Suche löschen...
02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 22.09.1905
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1905-09-22
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19050922029
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1905092202
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1905092202
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Handelszeitung
- Jahr1905
- Monat1905-09
- Tag1905-09-22
- Monat1905-09
- Jahr1905
- Links
-
Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
VrzxgS-Preis t» der Hanptexpedition oder der« S usgabo» stellen abgehou: vierteljährlich S.—. bet täglich »wetinaligrr Zustellung ins Hau vierteljährlich S.7S. Durch «usere au» wärtigen Ausgabestellen und durch die Post bezogen für Deutschland und Oesterreich vierteljährlich 4.50, für di« übrige« Länder laut Zeitung-Preisliste. Diese Nummer kostet aus /d allen BahnhSsen and bet III ^IdV den ZettungS-Verkäufer» I * Redaktion und ErpedMu» JohauatSgass« S. Fernspr. Nr. ISS, Nr. Nr. H7». Verltu er Redaktion»-Bureaur Berlin k^VV 7, Dorotheen straß» Sst. r«l. I, «r. »S7L. Drr-dner Redaktion»-ivurrmr: Trrsde»A„ KSnueritzstr. »ü, Lei. l. Nr. SÜSS. Abend-Ansgabe. MpMer Tageblalt Handelszeitnng. NmtsVlatt ves H'önigk. Land- und des Königk. Amtsgerichtes Leipzig, des Nates nnd des Volizeiamtes der Ltaöt Leipzig. Anzekgen-Prek- dte gespalten» Petttzeil» Lö Pf. Famtlteo> Wohuuna^ und Stell r» Anzetgen LO Pt, Mnanztell« Aoznaeu, »etchästSauzeigen unter Text oder an besonderer Stell» nach Darif. Für vaS Erscheinen rn bestimmten lagen u. Plätzen wird kein« Garantie übernommen. « Anzeigen and Extrabeilagen nur in der Morgen UuSgade Schluß der Annahme nachmittag» 4 Uhr. Nnzetgen-Annodmer AugnkknSplatz 8, Eck» tzohauui-gaff«. Di« Expedition tü Wochentag» aoooterbroche» geöffnet «v» früh S di» abend» 7 Uhr. FUtat-ErpedtNoni Verltn. Lötzoivftr. IO. . . Dresden, vtarieastr. 84, Druck und Verlag von R Dost tu Leipzig Lah. 0». v, «. L Ultokhardt), HeranSgebem vr. Viktor Kitnkhardt. Nr. 484. Var Aichligrte vom ragt. * Bei den verschiedenen Berliner Elektrizitäts werken sind jetzt durch Aussperrung und Streik etwa 11OOO Arbeiter beschäftigungslos geworden. * Der ehemalige Minister de» Aeußeru DelcassL ver unglückte in Foix mit dem Automobil und erlitt schmerz hafte, aber nicht gefährliche Verletzungen. * Nach einem Telegramm au» Karlstad erwartet man, daß die Verhandlungen heute zum Abschluß kommen. * In Lodz streiken die Arbeiter aller Wolltuch fabriken, etwa 8000 Mann. * Colonel Frank RhodeS, ein Bruder von Cecil RhodeS, ist gestorben; er war als einer der IohauneSburg-Reformer im Jahre 1898 znm Tode verurteilt worden. * Von der Anklage, Stimmen zur Generalversamm lung gekauft zu haben, wurden der Direktor der Leipziger Buchbinderei-Aktiengesellschaft vorm. Gustav Fritzsche, Kom- missionSrat Fritzsche, und der Kaufmann Georg Hermann Couard Kohl heute von der 2. Strafkammer deS Landgerichts lreigesprochen; ebenso der Rechtsanwalt Dr. Max Emil Theodor Küstner und der Kaufmann Paul Hermann Knautb, die sich der Beihilfe zu diesem Vergehen schuldig gemacht haben sollten. (S. GerichtSsaal.) fferr stipling. Der deutsche Kaiser hat am 3. Mai 1900 an den Vvrd Curzon depeschiert: „Erfüllt von tiefem Mitgefühl lür das schreckliche Elend in Indien hat Berlin mit Meiner Genehmigung eine Summe von über einer halben Million Mark aufgebracht. Ick babe Befehl gegeben, daß diese Summe nach Kalkutta gesührt und Eurer Exzellenr zur Verfügung gestellt wird. Möge Indien in dieser