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Dresdner Journal : 12.04.1881
- Erscheinungsdatum
- 1881-04-12
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id480674442-188104120
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id480674442-18810412
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-480674442-18810412
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungDresdner Journal
- Jahr1881
- Monat1881-04
- Tag1881-04-12
- Monat1881-04
- Jahr1881
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- Dresdner Journal : 12.04.1881
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84. Dienstag, d^l 12. April. 1881 NreMetÄMMÄ Verantwortliche Redaction: Oberredacteur Rudolf Günther in Dresden. Rudolph. -Nchlamtttchtr Theil ».E. a«6»ut»<:k«a lt«jode« tritt ko»t- uo«i Telegraphische Nachrichten. Zeituugsschau. (Kölnische Zeitung. Times.) drliet»! . . 18 Mrliod: 4 K»rv «> ?k. leuiawsn»: l0 ?k London. St. Petersburg. Belgrad. Bukarest Kon stantinopel. Athen.) Dresdner Nachrichten. Statistik und Lolkswirthschaft. (Zur Geschichte de« statistischen BureauS für das Königreich Sachsen.) Feailleto«. Taaeskalender. Inserate. Vermischtes. Statistik und Lolkswirthschaft. EivgesandtrS. Aeuilleto«. Telegraphische Witterungsberichte. Börsevvachrichtea. Zuserate. ES heißt, General Kaufmann liege krank da nieder infolge eines Schlaganfalles. Die „Agence ruffe" bezeichnet die Nachricht alS unrichtig, derzufolge die Pforte Thessalien einer Großmacht abtreten wollte, damit diese Thessalien an Griechenland übergäbe. Baron Jomiui und Baron Fredericks werden sich wahrscheinlich nach Nizza begeben, um dem Kürsten Gortschakow anläßlich seines 25jihrigen Jubiläums alS Reichskanzler am 27. April eiu kaiserliches Handschreiben zu überbringen, da Gor tschakow durch sein Befinden gehindert ist, nach St. Petersburg zu reisen. l»»»r»t«apr«t»er <I»o 20 kk. Vatvr <11, 2«l« KO kk. l^liek mit aa»n»km« <1vr 8ono- ovcl für clsn sot^enäeo . Amtlicher Theil. Dresden, 9. April. Se. Majestät der König haben kin einer heute dem Kaiserlich Russischen Generaladju- ltonten Admiral Grafen von Heyden ertheilten Par- kticularaudienz da« Schreiben entgegcnzunehmen geruht, s durch welches Se. Majestät der Kaiser Alexander Hl. f von Ruhland Allerhöchstihm da« Ableben Sr. Majestät fde« Kaiser« Alexander II., sowie Seine in dessen Folge l stattgefundene Thronbesteigung angezeigt hat. DrrSde«, S. April. Se. Majestät der König haben dem Kaiserlich Russischen außerordentlichen Gesandten und bevollmächtigten Minister, Wirklichen StaatSrath Kammerherrn von Nelidow heutr eine Particular- audienz zu ertheilen und darin dessen neue« Beglau bigungsschreiben, durch welche- derselbe in seiner Func tion am hiesigen Königlichen Hofe bestätigt wird, ent- gegenzunehmen geruht. F>. Lou»«»i»»-»oar a«, 8«rU» Visa I^lprtz N»»«l - Rr»»»e»rr ». N.: /llxu«n-ee,n L N«rU» rr»oktvrt ». M. Hl»««,' >«rU»: Ä. , Nr«,»: L 8r»»i»o: « rnuUltUrt ». M.: L. ^lXA«^ix:tis ljuouü»uäluo8i ütilit»: O Skat/«-,' S»im,v,r: N»rUQ-rmLXe»rt ». U »tuttxLrt: Da«^«a eo., F«t ll«r»a»y«d»r: Lüiiiul. L»p«lit>oo ä«, l)r«<tQ«r itvinUSiitr»»»« Ito tv. Tagrsgeschichte. (Dresden. Berlin. Straßburg München. Karlsruhe. Wien. Prag. Pari«. Rom. Beilage. Der Atkevtasproeeß iu St. Petersburg. Erunmungru, Versetzungen re. im -steutl. Dienste. Proviazialnachrichten. (Leipzig.) gleich im Anfang die Weisheit diefer Lehre über den Haufen zu werfen und damit seinen Standpunkt klar