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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 19.10.1897
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1897-10-19
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18971019024
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1897101902
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1897101902
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1897
- Monat1897-10
- Tag1897-10-19
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Uhr, di« Abend-Ausgabe Wochentags um b Uhr. —— Ledaclio» «n- SrpeLMo«: Johannesgaffe 8. Di« Expedition ist Wochentags «nuaterbroche» geöffnet von früh 8 bis Abends 7 Uhl. —«M— . ' Filiale»: Dtt» Kietnm's Tortim. (Alfred Pah»), UniversitStsstraße 3 (Paulinum), L-nts Lösche, Aetharineustr. 14, Part, und Aönigsplatz Abend-Ausgabe. MpMr.TaMlck Anzeiger. Amtsblatt des ASniglichen Land- und Amtsgerichtes Leipzig, des Mathes und Polizei-Amtes der Stadt Leipzig. AnzeigenPreiS - die 6 gespaltene Petitzeile >0 PsA Iierlamen unter dem Redactionsstrich ssgo» spalten) bO/4, vor den Familiennachricht« (8 gespalten) 40/^. Größere Schriften laot unserem Preis« oerzeichniß. Tabellarischer und Mernsatz nach höher«« Tarif. Extra-Beilagen (gefalzt), nur mit der. Morgen »Ausgabe, ohne Postbesörderunz 60.—, m»t Postbesörderung 70.—» Annahmeschluß für Anzeigen: Abend-Ansgabe: vormittags 10 Nhr. Borgen-Ausgabe: Nachmittag» 4 Uhr. vri den Filialen und Annahmestellen je ein» halbe Stunde früher. Anzeigen find stets an di« Erpesitiaa zu richten. Druck and Verlag von E. Polz in Leipzig 534. Dienstag den 19. Octobcr 1897. 9l. Jahrgang. Politische Tagesschau. * Leipzig, 19. October. Eine Delegirten-Versammlunz des Bundes Per Laus» wirthe für die Provinz Hannover, die am Sonnabend unter dem Vorsitze des LandtagSabgeordneten Schoof und unter Theilnahme de» DirectorS des Bundes vr. Habn in Hannover tagte, hat zu den bevorstehenden AetchStagswahlen durch eine Resolution Stellung genommen» in welcher die jenigen Forderungen zusammengefaßt werben, von deren Erfüllung der Bund seine Unterstützung abhängig macht. Hiernach werden gegebenen Fall« die hannoverschen Kandidaten, wenn sie auf diese Unterstützung nicht ver zichten wollen, auf daS „Programm deSBunveS der Landwirthe" sich verpflichten und demgemäß versprechen müssen, für den Antrag Kanitz, für Doppelwährung, Getreidegrenzsperre u.a. m. einzutrrten. Es fragt sich nun zunächst, wie sich m Hannover derjenige Theil der Wähler, zu deren Vertreter und Wort führer der Bund sich auswirft, zu der von diesem ausgegebenen Wahlparole stellt. Daß die Landwirthe des Osnabrücker Wahlkreises nicht daran denken, diese Parole zur ihrigen zu machen, ergiebt sich daraus, daß sie bereits den jetzigen ReichS- tagsabgeordnetenHofbesitzer Wamhoff, den Herr Schoof „nicht brücken" zu können erklärt hat, wieder ausgestellt haben. Auch in einigen anderen hannoverschen Wahlkreisen dürfte der Bund ähnliche Erfahrungen machen. In wieder anderen dagegen wirb unter den Landwirthen die Reigung herrschen, der von Herrn Schoos aufgepflanzten Fahne zu folgen, von den nationalliberalen und den conservativen Candidaten unbe dingte Unterwerfung unter die bündlerischcn Forderungen zu fordern und im Falle der Weigerung mit der Ausstellung eigener Candidaten vorzugehen, auf die Gefahr hin, dadurch den welfischen oder den social