveriercn. Als „alter Kauffahrteikapitän" am Boll werk zu stehen, ist sicher eine angenehme Beschäftigung, und solche Kritik ist ihrer Billigkeit wegen noch angenehmer, zumal wenn sie für den Druck Abnehmer findet. Die deutsche Marine hat nicht nötig, sich loben zu lassen, denn ihre Leistungen sprechen selbst; von einer tadelnden Kritik aber muß eine Objektivität verlangt werden, deren Be dingung Sachkenntnis und Unparteilichkeit ist. Beides läßt der Erguß des „alten Kauffahrtetkapitäns" vermissen, rnn dafür den eigentlichen Zweck nur zu deutlich zu ver raten. Der Seeoffizier erblickt in den Kapitänen und Offizieren der Handelsmarine Kameraden, und es würde ihm niemals einfallen, aus einem UngtückSfall oder einem Manöver, dessen Beurteilung sich ihm als Außenstehenden entzieht, allgemeine Schlüsse nachteiliger Natur zu ziehen. Warum ich auf den Artikel des alten Kapitäns ant worte? Tadel einer bestehenden und gar einer staatlichen Einrichtung werden stets gern gelesen; da ich es besser weiß, als der „alte Kauffahrteikapitän", so wäre cs wider mein Gewissen, keinen Versuch zur Beruhigung des empör ten Steuerzahlers zu machen. Vie Vollendung der holländischen Unfallversicherung. p. 8t. Ende vorigen Jahres ist endlich, zwei Jahre nach der Annahme des Gesetzes selbst bet den gesetzgebenden Faktoren, die holländische Unfallversicherung in Kraft ge treten. Die Verzögerung ist hauptsächlich zurückzuführen auf die Schwierigkeiten, die mit der Feststellung der Ge fahrenklassen und der Ausarbeitung des Prämientartfs verbunden waren. Damit ist der Zeitpunkt gekommen, wo man zum Teil schon die ersten Wirkungen dieses Anfanges der holländi schen Arbciterversichcrnng erkennen kann. Gleichzeitig ist es sehr lehrreich, zu sehen, wie diese soziale Gesetzgebung, der das einheitliche Prinzip, welches man in der deutschen Bersicherungsgeseygebung findet, die kräftige Hand des wirklich leitenden Staatsmannes fehlt, schon im Anfang der Entwickelung auf tote Geleise gerät. Als Vorbild -er holländischen Unfallversicherung gilt das österreichische Gesetz. Demgemäß ist der Hauptgrund satz nicht, wie im Deutschen Reiche, die Aufbringung der Kosten durch das sogenannte Umlagcverfahren, sondern durch das Kapitaldecknngsverfahren. Die Regierung hat seinerzeit als Grund hierfür angeführt, daß für Holland das Umlagcverfahren mit seinen Berufsgenvssenschaften nicht zu empfehlen sei, weil das Land hierfür zu klein sei und eine Einteilung der Betriebe in Berufsgenossen schaften nicht rechtfertige. Demzufolge konzentrierte man die Versicherung dermaßen, daß man sämtliche Betriebe in Gefahrenklassen einteilte, deren jede mit ihrer Unfall- gsfährlichkeit entsprechenden Gcfahrenprozcnten einge schätzt wurde. Nach diesem so entstehenden Prämientarif hat jeder Unternehmer nach Gcfahrenposition und Lohn summe seines Betriebes eine Jahresprämie einzuzahlen. Tie so eingezahlten Beträge laufen in der „Reichsver- sicherungsbank", die in Amsterdam zu diesem Zwecke er richtet worden ist, -usammeü. Die Postämter gelten als Nebenämter dieser Bank und vermitteln den Verkehr mit den Arbeitgebern ihres Bezirks. Sie zahlen auch die Renten aus, die die Reichöversicherungsbank zuerkennt. Erwähnenswert ist, daß die Reichsversicherungsbank vom Staat unterhalten wird, so daß diese Art Versicherung also den Vorteil sehr geringer Verwaltungskosten ge währt. Für den Arbeiter selbst bringt die Versicherung den Erfolg mit sich, daß er bei Unfall freie ärztliche Be handlung erhält, sodann ein Tagegeld (70 Prozent des versicherten Tagelöhns) bis zum 43. Tage nach dem Un fälle, von da ab eine dem Unfall und der Arbeitsunfähig keit entsprechende Rente. Für den Todesfall erhalten die Hinterbliebenen ähnliche Entschädigungen wie bei uns in Deutschland. Der Höchstbetrag des versicherungs pflichtigen Tagclohnes beträgt 4 fl. (— 6,80 ^t!