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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 01.08.1896
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1896-08-01
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18960801011
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1896080101
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1896080101
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1896
- Monat1896-08
- Tag1896-08-01
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k« > Ntr 1/4 »IM Bezugs-Preis E der Hauptexpedition oder den im Städte vezirk und den Vororten errichteten Au»« aab,stellen abgebolt: vierteljährlich^ 4.50, bei zweimaliger täglicher Zustellung ins Haus 5.50. Durch die Post bezogen für Deutschland und Oesterreich: vierteljährlich 6.—. Direkte tägliche Kreuzbandsenouu- dts Ausland: monatlich 7.50. Die Morgen-Aesgabe erscheint um '/,? Uhr. di» Abend-Ausgabe Wochentag- um 5 Uhr. NeLactto« vn- Lrpeditto«: Johanne-gasse 8. DirExpevition istWocheutagS unnuterbrochen aeösfuet von früh 8 bis Abends 7 Uhr. Filialen: Vit» Klemm's Tortim. (Alfred Hahn). UuiversttätSstraße 3 (Paulinum), LoutS Lösche, NatharMensir. 14. Part, und Köaig-vla- 7, Morgen-Ausgabe. Klp,;igcr Tagtbialt Anzeiger. Amtsblatt des Aömgkichen Land- imd Amtsgerichtes Leipzig, des Mathes und Polizei-Amtes der Stadt Leipzig. ^- 387. Sonnabend den 1. August 1896. Anzeigen-Preis die S gespaltene Petitzrile SO Psg. Nrclamen unter dem NrdactionSstrich (4ge- ivalten) öO^jj, vor den FannUennachrichtca (6 gespalten) 40^. Größere Schrlsten laut unserem Preis- verzrichniß. Tabellarischer und Zissernsatz nach höherem Tarif. Extra-Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbeförderunz SU—, mit Postbrförderung 70.—. Ännahmelchinß für Anzeigen: Abend-Ausgabe: Vormittags 10 Uhr. Morgen-AuSgabe: Nachmittags 4 Uhr. Lei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeigen find stets an die Expedition zu richten. Druck und Verlag von E. Polz in Leivziz SV. Jahrgang. Bestellungen auf Reiseabonnements nimmt entgegen und führt für jede beliebige Zeitdauer aus ülv Lxpeältlou ä«8 ^axedlattes, Johannisgasse 8. Zündstoff. Nicht viel mehr als ein Jahr ist vergangen seit den festlichen Tagen, an denen unser Kaiser in Hamburg und Kiel seine herrlichen, vom Wunsche und der Hoffnung auf gesicherten Frieden erfüllten Reven hielt. Seit dieser Zeit sind er und seine Ratbgeber unablässig von dem ehrlichen Bestreben erfüllt geblieben, nicht nur dem deutschen Reiche, sondern der Welt den Frieden zu erhalten. Aber die Ent wickelung der Dinge ist stärker als der Wille Einzelner und darum sehen wir heute an allen Ecken und Enden der Welt eine Fülle von Zündstoff aufgehäuft, die durch einen einzigen unglücklichen Zufall zu unheilvoller Explosion gebracht werden kann. Wir wollen all' diese Deutschland nur mittelbar be rührenden Verwickelungen flüchtig streifen. Daß sich der spanisch-cubc.,tische Handel im Falle eines Wahlsieges der nordamerikanischen Republikaner zu einem spanisch amerikanischen Conflict auswachsen wird, erscheint zweifel los. Nicht minder wahrscheinlich ist nach den neuesten Meldungen, daß die Fülle von Haß, die sich in Jahrzehnten zwischen den Engländern und den Boeren angehäuft hat, zu einem Ausbruche führen wird, der ganz Südafrika mit KriegSlärm erfüllen dürfte. Nordafrika bietet mit dem noch nicht beendeten italienisch-abessinischen Conflict, mit dem englisch-sudanesischen Unternehmen, mit den beginnenden Jntriguen um den Besitz von Tripolis jedem Friedensfreunde Anlaß genug zu Besorgnissen. Die