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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 17.12.1894
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1894-12-17
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18941217028
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1894121702
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1894121702
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1894
- Monat1894-12
- Tag1894-12-17
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Während der Reichskanzler und die preußischen Minister des Innern und der Justiz übereinstimmend dieses Verhalten als eine mit Strafe bedrohte Handlung aussassen, zu deren sofortiger Ver folgung der Reichstag nach Art. .11 der Verfassung seine Genehmigung erteilen und versagen kann, delundele die Mehrheit des Reichstags, daß sic in diesem Verhallen eine jener „Aeußerungen" erblickt, die nach Art. 30 der Ver fassung ru keiner Zeit Anlaß zu einer gerichtlichen oder tis- ciplinarischen Verfolgung geben können. Welche Auffassung die richtige ist, ist ausschließlich Sache der Gerichte, Ob unter „Aeußerungen- im Sinne deS Art. 30 der Ver fassung nur mündliche Meinungsbekundungen oder auch Handlungen zu verstehe» sind, welche Aeußerungen als in „Ausübung des Berufs" der Abgeordneten geschehen sind und welche nicht, hat nicht das Parlament endgiltig zu entscheiden, sondern nur das ordentliche Gericht. Selbst die Frage, ob eine Anklage seitens der Staatsanwalt schaft erhoben werden durste oder nicht, wird in der Regel vom ordentlichen Gericht zu entscheide» sein, und sehr wohl kann eS Vorkommen, daß die Gerichte die Erhebung einer Anklage gerechtfertigt finden, deren Zulässigkeit von dem Parlamente als mit der Verfassung nicht vereinbar be stritten wird. Hcrr v. Bennigsen hat daher, obgleich er mit der Majorität deS Hauses Liebknecht'- Verhallen als überhaupt nicht verfolgbare Aeußerung ansieht, ausdrücklich anerkannt, daß Regierung und Staatsanwalt an kiese Auffassung nicht ge bunden seien und daß eS besonders in de», Ermessen deS Staatsanwalts »nd der ihm Vorgesetzten Behörde liege, in Ge mäßheit ihrerAuffassung gegen den Abg. Liebknecht nach Schluß der Session mit einer Anklage vorzugehen. Ob das geschehen wird, läßt sich weder ans den Aeußerungen des Reichskanzlers, noch aus deucn der beiden preußischen Minister erkenne». „Sie haben", sagte Fürst Hohenlohe zu dem Reichstag, „das Reckt, über diesen Antrag zu entscheiden, wie eö Ihnen beliebt"; doch ob die Sache damit zu Ende sein solle, ergab sich aus diesen Worten nicht. Herr von Köller bemertle: „Wenn Sie eS ablchnen, dann nicht"; aber diese Aeußerung erhielt später eine Einschränkung durch die Worte, zu entscheiden sei darüber, ob eine strafrechtliche Verfolgung „sofort" eintreten soll. Und der Justizminisler Schönstedt sprach von dieser „Möglichkeit". Man muß also aniichmen, daß ein Entschluß der Regierung betreffs des nach Beendigung der Session cinzuschlagente» Verfahrens noch nicht gefaßt ist. AuS einem Grund möchte man wohl wünschen, daß man zur Verfolgung Liebknecht'ö nach Schluß der Session sich entschlösse. Würde er verur- thcilt — waS allerdings noch fraglich —, so würde zwischen dem richterlichen Votum und der Auffassung der Reichslagömchrheit über die Tragweite des Art. 30 der Verfassung ein Gegensatz entstehen, der de» gesetzgebenden Factoren des Reiches, also dem Reichstage »nd dem Bundcsraihe, den