demokratischen Candidaten den Sieg zu verschaffen. Zn allen diesen hannoverschen Wahlkreisen wird e« daher für Nationalliberale und Conservative, sofern die letzteren nicht auf jede Selbstständigkeit verzichten wollen, znr Pflicht, sich zur Abwehr der bündlerischen Forderungen zu vereinigen und ihrer Forderung der einseitigen Begünstigung agrarischer Ansprüche die Parole: gerechte Berücksichtigung aller Productivstände — gegenüberzustellen. Diese Pflicht ist um so dringlicher, je weniger es zweifelhaft ist, daß der Bunv, sofern er in Hannover mit seinem Auftreten Erfolge erringen zu können glauben darf, im ganzen deutschen Reiche zu gleichem Vorgehen sich entichließen wird. Eben deshalb wird auch überall, wo bei den Reichs tagswahlen der Bund in Frage kommt, schon jetzt von Nationalliberalen sowohl, wie von Conservativen baldigst Stellung zu der in Hannover von den Herren Schoof und vr. Hahn ausgegebenen Wahlparole genommen werden müssen. Die „Leipz. Ztg." sagt zwar in einer Besprechung der hannoverschen BunbeSresolution, daß es sich zunächst um einen Einbruch des Bundes in nationalliberales Gebiet handle, die Nationalliberalen hätten also zunächst das Wort. Aber dabei übersieht das Blatt, daß daö von den Herren Schoof und Hahn errichtete caudinische Joch auck für die hannover schen Conservativen errichtet ist und zweifellos für die Con- wrvativen im ganzen Reiche errichtet werden soll, wenn nicht rechtzeitig vorgebeugt wird. Nicht früh genug können daher auch bei uns in Sachsen die Conservativen, die ja den meisten Einfluß auf die dem Bunde nahe stehenden Kreise haben, die Frage entscheiden, ob sie auch fürder als große politische Partei den Mittelpunkt bilden wollen, um den sich die zur Wahrung und Förderung der allen Productiv- sländen gemeinsamen Interessen bereiten Wähler sammeln, oder ob sie zur willenlosen Gefolgschaft der von der „Leipz. Ztg". schon wiederholt auf das schärfste gekennzeichneten Berliner BundeSführung sich herabdrücken zu lassen bereit sind. gerade in Sachsen hätten die Conservativen besonderen Anlaß und besondere Aussicht, maßlosen Forderungen des Bundes entschieden entgegenzutreten. Gerade hier hat das C artell seine sieg- und segensreiche Kraft auch den Anhängern des Bundes gezeigt; gerade hier vertreten einflußreiche Land wirthe mit Festigkeit die conserva live Ueb erzeugung, daß nur die Wahrung der allen Productivständen gemeinsamen Interessen dem Ganzen zum Wohle gereiche, und gerade hier ist die von der Socialbemokratie drohende Gefahr zu groß, als daß sie nicht jedem Anhänger der Ordnungsparteien ein dringlich vor Augen führen müßte, daß es nur die Geschäfte des Umsturzes machen heißt, wenn eine dieser Parteien durch Ausstellung unerfüllbarer Forderungen die andere abstößt. Als man erfuhr, daß in London ein börscnmäßigcr Terminhandel in Weizen eingeführt werden solle, stellten die Gegner unseres Börsengesetzes grimmige Vergleiche an zwischen dem täppischen deutschen Michel, der die goldene Eier legende Henne über den Zaun gejagt, und dem klugen John Bull, der dem segenspendenden vertriebenen Thiere ein warmes Nest zurecht gemacht habe. Die Regierung und die Reichstagsparteien, die dem Verbote des Terminhandels in Getreide zngrstimmt, wurden beinahe so schlecht gemacht wie Hannibal Fischer, nachdem er die deutsche Flotte verauctionirt batte. Der Lärm legte sich aber, als vor acht