in- Licht zu stellen. Sie „wenden die Grundsätze ihrer abstractrn Nationalökonomie ebensowohl auf daS Volk und die Verhältnisse von Irland an, wie auf die Einwohner des Saturn oder de- Jupiter": mit ande ren Worten: sie behandeln Alle» nach derselben Schablone, und die Folge ist, daß Irland jetzt nach mehreren Menschenaltern noch ebenso elend und zer rissen ist, wie srüher, als jene KrauSköpfe ihre abge zogenen Glaubenssätze in» Feld führten. Also Irland ist gesondert zu behandeln, nicht nach dem Muster von England oder Schottland. Hier sind die Landgesetzt wo möglich noch straffer und ungerechter, al» in Ir land; trotzdem herrscht Zufriedenheit und Wohlstand, und Reformen sind, wenn auch nicht überflüssig, so doch nicht unumgänglich nothwendig. Irland aber be darf der Reformen. Es herrscht dort, wie Gladstone sagt, ein Heißhunger nach Land; die Nachfrage über steigt daS Angebot, und dem Gesetzgeber bleibt diesem Drange gegenüber kaum etwas Anderes übrig, al« entweder den Hunger zu befriedigen, oder die Auswan derung zu erleichtern. ES herrscht in Irland ferner ein größere» Bedürfniß nach einem festen Pachtrechte; denn die Gutsverbesserungen sind gemeiniglich daS Werk des Pächters: wer schützt ihn vor Kündigung seines PachteS und damit vor dem Verlust seiner aus den Pacht verwandten Zeit und Mühe? Daher denn da- Pachtrecht in der Vorlage eine feste Gliederung erhält, welche für Alle, die sich derselben unterwerfen, bindende Gewalt hat. Die Gliederung findet ihren Ausdruck in einem Gerichtshöfe, der zugleich al» Land- commission gilt und aus 3 Mitgliedern besteht, von denen eins stets ein Richter oder früherer Richter des höchsten Gerichtshofes sein muß. Dieser Pachtgericht«- Hof wird, wenn er angerufen wird, das Pächterrecht bestätigen; denn jeder Pächter hat, den alten Gesetzen deS Landes zufolge, da- Recht, seinen Pacht und die in ihm gemachten Verbesserungen zu veräußern, sowie auf einer Stetigkeit deS Pachtzinses zu bestehen, welche Gladstone auf 15 Jahre auSdehnt. Der Pachtzins würde gleichfalls durch den Gerichtshof bestimmt; so daß die so heiß angestrebten drei k", (kwe naiv, kair reut, Liitv ot tsuure): freier Verkauf, billiger Pacht zin« und feste Pachtjett, durch den Gerichtshof in Er füllung gehen. Die Provinz Ulster, in welcher schon ein feste« Pachtgesetz besteht und so infolge dessen die agrarischen Unruhen selten sind, darf ihre bisherigen Pachtbeftimmungen beibehalten. Selbstverständlich bleibt eS jedem Pächter in ganz Irland Vorbehalten, seine Pachtverhältnisse mit seinem Gut-Herrn getrennt abzu machen und dadurch deS Eingriffe- de» Gerichtshöfe« zu entbehren. Denn, wie gesagt, Gladstone'« Entwurf trägt nicht den Stempel confiScatorischen Zwange«, son dern überläßt die Benutzung deS Gerichtshofes der Wahl deS Einzelnen. E« »st hauptsächlich diesen Bestlmmun gen zuzuschreiben, daß Gladstone'- Entwurf bei den Con- fervativen eine Art von Achtungserfolg findet. Nach der Entstaatlichung der irischen Kirche, nach der durchge fallenen irischen Universität-Vorlage, zumal aber nach der von Jahr zu Jahr zunehmenden radicalen SinneS- richtung des Premiers war man auf eine Zwangs maßregel gefaßt, welche tief in» Fleisch de- bevor rechteten Grundelgenthum« schneiden würde. Die Ent täuschung wirkt vorläufig angenehm, und wie vorsichtig sich auch die conservatrven Blätter ausdrücken, ein ge wisse« Wohlwollen bricht sich durch ihre Nergeleien hindurch. Neben den Eonservattven gehören auch die