Versuch nahelegte, dem Art. 30 eine so überaus wiinschciiSwerthe authentische Interpretation zu geben. Da eS aber sehr fraglich ist, ob dieser Versuch gelänge, so liegt es auch im Interesse der Regierung, einen Gegensatz zwischen der Auffassung der ReichstagSmajorität und einem richterlichen Urlheile nicht zu provociren. Rur der Socialdemokratie könnten daraus Vortheile erwachsen, nickt aber der Regierung, die in den denkbar schärfsten Gegensatz zu der RcickslagSmehrbeit sich setzen würde, wenn sic die am Sonnabend erlittene „Niederlage" durck ein richterliches Unheil gegen Liebknecht anszuwetzen suchen wollte Von einer eigentlichen Niederlage kann übrigens deshalb nicht die Rede sein, weil daS, was die Vertreter der Regierung als den Hauptzweck des staalSanwaltschafltichen Vorgebens bezeichnetcn, nämlich die Herbeiführung festerer Handhaben zum Einschreiten gegen parlamentarische Uebcrgnffe, durch die Annahme der von den Nationalliberale» bcantraglcn Resolution ja erreicht ist. Wenn freilich die Resolution nicht bald zu einer den Verhältnissen augepaßten Abänderung der Geschäftsordnung führt, so liegt für den Berliner Staats anwalt und seine Vorgesetzte Behörde die Versuchung sehr nahe, dem Sitzenbleiben der gesammlen socialdcmokratischen Fraclion beim nächsten Hoch aus de» Kaiser durch eine straf rechtliche Verfolgung Licbknechl's vorzubeugen. Je früher also geschieht, was die Resolution verlangt, um so wahrscheinlicher ist es, daß der „Fall Liebknecht" ohne gerichllickcs Einschreilon zum bcsinitioen Abschlüsse gelangt. DaS riiifltschc Parlament ist, wie gemeldet wurde, sür de» 5. Februar cinberusen. Der Zeitpuncl entspricht dem Herkommen. Die „Times" radeln jedoch, daß man die Wieder eröffnung deS Parlaments nicht viel früher angesetzt habe. Das Datum pasie für gewöhnliche Zeiten, nicht für außerordent liche Verhältnisse, wie die jetzige», da sich eine förmliche Re volution von oben vorbereilc. Die „Times" kririsiren dann die jüngste Rede Lord Rosebery'S in Devonport, besonders die Stelle, in welcher der Premier sagte, er bade früher wobl an eine bloße Reform des Hauses der Lords getackt. Jeder seiner Versuche sei fruchtlos geblieben. Jetzt sei die Zahl der liberalen Lords so klein geworden,daß eS an Irrsinn grenze,wenn irgend ein Minister Vorschlägen wolle, das HauS der Lords z» refor- iniren. Wie man diese Stelle mit der spätere» Aeußerung, daß Las Einkammersystem nickt zu billigen sei, in Einklang bringen kann, ist schwer zu sagen. Lord Rosebcry nimmt es in seinem Eifer nicht genau mit der Logik. Aus einem Satze seiner Rede möchte man schließe», daß er taö Parlament nächstens auflösen wolle; aus einem andern kann man das Gegenlheik folgern. Zum Schluffe sagte der edle Lord, bei de» nächsten Wahlen müßten die Wähler entscheiden, ob sie vom Hause der Lords oder von fick, selbst regiert werden wollte». Tie „Daily News" bewundern diesen Ausspruch, andere Leute aber fange» nachgerade a», a» der staaiS- männischcn Begabung deS liberalen englischen Premier ministers crnsle Zweifel zu hege». Bekanntlich ist der hochfliegciite Plan Lco's XIII., die orientalische mit der römischen Kirche zu ver einige», an dem Widerstand der meisten orientalischen Bischöfe und der energisch ablehnenden Haltung deS Patriarchen gescheitert, und die zu jenem Zweck eingesetzte Commission hat sich mit der Bereinbarung einer Consti- tutio» für die orientalischen Kirche» begnügt, die wir