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Sächsische Volkszeitung : 01.07.1903
- Erscheinungsdatum
- 1903-07-01
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id494508531-190307010
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id494508531-19030701
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-494508531-19030701
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungSächsische Volkszeitung
- Jahr1903
- Monat1903-07
- Tag1903-07-01
- Monat1903-07
- Jahr1903
- Titel
- Sächsische Volkszeitung : 01.07.1903
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tkrscheint täglich nachm, mit Ausnahme der Sonn« u. Festtage. Bezugspreis r Vierteljahr!. 1 Mk. SO Pf. (ohne Bestellgeld). Post-Bestellnummer 8858. Bei außerdeutschen Postanstalten laut Zeitungs-Preisliste. Einzelnummer 10 Pfennige. Unabhängiges Tageblatt für Wahrheit, Recht und Freiheit. 8ucdilr»iclttrel. beilalttion unä kercbäNrrteller Dresden, Pillnitzcr Straße 43. Inserate werden die 6 gespaltene Petitzeile oder deren Raum mit 15 Ps berechnet, bei Wiederholung bedeutender Rabatt. Redaktions-Sprechstunde: II—1 Uhr. Fernsprecher: Amt I. Nr. 1566. 146. Katholiken: Thcodorich. Mittwoch, dkN 1. Juli 1903. Protestanten: Theobald. Ä. Häßliche Quertreiberei. Einige Tage vor der Stichwahl veröffentlichte Herr Pastor Gerisch, Archidiakonus zn Kamenz, in der „Nenen Zeitung" (Bischofswerda) einen Artikel „Znr Stichwahl am 25. Jnni", in den: derselbe geradezu anffordert, gegen den Kandidaten Herrn Gräfe aufzntreten, wenn dieser dem Herrn Gerisch nicht gehorchen wolle. Der Artikel sagt in seinen Hanptstellen: „Das katholische Blatt „Sachs. Bolkszeitung" bringt unterm 20. Jnni folgende Notiz: „Da wir Zentruinsleute von dein leb haften Wunsche beseelt sind, unseren Wahlkreis vor der Sozial- demokro'ie zu bewahren, so sind wir umsomehr erfreut, den Zentrimswählern des 3. Wahlkreises die bestimmte Versicherung geben zu können, das; vom katholischen Standpunkt aus kein Hindernis mehr besteht, Gräfe zu wühlen. Dann folgen noch einige Aenszerungen der „Sachs. Volksztg.", ans denen Herr Gerisch schließt, daß für ein „Entgegenkommen" des Herrn Gräfe und für gebotene „Vorteile" 'die Zentrnmswähler „ihm (Herrn Gräfe) ihr Wohlwollen verkauft haben; das; er mit der ultramontanen Zentrumspartei Abmachungen getroffen und Zusagen gegeben haben muß, die eigens die Zentruinsleute befriedigten. Welcher Art sind sie? usw." „Wir fordern Herrn Gräfe ans, sich zu der Sache zu er klären, beziv. unsere geäußerten Besorgnisse zu zerstreuen, wenn er es kan». Im andern Falle (d. h. wenn Herr Gräfe diese unberechtigte Anzapfung unbeachtet läßt) bleibt für jeden bewußt-evangelischen Christen nichts anderes übrig, als am 25. Juni sich der Abstimmung zu enthalten oder einen unbeschriebenen Zettel abzugeben. Daran kann selbst die Tatsache nichts ändern, das; so möglicherweise der Sieg des sozialdemokratischen Gegenkandidaten erfolgt. Dam: schreibt Herr Pastor Gerisch weiter, — und aus diesen Sah machen wir besonders aufmerksam: „Es hieße Verrat begehen nicht bloß an der evangelischen Kirche, sondern am deutschen Volk und Vaterland, das mit dein Evangelium steht und fällt, Verrat begehen an den wertvollsten Gütern und Errungenschaften der deutschen Nation, wollte man als evangelischer Ehrist einem Kandidaten die Stimmen geben, der charakterlos dem von jesuitischen Geist durchdrängten Zentrum, dem allergeführlichsten