Handlung der Hauptstadt deS deutschen Reiches daS warme Gefühl von Sympathie und Liebe für Indien erblicken, das Mein Volk leitete, und daS aus der Tatsache herrührt, vaßBlut dicker ist als Wasser." Eure diesem—seitdem geschicht lichen — Telegramm über die Hungersnot und die Pein der Hindus ähnliche Depesche hat Wilhelm ll. an die Gattin deS Herrn Rudyard Kipling gesandt. Der Dichter der Dschungeln, der Soldatenkantinen und der Musichalls, dessen AtaviSmuS Urwaloklünge und niedrigste Brutalität mit einander verbindet, lag krank, und der Kaiser depeschierte: „Als enthusiastischer Bewunderer der unvergleichliche» Werke Ihres Gatten, warte ich angstvoll auf Nachrichten über seine Gesundheit. Gott gebe, daß er unS erhalten bleibe, damit er auch weiterhin die Großtaten unserer großen gemeinschaftlichen Rasse besinge." Herr Kipling ist genesen; aber er hat weder dem Monarchen, der ihm als Kind der koburgischen Dynastie näher stehen konnte, noch dem deutschen Brudervolk ge lohnt. Er wurde im Burentrieg durch holprige, vulgäre Verse daS Organ seiner eigenen Nation, er subr Deutschland au, wie noch jüngst der alte Herr Zwinburne getan hat, und zog nur widerwillig aus dem Zuiammenbruch AldionS die Folgerung: „Wir haben eine Lotion im Imperialismus bekommen, sie wird uns noch ein Imperium ein dringen". Als die Deutschen vor Venezuela lagen und England sich zu einer momentanen Allianz berbeiließ, verspottete Herr Kipling den ungleichen Bund. Er ist nach seinem ganzen Verhalten feuer Leibgarde John Bulls zuzurechneu, die seit dem Telegramm an Krüger den deutschen Kaiser wie eine» abtrünnigen Vasallen haßt, er nimmt sich wie eiu jouroalischeS Pendant zu den Royal DragoonS aus, die den Neffen Eduards VII. in seinem Bildnis beleidigten. Jetzt hat ihm der Meister deS Interviews, Herr Jule» Huret aus Paris, neue Offenbarungen abgelockt, die in einer uazivilisierten Bedrohung des deutschen Reiches und seiner Zukunft gipfeln. Herr Kipling hat den Mann, der im Namen des ge schwätzigen Dieners .Figaro" kam, in Sussex empfangen und hinter seinen goldgefaßten Brillengläsern angelächelt. Er bekennt sich zur „eutvuts eoräiuls", die er selbst mit den Ossizieren des „Dupleix" ein Jahr zuvor in Kapstadt eingeweihl habe; die Franzosen hätten „eitra ür^" getrunken und dann, obwohl vergebens, süßen Champagner bestellt. Der Gast fragte, „ob nicht das britische Reich die Grenze seiner normalen und möglichen Ausdehnung erreicht habe". „ Der Imperialismus", erwiderte Herr Kipling, „ist nichts al» die reale Darstellung dessen, daß dank den Eisenbahnen, den Schnelldampfern und den Telegraphen die Distanz zwischen Metropole und Kolonien und zwischen den Kolonien selbst weit weniger beträchtlich ist, als sie zu sein pflegte". Der Franzose zweifelte; daS Wort habe einen anderen Sina. Herr Kipling mußte daS eiu- räumen; aber er blieb dabei, der Imperialismus sei keine Er- oberungSparole. Demnach scheint er ihm eine mehr konservierende Tendenz zuzusprecheo; »derer gewahrte sofort, daß diese nicht für die Prätention eines AutiburenvichterS genüge, und machte heftige Zusätze. Die neue Idee der britischen Koloaialverwaltung, die Kolonien in tägliche Berührung mit der Zentralregierung zu dringen, babe nicht« — also auch jene .Raffe" nicht — ge meinsam mit der.cäsarischen Zentralisation, unter derZentral- curopa leidet." Die Einheit der von Albion umfangenen Kolonien sei etwa» wie eia GeschästSsyndikat oder eia Fuß ballklub: .Der Angelsachse muß daS, wa» er erworben Kat, bewahren und gegen die Begehrlichkeit