kürzlich mittheilten. lieber den gegenwärtigen Stand der Angelegenheit schreibt der mit den vaticaniscken Kreisen in Fühlung stehende Mitarbeiter der „Pol. Eorr.": Ter Papst legt der lürzlich veröffentlichten apostolische» Constitution sür die vricntalijchei, Kirchen die größie Wichtig- keil bei. In dieser Constitution inerden die Beschlüsse der jüngste» Conserenzen der orientalischen Patriarchen, in voll- tomiiiener Uebereinslimmiing mit den an dieser Stelle gemachten Angaben, zuin apostolischen Gesetze erhoben. Man hält im Vatikan diesen Act für den wichtigsten, der mit Bezug aus den Orient vom Heiligen Stuhl seit dem Concil von Florenz (1434) ciusgegaiigcn ist. Leo XIII. erwartet hiervon die besten Resultate. Ter Umstand, daß durch diese Constitution die verschiedenen orienlalstchen Riten aus vollkommen gleichen Fuß mit dem latei nischen Ritus gestellt werden, kann tm ganze» Orient nur den besten Eindruck Hervorrufe». Ter wichtigste Artikel der Eon- stiiution ist zweifellos der erste, welcher jeden katholischen Missionair, der bestrebt ist, einen Katholiken des orientalüchen Ritus' zum Ucbertritt in de» lateinischen RituS zu überreden, mit der sio-pt-nsio n clivftiis bestraft. Tieier Artikel hatte in der Conterenz Anlaß zu lebhaften Meinungsveischledendeile» gegeben. Cinie» Cardinäle traten sür eine mildere Tefliriiiiq dieses Artikels ei», aber schließlich wurde er ans Wunsch der orientalischen Patriarchen in der jetzige» Fassung in die Constitution ausgenommen. Man wird also in Zukunft gegen das Papstthum nicht mehr den Vorwurf er heben können, daß es de» Orient latiliisireu wolle. TaS sollte in deutlichster Weise ziii» Ausdrucke gebracht werden imd dazu dient der Artikel 1 der Coiislftutivn. Wir weisen dem gegenüber nur aus die alte ErsabrungS- lkalsachc hin: Nie bat Rom sofort die ganze Hand begehrt, wenn cs voraussah, daß man sie ihm verweigern würde, es hat sich dann stets mit dem kleine» Finger, ja mit einem Glied desselben begnügt, in der Hoffnung, die ganze Hand »ach und nach doch noch zu bekomme», ja es bat, wenn gar nichts zu erreichen war, stets sciiierscits Zugesiändnissc gemacht und Gefälligkeiten erwiese», die Niemaiid verlangt Hatto, in der Hoffnung, damit den Boden zu ebnen. So auch in der Angelegenheit der orientalischen Kirche. Der Papst garantirt der orientalischen Kirche ihre volle Selbstständigkeit, ja er bedroht den Missionar, der einen Orientale» zum Ucbortriti i» de» lateinischen Ritus zu überreden bestrebt ist, mit Suspension vom Amte. Wie hochherzig! Wie uneigennützig! Gleichzeitig aber wird eine Ver- mchrung der orientalischen Semincn'icn. wozu die propa^ncka tiftoi taö Geld austreibeil muß, angekllntigt. Wahrscheinlich sollen diese Seininarie» eigens darüber wackie», daß der orthodoxen Kirche kein einziges ihrer Glieder abwendig ge macht wird! In der russischc» Presse wird immer noch die Möglich keit einer Entente mit England besprochen, aber als un« crläßlickc Beringung für dieselbe verlangt, daß die aus der selben fließenden Vortbeile für beide Thcilc gleicki große sind. So nennt die „Nowoje-Wremja" folgende drei weseiilliche Vorbedingungen: England müsse sich bereit erkläre», bei de» bevorstehenden Friedciisnnterhandlungen zwischen Ehina und Japan eine solche Haltung zu beobachte», daß die Inter essen Rußlands in Osiasien gewahrt bleiben, daß somit bei spielsweise die Unabhängigkeit Ko reaS unter keinen Umständen angekastet werde. England