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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 08.12.1898
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1898-12-08
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18981208028
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1898120802
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1898120802
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1898
- Monat1898-12
- Tag1898-12-08
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Größere Schriften laut unserem Preis» verzrichaiß. Tabellarischer und Ziffernsatz nach höherem Tarif. Extra-Beilagen (gefalzt), nur mit de, Ptorgen-Ausgabe, ohne Postbefürderun^ 60.—, mrt Postbesörderung 70.—. Annahmeschluß für Anzeigen: Abend-Ausgabe: Vormittags 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittags 4 Uhr. Sei den Filialen und Annahmestelle» je ei», halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Druck und Verlag von E. Pol, in Leipzig 622. Donnerstag den 8. December 1898. 92. Jahrgang. Politische Tagesschau. * Leipzig, 8. December. ES unterliegt keinem Zweifel: von all den Angelegenheiten, die mit der Eröffnung des Reichstags auf die Tagesordnung gesetzt worden sind, erregt keine ein so ehrliches allgemeines Interesse, wie der in der Thronrede angekündigte und in der Presse genau auSeinandergesetzte Plan der Einführung eines Check- und Ausgleichsverfahrens bei den Post anstalten. Idealisten mögen den nüchternen Hinn, der sich in dieser Auswahl deS Lieblingsgegenstandes der Bevölkerung offenbart, beklagen, jedenfalls ist es eine erfreuliche Wahrnehmung, daß der am meisten Opfer heischende unter den eingebrachten oder in Aussicht gestellten Gesetzentwürfen, dieMilitairvorlage, nicht die geringste Erregung erzeugt. Die Anstrengungen der freisinnigen Presse, namentlich der „Freis. Ztg.", den Deutschen das Bewußtsein eines nun unwiderruflich und definitiv vom Militarismus zu Boden gedrückten Volkes einzubläuen, wirken einfach komisch. Für die schärfer Blickenden aller dings nicht komischer als bei früheren Gelegenheiten. Nur daß sonst die oppositionelle Null Richter den Einser Centrum vor sich stehen hatte. Bei der letzten Marine- und der jetzigen Militairvorlage stellte eS sich deutlich heraus, daß frühere HeereSverstärkungSangelegenheiten die Gemüther nur deshalb erregten, weil sie von einer großen Partei als parlamentarische Machtfrage behandelt wurden. Jetzt ist das Centrum rubig und deshalb ist es daS Land auch. Der Inhalt der Militairvorlage muß einer besonderen Betrachtung Vorbehalten bleiben. Einstweilen sei verzeichnet, Laß man sich in der Presse über die Stelle der Begründung lustig macht, an der eö heißt, eine weise Politik habe dem deutschen Volke in den letzten Jahren den Frieden zu be wahren gewußt. Man findet es absonderlich, daß die Regierung sich ihre Weisheit selbst bescheinigt. Wir unsererseits Wundern uns nur, daß die Bemerkung noch Verwunderung erregen kann. Der neue Curs hat ja längst mit dem Princip der Arbcitstheilung gebrochen, daS dem Einen die Thateu, dem Andern deren Anpreisung zuweist. Er ist sozusagen der Held und zugleich der Panegyriker. „DeS Mittags focht er mit dem Schwert — des Nachts sang er die Schlacht." Haben wir es ja sogar öfter erlebt, daß er sich schon „für noch zu begehende" Großthatcn besungen hat. Solche Dinge und andere politisch nicht unanfechtbare Sätze in der Begründung der Militairvorlage braucht man jedenfalls nicht so breit zu behandeln, daß die Hauptpunkte in den Hintergrund treten. Nämlich die Noth- wendigkeit, die HeereSorganisation zu ergänzen und das Waffenmaterial zu verbessern, sowie andererseits die Fähigkeit der Beölkerunz, das Mehr an Recruteneinstellung und