>. Dieses Gesetz fand nun in der Kammer, besonders so- weit die Unternehmer in Betracht kommen, «ine ziemlich scharfe Kritik, die sich namentlich in den dazu gestellten Anträgen aussprach. Vor allem suchte man dem nivellierenden Verfahren der Kapitaldeckung dadurch zu entgehen, daß man neben dieser staatlichen Versicherung die Selbst- und Privatversicherung bestehen lassen wollte. Man muß ja ohne weiteres zugsben, daß nach dem hollän dischen Verfahren kein Unternehmer ein Interesse daran hat, Unfälle zu verhüten, denn er zahlt ja doch nur all jährlich die für seinen Betrieb fcstgestellte Prämie. Das bedeutet somit eine unkluge Benachteiligung der technisch und sozial hochstehenden Unternehmungen. Infolgedessen forderten schon bet Beratung des Gesetzes einflußreiche Arbeitgcberkreise die Möglichkeit einer anderen Form der Versicherung. Diesen Wünschen ist insofern stattgegeben worden, als neben der Versicherungsbank noch die Selbst- Versicherung, die Privatversicherung und die korporative Versicherung auf Gegenseitigkeit gestattet ist. Die letztere würde also ziemlich mit der deutschen Form der Berufs genossenschaften zusammenfallen. Beschränkt sind diese Ausnahmen allerdings nur ohne weiteres auf Staaten, Provinzen, Gemeinden von wenigstens 20 000 Einwoh nern als Arbeitgeber. Andere Arbeitgeber und Ber einigungen solcher werben zur Sonderversicherung erst nach Erstellung eines ausreichenden Pfandes zugelassen. Trotzdem fit bis jetzt von dem Recht der Sonderversiche rung ziemlich erheblich Gebrauch gemacht worden. So sind größere Städte, wie Amsterdam, Rotterdam, Haag zur Sekbstversicherung geschritten und eine ganze Reihe Ar beitgeberverbände, zum Teil beruflich gesondert, ins Leben getreten. Der Rest, man kann wohl sagen, der schwächlichere Rest, der Betriebe muß die wenig diffe renzierte staatliche Versicherung in Kauf nehmen. Daß die ganze Unfallversicherung der Niederlande damit ihre Einheitlichkeit zum Teil cingebüßt hat, kann man tetzt schon behaupten. Wie sich ihre Wirkung auf den Arbeit nehmer, der ja doch, weniger stet wie der Arbeitgeber, die Versichernngsform des öfteren wechseln dürfte, ausdrücken wird, muß die Zukunft lehren. Dieses letzte Bedenken scheint dasjenige zu sein, dem man am meisten Aufmerk, samkeit schenken möchte. Immerhin darf man den Anfang einer allgemein staatlichen Sozialversicherung für Holland einen Fort schritt nennen. Bon deutscher Seite hat man wohl auch deswegen allen Grund, diesen Fortschritt zu begrüßen, weil die holländische Industrie und Binnenschiffahrt — man kann sagen: auf Kosten ihrer unversicherten Arbeit nehmer — bisher in der Lage ivar, ihre deutschen Mitbe werber zu unterbieten. Auch hier wird in Zukunft eine ausgleichende Wirkung von dem holländisch«« Bersiche- rungSgcsetz ausgchen. Möge der soziale Ausgleich, dem das Werk dienen soll, zur Vervollständigung der hollän dischen Arbeiterversichcrung führen! Deutsches Reich. Berlin, 23. Januar. (Zu den Finauzsorge« im Reiche.) Bei Besprechung der Finanzlage im Reiche sind bei der CtatSdebatte besonders vom Abg. vr. Sattler eine Anzahl von GesichiSvunklen geltend gemacht worden, welche eine eingebenvere Würdigung verdienen. Wenn auf da», wiS er sagte, von den nachfolgenden Rednern nicht in dein Maße vielleicht, als erwartet werden konnte, Rücksicht ge nommen wurde, so liegt die Erklärung hierfür gar nicht weit. Mit Rücksicht daraus, daß im Sommer Neuwahlen zum