müßte sich ferner verpflichten, seine bisherige aggressive Politik in Afghanistan auszugebe» und im Falle des Totes des jetzigen EmirS dieses Ereigniß nicht zum Nachthcile Rußlands auszuuützeii. Schließlich »inßlc England die bindende Zusage macken, daß eS den Ränken der Gegner Rußlands in Zukunft nickt mehr seine offene oder geheime Unterstützung aiigedeibcu lassen werde. In den ossiciellen Kreisen der russische» Hauptstadt beschränkt man sich daraus, von den englische» Avancen mit Befriedigung Kenntniß zu nehme», die Perspective einer Entente mit England mit freundlichem Auge zu betrachten und deren Möglichkeit nnler gewisse» Bedingungen, die man aber noch sorgfältig verschweig«, zuzugebcn. Ter Umstand jedoch, daß man der russischen Presse zu schreiben gestattet, diese Entente könne ohne Eoncessioncn seitens Englands an Rußland nicht zu Stande kommcii, ja, daß die Journale sogar diese Eoncessioncn genau präcisiren dürfe», beweist, daß auch die russischen Regierungskreise Zugeständnisse seitens Englands als die Vorbedingung einer anglo-russischen Aiiliäheruiig anseben. Aus verschiedenen Aeußerungen, die in den letzten Tagen von diplomatischer Seile gefallen sind, läßt sich sogar der sichere Schluß ziehen, daß die russische Regierung in der Frage einer Entente mit England fest auf dem Standpuncte des ,ln nt ckv8 siebt. Wenn man in Petersburg bisher gezögert hat, sich der englischen Diplomatie gegenüber klar und deutlich auSzudrücken, so ge ckab dies einerseits, weil mail abwarten will, daß England direct an Rußland herantrete, andererseits aber auch in Folge eines gewissen Zartgefühls seitens des russischen HofcS, der fick durch die iingewöhnlichc Tbeilnahme, welche der englische Hof während des jüngsten schweren Ereignisses an den Tag gelegt hat, zu Dank verpflichtet fühlt. Deutsches Reich. O. II. Berlin, l 6. December. Bekanntlich hat der Minister ür Handel und Gewerbe eine Eouimission zur Prüfung »nd Untersuchung von RauchverbrennungS-Vorschristen eingesetzt. Nach dem dem hiesigen Magistrat vom Vor sitzenden der Eomiiiision (dem Präsidenten der preußische» Daiiipskesscl-lleherwachungsvereiiie I)r. Delbrück) vorgelegten Bericht über de» Stand der Angelegenheit lassen die bisherigen Ergebnisse crboffen, daß es auf dem betretenen Wege gelinge» werde, zu einem befriedigenden Resultat zu kommen. Die der Ev»l»iiffio» überwiesene» Mittel sind indessen nahezu erschöpft, und cs bedarf, wenn die Arbeiten programmmäßig fort- gesül'rl werden sollen, der Aufbringung weiterer Geldmittel. Beigetragen haben bisher der Minister für Handel 1500 der Minister der öffentlichen Arbeiten 1500 ./(, die Stadt Berlin 2000 der Dampfkessel-Revisions-Verein Berlin l»00 der Eentralverband preußischer Dampfkessel-lieber wachiiiigs-Verciile 4<»»0 .4?, so daß iiiSgesammt 10000 .4. zur Verfügung standen. Die Eoiiiniission bat nun an die obengenannten Behörden die Bitte gerichtet, weitere Beiträge zu bewilligen, und außerdem bei dem Minister für Handel und Gewerbe beantragt, die königlichen Obcrbcrgämter zur tosleiifrcien Hergabc verschiedener Kohlensorte» zu veran lassen. Ter Ecnlralverband preußischer Dampfkessel-lieber wachliiigs-Vcreilie hat bereits wiederum 3000 bewilligt; bei der große» Bedeutung, welche die Lösung der gestellten Ausgabe für alle großen Städte bat, hielt der Berliner Magistrat cs für augezcigt, emo nochmalige Beihilfe von 2000 zu gewähren. Die Sladtverordnelen-Versanimlung