soeben angeordnete erneute Verstärkung der russischen Truppen in Ostasien beweist, daß Rußland die Frage, wer zur Vormacht Ostasiens berufen ist, in Fluß bringen will. Die trotz aller Bemühungen der europäischen Diplomatie immer wieder ausbrechenden Kämpfe in Kreta und die blutigen Zusammenstöße in Makedonien thun schließlich dar, daß die orientalische Frage ihrer gewaltsamen Lösung immer näher rückt. An all' diesen tbeils bereits vorhandenen, theils drohenden Verwickelungen ist Deutschland, wie gesagt, nur mittelbar betheiligt, wenn man auch zugeben muß, daß einerseits die Schädigung deS Handels, die durch jeden Krieg herbei geführt wird, andererseits die Gefahr für den europäischen Frieden, die besonder« in den orientalischen Verwickelungen liegt, die Situation auch für Deutschland unbehaglich genug machen. Von unmittelbarer Bedeutung und entschiedener Bedrohlichkeit sind aber für Deutschland die Zeichen, daß der fanatische Haß der Franzosen gegen Deutsch land in mehr als einem Vierteljahrhundert nicht d,e ge ringste Minderung erfahren hat. . Wir meinen mit diesen Zeichen die Rede des MazorS, der sich deS Besitzes eines „heiligen" Säbels erfreut, und die Kundgebungen gegen die Socialisten deutscher Ab stammung in Lille. Wir können uns mit der gewissen heiteren Auffassung, die diesen beiden Kundgebungen hier und da zu Theil geworden ist, nicht ganz einverstanden erklären. Was zunächst die Rede des Majors anlangt, so wolle man bedenken, daß der französische Beamte — auch der Militair — mit dem heißblütigen Temperament seiner Rasse eine kühle Berechnung verbindet, daß er mit anderen Worten in der Regel ein ganz gehöriger „Streber« ist. Der Major hätte also seine Hetzrede gegen Deutschland, von der er ja wissen mußte, daß sie in die Oeffentlichkeit dringen würde — wenn er nicht etwa gar selbst die Publicirung veranlaßt bat — höchst wahrscheinlich nicht gehalten, wenn' er die Besorgniß gehabt Kälte, dann! seinen Vorgesetzten zu mißfallen; im Gegentbeil, er hofft wahrscheinlich, sein Avancement dadurch zu verbessern, und die Zukunft dürfte ihm Recht geben. Wenn ein deutscher Major sich unterstanden hätte, seinen „heiligen Säbel" zum Kriege gegen Frankreich aufzurufen, so wäre er einige Tage später schon nicht mehr in der Lage gewesen, diesen Säbel an seiner Seite zu tragen, und das mit Recht. Denn eS verträgt sich nicht mit geordneten Zuständen, wenn jeder beliebige Major die Pfade der auswärtigen Politik mit plumpem Kommißstiefel durchkreuzen darf. Daß aber in Frankreich eine derartige Anarchie herrschen darf, ist ein erneuter, voller Beweis dafür, daß man sich in jedem Augenblick auf daS Schlimmste gefaßt machen muß. Wir kommen nun zu den Unruhen in Lille. Ganz ge wiß gönnen wir unseren Socialdemokraten die bittere Lection, die ihnen zu Tbeil geworden ist, aber wir dürfen doch darüber nie vergessen, daß die Einwohnerschaft von Lille nicht in erster Linie den Socialdemokraten, sondern den Deutschen ihren um rrsohnlichen Haß zeigen wollte. Es war eine spontane Massenkundgebung gegen Deutschland, und die Stimmung, die dabei zum Ausdruck gelangte, ver dient die höchste Beachtung. ES ist vielleicht nicht ganz zufällig, daß diese Kund gebungen mit dem Waffenlarm, der die Welt an anderen Stellen erfüllt, zusammenfallen. Die elektrische Spannung, die unleugbar allenthalben aufgebäuft ist, fällt den leicht erregbaren Franzosen auf die Nerven. Wenn die Schüsse knallen und das Blut fließt, wollen sie auch dabei sein. Davon legen die vielen Kriege, an denen Frankreich in den letzten beiden Jahrhunderten ohne Noth Theil