Feind des Deutschen Reiches,' sich dienstbar gemacht hat. Herr Gräfe wäre dann von zwei Nebeln nicht das kleinere, sondern zum mindesten das gleichgroße, von denen es für den Evangelischen bciderweise gilt: bleib ihnen fern!" — Unterschrieben ist der Artikel: „Im Namen vieler Mitglieder des Evangelischen Bundes znr Wahrung der deutsch-protestantischen Interessen. N. Gerisch, Ärchid. und Pf." Unsere Leser werden erkennen, das; Herr Pastor Gerisch folgert de Forderung stellt: Herr Gräfe hat uns klipp und klar zu sagen, ivas er etwa mit den.Katholiken des 3. Wahlkreises verhandelt hat. Tut er das nicht bczw. befriedigen seine Auskünfte nicht, dann dürfen die Evangelischen des 3. Wahlkreises Herrn Gräfe nicht wählen, auf die Gefahr hin, das; dann der Sozialdemokrat durchkommt. „Anders zn handeln wäre Verrat an der evangelischen Kirche, am deutschen Volk, am Vaterland, „das mit dem Evangelium steht und fällt", an den Errungenschaften der deutschen Nation usw. — Also dieselbe Tonart, wie man sie in Dresden und ans der Wartburg vernommen: „Lieber sozialdemokratisch als ultramontan"! Da jene evangelischen Pastoren aber doch sicher nicht der Meinung sind, der eine oder andere Wahlsieg eines „Ultramontanen" oder eines Nichtknlturkämpfers müsse die evangelische Welt „ultra- montan" machen, so wollen sie mit jenem Sprüchlein nichts anderes sagen als: Lieber wählen wir sozialdemokratisch, als das; wir den Katholiken Gleichberechtigung in Deutsch land zngestehen. Der Kaiser wie der Kanzler, die Bnndes- fürsten wie die Regierungen der Einzelstaaten haben durch die diesmaligen Reichstagswahlen genau kennen gelernt, wer bereit ist, mit der Revolution zn paktieren. Ans des Herrn Gerisch Angriff hat dann Herr Gräfe an: Tage vor der Stichwahl in der Hauptsache folgendes geantwortet: Offener Brief an Herrn Archidiakonus und Pfarrer R. Gerisch. Obwohl die Form und der Inhalt Ihrer an mich ge richteten Anfrage mich der Pflicht einer Antwort entbindet und heute schon gerichtet ist durch den Sturm-der Entrüstung, der sich dagegen erhöben hat, will ich trotzdem zur Klärung des öffentlichen Urteils folgendes seststellcn: „Sie schlagen jeder Gerechtigkeit und nllcr christlichen Pflicht direkt ins Gesicht, indem Sie die schlimmsten Anklagen gegen mich erheben und gewissenlos Behauptungen auf stellen, deren Haltlosigkeit ihnen klar sein mußte, oder durch eine Anfrage an mich sofort klar geworden wäre. Nur auf eine nichts sagende Wendung der „Sächsischen Bolkszeitung" hin ziehen Sie Schlüsse, für die jede Vorbedingung fehlt Eine einfache Frage an mich hätte Sie zu der Erkenntnis geführt, daß nicht ich an das Zentrum herangctreten bin, sondern das; die Vertreter dieser Partei ohne mein Zutun in selbstloser, patriotischer und christlicher Art mir ihre Hilfe in diesen: schweren Kampfe zur Rettung der leiste» Schanze des sächsischen Vaterlandes eutgegengebracht haben. Wissen Sie nicht, das; das höchste irdische Gut eines Ehristenmcnschcn seine Ehre ist? Ich klage Sie an, daß Sie nicht mir allein, sondern allen den Hunderten christlichen und deutschen Streitern im heißesten Ringen ii: der Entscheidungsschlacht gegen den offenen Feind des Vaterlandes und der christliche» Kirche in den Rücken gefallen sind und versucht haben, uns den Schwcrtarm zu lähmen in dem Moment, als er sich erhebt zum letzten Schlage. Sie wollen die Jesuiten bekämpfe», indem Sie mich zu fällen suchen, der