derer schützen, die noch za lernen Haden, wa- Freiheit ist." Die vorwitzige Erkundigung nach den Gründen, w«-halb Großbritannien auf ttine Politik der .glänzenden Isolation" verzichtet habe, hat der Poet der .Lurrrrcü room d»U»ck»" überhört. Er schmeichelte Herrn Huret, einzig Frankreich und England seien frei. Wie Bäum« seien sie während der Iayrhunderte neben einander zum Lichte gewachsen, und ihre Annäherung sei den Herzen ver Nationen selbst entsprungen. .Wenigsten» beim mgliichen Volk", schwächte Kipling zwinkernd ad; er dürfte der Legende selbst noch mißtrauen. . Glauben Sie nicht", ,uhr Herr Huret kort, .daß zwischen Eng land und Deutschland em Krieg auSbrechen könnte, m den Frankreich verwickelt würde?" Der große Mann verueiat« 89. Jahrgang. Freitag 22. September 1905. da ich Berlin, 22. September. * Aus dem Flottenverein. Die „T. R " ist in der Lage zu erklären, daß die von der .Preuß. Korr." zu dem Antritt zweier Milglieder an« dem Präsidium de» glottenverein» ver breiteten Nachrichten auf talschen Grunklagen beruhen. Zu nächst sei srst.ust Ucn, laß He,r von Würzburg bereit» vor kinein Jahre, al,o lang- vor der Krisis, die Absicht, au» d« , , . i lärme und ihre übertreibe: „Hören Sie an! In politirche Lagerrcdau. Leipzig, 22. September. Die Einführung von Chinesen und Japanern rn Deotsch-Nea-Goinea. Aus Herbertshöhe, 18. Juli, schreibt man unS: Die Kaiserliche Regierung beabsichtigt einer. Versuch mit der Ansiedlung chinesischer oder japanischer Bauern, viel leicht, wenn ausführbar, mit beiden zugleich zu machen. Zu nächst sollen nun einmal etwa dreißig Familien rn einem Teile des Schutzgebietes, der voraussichtlich von Weißen nicht m Angriifaenommen wird. Mit einer «ewiffen Fläche Lande« auf dem Wege der Erbpacht betraut werden. Sollt« der Versuch mit Erfolg gekrönt sein, so würde man eine größere Einwanderung diele« Element« eventuell anstreben. Der Zweck de» ganzen Unternehmens ist die Herbeischafiuna eine« brauchbaren Ardeitermaterials. da« man in den Nachkommen der sich Annedelnden für di« wirtschaftlichen Betriebe zu er- hallen hont, ^er Arbeitermangel macht sich schon jetzt in ver fliese. Herr vo» Witte reist nach Berlin. Durch eine Petersburger Meldung wird heute das Gerücht, daß Witte während seiner Durchfahrt durch Ber - l i n vom Kaiser Wilhelm empfangen werden solle, als zu treffend bezeichnet. Das „Echo de Paris" behauptet, daß der Befehl deS Zaren an Witte, Wilhelm II. aulzusuchen, einzig auf den Wunsch des deutschen Kaisers selb st zurüäzuführen sei Die „Lanterne" fühlt sich durch die Erklärung Wittes über die Haltung gewisser französischer Blätter und Parteien Rußland gegenüber getroffen. Das Blatt schreibt: „Zwischen dem Zarismus und Frankreich sind Mißverständnisse unvermeidlich: zwischen dem russischen und dem französischen Volke aber sind alle Bündnisse möglich und wünschenswert. Das hätte Herr Witte erraten können. Vielleicht war er auch besser unterrichten als er durchblicken läßt. Um diesen notwendigen Unterschied ganz begreiflich zu machen, fügen wir hinzu, daß er in Paris mit Begeisterung empfangen worden wäre, wenn er anstatt als Vertreter des Zaren als Abgesandter der russischen Na tion zrls Präsident der russischen Republik gekommen wäre." — Nach dem „Petit Parisien" fei Verdy du Vernois, der deutsche Legationsrat in Washing ton, der mit Witte an Bord des „Kaiser Wilhelm der Große" nach Europa kam, in der Lage, dem Kaiser über die G e he im ae sch j ch te des PortSmouther Ver trag es bemerkenswerte Mitteilungen zu