genommen hat, Zeuaniß ab. Nicht leicht sind die Aufgaben, die dieser Zustand unserer Diplomatie auferlegt. Aber nicht nur unsere Diplomaten, sondern auch unsere Parteien sollten auf die schwierige Lage Rücksicht nehmen und um der äußeren Spannung willen die innere möglichst mildern, damit, wenn einmal daS Vaterland ruft, der Gegensatz zwischen den eben noch hadern den Volksgenossen und dem einigen Volke von Brüdern ein nicht gar zu unvermittelter ist. Deutsches Reich. Berlin, 31. Juli. Die durch die Mandatsniederlegung des socialdemokratischen Abg. Ioest nothwendig gewordene R ei chstagsersatzwa hl im WahlkreiseMainz-Oppen heim lenkt den Blick auf die wechselvollen Schicksale, die dieser Wahlkreis erlebt bat. Im ersten Reichstage war er vertreten durch Bamberger, der in der Hauptwahl mit 9306 nationalliberalen Stimmen gegen 5726 Centrums- und 150l fortschrittliche Stimmen siegte. Bei der folgenden Wahl, im Jahre 1874, kam es bereits zu einer Stichwahl, in welcher das Centrnm mir 9281 gegen 8421 nationalliberale Stimmen daS Mandat gewann. Es mußte dasselbe 1877 an den „Volksparteiler" Bürgermeister Oechsner abgeben. Bei den ein Jahr später durch die Rnchstaasauflösung nothwendig gewordenen Wahlen siel das Mandat aber an das Centrum zurück. Dagegen siegte ini Jahre 1884 noch einmal ein Demokrat, der verstorbene Abg. I)r. Phillips, mit 8633 gegen 8385 Stimmen des Centrums. Seit den Wahlen von 1884 ist das Mandat des Wahlkreises im Besitze der Social demokraten. Bei den letzten Wahlen im Jabre l 893 stellte sich das Stimmenverhältniß so, daß der nationalliberale Candidat 5269 Stimmen erhielt, der Volksparteiler 2042, der Centrumöcandidat 5153 und der socialdemokratische Candidat (Ioest) 8965 Stimmen. Außerdem entfielen auf einen anti semitischen Zählcandidaten noch 270 Stimmen. Zur Stich wahl zwischen dem nationalliberalen und dem socialdemokra tischen Candidaten proclamirten die Demokraten Wahl enthaltung, während die Freisinnigen Eintreten für Ioest beschlossen, der denn auch mit 10 684 gegen 8199 Stimmen gewählt wurde. Der Siez eines antisocialdemokratischen Candidaten in Mainz-Oppenheim ist nur dann möglich, wenn die bürgerlichen Parteien sich gegen die Socialdemokratie zusammenschließen. tf Berlin, 3l. Juli. An der Hoffnung, daß es möglich sein wird, dem Reichstage im Herbste einige der Gesetz entwürfe vorzulegen, die erledigt sein müssen, ehe das Bürgerliche Gesetzbuch in Kraft tritt, wird immer noch festgehalten. Der Bundesrath hat ja einzelne bereits vor längerer Zeil zur Berathung und Beschlußfassung zugestellt erkalten, so die Novellen zum Gerichtsverfassungs gesetz, zur Concursordnung und zur Civilproceß- ordnung. Die Erörterung dieser Vorlagen hat nun schon Monate hindurch die zuständigen BundesrathSausschüsse be schäftigt. ES ist anzunehmcn, daß die Beendigung dieser Erörterung noch frühzeitig genug eintritt, um die oben angegebene Hoffnung verwirklichen zu können. Sobald der BundeSrath mit diesen Arbeiten fertig ist, dürfte auch die Veröffentlichung des Wortlauts der Entwürfe, mindestens jedoch der Novelle zur Concurs ordnung, erfolgen. Nimmt man hinzu, daß der Reichstag noch au« dem letztverflossenen Tagungsabschnitte eine umfang reiche, hauptsächlich die Juristen angehende Arbeit in der Novelle zum Gerichtsverfassungsgesetz und zur Strafproceß- ordnung, in welcher die Entschädigung unschuldig Ver urteilter, die Wiedereinführung der Berufung in jStraf- sachen rc. behandelt werden, in zweiter und dritter Lesung zu erledigen hat, so dürfte man in der Annahme kaum fehl geben, daß auch der zweite