zweimal in: ReiclMage gegen, dieselben gestimmt, und helfen den Sozial demokraten, die sich offen für die Jesuiten bekennen. Sie wollen die Jesuiten bekämpfen und fallen mich hinterrücks an, fordern höhnend Antwort und Aufklärung in verschiedenen Zeitungen des Kreises von nur zu einer Zeit, wo sic genau wissen, daß ich vor der Wahl nicht inehr antworten kann und Sie wollen die Jesuiten bekämpfen? Ich klage Sic an, den: Christentum, der cvangelischcn Kirche und unserem Vaterland den schwersten Schlag verseht zu haben, der gegen sie geführt werden konnte. Die poliiische Einsicht und die christliche Hingabe der Männer des Zentrums, an deren Spitze ein hoher katholischer Geistlicher stand, an die gemeinsame geheiligte Sache des Christentums und des Vaterlandes, erhebt sich Himmel hoch über ihren abstoßenden zclotischen Eifer. Sie wollen die Jesuiten bekämpfe» und fordern die Wähler zur grössten Wahl- Heuchelei, zur Abgabe weißer Stimmzettel auf. Genug, morgen rollen die Würfel um die letzte Veste des christlichen Deutschtums in: Sachsenlande, morgen wird ^das Urteil gefällt über Sic und über mich. Wenn morgen die Sonne sinkt und wenn auch über unsere Heimat, siegreich und »nheilverkündend das rote Banner emporsteigen sollte, dann wird Herr Höppncr wissen, wohin er zuerst seine Schritte zu lenken hat, um seine,: wirksamste» Bundes genossen die Hand zun: Danke zu drücken. Darauf hat wieder Herr Pastor Gerisch eine lange „Offene Antwort" gegeben, die weit davon entfernt ist, Herrn Gräfe in den Sand zn strecken, nn: so geeigneter aber, Herrn Pastor Gerisch noch einen Grad inehr ans den: Lichte zn rücken. Wir bringen nur einige Sätze. So sagt z. B. Herr Gerisch: Daß ich durch den Sturm der Entrüstung, der gegen mein „Eingesandt" vom 23. d. M. sich erhoben hat, schon gerichtet sein soll, weis; ich nicht. Es fragt sich, ob die Entrüstung eine sittliche Grundlage hat. Entrüstunasrummel entsteht auch da, wo etwas faul steht, und träge Geister von ihrem Faulbett aufgescheucht werden, und daß h:er manches faul steht, beweist die Weigerung des hiesigen Amtsblattes, des „Sächsischen Erzählers", diese „reine Entgegnung aufzunehmen. Dem Offenen Brief des Herrn Gräfe, der inrch mit Schmutz über und über anwirft, haben seine Spalten offen gestanden, meine Berichtigung weist es ab — das ist auch Gerechtigkeitssinn. Wenn Herr Pastor Gerisch sagt, der „Offene Brief" des Herrn Gräfe habe ihn, den Herrn Gerisch, mit Schinutz überhäuft, so müssen wir fragen, ob Herr Gerisch wohl derart von sich eingenommen ist, und vom Fanatismus der art geblendet ist, daß er einen energischen, aber seinen: Po litischen Verfahren vollauf gebührenden Tadel schlankweg als Werfen mit Schmutz ansieht, lieber die Unfehlbarkeit des Papstes in Glanbensentscheidnng ist Herr Gerisch gewiß hochentrüstet, für sich aber verlangt er nicht nur politische, sondern selbst persönliche Unfehlbarkeit. Nur aus diesen: Unfehlbarkeitswahn heraus sind die obigen Sätze erklärbar. Nur was Herr Gerisch tut und sagt, ist richtig, was- andere ineinen, ist „faul", es sind die Einbildungen „träger Geister, die von ihren: Faulbett aufgeschencht Werden sollen". ' Und der „Sächs. Erzähler" übt Ungerechtigkeit! Nein, Herr Pastor, der „Sächs. Erzähler" ist ein Blatt, das politische Vernunft bewiesen hat, als es Sie abwies; kein Mensch wird ihn: verdenken, daß es sich mit Ihren Vorschlägen nicht kompromittieren wollte. Des