wird dcnigcmäß beschließen. * Berlin, I«>. Tccciubcr. Ter LandwirtbschaftSniinistcr Frhr. von Hämmerst ein ist bekanntlich ein entschiedener A» Hänger deS Mittellandcauals. Wie der „Voss. Ztg." mit- getheilt wird, gehört der Minister zu Denjenigen, die, falls die Staatsregicrung aus der Forderung einer Vorausleistung der Interessenten sür die Ausführung des Eanals bestehen sollte, folgende Bedingungen cmpscblcn: „Die Interessenten über nehmen für eine» höchstens 2i> Millionen Mark betragende» Tbeil des ganze» Anlagecapilals die Bürgschaft dafür, daß die zur Zahlung gelangenden Eanalabgabcn eine Verzinsung von 3> ^ vom Hundert des Anlagecapilals ergeben. Betragen die Abgaben eine höhere Verzinsung, sv koinmt der Mehr ertrag für 25 Millionen den Interessenten zu Gute. Diese Zins bürgschaft und Belbeiligung der Interessenten an den Erträgen der Abgabe» tritt erst zwei Jahre nach Inbetriebnahme des Eanals in Kraft. In dem zu erlassenden Gesetz ist zu be stimmen, daß für de» aus Preußen entfallenden Theil des Betrags von 20 Millionen de» Provinzen Westfalen, Ha» norer »nd Sachse», und zwar einer jeden für den von der Slaatsregierung »ach Anhörung der Provinzial-Landtage zu bestimmenden Antheil, die Bürgschaft sür eine Verzinsung dieses Thcilbelrags mit 3>,2 v. H., unter Betheilignng an den 3> - v. H. übersteigenden Erträgen der Abgaben, obliegt. Es ist zugleich vorzlischen, daß der von den Provinzialständen ans Grund ihrer Bürgschaft etwa zu leistende Zuschuß von diesen durch eine Mehrbelastung der Kreise, von de» Kreisen Feuilleton. Sein Erbe. 4s Eine Familiengeschichte. Von M. von Buch. Nachdruck »erdolk». (Fortsetzung.) „Die gute Taute", sagte er lächelnd. „Sic rechnet mir als Verdienst an, was eigentlich in meiner Natur be gründet liegt. Ick finde keinen Gefallen an rauschenden Ver gnügungen und sogar förmliches Mißbehagen vor den ge fährlichen Klippen für Leute in meiner Lage: vor Wein und Würfelbecher." „Aber Sie müssen zugeben, daß das immerhin verdienst lich ist." „Ich bitte Sie, gnädige Frau; WaS man besitzt, seien es Charakter- oder andere persönliche Eigenschaften, sind doch nur Geschenke der Nalur", erwiderle Eugen. „So weisen Sie also Sophie'S Lob gänzlich zurück?" „Gewiß, ganz entschiede», gnädige Frau. Sehen Sie, gottlob ist dem Menschen Gewalt über seine Leidenschaften gegeben, und wenn er die zu rechter Zeit gebraucht, so kann man ihm die Tbat als Verdienst anrechncn. Glauben Sie mir", setzte er scherzend hinzu, „was man an mir in dieser Beziehung zu loben hätte, ist wenig genug." Sie warf einen Seitenblick ans seine Gestalt, die nur Wenig über Mittelgröße ragte, schlank und kräftig und von vollendetstem Ebenmaße war und richtete ibn aus das leicht- gebräunle Gefickt, das für seine Jahre eine» merkwürdig ernsten Ausdruck trug. Sie sind stolz, mein Herr von Sckwechten, dachte sie, und er sing nickt allein den Blick auf, sondern schien gleichsam ihre Gedanken z» erralhen, denn er fragte: „Sie ballen mich für hochmüthig?" Ebarlottc lächelte ein wenig. „Für Ihre Charaktereigenschaften sind Sie ja nickt ver antwortlich." Ein schwermülhiger Zug flog über das jugendliche Antlitz, al» er sagte: „Ich dm weder stolz, noch hochmüthig, glaube» Sie mir, doch ich will etwas in der Welt erreichen und besitze nur mein Wappenschild, den Degen und deS Königs Rock Da« ist nickt viel, sür die meisten sogar zu wenig, nur für mich — ist eS gerade genug " „Doch in welch