Geldausgaben zu tragen. Nach beiden Richtungen verzichtet Las Centrum, vorläufig wenigstens, auf die früher beliebte Irreführung der öffentlichen Meinung. Es tritt jetzt nur als Geschäftsmann auf. Daß die „Köln. Volksztg." als Voraussetzung eines ersprießlichen Zusammencuirkens zwischen den Regierungen und den Parteien des Reichstags die Aufhebung des Iesuitengesetzes bezeichnet, haben wir bereits mitgetbeilt. In zwei anderen Artikeln findet das Blatt ohne Rücksicht auf die der Wahrheit die Ehre gebende Darstellung auf dem Crefelder „Katholiken"-Tag auf dem Schulgebiet allenthalben Imparität, Zurücksetzung der Katholiken. Der Antrag auf Beseitigung des Jesuiten gesetzes ist, wie gemeldet, schon wieder eingebracht. Er hat vor dem nationalliberalen Antrag auf Erlaß eines BereinSzesetzeS, das die Verbindung der Vereine untereinander freigiebt, jedenfalls daS Eine voraus, daß eS nicht mit ihm eilt; die Angelegenheit deS politischen Vereinswesens muß aber bis zum t. Januar 1900 geregelt sein, wenn anders ein feierlich gegebenes Versprechen des Reichskanzlers Fürsten Hohenlohe nicht uncin- gelöst bleiben soll. In dieser Frage müssen die Demo kraten mit den Nationallibcralen stimmen, denen bei der Wahl des Präsidiums eine Niederlage bereitet zu haben, sie sich wahrscheinlich rühmen werden. Und so viel ist auch richtig, daß Organe und Parlamentarier der Volkspartei und der Freisinnigen Bereinigung die ersten gewesen sind, die für den Ausschluß der nationalliberalen Partei aus dem Präsidium eintralen, eine Lection für die nationalliberalen Blätter, die bei den preußischen Landtags wahlen daS Zusammengehen mit dem Freisinn predigten und denen an der Präsidialfrage mehr gelegen ist als politisch geboten erscheint. Aber die Herren Pachnicke, Sonnemann u. s. w. sind nur scheinbar die Macher gewesen, in Wahr heit waren sie auch hier Puppen des CentrumS. Diesem ist unter allen Parteien die nationalliberale die verhaßteste, eine Gesinnung, die unsere Freunde hoffentlich auch in Zu kunft rechtfertigen werden, außerdem war es der klerikalen Parteileitung darum zu thun, behufs Kirremachung der Regierung und im Hinblick auf künftige Wahlen die gute Beziehung zum Radikalismus aller Schattirungen nickt in einer Eliguettenfrage zu schädigen. Ob der Socialdemokratie der geforderte Schriftführer bewilligt worden ist, muß sich erst noch Herausstellen. Ter „Vorwärts" behauptet nämlich, unter den Gewählten befinde sich Herr Schippet, während andere Blätter berichten, Abg. Sckippel sei dem Abg. Kwilacki unterlegen. Im ersteren Falle würden die IConservativen annehmen müssen, vom Centrum hinter's Licht geführt worden zu sein. Charakteristisch für die Finanzlage im Reiche ist die Thatsache, daß der schon im laufenden Jahre ganz ungewöhn lich hoch bemessene Betrag der aus Len ordentlichen Ein nahmen zu bestreitenden einmaligen Ausgaben trotz des Mehr bedarfes im Ordinarium von rund 24 Millionen Mark um weitere rund 20 Millionen erhöht werden konnte, ohne die Spannung zwischen Matricularumlagen und Ueberweisungen gegen das Vorjahr zu erhöhen. Die Bundesstaaten sind im Gegentheil besser gestellt, als im laufenden Jahre; denn sie sollen an Ueberweisungen rund 35 Millionen Mark mehr erhalten, während an Matricularumlagen nur etwas über 28 Millionen Mark mehr aufzubringen sind. Da die Matricularumlagen den Etatsbetrag der Ueberweisungen nur um wenig über 13 Millionen Mark übersteigen, so erhellt, daß selbst bei sehr vorsichtiger Veranschlagung die eigenen Einnahmen deS Reichs zur Deckung nicht nur der dauernden Ausgaben, sondern auch einmaliger Ausgaben in dem hohen Betrage von nahezu 150 Millionen Mark, d. h. von nahezu 20 Procent, der dauernden Ausgaben, aus reichen. Wäre kein außergewöhnliches