weiteren erklärt Herr Gehrisch, eS sei „ihn: gar nicht eingefallen, Herrn Gräfe zn Falle bringen zn wollen. Den Rücken habe ich Ihnen und Andern stärken wollen gegen katholische Anmaßlichkeit." Herr Gerisch scheint ganz vergessen zn habe,:, daß er ganz kurz vor der Stichwahl seinen Angriff gegen Herrn Gräfe veröffentlichte, also Ver wirrung in den evangelischen Kreisen schaffen mußte. Eine ganz eigenartige „Rückenstärkung" ist es aber jedenfalls, Herrn Gräfe das Messer an die Kehle zn setzen und mit der indirekten Hilfe für den Sozialisten zn drohen, wenn Herr Gräfe nicht sofort einen Kotau vor Herrn Gerisch macht und ihm eine aufrichtige politische Beichte ablegt. Natürlich zieht Herr Gerisch auch über die sächsische Zentrnmspolitik her und meint, erst hätten die Zentrnms- wähler nichts von Herrn Gräfe wissen wollen, dann aber sei ein Kuhhandel zustande gekommen nnd sogleich seien die Zentruinsleute für Herrn Gräfe zn haben gewesen. Darüber entrüstet sich Herr Gerisch sehr und schreibt: „llud das soll Patriotismus sei», der erst vezahlt zu sein ver langt, ehe er den Finger fürs Vaterland rührt!? Herr Gräfe, wo bleibt Ihre Urteilsfähigkeit?! Das rühmen Sic als Selbstverleugnung Aach geschiedener Ehe. Ein Sittenbild aus den: heutigen Frankreich. Von Comtesse de Beaurepaire. — Deutsch von Helene Krembs. (13. Fortsetzung.) (Nachdruck verboten.) „Das ist eii: herber Trost!" „Bleibt Dir denn heute etwas anderes übrig? Wie könnte es auch sonst seit: angesichts der Lage, die er sich selbst, die er Dir und seinen Kindern geschaffen? Wem: Du das Gegenteil behaupten wolltest, so würde ich es Dir einfach nicht glauben." „Ich weiß ... ich weiß . . . Aber ich möchte ver gessen . . . vergessen, daß er noch existiert." „Gewiß, aber leiser, nnd das ist die Ironie des Schicksales, ist dies kann: möglich. Zn viel Bande ver knüpfet: Euch, zn viel Verhältnisse führen Euch immer wieder zusammen — wenigstens in Gedanken." „Das ist nur zn wahr." „Es ist unfaßbar, wie unsere sogenannten Gesetzgeber eii: solches Gewirr von Schwierigkeiten, wie die Ehescheidung cs mit sich bringt, gut heißen konnten; wie es vernünftige Menschen gibt, die dergleichen annehmen nnd ansführen. Wenn ich sage, vernünftige Menschen, so ist das eigentlich unrichtig, dem: die bösen Leidenschaften verwirren den Ver stand nnd trüben die Sehkraft des Geistes. Dieser Um stand allein erklärt auch in etwas das Betragen Deines Gatten. Aber daß Du die Idee einer solchen Ungeheuer lichkeit nicht mit Abscheu von Dir gewiesen, das werde ich niemals verstehen." „Und ich kann cs mir nicht vergeben!" ' „Hättest Du es nur auf eine einfache Trennung an- kommen lassen! In drei Jahren wäre der Rausch bei ihn: zu Ende gewesen! „Ich wiederhole es mir jeden Tag, was Du sagst; ich habe ja keine Minute Ruhe mehr. Für mich ist daü Glück unwiederbringlich dahin."' . „Mit dreißig Jahren. Welch ein Schicksal!" „So eben, als mein Töchterchen hier vor mir kniete und so lieb nnd sanft mich in ihr reines, frommes Kinder- herz blicken ließ, da vermeinte ich für einen Augenblick wieder glücklich zn sein. Aber der Traun: war kurz. Jäh und bitter war das Erwachen." „Ich kann Dich nicht genug bedauern. Was Bertinet anbetrifft, so wird unser Herrgott ihn zn strafen wissen. Ich wünsche es von Herzen, das magst Du glanben." „Aber Du setzest mich in Erstaunen, denn wie kannst Du als gute Christin einen solchen Wunsch hegen?" „Alle