machen. Zorialüemotzralkcher pmestag. Von unserem eigenen Berichterstatter. VIU. Ur. 0. Jena, Ll. September. DaS Wichtigste an Ziefer Mais« er-Vrrhandluag ist Vie Diskussion über das Verhältnis von Partei und Gewerkschaft. Noch Mitte der neunziger Jahre trat selbst Bebel in einer Broschüre für die vollkommene Neutralität der Gewerkschaften ein. Man glaubte damals, die Entwicklung werde in Bälde zu einer Fusion der verichiedenen GewerkschastSrichtungen führen, der „modernen", der christlichen und der Hirsch - Dunkerschen. Seither aber Hai sich vieles geändert. Es zeigte sich allmählich, daß die Arbeiterklasse nicht mehr genug führende Köpfe heroorbringen konnte um große Berussveleine und daneben eine davon getrennte politische Partei mit solchen versorgen zn können. Der Sozialdemokratie fehlt es deshalb feit einigen Jahren an jüngeren Führern; daS zwingt sie, ihren Nachwuchs immer mehr aus den Gewertschaften herüderzuholen. So bildet sich eine Personal union heraus, die im Laufe der Zeit kaum anders kann, als auch zu sachlichem Zusammenschluß zu führen. Natürlich stehen wir erst am Anfänge dieser Entwicklung, in ihren Wehen, und es ist nur natürlich, daß diese Wehen so gut wie andere von Unruhe und Schmerzen begleitet sind. Der Kölner Gewertschaftskongreß hat bereits ein recht enges Zusammenrücken von Gewerifchaft und Partei augenscheinlich ge macht. Ein Zuiammenrücken, das vorerst von dem radikalen Flügel der Sozialdemokratie nist Freude begrüßt wird. Denn die Herren Kantsly und Mehring blicken schon lange mit großem Mißtrauen aus dir opportunistische Politik der Gewerkschaften. Sie hoffen durch da» Zusammensipen und Zusammenarbeiten diesen Opportunismus allmählich ausrotten zu können. DaS Wort: wer andern eine Grub« gräbt . . „ ist zwar recht banal, aber hier wird es sich vielleicht trotzdem bewähren. Die Gewerkschaften vertreten eben die materiellen Interessen und, gerade nach Marx müssen diese materiellen Interessen auf dir Dauer doch stärker sein al» die au-grlebten idro- togischen Schlagworte des Leipziger Uebermarxismus. ES scheint deshalb am wahrscheinlichsten, daß im Laufe der Zeit die Partei ihrrrltils stets mehr unter den Einfluß der Gewerkschaften kommen wird. Das mühte durch die rein politische Tätigkeit der Sozial- demokratie immer opportunistischer machen, eine Entwicklung, durch dir alle Antipathie der Kautsky und Mehring gegen die Gewerk schaften verständlich wird. Die hier skizzierten Gesichtspunkte haben den bekannten Rechts- anwalt Liebknecht, den Sohn des „Alten", zn einem Anträge veranlaßt, indem alS prinzipielle Forderung „eine organisatorische und organische Verbindung zwischen Partei nnd Gewerkschafts bewegung" verlangt wird. AlS Vorbereitung hieraus soll „eine dauernde Fühlung . . . zwischen Partei und Gewerkschaftsbewegung und eine grmeinlchastliche Aktion derselben" herbeigefübrt werden. Es soll also etwa aus Parteioorsiand und gewerlschastlicher Zentral kommission eine grmrii same Körperschaft gebildet werden zur Ver- sländiguug in allen sozialpolitischen Fragen. Ter Antrag wird dem Vorstand» als Material überwiesen. Am Schluffe der heutigen BormittagSsitzung wurde noch fest gestellt, daß nur Delegierte zum Worte gelassen werden; LaS richtet sich gegen den „Genossen" Frirdebrrg, der wohl hoffte, seinen Anarcho-Sozialismus hier persönlich vertreten zu dürfen. In der Nachmittagssitzuna (Maifeier-Frage) kommen haupt sächlich Gewerkschaftler zum Wort und di« Stimmung Le» Partei- tages ändert sich merklich zu unguusteu der radikalen Richtung. Eine Anzahl