Bedürfniß zu ein maligen Ausgaben vorhanden, so würde daher auch das ganze Extraordinarium aus de» ordentlichen Einnahmen dotirt werden können. Wenn jetzt neben den xinmaligen Ausgaben im ordentlichen Etat in dem ungewöhnlichen Be trage von rund 162 Millionen Mark ein außerordentlicher Etat in Höhe von 90 Millionen Mark vorzusehen war, so hat dies eben seinen Grund darin, daß im nächsten Jahre die Lasten für die Durchführung des Flottenplanes mit der ersten Rate zur Durchführung der Militairvorlage und der letzten Rate für die Neubewaffnung der Artillerie zu sammentreffen. In Folge dieses Zusammentreffens sind allein die einmaligen Ausgaben der Heeres-Verwaltung aus rund 125 Millionen «»geschwollen. Schon im nächsten Jahre wird sich dieser Tbeil der Ausgaben beträchtlich vermindern; es handelt sich also bei der Einstellung einer Anleihe von nahezu 90 Millionen Mark um die Befriedigung von ganz ausnahmsweise hohen Bedürfnissen und nicht entfernt um einen dauernden Zustand. Erwägt man ferner, daß bei den dauernden Ausgaben nicht nur die Kosten der Heeresver- stärkung für ein halbes Jahr, sondern auch die Kosten erheb licher Verbesserungen der Gehälter zahlreicher Classen von unteren und mittleren Beamte» vorgesehen sind, so ist man zu dem Schluffe berechtigt, daß der vorliegende Etat trotz deS Anleibebedarfs von 90 Millionen Mark eine ganz ungewöhnlich günstige Lage der Reichsfinanzen beweist. Die Klerikalen in Oesterreich halten den Zeitpunct für geeignet, einen allgemeinen Vorstoß gegen Deutschland zu unternehmen. Diesem Plane entsprach es auch, daß der Abg. Rutowski die Anfrage an die Regierung richtete, ob es wahr sei, daß der deutsche Kaiser während seiner Anwesenheit in Beirut dem deutschen Consul (Wahlconsul hieß es, aber eS ist dort ein Generalconsul), der neben deutschen auch österreichische Firmen vertreten hat, dies als Pflichtvergessen best bezeichnet und befohlen habe, die Vertretung öster reichischer Firmen sofort aufzuzeben. Der betreffende Ab geordnete verdankt aber seine Information dem Handels minister Dipauli und das läßt — tief blicken. Die „Berl. N. N." bemerken zu dem Vorfall: „Unter allen Umständen trägt die Interpellation den Charakter einergegen Deutschland gerichteten Demonstration, welche der österreichische Abgeordnete Lecher mit vollem Rechte auf eine Stufe mit derjenigen über die preußischen Ausweisungs - Maßregeln gestellt hat. Ein wesentliches Moment für die Beurtheilung der Tragweite dieser Vorgänge ist die Stellung, die der ge- meinsame Minister des Auswärtigen, Gras Goluchowski, ihnen gegenüber einnimmt. Auffällig ist die Thatsache, Laß hierüber bis her keinerlei authentische Mittheilung in die Oefsentlichkeit gedrungen ist. Sollte Graf Goluchowski nicht in der Lage sein, den Grasen Thun zu desavouiren, und sollte er nicht geneigt sein, der steigenden Agitation gegen Deutschland in Oesterreich ent gegenzuwirken, so würde sein ferneres Verbleiben im Amte al« ein Anzeichen dafür angesehen werde», daß die zwischen den beiden Reichen seit nahezu zwei Jahrzehnten bestehenden Beziehungen an einem Wendepunct angelangt sind." Die „Times" lassen sich von ihrem Berliner Berichterstatter melven, daß, falls der Etat des Auswärtigen Amtes vor den Weibnachtsferien im deutschen Reichstage zur Beratbung kommen sollte, der StaatSsecrctair von Bülow Gelegenheit nehmen würde, sich über die Rede deS Grafen Thun anläßlich der bekannten Ausweisungen auS Preußen und über daS Verbältniß Deutschlands zu Oesterreich zu äußern. Der Berliner Berichterstatter des größten Blattes der Welt sollte füglick wissen, daß die einzelnen Theile deS Etats erst bei der zweiten Lesung zur Berathung kommen, und daß die zweite Lesung regelmäßig erst nach den Weihnachtsferien