Iren selbst zu Denjenigen, welche widerstrebend dem Gesetzentwürfe beistimmen. E« verlautet, daß die iri schen Parlamentsmitglieder sofort nach Beendigung der Gladstone'schen Rede sich mtt dem Grundsätze der Vor lage einverstanden erklärten. Die irische Presse zeigt gleichfalls unverhohlene Spuren der Befiirdigung; na- Bekanntmachung der Königlichen BrandversicherungS-Eom- mifsion. Die Dresdener Feuerversicherungs - Gesellschaft betreffend. Nachdem die Dresdener Feuerversicherung«- Gesellschaft bereit« zu Ende deS Jahre« 1870 die Einstellung ihre« Geschäftsbetriebe« innerhalb de« Königreiche« Sachsen beschlossen hat, ist neuerlich bei der unterzeichneten Königlichen BrandversicherungS- Eommisfion anaezeigt worden, daß die noch laufenden Versicherung« - Verträge der genannten Gesellschaft im gegenseitigen Einverständnisse der Vertrag«-Lonttaheo- ten nunmehr lämmtlich gelöst seien. In Gemäßheit der Bestimmung in tz 22, »liu. 5 der zu dem, da« Mobiliar- und Privat - Feuerversiche- rung«wesen betreffenden Gesetze vom 28. August 1876 gehörigen Ausführung«-Verordnung vom 20. November derselben Jahre«, wird die« vor Zurücknahme der er- theilten Eoucesfion mit der Aufforderung öffentlich be kannt gemacht, die etwa noch ungelöst gebliebenen Ber- sicheruaa«.Verträge und Entschädigungs-Ansprüche binnen sechs Wochen und spätesten« vis zum SV. Juni 1881 bei der Brandversicherungs - Eommission anzumelden, indem unterbleibenden Falles dergleichen Ansprüche ge gen die Versicherungs - Anstalt im Verwaltungswege nicht weiter berücksichtigt werden könnten. Dresden, am 5. April 188l. Königliche Brandversicherungs-Commission. Edelmann. Telegraphische Nachrichten. Paris, Sonntag 1V. April, Abends. (W. T. B.) Au« Tunis wird gemeldet, daß der Bey er klärt habe, daß er eine Evaporation mit den fran- zöfischeu Truppen behufs Züchtigung der KrhumirS ablehne und auf seinem Territorium allein handeln wolle. Die bezügliche Protestation deS BeyS ist gestern den fremden Eonsuln in Tunis mitgetheilt worden; der Bey beschuldigt dariu Krankreich, die Rechte von Tunis wie diejenigen der Pforte und der befreundeten Mächte zu verletzen. — Man schätzt die Stärke der unabhängigen Krhumirstämme auf 15000 biS 20 000 Mann, gegen welche der Bey bis jetzt nur 600 Mann geschickt haben soll. — Dem Vernehmen nach hat die italienische Regierung auf die von dem hiesigen italienischen Consul veran laßte Petition um Entsendung eines Geschwaders nach der tunesischen Küste abschlägig geantwortet. (Vql. unsere Pariser Eorrespondenz unter „TageS- geschuhte".) Cagliari, Sonntag, 10. April. (W. T. B) Der „Avvenire di Sardegna" meldet aus Tunis, daß vorgestern feiten de« französischen General konsuls Roustan dem Bey eine Note der franzö sischen Regierung überreicht wurde, iu welcher die letztere ihren Entschluß, die KhrumirS anzugrei fen, auzeigt. Der Bey erwiderte hierauf, daß er die Macht selber besitzt, die augeblichen Angriffe der KrhumirS zu unterdrücken und die Schuldigen zu bestrafeu. Er beklage daS Vorgehen Krank- reicht und protestire gegen eine eventuelle Grenz verletzung, indem er die Verantwortlichkeit hierfür vor Europa und der Türkei Frankreich überlasse. — Die französische Note wurde gestern von de« Bey de« fremden Eonsuln in Tunis inhaltlich mitgetheilt. London, Sonntag, 10. April, AbendS. (W. T. B) Bon den Socialisten war für heute Nach mittag ein Meeting nach Peckham Rye (London) eiuberufev, daS gegen daS Verhalten der Regierung