Rrich-ta»« und im Herbste solche für das preußische Abgeordnetenhaus statt,ufinben haben, macht sich begreif licherweise eine nickt unbe'rächiliche Scheu bemerkbar, Fragen anders als vorsichiig und flüchtig zu behandeln, die, man mag eS auch noch so sebr leugnen, einer gedeihlichen Lösung schwerlich werden näher gebracht werden können, ohne daß auch srr einer Möglichkeit gerechnet wird, die, so unpopulär sie immer is^ doch nicht wohl auf die Dauer als absolut ausgeschlossen be zeichnet werden kann: der Erschließung neuer Ernnahmequellen des Reiches. Von Seiten deS EtatSrednerS der Deutschkonservativen, deS Grafeu Udo zu Stolber g, wurde geäußert, wenn wir recht bald zu neuen Handelsverträgen auf Grund deS neuen Zolltarifs gelangen könnten, würde man in den nächsten Jahren wahrscheinlich ober bvffenilich ohne Zuschuß- auleihcn zu einer Balanzierunz des EialS gelangen. Im FririHetsn. Larnevalsmoden. Plauderet von Cyprien ne. Nachdruck verboten Es ist ein vielfach verbreiteter Irrtum, daß Masken, trachten nicht der Mode unterworfen sind. Und doch gibt die allmächtige Herrscherin nicht minder ihre Gesetze in Prinz Karnevals Reich, als anderswo. Gegenwärtig be herrscht der sogenannte Jugendstil die gesamte Karnevals mode. Wer in den Ballsaal tritt, wird sofort bemerken, daß das Gesamtbild infolgedessen im Vergleich zu früher gänzlich verändert ist. Während ehedem Genien, Elfen, Nixen und sonstige Fabelwesen kurze, meist weiße Ballett röckchen und eng schnürende Taillen trugen, sind sic gegen wärtig in lose Hänger gekleidet; während -en Schmetter- lingsmasken früher kurze, steife Flügel an den Schultern saßen, zeigen zur Zeit die weiten, charakteristfichcn Hänge ärmel die Schmctterltngsflügelform, die beim Heben der Arme in reizvollster Weise zum Ausdruck gelangt usw. Besonders stark macht sich die neue Richtung bei den klours Loimöes geltend. B'ele glauben, dies Masken genre wäre überhaupt nicht mehr Mode, doch ist dies durchaus unrichtig. Es gehört vielmehr zum Vornehmsten und Beliebtesten, -aS es gibt, nur sind die Trachten gan- andere, als früher. Bis vor einer Reihe von Jahren be nähte sich eine Dame, die als Rose erscheinen wollte, ein durchsichtiges weißes Ballkleid mit einzelnen künstlichen Rosen und stülpte sich eine große Rose auf den Kopf, heute dagegen läßt sie sich ein schlankes Empkrcgewand au- dichterem rosa Setdenchiffon anfertigen, dessen kurze, weite Taille aus rosenblattförmigen Teilen besteht, von denen jeder m't einem grünen Kelchansatz schließt. Außer dem trägt die Rose, die Königin der Blumen, ein goldene» Krönlein ans dem breit und wellig frisierten Haupt, von dem ein duftiger Schleier herabwallt, wie die Bräute der Empirczeit ihn liebten. Andere Blnmentrachten sind gan- ähnlich komponiert, sofern die Beschaffenheit der Heimat der betreffenden Blume nicht die Idee einer Charakter- maSke oder Landestracht nahe legt. So erscheint Chry santhemum als Japanerin im buNtseidenen Kimono, das mit vielen Nadeln durchsteckte Haar über den Ohren mit je einer Lhrysanthemumblüte geschmückt, Kaiserkrone prä- sentiert sich im prächtigen Putz einer byzantinischen Kaiserin und Schierling als giftmischende Hexe, deren zer lumptes Altweibergewand durch die mit zahlreichen Ein schnitten versehenen SchierlingSblätter imitiert wird. Natürlich ist die Lilie unter den kleurs animSo» stets sehr zahlreich vertreten. Auf einem Wiener Maskenball er schienen im vergangenen Jahre nicht weniger als zwei- undvicrzig Lil'cn. Die meisten von ihnen stellten prä- raphaelitische Engel dar, die gleich denen von Giotto, Jan und Hubert van Eyck in weißwollene Mantelgewänder gekleidet