Theil der Ende 1895 begonnenen Reichstagstagung den Juristen wieder die meiste Arbeit ver schaffen wird, um so mehr, wenn noch eine Reform des MilitairstrafprocesseS in Frage käme. Was die Vor arbeiten für andere dem Reichstage im Herbste vorzulegende Entwürfe betrifft, so sind dieselben gegegenwärtig wobl nur beim Auswanderungsgesetz so weit gefördert, daß man mit einiger Gewißheit auf die Einbringung desselben rechnen darf. Erwartet wird ferner, das der neue Handwerks organisationsentwurf im Bundesratbe noch für den nächsten Tagnngsabscknitt sich wird fertigslellen lassen. Die Veröffentlichung des Wortlauts desselben, wie er als Antrag Preußens an den Bundesrath abgefaßt ist. siebt ja nahe bevor, und die Handwerkscorporationen gedenken bald Stellung dazu zu nehmen. Ob es dagegen möglich sein wird, auch noch auf dem Gebiete der Ärbeiterversickerung einen Reformgesetzentwurf zur rechtzeitigen Vorlegung fertig zu stellen, ist fraglich. * Berlin, 31. Juli. Pastor W. Krüger, der jetzt in Poppelsdorf bei Bonn als Emeritus lebt, veröffentlicht im „Reichsboten« „persönliche Erinnerungen an Oberbofprediger vr. Kögel". Krüger ist sowohl der Schwager Kögel's als auch der Schwager Stöcker's, zugleich auch ein eifriger Parteigänger des Letzteren, und so kann eS nicht fehlen, daß er in seinen Kögel gewidmeten Erinnerungen auch des Ver hältnisses der beiden Hofprediger zu einander gedenkt. Er thut dies mit großer Zurückhaltung in seinem Schlußartikelj; einen Zug aber „von hervorragender Bedeutung" glaubt er unbedenklich mittheilen zu dürfen, weil er einen wichtigen Beitrag zum Charakterbilde Kögel's gebe. Ob dies der einzige Grund sein mag, dessentwegen Krüger aus seiner Zurückhaltung keraustritt, ist zweifelhaft, jedenfalls ist die Stelle auch aus anderen Gründen interessant. Pastor Krüger also schreibt: „ES war im Sommer deS Jahres, in welchem die sogenannten „Stöcker-Processe" in der Oeffent lichkeit das größte Aufsehen machten; die bekannten und immer wieder vorgetragenen Beschuldigungen gegen Stöcker — insbesondere wegen seiner angeblichen Unaufrichtigkeit, welche iin Munde fanatischer Gegner zu unerhörten Gehässigkeiten ausarteten — ballten wider in dem größten Tbeil der deutschen Presse, und der Gedanke lag nahe, daß Kaiser Wilhelm in Erwägung, daß einer der ihm nahestehen den Hofprediger fort und fort einen so gewaltigen Rumor und eine stets erneuerte Preßfebde hervorruft, eine Aende- rung in der amtlichen Stellung Stöcker's wünschen und bewirken werde. Diese Entschließung aber wäre zweifelsohne von den leidenschaftlichen Gegnern auf daS Ge hässigste zum Schaden der von Stöcker vertretenen Ideen — Monarchie und Cbristenthum — ausgebeutet worden. Darum fühlten wir, die Freunde und Bekenner der Forde rungen deS christlich-monarchischen Programms, ohne in jedem FruiHetsn. Die Drusen. Bon Theod. Herm. Lang». Nachdruck verboten. Den neuesten amtlichen Meldungen auS Konstantinopel zufolge soll der Aufstand der Drusen in Syrien in der Hauptsache unterdrückt sein. Ob diese Nachrichten die Wahrheit besagen, darf wohl bezweifelt werden. Die Pforte bat beispielsweise in den letzten neun Monaten die mili- tairischen Operationen gegen die Armenier wiederholt „der Hauptsache nach" für beendet erklärt und unmittelbar darauf brachen die Unruhen in Armenien mit verdoppelter Heftig keit auS. Auf Kreta liegen ja die -Verhältnisse nicht viel anders. Obendrein sind die Drusen, mit Ausnahme der kleinen Anzahl, welche im Bezirk Safed in Palästina wohnt, ein außerordentlich kriegerisches und überaus tapferes Bergvolk, dem die