rechtschaffenen Leute denken wie ich. Und so wird es auch kommen. Regina, die herzlose Kreatur, wird ihn quälen, wie er Dich gequält hat. Die Untreue, deren er sich Dir gegenüber schuldig geinacht hat, wird ihn: teuer zn stehen kommen. Du wirst gerächt werden, Aolande!" „Das ist cs, was ich über alles fürchte! Sein Un glück wird meinen Kummer nicht heilen; in: Gegenteil..." Nolande ließ ihren Tränen freien Lauf, die sie vor den Kindern mit so viel Heldenmut verbarg. Wenngleich Frau Marande das, was sie der Freundin strafbare Nachgibigkeit nannte, zn tadeln schien, so »ahn: sie doch den aufrichtigsten und herzlichsten Anteil an ihren: Schmerze, nnd ihr Mitgefühl tat der Vereinsamten und Schwergeprüften wohl. Sie schied endlich mit dem Ver sprechen, den ganzen folgenden Tag mit Dolanden nnd ihren Kindern znznbringen. Frau Bertinet hatte keine näheren Verwandten mehr, deshalb wollte Martha ihr an diesen: festlichen Tage als Freundin znr Seite stehen, sie wollte ihr Glück und ihre Trauer teilen. Spät suchte Nolande ihr Lager ans, jedoch der Schlaf floh ihre Lider, die Sorgen ließen sie keine Ruhe finden. Endlich rötete sich der Morgenhiminel, und eine strahlende Sonne stieg an: Horizonte ans. Nolande kniete znm Gebete nieder nnd begab sich dann an ihre Toilette, ans welche sie nach langer Zeit wieder einige Sorgfalt verwendete. Für diese feierlichen Stunden ließ sie die Tranergewänder, die sie seit der Trennung von: Gatten getragen, bei Seite, nnd schmückte sich für den Ehrentag des Kindes. Als sie fertig war, begab sie sich zn Hermine, die gerade anfwachte. Sie ließ es sich nicht nehmen, dieser dein: Ankleiden behülflich zn sein. Mit Rührung betrachtete sie dann das in jungfräuliches Weiß gehüllte junge Mädchen. In gut christlichen Häusern, wo die Religion nicht nur im Aenßern, sondern auch in: Herzen befolgt wird, legt inan besonderes Gewicht ans die Wahl der Dienstboten, die man dann gleichsam mit znr Familie rechnet; diese nehmen teil an den Freuden und Leiden der Herrschaft. Sq war es bei Frau Bertinet, welche seit ihrer Heirat stets dasselbe Personal beibehalten. Alle hatten das Betragen ihres ehe maligen Gebieters scharf verurteilt. Heute nun wollten auch alle ihren: Jubel Ausdruck geben. Mit Ausnahme des Kutschers, der steif und feierlich ans seinen: Bocke saß und niemanden: die Ehre abgetreten hätte, die Königin des Tages znr Kirche zn fahren, standen sie in: Hausflur, nn: Hermine im Vorbeigehen zn bewundern und ihr ihre Wünsche darznbringen. Das glückliche Mädchen hörte kaum darauf. Sie dankte grüßend, zog den Schleier, der sie wie Engelsflügel um wallte, fester nnd stieg in den Wagen. Neben ihr nahm die Mutter Platz, und ans den Rücksitz setzten sich ernst und andächtig Margnerite nnd der kleine Johann. Frau Marande erwartete sie schon in der Kirche. Die beiden Freundinnen tauschten einen verständnisvollen Gruß ans und vertieften sich in ihr Gebet. Der Geistliche hielt eine zn Herzen gehende Ansprache an die Kinder, dann be wegten sich die Erstkommnnikanten ii: langen Reihen znm Tische des Herrn. Hermine kan: an ihrer Mutter vorbei. Diese schaute ans, des Kindes Züge waren wie verklärt, ans den: Gesichtchen lag es wie ein Abglanz überirdischer Wonne nnd Seligkeit. Als habe sie ans kalter Erdennacht plötzlich einen Blick ins Paradies getan, so leuchteten des Mädchens Augen. (Fortsetzung folgt.)
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