waren und lange Ltlienstengel in den Händen hielten. Das in der Mitte gescheitelte, in Pfropfenzieher locken geordnete Haar hielt ein schmaler goldener Stirn reif zusammen, und an den Schultern saßen riesige weiße Taubenflügel, die genau nach den Vorbildern der ge nannten Meister mit imitierten Edelsteinen, Klittern und Kantillc bestickt waren. Eine Lilie verkörperte auch die moderne Kunst und eine zweite das moderne Knnstgc- werbe. Im letzteren Fall war der dekollettierte Hänger aus bunter indischer Seide gefertigt und mit weißen Sammetlilien in Applikationstechnik benäht. Balayeusen ans weißen Ltlienblättern stützten den langschleppenden Saum des Prunkgewandes, das eine farbige Edelsteinkette gürtete. Entsprechende Ketten zierten Hals, Arme und das in breite Wellensche'tel geordnete goldblonde Haar, das außerdem in üblicher Weise Ltlienblütcn zu beiden Seiten der Ohren schmückten. Am meisten Bewunderung erregte jedoch eine Lilie als Emptrebraut. Für die kurz- taillige, nur leicht schleppende Robe derselben hatte man weißen Atlas gewählt, den eine weiße Plattstichstickerei aus steifen, langsteugeligen Lilien vom untern Rockrand bis zu den Knien dekorierte. Diese wiederholte sich auf der Schärpe, den kleinen Puffärmcln und dem Seidentüll- schleter. Die Mnrtenkrone und da» gleichfalls aus Myrten gewundene Brautbouquet ahmten in der Form Lilien- blüten nach. Auf dem nämlichen Ball fiel durch ihre Originalität eine Jungfrau von Orleans auf, die gleich zeitig eine bestimmte KaktuSvarietät darstcllte. Den An laß zu der Idee hatten die seltsamen panzerartigen Blatt gebilde dieses Gewächses gegeben. AnS ihnen kombinierte sich denn auch der Harnisch der Schlachtenjungfrau, indes ihr kurzer Rock einer scharlachroten umgcstülpten KaktuS- blüte glich. Tine ebensolche diente als Helm, unter dem das blanschwarze Haar hervorquoll. Ebenso modern wie die kleurs animSea sind die Vogel- und Jnsektcnmaskcn, für die alles maßgebend fit, was über jette gesagt wnrde. Sie zerfallen ebenfalls in zwei Kategorien, von denen die «ine al» Köftnm nur einen Hänger und zwei Paar Flügel — ein größeres für die Schultern und ein kleines als Kopfputz — erheischt, wäh rend bei der anderen die Maske auch eine doppelte Be deutung hat. Die Elster tritt als Klatschbase mit Pom padour und Kartenspiel auf, der Pfau ist eine eitle Mon- daine in hypermoderner Pariser Balltoilette, die See möwe eine in Wassersportskostüm, der Eisvogel eine Schlittschuhläuferin in der Wintcrtracht der Frauen von Archangel, die Taube ein weiblicher Briefträger und die Biene eine Hausfrau in mittelalterlichem Kostüm mit Häubchen und Schlüsselbund. Jede Maske wird durch die Flügel, die sie trägt, als der Bogel gekennzeichnet, der dargestellt werden soll. Ihrer Schönheit wegen möge eine Pfauenmaske, die in diesem Winter in Paris angefertigt wurde, beschrieben werden. Tas Kleid bestand aus weißer Seide, über die sich weißer Chiffon, mit Pfauen federn in sezessionistischen Mustern bestickt, breitete, den Halsausschnitt umgab ein hoher Kragen aus Goldsp'tzen über Drahtunterlage und die Aermel schlossen weite, lange Volants ans Goldspitzcn ab. Auf dem Kopf der Trägerin des wahrhaft künstlerischen Kostüms saß ein kleines, naturalistisch ansgcführtes Pfauenhanpt, und der Stielfächer, den sie in der Hand hielt, war aus einem rad artig anSgearbeitctcn Pfaucnschweif. Glitzerndes Ge schmeide aus Gold und Edelsteinen zierte in fast über reicher Fülle Hals und Arme. Bevorzugt werden neuerdings auch alle Masken, bei denen sich Glühlichter anbringen lassen. Fast auf keinem Maskenball fehlt ein Irrlicht !m weißen durchiichtigen Hänger, die