Tagen mit dem Beginn des Weizenterminbandcls in London die Vorschriften für das dortige Lieferungsgeschäft genau bekannt wurden. Sehr er klärlich. Denn die Verfasser dieses Statuts sind offenbar von derselben Auffassung geleitet gewesen, wie die deutschen Ge setzgeber, von der nämlich, daß der börsenmäßige Terminhandel in Brodfrncht argen Mißbräuchen, die die strengsten Ein schränkungsmaßregeln erfordern, ausgesetzt sei. Solche Einschränkungen waren aber, wie vorweg bemerkt sei, für die deutschen, öffentlichen Börsen nicht herbeizuführen. In London ist eS eine private Corporation, die das börsenmäßige Weizenlieferungsgeschäft vermittelt, das London Produce Clearing House. Sie registirt natürlich Geschäfte nur für ihre Mitglieder, denen sie die Erfüllung der eingetragenen Lieferungsverträge garantirt. Aber mit welcher Bedingung? Unsere so empfindliche deutsche Börsenwelt würde ein Regulativ wie das der Londoner Productenbörse als der Ehre des deutschen Kaufmannstandes zuwiderlaufend mit Empörung von sich weisen. Die Gesellschaft registrirt, wie gesagt, Geschäfte ihrer Mitglieder. Wohlgemerkt, aber nur, wenn ihr die Abschlüsse einwandfrei erscheinen. Sie kann die Eintragung eines Geschäfts ablehnen, ohne einen Grund dafür anzugeben. Dieser Vorbehalt hätte keinen Sinn, wenn die soliden Londoner Getreidehändler es für unmöglich hielten, solide Geschäfte von unsoliden zu unterscheiden. Außerdem sichert sich diese Börse auch hin sichtlich der Contracte, die sie registrirt. Jeder contrahirende Theil hat bei der Einlieferung des Lieferungsvertrags eine Einzahlung zu machen, „in Baar oder in guten Werthen". Die regelmäßige Höhe der Einzahlung wird von der Gesell schaft bekannt gegeben. Diese behält sich aber vor, „in gewissen Fällen" eine größere Einzahlung zu fordern, ohne Angabe von Gründen. Damit noch nicht genug. Die Gesell schaft kann — wieder ohne Angabe von Gründen — die Eintragung des Geschäfts auch von „anderen Bedingungen" als der höheren Einzahlung abhängig machen lassen. In der Bezeichnung dieser Bedingungen ist sie nicht beschränkt. Sie verfügt also über genau so viel Zurückweisungsgründe, als dem deutschen Studenten causao bibenäi geläufig sind. Leute wie die Ritter und Blumenfeld, die ohne Mittel, Ansehen und Credit in BerlinTermingeschäste von schwindclnderHLHemachen konnten, würden demnach in London nicht reussiren. Wilden Spekulationen Und j wird ferner ein Riegel vorgeschoben durch eine Bestimmung, welche dem Produce Clearing House gestattet, schon bei verbältnißmäßig geringen Preisschwankungen die ent standene Differenz einzufordern oder sonstige Deckung zu verlangen. Wird schon diese Nachschuß- verpslichtung wie die anderen erwähnten Bestimmungen ab schreckend auch auf die „Ouitsiders" wirken, so ist für diese Spieler aus dem Publicum noch besonders „gesorgt". Die Makler sind zwar ermächtigt, in ihrem Namen für ihre Klienten als Käufer oder Ver käufer aufzutreten, der Gesellschaft steht aber das Recht zu, zu bestimmen, ob Lieferungsverträge solcher Auftraggeber einzutragen, d. b. ob ihre Erfüllung zu garantiren sei oder nicht. Zn Deutschland konnten — Dienstmädchen und Haus knechte an der Getreidebörse speculiren und haben eS getban, ein vielgenannter ehemaliger Berliner Anwalt bat durch Getreide- tcrmingesckäfte, von denen er nicht das Mindeste verstand, den Grund zu seinem finanziellen und sittlichen