stattsindet. Bis dahin dürste wohl die Angelegenheit auf diplomatischem Wege ge ordnet sein. Sollte aber Herr v. Bülow, vielleicht in Folge der Anzapfung durch ein Reichstagsmitglied — waS übrigens an sich bereits in der allgemeinen Diskussion der ersten Lesung des Etats geschehen könnte — auf die Ausweisungen und auf das Verhältniß Deutschlands zu Oesterreich zu sprechen kommen, so würbe er jedenfalls nicht das Beispiel des Grafen Thun nachahmen, die Regierung eines befreun deten Staates in haltloser Weise anzugreifen. Auf der anderen Seite wäre freilich auck nicht daran zu denken, Las er etwa die Ausweisungspolitik des Herrn v. d. Recke deSavouneu würde. Denn daß derReichSkanzler in diesem Falle hinter Herrn von der Recke steht, ergiebt sich aus dem hcä>- ofsiciösen Dementi, das die „Norddeutsche Allgem. Ztg." der Meldung eines Berliner Blattes, der Reichskanzler^häbe Lcr Wiener Regierung zu erkennen gegeben, daß er die jüngsten Ausweisungen österreichischer Staatsangehöriger auS Preußen nicht billige, entgegensetzt. Die englischen und französischen Blätter werden sich also ebenso täuschen, wenn sie hoffen, daß eine Besprechung der Angelegenheit im Reichstage einen Zwiespalt zwischen Deutschland und Oesterreich an das Tageslicht treten lassen würde, wie wenn sie annehmcn sollten, daß in der Ausweisungsfrage eine Differenz zwischen der Reichsregierung und dem Minister deS Innern bestehe. Seit zwei Tagen befindet sich Ungarn im Staude der Verfassungskrise. Die liberale Partei hat unter Acccp- tirung des Antrags Kvloman-TiSza durch ein Parteivotum dem Ministerpräsidenten Baron Banffy die Ermächtigung gegeben, die Verfassung zu suspendiren, beziehungs weise unter Verletzung der Verfassung ohne Budget ;n regieren, die Staatsausgabeu zu bestreiten und die Steuern und Abgaben einzuheben. Es ist also der Staatsstreich, zu welchem die zum Convent vereinigte Majorität des Ab geordnetenhauses auf Antrag Tisza'S die Regierung ermächtigt hat. — Die „Neue freie Presse" spricht sich sehr bedenklich über die Lage wie folgt auS: Die Conscquenzen des vorgestrigen Parteibeschlusses lasse» sich heute kaum noch übersehen, aber des Gefühle« kann man sich nicht erwehren, daß die liberale Partei einen schweben Fehler be geht, indem sie die Verantwortung für den Verfassungsbruch Les Baron Banffy aus sich nimmt, und es ist leicht möglich. Laß diese Partei, die für Ungarn Großes geschaffen hat, an diesem Fehler zu Grunde geht. Sie wird da« Cabinet Banffy nicht retten, aber sich für dasselbe verbluten. Es ist nicht leicht, ein gefährlicheres Unter- nehmen zu denken, als wenn eine Partei die Verantwortlichkeit für ein verfassungswidriges Regiment, die in der Regel nur Regierungen zu tragen haben, aus sich nimmt. Denn was vielleicht im gegenwärtigen Augenblicke als unvermeidliche Nothwendig- keit erscheint, daS kann künftig, wenn der Nothstand überwunden ist und nur noch das Andenken an die Verletzung der Gesetze in der Erinnerung haftet, zur furchtbarsten Waffe gegen die Partei werden. An Conflicten wird es nicht fehlen. Die ungarischen Municipien haben auS ihrer politischen Vergangenheit ein wichtiges Recht in die Gegenwart herübergerettet: sie find nicht verpflichtet, Ministerial-Berordnungen auszuführen, welche die Eintreibung von Steuern und die Aushebung von Recruten, die vom Reichstage nicht bewilligt wurden, zum Gegenstände haben. Hier ist der Punct, wo der Kampf in den Municipien ansetzen kann und voraus sichtlich ansetzen wird. Thatsächlich schicken die Dinge in Ungarn sich an, «ine sehr ernste Entwickelung zu nehmen. Wie uns aus Pest telegraphirt wird, beschloß gestern die Unabhängigkeits partei Folgendes: Falls der TiSza'sche Gesetzent wurf thatsächlich dem Abgeorvnetenhause vorgelegt werde, sei dies als Hochverrats» zu betrachten. Die Partei wolle dem Gesetzentwurf gegenüber eine Action zur Vertheidigung der Verfassung einleiten und mit allen Mitteln da« Zustande- Die Lettelmaid. 