Gestalt umflossen von langem Rabcnhaar, von dem über dem Scheitel ein blaugrün schimmerndes Irrlicht lenchtet. Auch alle Planeten, wie ferner Fix sterne und Kometen werden in dieser Weise ver sinnbildlicht. Viele Damen erscheinen wiederum in Do minos mit vollständigen Glühlichtkronen auf den Köpfen. Bei Erwähnung der Dominos möge gleich bemerkt wer den, daß man «m allgemeinen gegenwärtig etwas anderes darunter versteht, als früher. Ans den Ballsälen der vornehmen Welt sind di« kuttenartigcn Hüllen nachezu verbannt, dagegen sieht man dort in Unzahl hochelegante hochgchende und sehr lose gearbeitete Empirekleider, die Dominos genannt werden. Man hat auch Charakter, und Phantasiedominos, deren Bedeutung sich meist aus dem Kopfputz ergibt. Beispielsweise möge die Schilderung eines solchen Kostüms „Eitelkeit" hier Platz finden. Als Material deS Kleide? dient einfarbige oder gemusterte Seide, reich mit Spitzen besetzt, den Kopf aber krönt ein großer Hut in moderner Fasson, der ganz an» kleinen Spiegeln zusammengesetzt ist, zwischen denen Glühltchter angebracht sind. Dem Hut entspricht der Stielfächer, der gar nicht bizarr gering gestaltet sein kann. Natürlich müssen dieLichter sich in denGläsern spiegeln, wodurch vor zugsweise der blendende Effekt dieser Maske erreicht wird. In den meisten Fällen steht der Kopfputz in keinerlei Zu sammenhänge mit dem Kleide, dem eigentlichen Domino. Jener besitzt oft einen ungeheuerlichen Umfang. Blumen- körbe. Schiffe mit voller Takelage, Vogelbauer mit lebenden Kanarienvögeln darin, Aquarien, Schweizer häuschen, kleine Fontänen in farbiger Beleuchtung usw. usw. sind beliebte „Kopfzierden". Man vermag nur den Heroismus der Trägerinnen zu bewundern, die diese Last den ganzen Abend mit sich hcrumschleppcn. Auf -em be reits zuvor erwähnten Wiener Maskenball war das Haupt eines weiblichen Dominos sogar von einer Bogen lampe gekrönt, und in Triest machte ein Herr dadurch Sensation, daß er einen Galgen mit einer daran baumelnden Wachsf-gnr auf seinem Scheitel üalanzierre. Im großen und ganzen haben sich die Maskentrachten der Herren im Vergleich zu früher viel weniger ver ändert, als die der Damen. Wer ein echtes National kostüm besitzt, der pflegt cs bei solchen Gelegenheiten zu benutzen. Die ehemals bis zum Ueberdrnß gesehenen Türken, Spanier, Ritter, Schneemänner, sow*c die histo rischen Trachten, die ans dem Bestand einer Operetten garderobe zn stammen scheinen, wird man freilich heute in den Maskensälen der besseren Kreise vergeblich suchen. Dasür sind humoristische Masken sehr bel'ebt. Thorncr Psefferkuchenmänncr treten in der Regel zu fünf bis sechs gleichzeitig ein. Die Kostüme sind ans braunem Atlas gearbeitet und getreu den eßbaren Pfefferkuchen männern nachgebildet. Selbst die leckeren Mandeln fehlen nicht. Es macht einen fnrchtbar komischen Ein druck, wenn solch eine vßficllschast Thorner in der Tür erscheint. Außerdem siebt mau überall G'gerln der un glaublichsten Art — Retscgigerln nach Art deS seligen Tartarin von Tarascou, Sportsgigerln, Gesellschafts- gigcrln usw. Der eine glänzt in Beinkleidern von der Weites eines Fraucnrocks mitBolantbcsatz, der zweite, der von der Reise kommt, schiebt Gepäckstücke in Kugel- ober Tonncnform vor sich her, der dritte in schulterlosem Paletot, unter dem die Frackschöße vorzotteln, trägt auf einem kolossalen, kahlgcschorcnen Kngclkvpse ein wtnz'gc» Knabenhütchcn und in der blutrot behandschuhten Hand einen Spazierstock, der fast bis zur Decke reicht. Diese Gigerltrachten sich auch alö Karncvalsklcidung für die Straße sehr beliebt.
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