Ruin gelegt, und diese Spieler nahmen bequem Einfluß auf den Lohn des saueren Schweißes der Landwirthe sowohl, als auf das Budget der Millionen unbemittelter Brodesser. In London wird sich ein solches gemeingefährliches Treiben nicht Wohl ent wickeln können. Das Regulativ der Londoner Producten börse drückt dieser den Stempel einer Anstalt auf, die dem soliden Handel dienen und den unsoliden soweit als nur immer möglich unterdrücken will. Die Berliner Producten börse hingegen hat sich gänzlich unfähig erwiesen, nach dieser Richtung hin etwas zu leisten. Das Bestehen von Miß ständen war anerkannt, es waren auch Abhilfemaßnahmen angeregt, darunter Bestimmungen, wie sie jetzt in London erlassen worden sind, aber eS fehlte die Kraft zur Selbsthilfe. Schon im Iabre 1887 hatten Petitionen an den Reichs tag gesetzliche Verbesserungen des Getreidehandels verlangt, im Frühjahr 1892 bestätigte die Börsenenquete die Reform bedürftigkeit, die Börse aber that nichts, sie verweigerte sogar späterhin die sachliche Mitwirkung an der Gestaltung des Börsengesetzes. Es begreift sich daher, daß von der Solidität und Thatkrast der Londoner Getreidehäandler in der Berliner Börsenpresse wenig Aufhebens gemacht wird. Hin und wieder bäumt sich auch in Frankreich ein Priester gegen den Ultramontanismus offen auf, während im Stillen vielfach unter der jungen Priesterschafl eine große Verstimmung gegen die Papstherrschast bestehen soll. Ein Geistlicher, der den offenen Muth hatte, mit der Papstkirche zu brechen, ist Victor Charbonnel. Er hat an den Cardinalerzbischof von Paris das folgende im hohen Grade bemerkenSwerthe Schreiben gerichtet: Paris, den 14. Lctober 1897. Eminenz! Als ich in der eifrigen Aufrichtigkeit meiner Jugend der Kirche mein Leben gab, habe ich es nur Gott zu geben gemeint. Lange und traurige Proben haben mich zu der Enttäuschung, zu der Ueberzeugung gebracht, Latz der Kirche und den Männern, die sie unter uns zu regieren behaupten, dienen wollen, nicht Gott dienen heißt. Ich kann mir von nun an, so lange sich in mir ein zu schmerzlicher Vorwurf erhebt, den Anschein der Gemeinsamkeit mit einer kirchlichen Organisation nicht mehr geben, einer Organisation, die aus der Religion eine Ver waltungspraktik, eine herrschende Kraft, ein Mittel zum geistigen und socialen Zwang, ein System der Unduldsamkeit macht, anstatt des Gebetes, der Erhebung ber Herzen, der Forschung nach dem göttlichen Ideal, der sittlichen Stütze, des Grundsatzes der Liebe und der Brüderlichkeit, kurzum, die eine elend menschliche Politik treibt und aufhört, ein Glaudensbekenntniß zu sein. In der unbehinderten Rechtschaffenheit meines Gewissens und um meines Seelenfriedens willen glaube ich, Ihrer Eminenz erklären zu müssen, daß ich nicht mehr zur Geistlichkeit, nicht mebr zur Kirche gehöre. Genehmigen Ew. Eminenz u. s. w. Victor Charbonnel. Die Meldung eines radikalen englischen Blattes, daß Lord Salisbury die Absicht habe, zu demissioniren, wird, abgesehen davon, daß sie bereits officiös demenlirt worden ist, schon darum mit Zweifel ausgenommen werden müssen, weil dieses Blatt als entschiedener Gegner der gegen wärtigen Regierung ein Interesse daran Hat, die Zustände innerhalb der Regierung als möglichst verworren darzustellen. Trotzdem aber spricht auf der andern Seite Mancherlei für die Meldung dieser Zeitung. Man muß erstens daran denken, daß der