Arbeiter legen dar, daß sich die ArbeitSruhe am 1. Mai doch nur sehr unvollkommen durchführen läßt. Bei spielsweise läßt die gesamte schlesische Parteiorganisation eine dahingehend« Erklärung abgeben. Der bekannte Gewerk schaftsführer Legten führt auS, daß man nickt durch die Arbeit-- ruhe dea Unternehmern Gelegenheit geben dürfe, durch ihre Aus sperrungen den Kampf in einem Augenblick zn beginnen, in dem es den Arbeitern vielleicht garnicht passe. Wenn man die Arbeitsruhe zn Prinztpalsfraor machen will, „dann soll man sie jedem Partei genossen zur Pftcht machen." Der heutig« Zustand sei eine unhalt bare Halbheit. Der Genosse v. Elm will dagegen dies« Gestalt der Maifeier deibehaUeu, stellt aber fest, daß er im übrigen zu seinen gewerkschaftlichen Kollegen durchau» in keinem Gegensatz steh«. Er »st übrigen» der Erft«: der den Dresdener Parteitag erwähnt und ihn sür La» Auskommen antiparlamentarischer Stimmung iu der Partei verantwortlich macht. Dir Verbreitung dieser Stimmung lKaut»kr^ Mehring) hab« erst den Anarcho-soziali-mos Friede bergs ermöglicht. Die Genossin Luxemburg hetzt ei» bischen gegen dir Gewerkschaftler und tnSbesonderr Robert Schmidt. Sie führt bei dieser Gelegenheit eine Aeußr- rang der Bergarbetterleitona an, die den revolutionären Genossen vor allem idren poluisch-rulsischen Rusern im Streit, den freund lichen und guten Rat gegeben hatte, ihr« herrlich« Revolution der Theorie doch in Rußland: wo die Grlegeubrit günstig fei, in vie Praxi« zn übersetzen. Roia Luxemburg, srbr aekränkt, führt als belastendes Moment an daß die Naumannscke „Hilfe" dies« Notiz mit dem gnad „ans nach Warschau!" abgedrackt hab«. Ihr» Absicht, den Parteitag dadurck zu diesen ganz empfindlich bemerkbar und wird bei ihrer fort währenden Vermehrung und Ausdehnung immer akuter, so daß man bereits beginnt, bedenklich in die Zukunft zu schauen. Sicher scheint, daß die Bevölkerung unseres Schutzgebietes die große Nachfrage nach arbeitsfähigen Leuten raum mehr befriedigen kann, insbesondere da in einzelnen Strichen die Zahl der Bewohner immer mehr Einbuße erleidet. Man bat deshalb in letzter Zeit die Frage der Einführung chinesischer Kulis nach dem Vorgänge Samoas in Erwägung gezogen und Anstrengungen gemacht, die Firmen zu einem einheit lichen Zusammengehen bei Beschaffung eines größeren Transports zu veranlassen: es scheint jedoch dafür im Archi pel wenig Aussicht vorhanden zu sein. Die Ansicht herrscht vor, daß der Chinese als Pflanzungsarbeiter für hiesige Ver- hältnisse zu teuer zu stehen kommt, trotz aller Vorsichtsmaß regeln schließlich doch Handel treibt und Weiße schädigt. Die Existenz der Pflanzungen mag es aber endlich doch notwendig machen, in den sauren Apfel zu beißen. das „für den Moment"; denn Albion liebe den Frieden, und seine Kvnstrrreutin sei als eine neue Handelsfirma betrachten, die seit den zwanzig Jahren ihres Bestehens immer uur von ihren Geschäften Annoncenreklame übertreibe: ,Hö»» »» meiner Kindheit habe ich in den Kolonien gelebt und weile alljährlich im Kapland. Ich gehe hin, da ich dor^ daS erste Kapital der Genesis im Leben sehen kann, die Schöpfung der Welt, eine Zivilisation, die aus Stück werk gelchaffen wird. Ich denke, daß ich Recht babe, als alter Kolonialmensch zu sprechen. Obgleich Deutschland viel nach dem Kap und nach Indien schickt, so finven Sie darunter nicht al» übermäßig vergoldete Rahmen, geschmack lose Möbel, schuudhaste Teppiche und Firlefanz. Das reicht nicht aus, um, selbst denn Mangel eines Tarif», den englischen Handel zu