militairische Tüchtigkeit und die Geschicklichkeit im Kriegshandwerk geradezu angeboren ist. Denn nur äußerst selten sinkt eine Generation der Drusen ins Grab, die nicht mit der türkischen Soldateska auf Leben und Tod gekämpft hat. Dazu gerathen die Drusen noch bin und wieder mit den benachbarten Maroniten in blutige Streitigkeiten und ernten auch in diesen Scharmützeln Lorbeeren. Die Feindschaft zwischen den Drusen und der Pforte währte schon seit Jahrhunderten und der Boden, auf dem die Drusendörfer sich erheben, ist wie selten einer mit Blut ge düngt. Denn schon lange vor der Türkenberrschaft stritten die Drusen um ihre Unabhängigkeit. Bereits zu AuSgang deS vierten Jahrhunderts der Hedschra unternahmen die abbasidischen Kbalifen eine Reihe Feldzüge gegen die Drusen, die damals schon annähernd dieselben Gebiet« wie heute be wohnten, nämlich den Libanon und Antilibanon. Jm Hauran haben sich die Trusen, deren Gesammtzahl etwa 115 000 Köpfe betragen mag, in größerer Anzahl erst seit etwas über hundert Jahren niedergelassen. In Damaskus zählt man 7000 Drusen, am Hermon ebenfalls einige Tausend rc. Die im Hauran oder Ledscha, das letztere Wort bedeutet so viel wie Zuflucht, ansässigen Drusen mögen einige 30 000 Köpfe zählen. In manchen Ortschaften des Hauran rühren die Häuser und Straßen noch au« der Römerzeit her. Mehrere dieser au« Basalt und gewissermaßen für dir Ewigkeit ge bauten Häuser, in denen die Drusen wohnen, weisen noch lateinische Inschriften aufl Der Hauran ist eine natürliche Festung in gigantischem Stile. Hohe Basaltwändr schließen eine große Fläche rin, die durch niedrigere Basalt wände in verschiedene kleinere Gebiete getheilt wird. Nur wenige, meist labyrinthartige Eingangspforten führen durch diese Ringmauern in das Innere. Auch die Zugänge der natürlichen Zwischenmauern sind in I so geringer Anzahl vorhanden und so schmal, daß sie sich I außerordentlich leicht vertheidigen lassen. Zu wiederholten Malen haben nur mehrere Hundert, allerdings gut be waffneter Drusen türkische Armeen von 10 und 15 000 Mann mit blutigen Köpfen wieder nach Hause geschickt. Im Innern dieses gewaltigen von der Natur selber geschaffenen Festungs gürtels befinden sich fruchtbare Felder, Obstgärten und üppige Wiesen. Ich selber lernte die Drusen bei einer mehrmonatigen Reise durch Syrien und Palästina kennen. An Bord eines prächtigen Dampfers deS Triester „Lloyd" hatte ich Beirut am Fuße des Libanon erreicht. Die See war spiegelglatt und glänzte azurblau, als unsere „Juno" im Hafen vor Anker ging. Ueber Allem aber, über Land, Meer und Stadt, ragte das gewaltige Libanongebirge empor, das um so imposanter erschien, als eS fast unmittelbar vom Meeres strande aus sich erbebt. ES war im Juni als ich Beirut betrat. Aber die Gipfel des Libanon umhüllte noch ein starkes weithin leuchtende« Schneekleid. In Beirut selber sah ich die ersten Drusen und auf der Fahrt von diesem Hafenplatze nach Damaskus — über den Libanon und Antilibanon — besuchte ich selbst einige Drusendörfer, wobei ich die Bekanntschaft verschiedener liebenswürdiger nnd nicht ungebildeter Drusen scheichs machte. Mehrere der Dörfer klebten Schwalben nestern gleich an den Wänden und Terrassen des Libanon. Obschon die Drusen als reinlich gelten, so fand ich doch bei ihnen manchen echt orientalischen Gebrauch. In einem Dorfe wurde Brot gebacken. Dabei legte man den flachen Brotteig auf Blechplattcn, die man in glimmenden Kameel- mist, den man zuvor getrocknet batte, schob. In einem nur aus wenigen Hütten bestehenden Drusendorfe unweit KadljaS bot man mir eine Schüssel mit saurer Milch an. Als ich aus meiner Reisetasche einen Löffel nehmen wollte und den selben nicht gleich fand, sagte mir ein junger Druse: „Suchen Sie nicht nach dem Löffel, wir haben im Dorfe selber einen.