in Sachen der Verhaftung Most'S und der ge richtlichen Verfolgung der „Freiheit" Protest ein legen sollte. DaS von etwa 8000 Personen be suchte Meeting wurde durch Antisocialistrn gestört und von der Polizei aufgelöst. Bei dem entstan denen Handgemege wurde 1 Polizeimann schwer verwundet; Verhaftungen wurdenvichtvorgenommen. Nach einer Meldung aus Bloemfontein von gestern ist der Präsident deS Oranje-KrristaateS, Brand, von Natal zurückgekehrt und enthusiastisch empfangen worden. In der Antwort auf die von den englischen und von den holländischen Einwoh nern an ihn gerichteten Adressen betonte Brand seine Uebrrzrugung, daß der Friedr zwischen Eng land und dem TranSvaallande ein Mittel sein werde, alle südafrikanischen Namen in Eintracht und Freundschaft zu einigen. St. Petersburg, Moutag, 11. April. (Tel. d. DreSdn. Journ.) Hinsichtlich der Hinrichtung Russakow - und Genosse« ist biS jetzt noch keine Bestimmung getroffru. (Bergl. die Mittheilungen über den Attentatsproceß in der Beilage.) Dresden, 11. April. DaS englische Unterhaus hat noch kur» vor seiner Vertagung während der Osterzeit die irische Land- bill in erster Lesung angenommen. Der Premier Gladstone vertheldigte die Vorlage in einer überaus glänzenden Rede und sprach die zuversichtliche Erwar tung au«, daß e« England gelingen werde, durch Ge rechtigkeit die Irländer zu befriedigen. Es geht aus der Darlegung Gladstone's hervor, daß da« Hauptziel deS Gesetzes die allmähliche Schaffung eines kleinen unabhängigen Bauernstandes ist, und daß zu d-esem Zwecke den gegenwärtigen Großgrundbesitzern empfind liche Beschränkungen bezüglich deS Verfügungsrechts über ihr Eigenthum auferlcgt werden sollen. Der Londoner Berichterstatter der „Kölnischen Zeitung" charakterisirt den Inhalt und die Tenden zen der irischen Landbill folgendermaßen: Gladstone beabsichtigt in der That, den Iren den ihnen als un entbehrlich erscheinenden Antheil an dem Besitze ihrer Insel zu sichern. StaatSvorschüsse sollen dazu dienen, Pächter m Eigenthümer umzuwandeln. Ein oesonderer Ausschuß soll selbst sich das EigenthumSrecht erwerben, von willigen Gutsherren Land kaufen und es den Pächtern gegen billige Zahlungsbedingungen abtreten. Auch andern Gesellschaften soll dieses Recht verliehen wer den. Wie hoch der StaatSvorschuß sich belaufen soll, ob auf 1, 5 oder lO Millionen, das will Gladstone der Bestimmung de« jeweiligen Parlament« überlassen, vorliegende Bestimmung ist entschieden die wichtigste de« neuen Gesetzentwurf«, weil sie radikaler Natur ist und da« Verhältniß zweier bisher feindlichen Stände, der Gut-Herren und der Pächter, von Grund aur ändert. Der Pächter wird Gutsherr, der Gut-Herr möglichenveise Pächter; die Unterschiede verschwinden und mit ihnen der Klassenhaß und da« agrarische Ver brechen. Merkwürdigerweise hat Gladstone diese Be stimmung an« Ende seiner langen Rede verwiesen und ihr noch dazu viel weniger Zett gewidmet, als sie eS an sich und im Verhältniß zu den übrigen Bestim mungen verdiente. Von ihr hing eS wesentlich ab, ob die Vorlage ein confiScatorischeS Gepräge tragen, ob sie den Zwang in die bestehenden ElgenthumSrechte einschmuggeln und damit den unversöhnlichen Groll Aller, die in Irland etwas zu verlieren haben, herauS- sordern werde. Glücklicherweise hat Gladstone diese Klippe vermieden. Die EigenthumSübertragung ge schieht nur mit Wissen und Willen deS EigenthümerS; und insofern wird der Vorschlag kein döse« Blut machen. Aergerniß