englische Ministerpräsident bereits 68 Jahre all ist und es vielleicht in den gegenwärtigen unruhigen Zeiten, in denen es sich zeigt, wie schwer cs ist, ein solches Riesenreich zu leiten, für richtig hält, die Leitung der Geschäfte aus jüngere Schultern abzuwälzen. Zweitens erinnere man sich daran, daß schon vor etwa l^/z Jahren, nämlich nach der unfruchtbaren Parlamentssession des Winters 1895,96, es hieß, daß Lord Salisbury amtsmüde sei. Drittens mag eö dem Lord beschwerlich sein, daß in einer so wichtigen Frage, wie es die Währungsfrage für England ist, sich inner halb der Regierungspartei unüberbrückbare Gegensätze zeigen; eS mag wobt sein, daß die Schwierigkeiten im eigenen Lager dem Lord seine Stellung verleiden. Wenn Lord Salisbury nun gehen sollte, würden sich zwei aussichtsvolle Bewerber für seinen Posten finden: Arthur Balfour und Chamberlain. Der Erstere hat Vielerlei für sich: die vornehme Abkunft, die Zugehörigkeit zu der maßgebenden Partei unter den Regierungsparteien und einen ungeschädizten Ruf auch in den Augen des Auslandes, während der ehrgeizige Herr Chamberlain als früherer Radicaler den Conservativen doch immer verdächtig bleibt und zudem, im Auslande wenigstens, übel berufen ist. Gerade der letztere Punct allerdings mag ihn den Engländern um so werthvoller erscheinen lassen. Für Deutschland wäre Balfour trotz seiner Hinneigung zur Silberwährung der wünschenswertbere Nachfolger Salisbury's. Chamberlain hat seiner Deutsch-Feindlichkeit so offen Aus druck gegeben, daß eS für ihn kaum ein Zurück giebt. Käme er also an die Spitze der englischen Regierung, so wäre dies gleichbedeutend mit der Fortdauer, vielleicht sogar mit der Verschärfung der schlechten Beziehungen zwischen Deutschland und England. Aber nicht nur Deutschland würde die Negierung dieses ränkevollen und unruhige» Mannes störend empfinden, sondern ganz Europa, denn die Politik der Ver hetzung, die England seil Jahr und Tag betreibt, würde dann in den Händen eines bewährten Meisters ruhen. Am Sonnabend hat der Telegraph gemeldet, die Truppen des EongostaatcS unter Lieutenant Henry hätten die Armee der meuterischen Truppen, die nach Ermordung ihrer Ossiciere am Nil sich nach Süden ihrer Heimath zuwandten und zuletzt in das englische Gebiet Toru, südlich deS Albertsees, eingebrochen waren, entscheidend geschlagen. Wie der „Voss. Ztg." zufolge nähere Meldungen aus Brüssel besagen, waren ie Meuterer von der Besatzung des englischen Forts Katwe zurückgewiesen worden und hatten sich nach dem Albert Edward-See gewendet. Inzwischen war Commandant Henry, der Befehlshaber des Fort» Avakubi am Ituriflusse, mit sieben Weißen und 600 im arabischen Feldzuge erprobten Soldaten gegen Toru aufgebrocken. Lieutenant Henry, ein erst 28 Jahre alter, verwegener Officier, hak sich im arabischen Kriege in den Kämpfen zwischen dem Lualaba und den großen afrika nischen Seen ausgezeichnet und sich durch die Gefangen nahme des Händlers StokeS und seiner Karawane bekannt gemacht. In Eilmärschen marschirte Henry nach dem Albert Edward - See, verband sich am 12. Juni am Mkupi mit dem Lieutenant SamaeS, der sich mit seinen Leuten nach Toru geflüchtet hatte, und folgte dcu Meuterern auf dem Fuße. Nach dem der Conzoregierung Feuilleton. Götzendienst. 