24) Roman von Fitzgerald Molloy. Nachdruck verboten. Wieder durchlief ein Zittern ihren Körper, sie vermochte sich kaum mehr auf den Füßen zu halten; ihre Arme schlangen sich zärtlich um seinen Hals, ihr Haupt fiel auf seine Schulter und ein krampfhaftes Schluchzen entrang sich ihrer Brust. Er ließ sie ruhig gewähren und strich ihr nur zärtlich übers Haar. Plötz lich lösten sich ihre Arme, sie trocknete ihre Thränen und sagte: „Lebe wohl, Marc. Es ist bester so, für Dich und für mich." Er blieb bewcgunglos wie eine Statue stehen; alles Leben schien von ihm gewichen, die Lippen waren fest aufeinander gepreßt und blutleer, nur in den Augen sprühte ein unheimliches Feuer. Ein fürchterliches Würgen in der Kehle drohte ihn zu ersticken. Capri schritt auf di« Thür zu, dort blieb sie zögernd stehen, drehte sich noch einmal um und stürzte, einem plötzlichen Impulse folgend, auf den zu Tode getroffenen Marcus zu, stellte sich auf die Fuß spitzen und hauchte noch einen Kuß auf seine Lippen. Im näch sten Augenblick schloß sich die Thür hinter ihr. Neunzehntes Capitel. Der dumpfe Schall der ins Schloß fallenden Thür weckte Marcus Phillips aus seiner Erstarrung. Aufstöhnend warf er sich auf den Divan und vergrub sein Gesicht in den Kisten. Capri hatte ihn verlassen und mit ihr alle Hoffnung auf die Zukunft. Die Welt schien ihm trostlos und öde, sein Dasein zwecklos. Wo für sollte er jetzt leben und streben mit dieser nie heilenden Wunde im Herzen? Wie alle jungen Leute, die in früher Jugend von einem harten Schicksalsschlage getroffen, sich davon nie auf richten zu können glauben, war auch Marc überzeugt, daß er seine Muhe und seinen Frieden für immer verloren, daß kein Frühling kommen könne, um die erstarrte Eisrinde seines Herzens zu schmelzen, daß keine Sonne die abgestorbenen Blüthen der Hoffnung zu neuem Leben auftüssen werde. Er sah seine Tage einförmig dahinfließen, wohin er blickte, nichts als Schatten. Jetzt, da er sie für immer verloren, empfand er erst, wie jede Fiber seines Herzens an Capri hing und wie tief seine Leiden schaft für sie wurzele. Nur wenige Männer und noch weniger Frauen kennen ihr Herz, es mögen Jahrzehnte vorüber gehen ohne daß dieses Organ ihnen etwas zu schaffen macht, ein Blich ein Händedruck, und es wird von neuen, ganz seltsam beseligen den Gefühlen beherrscht. Erst in solchen Augenblicken zeigt es sich, von welchem Metall wir wirklich beschaffen sind, ob die Kämpfe uns stählen oder niederbeugen. Stundenlang lag der junge Künstler beinahe bewegungslos auf dem Divan, und konnte es nicht fassen, wie Capri ihn so grausam zu verlassen, sein und ihr Schicksal so zu vernichten ver mochte. Er würde, wenn sie es verlangt hätte, jedes Opfer für sie gebracht haben, selbst der Tod hätte ihn nicht zurückgeschreckt, und sie, die er für so edel und keusch gehalten, wollte nicht einmal einem hohlen Titel entsagen, um der Stimme ihres Herzens zu folgen! Diese grausame Enttäuschung war die bitterste Pille, die er je geschluckt. Und doch konnte er der Ungetreuen nicht zürnen. Im Geiste ging er noch einmal all' die Scenen ihres Abschiedes durch; wie einen Dolchstich empfand er die Nachricht von ihrer Verlobung, er hörte die harten Worte, die er ihr sagte, ihren Verzweiflungsschrei, sah sich zu ihren Füßen, sie be schwörend, den Ehrgeiz, der ihr Leben vergiften würde, zu unter drücken. Kein Schutzengel hätte die Seele seines Schützlings wärmer Vertheidigen und tapferer um sstf kämpfen können, als er um diejenige seines Lieblings gekämpft. Vergebens, sie