« Glücklicher Weise fand ich meinen Löffel eher, bevor mir der Suppenlöffel deS Dorfes gebracht wurde. Die Drusen, Nachkommen der alten Syrer, aber stark mit arabischen, vereinzelt auch mit kurdischen Elementen ge mischt, sind ein schöner und großer Menschenschlag. Be- sonders sind die Frauen im Gegensatz zu den umwohnenden Araberinnen von stattlicher Figur. Die Drusinnen tragen nur einfarbige Kleidungsstücke und zwar vorwiegend blaue, violette, grüne, schwarze oder Weiße Stcffe. Gelb und Roth, wie überhaupt buntfarbige Gewänder lieben die Drusinnen nicht. Die Kopfbedeckung der Drusinnen, Tartur genannt, ist rin hoher Aufsatz von dünnem Eisenblech oder Zinn. Viele Drusinnen tragen aber auch eine hohe spitze Filzmütze, von der wie bei dem Tartur ein langer breiter Schleier oder ein großes Kopftuch mit Quasten über den Rücken berabhängt. DaS lange Gewand ist oberhalb der Knöchel ein wenig geschlitzt, so daß die weiten und bauschigen Weißen Beinkleider etwas sichtbar werden. Im Gegensatz zu den übrigen Orientalinnen legen die Drusinnen wenig Schmuck an und gehen unverschleiert. Nur wenn sie einem Fremden begegnen, so verhüllen sie mit dem Schleier oder Kopftuche die rechte Hälfte des Gesichts und das rechte Auge. Ehescheidungen kommen bei den in der Einehe lebenden Drusen selten vor. Der schuldige Ehegatte muß die Hälfte seines Vermögens dem anderen überlassen. Im Gegensätze zu den Muhamedanern darf ein Druse seine geschiedene Ehefrau später nicht wieder heirathen. Die Drusinnen, auch die Frauen und Töchter aus armen Familien, können lesen und schreiben und sind nicht wie bei den un bemittelten arabischen Ackerbauern die „Ärbeitsthiere" des Mannes. Die Männer ähneln in ihrem Aeußeren den syrischen Arabern. Der Druse trägt den Turban, einen langen Kaftan, um die Hüften einen buntfarbigen Shwal und über dem Kaftan oft einen kurzärmeligen, gestreiften, offenen Ueberrock. Die weiten Beinkleider sind wegen des langen Kaftans nur wenig sichtbar. Die Drusen gelten als sehr gastfrei. Auch ich wurde bei meiner Reise nach Damaskus von einigen Drusen zu einer Mahlzeit, die in der Hauptsache auS Milch, Eiern, Brod, Bananen, Rosinen und Reis bestand, eingeladen. Aber die Gastfreundschaft der Drusen ist, wie die der meisten Orientalen, eine sehr selbstsüchtige. Der Gastgeber erwartet bei der Ab reise des Gasteö ein Gegengeschenk, das mindestens den drei- oder vierfachen Werth der genossenen Mahlzeit haben muß. In religiöser Hinsicht nehmen die Drusen eine Sonder stellung ein. Sie sind weder Mubamedaner noch Christen. Im Verkehr mit den Muhamedanern behaupten die Drusen, die sich auch hin und wieder beschneiden lassen, allerdings sehr häufig, Anhänger des Propheten zu sein. Im Umgänge mit Christen bezeichnen sich die Drusen als den Christen.in religiöser Hinsicht sehr nabe stehend und als Anhänger de- Messias, wobei sie aber absichtlich verschweigen, daß sie mit dem Messias ihren Heiland Hakim Biam rillabi meinen. In Wirklichkeit huldigen die Drusen einem sonder baren Geheimglauben. Ueber den Inhalt ihrer heiligen Schriften bewahren sie dem Fremden gegenüber strengstes Stillschweigen. Unter einander erkennen sich die Drusen durch einen geheimen Händedruck und durch Paßworte, die natürlich in gewissen Zwischenräumen wechseln. Die gottesdienstlichen Versammlungen der Drusen finden regel mäßig jeden Donnerstag Abend