37j Roman in zwei Theilen von Woldeinar Urban. Nachdruck »erdete«. Es war nämlich unmöglich gewesen, der Frau Cour celles und ihrer Tochter aus naheliegenden Gründen Einla dungen zukommen zu lassen. Die alte Lüders mochte zu nächst glauben, Frau Courcelles wollte noch einen letzten Versuch deshalb machen. „Meine Liebste, Beste", erwiderte sie ebenfalls heimlich, „Sie wissen, daß ich Alles, Alles, was in meinen Kräften stand, gethan habe, leider ohne Erfolg. Es war schlechter dings unmöglich." „O, meine Theuerste, Sie mißverstehen mich. Ich bin nicht so anmaßend, mich in Kreise zu drängen, zu denen ich kein Recht habe. Ich möchte nicht eine officielle Einladung, sondern nur die Möglichkeit, das Feuerwerk gut zu sehen, vielleicht von diesem Pavillon aus. Es muß sich ja von hier aus prächtig ausnehmen." „Und ich hoffe, das wird sich machen lassen", erwiderte die alte Lüders, froh, daß es sich um nichts Officielles handelte. „Sie sind ein Engel, Frau Baronin." „Ich werde mit dem Hofgärtner reden. Er soll mir den Schlüssel geben, der die Parkpforte, die von hier aus nach der Schloßstraße führt, öffnet." „O vorzüglich, vorzüglich!" „Sie haben also nicht« Anderes zu thun, gnädige Frau, als sich vcm Ihrem Kutscher bis an die Pforte fahren zu lassen. Diese schließen Sie mit dem Schlüssel, den ich Ihnen anvertrauen werde, auf und treten in diesen Pavillon. Er wird vollständig leer sein, da das Publikum vollständig ab gesperrt und We Geladenen gezwungen sind, an den ihnen zugewiesenen Wätzen zu verharren. Nötigenfalls stecken Sie auch den Pavillon-Schlüssel zu sich. Sie geben mir dann morgen beide zurück." „Selbstverständlich, selbstverständlich. Meinen besten Dank, theuerste Frau Baronin. Und wann kann ich die beiden Schlüssel haben?" „Hm, hm, warten Sie, gnädige Frau", antwortete Ba ronin Lüders, „das wollen wir gleich abmachen. Warten Sie hier, bis ich wieder komme, ich werde sehen, daß ich Ihnen die Schlüssel gleich mitgeben kann. Wollen Sie?" „O, wie gerne. Ich bin Ihnen zu heißem Danke ver pflichtet." „Bah, wir sprechen uns schon wieder. Warten Sie nur hier. Ich komme wahrscheinlich bald zurück. Ich will nur den Schloßgärtner rufen lassen." Damit stand die alte Dame auf und ging davon. Die Unterhaltung ging ruhig weiter, ohne daß auch nur eine der Damen gewußt hätte, was die Beiden unter sich ausgemacht. Nach etwa einer Viertelstunde kehrte Baronin Lüders zurück und gab der Frau Courcelles zwei Schlüssel. „Dieser hier ist zu der Pforte in der Mauer. Sie können sie von hier aus sehen. Und dieser zu dem Pavillon selbst. Sind Sie mit mir zufrieden?" „Sie sind die Güte selbst, Frau Baronin. Ich danke Ihnen von ganzem Herzen", antwortete Frau Courcelles und steckte die Schlüssel ein. „Es bleibt natürlich unter uns. Ich möchte nicht, daß " „Ohne Sorge, Frau Baronin. Ich bin stumm, wie ein Grab." Nachdem Frau Courcelles ihr Anliegen in dieser Weise erfüllt sah, zögerte sie auch nicht länger, sich von den Damen wieder zu verabschieden und nach Hause zurllckzukehren. Es zeigte sich, daß Herr Moser ein zuverlässiger Ge schäftsmann war. Zur bestimmten Zeit waren die silber- knöpfigen Schweden da und auch die seidene Schleife hatte die gewünschte Färbung. Felicia sah niedlich aus an jenem Abend. Ihre frische Jugendlichkeit, ihre lebhafte Berve, die durch das bevorstehende Fest, das sie erwartete, noch ge steigert war, malten sich in ihren munteren, hübschen Augen. Ihre Toilette war zu ihrer Zufriedenheit ausgefallen und zeigte einen guten