bedrohen." Dem Hinweis des Franzosen aus die deutsche Kriegsmarine und die deutsche HandelSschisfahrt setzie Herr Kipling dann die schlimmen Prophezeiungen entgegen: „WaS denken Sie über die jetzigen Vorgänge in Rußland? Glauben Sie, wenn das russische Reich zusammenstürzte, wenn der österreichische Kaiser stürbe, daß dann etwas im Zentrum Europas krachen müßte, wie eS bei Fässern ge schieht, deren Reisen springen? Und Polen? Und die Sozia listen ?" Nock einmal lobte Herr Hnrct Dcmsckland, das nicht aufhören werde, ein übervölkertes, zur Expansion ge zwungenes Land zu )ein. Herr Kipling Höhnte, die Solidität dieses Reiches sei wohl auch billige und schlechte „Llncks in (Isrinau^'-Marke, und als der Franzose den deutschen Soldaten rühmte, da sagte der Barde: „Ob! der deutsche Soldat manövriert brillant, großartig, außerordentlich. In Afrika, bei den Hereros, soll er so brillant, großartig, außer- orveutlick marschieren, daß sie keinen Schwarzen sangen können." Uno Herr Kipling lachte „mit knabenhafter Herz lichkeit". Herr Kipling »st uoser Freund. Deutsches Deich. Leipzig, 22. September. * Sin WafsenstillftandSbruch MorengaS 1 Die au- eng lischer Quelle stammende Meldung von der Eroberung eiaÄ „großen deutschen Wagenzugs" der KeetmannShoop durch di« Witdoi, erscheint jetzt, nachdem ihre Nichtigkeit als en» wiesen gelten kann, in anderer Form wieder. Dar nach soll, wie „Reuters Bureau" verbreitet, einer Station in der Kapkolonie die Meldung^ zuge gangen sein, die Deutschen selbst berichteten, daß Moreuga den Waffenstillstand brach und Rindvieh raubte. Sie gäben zu, daß TroihaS Umgehungsbewegung gegen die Witboi bis her erfolglos gewesen sei. Morenga habe von Major Eckhardts Pferden und Rindern 200 Stück erobert. Auch dieser Nachricht gegenüber dürfte eine abwartende Haltung am Platze sein. * Die Herero auf englischem Gebiete. Au manchen Stellen findet die Behauptung deS englischen „Time-"- Berichterstatters in Johannesburg, nach der nur 840 Herero, Krauen und Kinder einbegriffen, sich auf englischem Gebiete befinden sollen, keinen Glauben. Wie die „Köln. Zta." annimmt, ist dieses Mißrrauea nicht gerechtfertigt. Sie konnte schon am 19. Juli aus einem ihr zur Verfügung gestellten Privalbriese, der übrigens der Feder eine» seit sehr langer Zeit schon an unserer Ostgrenze tätigen Offizier» ent stammt, berichten, daß die an der Ostgrenze übergetretenen, am Ngami-See nach ihrer Entwaffnung von der englttcheu Polizei internierten, streng gehaltenen Herero von einem deutschen Kausmanne, der sie in ihrem Lager beobachtet unv sich mit ihnen unterhalten hatte, nur auf 500 Köpfe geschätzt wurden. Dieie Schätzung bleibt afto nock weit unter ver englischen Annahme. Daß diese unbewaffneten Herero eine augenblickliche Gefahr sür uns bilden, ist keines wegs anzunehmen. Aber besonders auch, weil sich unter ihnen die hervorragendsten Häuptlinge und deren Angehörige befinden, ericheint eS im Hinblick auf die späiere, dauernde Befriedigung des Damaralandes sehr wünschenswert, von der englischen Regierung zu erreichen, daß diese Herero demnächst nach einem Teile Südafrikas zur Ansiedlung übergeführt werden, von wo ihre Rückkehr auf deutsches Gebiet so gut wie ausgeschloffen ist. * Die falschen Enthüllungen. Nachdem die „Nordd. Allg. Ztg." in eingehender WeFe — wir brachten den vom „W. T. B." veröffentlichten Auszug, der das wesentliche gibl — die Nichtigkeit der Angriffe der „Köln. Volksztg." aus kas Kolonialamt dargelegt bat, stellt nun auch Herr Carl Reuö, der Direktor des Kamerun - Eisenbahn - Syndikats, in einer Erklärung an die Pieffe fest, daß lein Werk „Kamerun und die deutsche Tschadsee - Eisenbahn" lediglich eine Privatarbeit darstelle und weder von der kaiser lichen Regierung verantwortlich noch finanziell aus Reichs mitteln irgendwie subventioniert worden ist. So fällt die ganze Schwere des Zuiammenbruch« ihrer „Einhüllungen" auf die „Köln. Volks;." und ihren Hintermann zurück. Der „BerwirrungSmann" ist blind in sein Verderben gerannt. Er ist für alle ernsthaften Leute erledigt. * Jur sächsischen Vanötagsroahl. Di« Annahme, daß der 14. städtische Wahlkreis (Hohenstein - Ernstthal, Limbach, Meerane, Waldenburgs auS konservativem in nationalliberalen Besitz übergehen werde, ist durch di« Nachwahlen bestätigt worden. Es sind jetzt 48 nationalliberale, 21 konservativ« und 38 sozialdemokratische Wablmänner gewählt. einer entlüfteten Kundgebung zu veranlassen, wird grausam vereitelt. Man schweigt und denkt offenbar: Warum nicht? Der Referent Richard Fischer wendet sich in stimm Schluß- wort gegen den wiver ibn erhobenen Vorwurf, er sei rdemaliger Buchdrucker, aber nicht bei dieser Gewerkschaft organisiert. Er meint, dann müsse auch der Drechsler Bebel seiner Organlsalion beilreten und Paul Singer dem ..Verein junger Kaufleute". (Große Heiter keit.) Zu der Sache selbst meint er: Unsere Debatte hat nur daun einen Sinn, wenn wir ausvrücken, daß wir von dem Ver hallen deS Gewerkschafts-Kongresses in dieser Frage abweichen. Es handelt sich vier um keinen Gottessriedeu; wir wollen im Gegenlcil versuchen, die Gewerkschaften dauerns für Arbeits ruhe zu gewinnen. Vielleicht würden wir heute die Maifeier anders rinrichten; jetzt ist sie etwas hiüoriich geworbenes und muß bleiben, wie sie ist. Veranlaßt sie in Zukunft besonders große Aus sperrungen, so wird die Partei nicht mit finanzieller Hilfe zuruck- dalien. Ter sehr geschickten Rebe folgt stürmischer Beifall. Der Referent kann nicht umbin, den Gewerkichasten in dieser Einzelsrage entgegenzutreten. Aber man fühlt, wie ihm Angst wird vor den Geistern, die er gerufen hat und im Ganzen richtet sich seine Rede dock gegen Len radikalen Flügel und seine Stänlrreien. Seine Resolution, die wir bereits mittcilten, und die „ArbeitSruhe nach Möglichkeit" verlangt, wird einstimmig angenommen, von einem grvßen Teile des Parteitaaes natürlich mit der reservatio mentalis: bis auf weiteres. Die Verhandlung über den Massenstreik wird bis morgen ver schoben, um inzwischen kleinere Anträge zu erledigen. Erwähnens wert ist einer aus dein Kreise Leltow-Beesloro-Storkow mit fol gendem Wortlaut: „In der ErleuniniS, daß der Militarismus und Marinismus der festeste Stützpfeiler der heute herrschenden Klaffen ist, daß er ferner durch seine kullurseinbllchen Tendenzen und Venrebuugeu jedes freie und rege Leben erstickt, ja die zu seinen Diensten ein gezogenen Söhne des Volkes zu willenlosen Werkzeugen macht, ist es dringend erforderlich, daß hiergegen eine regelmäßige, planmäßig betriebene Agitation einsetzt. Als erste Ausgabe wird betrachtet, in jedem Jadre vor der Aushebung znm Militär oder zur See öffentliche Versammlungen abzuhalten, Ivo die jungen Leute, die eventuell Soldat werden müssen, speziell über ihre sogeuannten „Reckte" als Soldat aufgeklärt werden, ferner, baß zu dieser Zeit Flugblätter desselben Inhalts ver breitet werden, und darauf tnngewiesen wird, daß sie von dem sogenannten „Beschwerderecht" den ausgiebigsten Gebrauch machen sollen. Durch die Aufklärung in dieser Weise würden die jungen Leute erst sehen, wie