wird nur erstens eine gewisse Klasse von Steuerzahlern nehmen, welche jeden Penny bedauern, den sie im irischen Interesse der Vorschüsse wegen auSzulegen haben; und zweitens eine gewisse Klasse von Nationalökonomen, welchen die Gladstone'sche WirthschastSpolittk ein Greuel ist. Viele derselben gehen so weit, das Gesetz als ein socialistisch-commu- nistische» Unternehmen zu verurtheilen, führe eS doch da- Gesammteigenthum ein dadurch, daß der Staat oder eine vom Staat unterstützte Gesellschaft sich deS Grund und Bodens bemächtige. Gladstone versehlte nicht, Feuilleton. Nedigirt von Ott» Bauet. K. Hoftheater. — Altstadt. — Mit Allerhöchster Genehmigung: Palmsonntag, den 10. April große geist liche Musikausführung zum Besten de- UnterstützungS- fondS für die Wittwen und Waisen der königl. musi- kalischen Kapelle: Die große PassionSmusik nach dem Evangelisten Matthä»- für Solostimmen, Doppel choc, Doppelorchester und Orgel von Johann Ge- lmstian Bach. Die »wingende Gewalt de- Bach'schen Geniu- be währte sich bei diefer Aufführung wieder wunderbar. Seine für den Gottesdienst am Charfreitag berechnete Musik hat in den mehr weltlich stimmenden Räumen uaserS Hostheater« auf daS zahlreich erfchienene, an dächtig lauschende Publicum denselben ergreifenden und erschütternden Eindruck hervorgebracht, wie er nur in einer, der Entfaltung gewaltiger Tonmasseu günstigen Kirche möglich ist. Da Dresden eines, solchen An- svrderungen entsprechenden, akustisch günstigen Gottes- Hauses sich nicht erfreut und deshalb bisher mit, in bescheidenen Dimensionen gehaltenen Productionen des Riesenwerkes sich begnügen mußte, erscheint die unter Vereinigung aller verfügbaren ersten Kräfte zu Stande gekommene Wiedergabe d«S letzter« im königl. Hof- theater mehr als gerechtfertigt. Im Hinblick auf die Entfremdung unserer klassischen und modernen drama tischen Literatur und infolge dessen natürlich auch unserer Bühne gegenüber dem Ehristenlhum müssen Wir die diesmalige Vorführung der MatthäuSpassion, deren Ausdruck der Leidenschaften und Gefühle eng herzige Beurtheiler allerdings zu menschlich und im Stile zu opernhaft gefunden haben, sogar mit auf richtiger Genugthuung begrüßen. Welchen festen Platz gerade diese musikalische Schöpfung unter den Dar bietungen der Lharwoche zu fassen vermag, zeigt be- fonder» die preußisch« Hauptstadt, wo, trotz der Eon- currenz mit dem nüchternen, aber historisch traditionell gepflegten Oratorium „Der Tod Jesu" von Graun, dieser Tage die Singakademie die MatthäuSpassion zum 50. Male aufführte. Zum ersten Male wurde dieselbe am 12. März 1829 unter Mendelssohn den Berlinern dargeboten, und sie hat seitdem, von ein paar vereinzelten Ausnahmen abgesehen, nie beim Heran nahen de- Osterfestes gefehlt. Die Aufführung an unserm Hoftheater hatte Hr. Kapellmeister Prof. l)r. Wüllner mit tiefstem Ber- ständniß und wärmster Begeisterung, sowie mit der ihm eigenen Energie sorgfältigst vorbereitet. Die ihm zur Bersügung stehenden Ehorkräfte bestanden au« der Dreyßig'schen und Robert Schumann'schen Singakademie, dem Neustädter Ehorgesangverein, Mitgliedern der Dresdner Liedertafel, der obersten Ehorgesangklasse de« königl. Eonservatormm», den Alumnen der Kreuzschule und den Kapellknaben der katholischen Hofkirche, zu- fammen etwa 450 Sänger und Sängerinnen. Klang schönheit, Reinheit und Präcision steigerten die mäch tige Wirkung dieser Ehormasse zum entzückenden Ein druck Geradezu plastisch war derjenige