Geschmack. „Wo ist denn Frau de Courcelles?" fragte sie laut und schallend, wie übermüthig, als freue sie sich, ihre Stimme zu hören. „Sie ist krank und hat sich zu Bett gelegt", antwortete ihr Bruder. „Was? Krank? Ich denke, sie will sich das Feuerwerk heute Abend auch ansehen?" „Ja, das wollte sie wohl, aber sie kann nicht aus dem Hause. Sie hat sich Fliederthee kochen lassen und will schwitzen. Keine Idee von Feuerwerk!" sagte Don Sal vatore wieder und suchte mit dem Fuß sich in den neuen Lackstiefel, den er an hatte, durch Rechts- und Linkstreten heimischer zu machen. „Ah, Herr Hartwig", fuhr Felicia in ihrer geputzten Glückseligkeit lachend und strahlend fort, indem sie den eben eintretenden Maler begrüßte, „wie gefalle ich Ihnen, Herr Hartwig? Sitzt Alles, wie es sich gehört. Parbleu! Sie sind ein Maler, ein tüchtiger Künstler, Papa weiß es. Sie müssen es besser wissen wie alle Anderen. Sitzt Alles, wie es sich gehört, Herr Hartwig?" Der Maler, der anfangs ein ernstes, melancholisches Ge sicht machte, wurde rasch lebendiger und gelaunter, als er Felicia in ihrer ganzen, so echt mädchenhaften zappligen Behendigkeit, in der plaudernden, koketten Selbstgefälligkeit, mit der sie sich hin- und hergehend in allen Spiegeln besah, betrachtete. „Vorzüglich, vorzüglich, mein gnädiges Fräulein", ant wortete er, nicht um ihr zu schmeicheln, sondern weil er sie wirklich so fand. „X la bolins keurs!" erwiderte sie lustig. „Ich ge falle Ihnen also?" „Ich wüßte mir nichts Schöneres zwischen Himmel und Erde." „Na, das läßt sich hören", sagte sie, von dem Compliment offenbar befriedigt. „Sagen Sie, Herr Hartwig, Sie haben sich wohl ein Complimentirbuch gekauft?" „Weshalb, mein gnädiges Fräulein?" ,,Hm! Ich dachte nur so." Sie stand gerade vor dem Spiegel und versuchte eine gelbe Theerose in das Haar zu drücken. Das sah sehr zier lich aus, aber sie machte es nicht richtig, weil sie in dem Spiegel nicht auf die Theerose, sondern auf den Maler sab, der hinter ihr stand und sie mit träumerisch-traurigen Augen verschlang. Wenn nun Fräulein Felicia nicht auch besonders weise und geistig Entwickelt war, so hatte sie doch einen ungemein empfindlichen, echt weiblichen Jnstinct und wie sie der Maler im Spiegel betrachtete, fühlte sie sofort, daß etwas Besonderes mit ihm war. Sie hätte wissen mögen, an was er jetzt dachte. Er sah so traurig, so süß, so — so verliebt aus wie nie. „He, Du! Salvatore!" rief sie in der schlauen Berech nung, die den Damen so blitzähnlich ihre Gedanken eingiebt. „Was ist denn los?" „Frag' den Papa, ob es noch nicht Zeit ist. Geh'. Lauf'." Sie wußte ganz genau, daß es noch nicht Zeit war. Aber sie wollte ihren Bruder aus dem Zimmer haben. Salvatore brummte etwas vor sich hin und trottete davon. Eine kleine Pause trat ein. Sie hielt die Rose an eine falsche Stelle. „Ist es so gut?" fragte sie dann. „Mehr nach vorne, meine Gnädigste, und mehr in das Haar hineingedrückt. Sie schreit sonst zu sehr. Darf ich es machen?" „Aber natürlich!" sagte sie und trat ganz dicht vor ihn hin, damit er die Rose befestige. Sie hatte gar keine Furcht vor ihm, war so vertraulich, hielt so still, als er in ihren Haaren wühlte, wie ein artiges Kind. Sie fühlte sich glück lich und fürchterlich neugierig, waS er nun sagen und thun würde. Und er? Er fühlte ihren weichen warmen Athem,
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