ernste-Gespräch sind wir geralben, meine gnädige Fra»; gestatten Sie. daß ich abbreche, denn »u- möglich darf ich für meine Person Ihr Interesse länger in Anspruch nehmen. Sic frage» mich, ob wir ins Znnincr gehen wollen? Offen gesagt, den Aufcittbalt im Freien ziehe ick vor." Langsam durchschritten sie de» Park. „Wollen Sie mir diese Rose schenken?" bat Eugen »nd blieb vor einem Strauch stehen, an dem eine balbgeöffnete, reizende Knospe hing. „Ich bewunderte sie schon vorher, als ich hieran vorüber kam." Sic reichte sie ihm. „Warum haben Sic nicht gleich zu- gcgriffen?" „Ich pflücke nicht Rosen in fremden Gärten", lächelte er. Später saßen sie im Garteiizimmcr. Der Raum war viel freundlicher als das eigentliche Wohnzimmer. In der Ecke ragte ein mächtiger Kamin, auf dessen Sims einige blau- und rosaschimmernde Schäfcrsiguren, die aussahcn, als wollten sie zum Menuett eintreten, ein behagliches Dasein führten. Neben ihnen stand, den Pfeil auf dein gespannten Bogen, ein kleiner Amor, der jedoch immer verdrießlich drcinschaute, wahrscheinlich, weil er nie zum Schuß kommen konnte. Fra» Weiland sandte durch den Diener Erfrischunge» hinein. Charlotte erinnerte sich ihrer Hausfrauenpsiicktcn und credenzte dem Gast den perlenden Wein, während Eugen von ihrem Vater sprach, den er zwar persönlich nicht mcbr gekannt, von dem er jedoch als einem allgemein beliebten Ossicier viel Rühmliches gekört. Und dann kramte er^ aller hand Anekdoten auS, erzählte von dem Leben und Treiben der großen Stadt, oder irgend einem verwegenen Reiter stückchen, über das sie beide herzlich lachten. Von sich selbst sprach Enge» wenig, er erwähnte nur kurz, daß ibn Prinz H , der Sprößling eines norddeutschen Fürsten hauses. in seinen persönlicke» Dienst besohlen. Dies hatte schon Sophie der jungen Frau erzählt. So wußte sie, daß diese Stellung eine hohe Auszeichnung war, um so mehr, als der junge Ossicier sie keiner Fürsprache, sondern nur seiner eigenen Persönlichkeit zu danken Halle. Als sich Eugen erhob, um sich zu empfeblen, war der Abend da, und als er das Zimmer verlassen halte, kam eS Cbarlotle auch tunket vor. Im Zwielicht sahen die Figuren auf dem Kamin förmlich gespenst»ch aus, nur der verdrießliche kleine Amor batte plötzlich einen anderen Gesichlsausdrtick bekommen, eS war, als ob er tackle. Charlotte setzte sich an das bockbeinige Spinell in bcr Ecke, das beinahe die ganze Hinterlassenschaft ibrcr Elter» ausgemacht hatte, n»d ihre Hand fuhr über die Tasten. Weich perlten die Töne unter ihren Fingern, eS ertönte eine süße, sckwermi'tthige Melodie; doch die Weise, die sie cigenllich suchte, konnte sie nicht finden. Sie öffnete das Fenster, lehnte daS dunkle Haupt an daS Weinlanb und lauschte in die Nachtluft hinaus. Draußen erklang daS eintönige Gezirp der Grillen, vom Felde drang der Rlif einer Wacktcl an ihr Ohr, und drüben im Parke sang die Nachtigall. Plötzlich siel ihr ein, daß sie heute Abend verabsäumt batte, Clemens selbst zur Ruhe zu lege», was sic sonst immer thal, wenn sic zu Hause war. Eilig flog sic in sein Zimmer hinauf. Der Kleine schlief schon süß und fest, und die Wärterin versicherte sic seines Wohlbefindens, indem sie » der crrötheiiden Charlotte meinte: „Gnädige Frau könne ich immerhin unbesorgt vergnügen, darum würde das Kind doch gut besorgt werden." Hcrr von Hollbrackt war nicht zurückgekebrt; die junge Frau begab sich zur Ruhe. Aber wunderlich, so müde sie auch