statt. Die im Innern schmucklosen Gebetsbäuser „Khalwa" genannt, sind gewöhn lich abseits von den Ortschaften aufgesührt oder stehen sogar in gänzlich abgelegenen GebirgSlhälern. Zunächst werden vor dem eigentlichen Gottesdienste politische und kommunale Angelegenheiten erörtert. Unmittelbar hierauf folgt in der Kkalwa die sogenannte ErbanungSstunde, an der Männer wie Frauen gemeinschaftlich theilnehmen. Die Verbindung der ErbanungSstunde mit der Erörterung rein geschäftlicher Angelegenheiten erinnert unwillkürlich an eine ähnliche Sitte, die ich bei den Mormonen in Salt Lake City fand. Dort wurden auch an den üblichen Donnerstags-Gottesdiensten im Mormonen-Tabernakel von den Bischöfen erst eine Anzahl neuer landwirthschaftlicher Maschinen, Sämereien und der gleichen angepriesen und darauf gesungen, gebetet u. s. w. Bei den Drusen werden, sobald die profanen Fragen erledigt sind, religiöse Gesänge angestimmt, darauf die heiligen Schriften vorgelesen und erklärt, Gebete gesprochen und alsdann ein einfaches gemeinschaftliches Mahl auf Ge- meindckosten eingenommen. Oft schließen sich an diese Ver sammlungen auch noch geheime Sitzungen an, zu denen nur auserwählte Personen, die sog. „Wissenden", Zutritt haben. Es giebt nämlich bei den Drusen keinen eigentlichen Priester stand. Dieselben scheiden sich aber in religiöser Hinsicht in „Wissende" (Eingeweihte) und in „Kenntnißlose". Letztere, denen auch das Lesen der heiligen Bücher streng verboten ist, repräsentiren gewissermaßen das Laienthum. DaS geistliche Oberhaupt der Drusen, der Scheich «l Okkal, residirt in Safed, daS politische, der Großemir, in Deir-el-Kammar am Libanon. Bei den „Wissenden", den Führern, giebt es eine Reibe Grade. Ist schon der Druse an und für sich sehr mäßig, so befleißigen sich die „Wissenden" einer ganz außer ordentlich einfachen Lebensweise, indem sie weder rauchen, noch berauschende Getränke trinken und in jeder Beziehung außerordentlich enthaltsam sind. Uebrigens glauben die Drusen an di« Seelenwanderung und ferner, daß eS auf Erden nur eine bestimmte Anzahl Seelen gäbe, die sich weder vermehre noch verringere. Am Ende aller Dinge soll nach Ansicht der Drusen ein gewaltiges Heer aus dem äußersten Osten (China) anlangen und die Muselmänner wie die Christen vollständig vernichten. Dann komme auch Gott, „der alleinige und allmächtige", der sich zu verschiedenen Zeiten und unter mancherlei Gestalten geoffenbart habe — zuletzt an der Person des Stifters der drusischen Religion Hakim Biam rillahi — auf die Erde herab, um hier ein irdisches Reich zu errichten. Den Namen „Drusen" leiten die einen von Deruzi, einem bekannten Magier, der um das Jahr 1000 n. Cbr. lebte, ab, andere vom lateinischen „ckurus" (bart, ausdauernd) und wieder andere führen den Ausdruck „Drusen" auf „clariz»", da« heißt „die in Besitz (des Glaubens) gesetzten" rurÜck. Der Begründer der Secte der Drusen war wie schon gesagt ein gewisser Hakim Biam rillahi, der im elften Jahrhundert unserer Zeitrechnung starb. Die heiligen Schriften der Drusen verfaßte Hazam, der Sohn Ali«. Im Allgemeinen sind die Drusen eine Secte, bei denen religiöse, politische und sociale Grundsätze eigen artig mit einander verknüpft sind. Di« Drusen sind fleißig, sparsam, gute Ackerbauer, Gärtner, Viehzüchter, geschickte Handwerker und listige Händler und Kaufleute. Eine große Rolle spielt bei ihnen die gemeinschaftliche und genossen schaftliche Arbeit. Dieselbe sichert ihnen viele materiell« Erfolge, welche der Einzelne niemals erringen würde.
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