Sie Dienstvorschriften von den Vorgesetzten gehandhabt werden nnd einen Abscheu vor dem Militarismus be kommen." Das entspricht einem Anträge, den Dr. Liebknecht letztes Jahr iu Bremen gestellt hat, uud der dort urrter starker Lerurkeilung durch Bebel, v. Bollmar und andere abgelehnt wurde. Die dies malige Wiederholung des Antrages rechtfertigt Liebknecht damit, baß sich die politische Situaiion geändert habe (russische Re volution) unv mit ihr hoffentlich auch die Partei. Die Gefahr von Konflikten wächst in unserer auswärtigen wie in unserer inneren Politik. Wir sind es unseie» Freunden in Rußland schuldig, über jenen Punkt nicht mit opportunistischen Bedenken wegzugehen. Mit allen Mitteln, die uns die deutschen Verhältnisse erlauben, muffen wir den« Militarismus zn Leibe gehen. Kaum hat Liebknecht unter dem Schweigen des Parteitages ge endet, so erhebt sich Bebel: Man habe dem Antrag keinen schlech teren Dienst leisten können, als Las er in dieser Begründung geschah. Ohne Liebknechts Rede hätte der Vorstand den Antrag mit Haut uud Haar verschlungen. Nach dirirr Begründung habe man ihn genauer angesehen und nun sei seine Annahme unmöglich. Der erste Satz babe jetzt einen geradezu gefährlichen Charalter erhallen. Man solle daran denken, Laß die meisten Genossen Liese Dinge nicht mit der Vorsicht des Juristen Liebknecht zu behandeln vermögen. Aus die Gefahr bin, der Feigheit geziehen zu werben, könne er nicht die Verantwortung sür einen Antrag übernehmen, der Aenderungerr des Strafgesetzbuches zur Folge haben müsse. Die zweite Hälsle des Antrages hingegen verlange ganz sachliche Aufklärung; er beantrage deshalb folgende Fassung: „Der Parteilag beschließt, der Parteivorsrand möge dahin wirken, daß in jedem Jahre vor der Aushebung rum Militär oder zur See öffentliche Versammlungen abgehallen werden", u. s. f. wie obeu. Die Antragsteller sind klug genug, L>n ersten Teil zurückzuziehen; der zweite wird angenommeu. Das war weniger Uug. Die drohende Haltung Serbiens und Bulgariens. Aus Wien wird uns geschrieben: Die leitenden Wiener Kreise sind über die neuere Haltung der beiden slavischen Balkanstaaten augenblicklich sehr unbefriedigt. Die letzte Drobnote der serbischen halbamtlichen Blätter wegen der angeblichen Grenzverletzungen der türkischen Soldaten und autständtichen Albanesen läßt erkennen, daß König Peter tatsächlich einen Konflikt mit der Türke, als nahe bevor stehend ansieht. Zugleich sind serbische Vertrauensmänner nach Sofia gekommen, um dort mit den bulgarisch-makedoni schen Revolutionskomitees eine Verständigung zu erzielen. Die Neubeschaffung der serbischen Artillerie soll in den kommenden Wintermonaten mit aller Eile betrieben werden, während gleichzeitig auch Bulgarien seine Rüstungen voll endet haben wird. Die Erklärung, die der bulgarische Kriegs minister Petkow in Paris abgegeben bat, nämlich, „daß die Dinge in Makedonien so nicht weiter gehen könnens wirb hier als offene Drohung ausgesaßt. Diese so plötzlich auf- tretende aaressive Haltung der beiden Balkanstaaten ist offen bar die nächste Folge des Portsmouther Frt«; densschlusses, indem die beiden Ressierunaen daraus rechnen, daß nn Ernstfälle doch Rußland hinter ihnen stehe« werde. Anderseits dürfte durch das Erscheinen der eng lischen Parlamentsmitglieder Bryee und Moore in Belgrad, Sofia und Makedonien wesentlich dazu beigetragen baden, die Kampfeslust der Serben nnd Bul garen zu verstärken.
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder
Erste Seite
10 Seiten zurück
Vorherige Seite