der Lhoräle und de« DoppelchorS„Sind Blitze, sind Donner u.s.w " im ersten Theile. Die gleich« liebevolle Hingabe zeigten die Solisten. An erster Stelle neunen wir Hrn. Hofopervsänger Götze, dem die schwierige Ausgabe des Evangelisten zugesallen war. Der Wohllaut und Umfang seiner Stimme, die Vornehmheit und Ruhe der Auffassung seiner Partie, die Wahrheit der Empfindung, der Ver zicht auf jedes declamatorische Pathos und die deut liche Textau-sprache qualificiren ihn nach jeder Rich tung zum Oratoriensänger. Würdig standen ihm Frau Otto-Alv-leben, Ehrenmitglied de- königl. Hof- theaterS, die Hosopernsängerin Frl. Rösler, Hr. Kammersänger Degele und Hr. Hofopernsänger Fischer zur Seite. Der Oraelpoet befand sich in den Meisterhänden de- Hrn. Hoforganisten Merkel. Die Mitwirkung der königl. Kapelle, welche da» PalmsonntagSconcert al» einen ihrer Ehrentage verzeichnen darf, krönte die Ge- sammtleistung. Rudolf Günther. K. Hoftheater. — Neustadt. — Am 9. April: „Die Jäger", Schauspiel in 5 Acten von Iffland. (Neu einstudirt. Frau Fried-Blumauer vom königl. Schauspielhause in Berlin al» Gast.) Unser Dre»dner Publicum hat di« Berliner Künst lerin auf der späteren Höhe ihrer bedeutsamen Ent wickelung nur sehr wenig und viel lettener zu sehen Gelegenheit gehabt, al» e» sür die wirklichen Theater freunde die Orientirung über die Schauspielkunst der Gegenwart wünschenswerth macht. Der Zufall fügte r», daß bei un» die Genannte vorzugsweise nur Ge stalten aus dem Gebiete der komischen Alten zum Besten gab. Nun ist zwar allerdings ihr Talent sür erheiternde, chargirte Charakterrollen im EonveriationS- stück, im Lustspiel, im Schwank durch einen eminenten Foud von Humor, von Scharfblick für die Erscheiuungeu de» L:ben», durch eine virtuos entwickelte Beanlagung für die realistische Natürlichkeit in Spiel und Rede in einer Weise ausgerüstet, daß dieser glänzende Höhe punkt als daS erreichbar Vortrefflichste am meiste« in die Augen springen muß, um so mehr in einer Zett, wo damit keine Rivalisation stattfindet. Diese stark ausgeprägte Ausbildung nach der ko mischen Seite hin hat den leichttrklärlichen Jrrthum herbeigeführt, daß der individuelle Schwerpunkt der die Lachlust ergötzenden Künstlerin ohne Gegengewicht m der ernsten Richtung sei. Doch gerade der Um- sang und der Reichthum de« Rollenrepertoire» im ernsten Drama kennzeichnen jene» merkwürdige Talent. Zur Erläuterung dieser Thatsache, die den Ber liner Theaterfreunden bekannt ist, giebt die Ober- försterin ein überzeugendes Beispiel, daS «och an Kraft gewinnt, wenn man dabei die hier wie in vielen ganz anders gearteten Partien hervortretende echt künstlerische Methode deS GasteS in Anschlag bringt, sich ganz und gar bei jeder Ausgabe in den geistigen Bann, in die Atmosphäre und Anschauungsweise de» betreffenden Dichter» zu versenken. Hier in der Oberförsterin athmet die ganze Inten tion die enge, spießbürgerliche, gemüth»quälende Jff- land'sche Wett, die Jllusion»kraft der Künstlerin über springt ein Jahrhundert und gicbt uu», ungestört von der Strömung der neuen Zeit, die überzeugend«, in timste Kleinmalere« der damaligen Tage, ihre« häu»- lichen Glücke- und Familienjammer-. Wir bekomme« lauter Farben, die auf einer andern Palette al- e- die moderne »st, gemischt find; da- eingesponnene, von Gewaltsamkeit bedrückte, in sich gekehrte und auf sich selbst angewiesene Wesen der damaligen Menschen in»
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