war, sie konnte den Scktummer nicht finden. Der Traumgott, der sonst mit leisem Kuß die Liker mit den langen, seidenen Wimpern schloß, war schlecht gelaunt, und als sie endlich cinschlicf, ängstigten sie verworrene, wunder liche Gebilde. Ibr war cs, als ginge sie mit Clemens durch den Garten, aber plötzlich war das Kind verschwunden, und der rothe Christian stand neben ihr und lachte, lind nun suchte und suchte sie Len Knaben und konnte ibn nicht finde». I» Todesangst eilte sic durch die Gänge, bog die Büsche auseinander »nd blickte über grüne Rasenflächen, bis sie zu letzt am Ende des Parkes alhcmloS still stand und daS goldene Kreuz ausdlitzei, sab, da — da hörte sie im Neben zimmer daS Lacken deS Kinde-, die Stimme ihres Mannes, und die Morgensonne schaute Lurchs Fenster. Ganz entsetzt sank sie in die Kissen zurück, sie mnßte sich erst besinnen, wo sie sich befand, und daß sic nur durch einen Traum erregt worden war. Allmählich ward sie ruhiger. Clemens schrie und kräbtr vor Vergnügen, Herr von Hollbrackt wußte den kleinen Kerl immer ganz besonder- gut zu »nlerbalten, so daß er stets überselig war, wenn er des VaterS babbast wurde und bei seinem Anblick fast die Mutter vernachlässigte. Karl scheint wcnigslenS befriedigt zu sein, dachte die junge Frau, als sie daö Lachen ans dem Kinderzimincr vernahm. Endlich trat ihr Gatte bei ihr ein, er sah überwacht aus, und als sie ihm die Hand reichte, bemerkte sie zum ersten Mal die silbergraucn Haarsträhnen an den Schläfen. „Tn bist spät zurückgckchrt?" fragte sie. „Ja, Kind", sagte er, sich in einen Stuhl werfend, daß er krackte. „Es war eine tolle Nacht, doch mit der Zeit verliert nia» auch daran de» Geschmack. Möglich, daß ihn mir Brantow verdorben hat, der mir gestern ins Gesicki hinein behauptete, die Curatoren wurden gegen das Testament gerichtlich Vorgehen, er wäre neulich mit ihnen zusammen- gelrosseii und wisse eS ans ihrem eigenen Munde. Und der dumme Junge, der Gerhard —" „Der arme Gerhard, er kann doch nichts dafür", siel ihm die junge Frau in die Rede. „Er gicbt aber doch seinen Namen für die ganze Sacke bcr, »nd eS würde inick unbeschreiblich verdrießen, wenn in Berkeiihausen die alte Wirtbschast von Neuem beginnen sollte. Nächstens muß ich so wie so einmal dort Umschau ballen", fuhr er fort, „mein Gott, läge daS Ding dock nickt so weil von Waiddorf; die Entfernung ist eine entsetzliche Plage für mich." Unnilitbig sprang er aus mid nickte ihr im Hinausgeben zu: „Steh' dato auf, Cbarlotte, und wenn Du hinunter kommst, bringe mir Clemens mit. Er ist ein allerliebster, kleiner Bursch, »nd sein drolliges Wese» macht einem wenigstens sür Stunden den ganzen Aerger vergessen." Fünftes Capilel. Tas brviitrsrst. Der Sommer kam. lieber alle Erwartung gedieben in seltener llexpigkeit die Früchte auf den Feldern. Seit Menschengetciiken war in Walddorf solch Segen nickt ge schaut worden, und als die Sonne ihn reifte und die Ernte kam, glick schon der Beginn derselben einem Freudenfest. Mil Notb und Mühe waren die riesigen neuen Scheunen sertigzestcllt worden, damit man >» ihnen wenigstens einen Tkeil deS Segens bergen konnte. Es war ein stolzer A» blick sür Herrn von Hollbrackt, als er die weitläufigen Ge bände nitiiierle und sich sage» durste, daß sie von unten bis ölen, bis binaus in die Dachluckcn mit den goldenen Garbcn- rcichthum angesülll waren. (Fortsetzung folgt.)
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