blieb taub für seine Bitten, ließ ihn gebrochenen Herzens zurück, um einem Leben voll Lug und Trug entgegenzugehen. All' die Teufel, die einst den heiligen Antonius in Versuchung führten, trieben jetzt ihr Spiel mit ihm; er streckte verlangend di^Arme nach dem Weibe aus, das seine krankhaft aufgeregte Phantasie ihm vor gaukelte und all' seine Sinne gefangen nahm. Erst die Töne einer Drehorgel, di« plötzlich in der Stille des Sommerabends zu ihm hinaufdrangen, weckten ihn aus seiner seltsamen Stimmung, das Luftgebilde verflog und er erwachte zu neuem Schmerz. Vor sich hinstarrend, hörte er die Melodien, die der Orgeldreher ableierte und sah durch das geöffnete Fenster einen Stern nach dem andern an dem Firmament aufstcigen. Die tiefe Stille und die Dämmerung thaten ihm wohl. Plötzlich näherten sich bekannte Fußtritte seiner Thür, er drückte sich noch tiefer in die Kisten, denn er wollte heute mit seinem unendlichen Weh allein sein. Newton Marrix trat ein, in der Dunkelheit über einen Schemel stolpernd. „Zum Teufel! Wozu bin ich diese vier Treppen herauf geklettert, wepn Marc nicht zu Hause ist!" brummte er. Dieser schwankte einen Augenblick, ob er ein Lebenszeichen von sich geben sollte, denn er fühlte sich durchaus nicht in der Stimmung, ein gleichgiltiges Gespräch zu führen, aber plötzlich überkam ihn die Sehnsucht, ein befreundetes Gesicht zu sehen, und er rief, gerade als Newton wieder tastend die Thürkfinke ergriffen: „Geh' nicht fort, New, ich bin hier." „Was zum Henker thust Du im Dunkeln?" fragte dieser er staunt. „Du bist wohl eingeschlafcn, alter Knabe?" fuhr er lachend 'fort und'trat an den Divan. „Eingcschlafen? Ich wollte, es wäre so, und ein böser Traum hätte mich genarrt", flüsterte Marc, sich mühsam aufrichtend und dem Freunde die eiskalte Hand reichend. Dieser drückte sie herz lich, denn er fühlte, daß Marc etwas Unangenehmes passirt sein mußte. „Ich habe Wachskerzen bei mir, darf ich Licht machen?" „Nein, um des Himmels willen nicht! Wenn es Dir nicht unangenehm ist, möchte ich lieber im Zwielicht bleiben." „Im Zwielicht! Aber Mensch, es ist ja stockfinstere Nacht! Marc, mein Junge, was ist Dir geschehen? ... Ich fühle, es liegt etwas Unangenehmes in der Luft." Der Künstler hörte das warme Mitgefühl aus den Worten des Schriftstellers heraus; aber es drückte und würgte ihn so in der Kehle, daß er nicht zu sprechen vermochte. „Vertraue mir Deine Sorgen an, Du weißt, daß ich es gut mit Dir meine. Ist mit der Bettelmaid etwas nicht in Ordnung?" „Mit dem Bilde? Ich wollte es wäre nur das! . . . . O, New, Capri hat sich mit Lord Harrick verlobt!" In diesen wenigen Worten spiegelte sich der Scelenzustand des Künstlers wider. Marrix that einen langgezogenen Pfiff und fing an zu begreifen. „Mit Lord Harrick?" „Ja!" „Bei Gott, das Mädchen versteht's!" „Marrix!!" „Verzeihung, Freund, Verzeihung! Ich merk,« Wohl seit einiger Zeit, daß er ihr den Hof machte, aber daß es Ernst wer den könnte, hätte ich nie geglaubt." Er dachte an die herbe Ent täuschung seines Freundes und setzte hinzu: „Vielleicht ist es nur ein bloßes Gerücht, das sich nicht bewahrheiten wird." „Es ist leider nur zu wahr." „Von wem hast Du es gehört?" , „Von Capri selbst." „Wann?" „Ehe Du kamst." Marrix verstummte. Er konnte den tiefen Schmerz seines Freundes nachfühlen. „Raffe Dich auf, mein Junge! Sei ein Mann! Und laste Dir die Untreue eines Weibes nicht so zu Herzen gehen!" be gann er nach einer peinlichen Pause in ermunterndem Tone. In diesem lag eine Weichheit, deren Marc den sonst so sarkasti schen Freund nicht für fähig gehalten hätte. „Du hast leicht reden", entgegnete er, tief aufseufzend, „die ganze Welt erscheint mir jetzt wie eine trostlose Wüste, in der es für mich keine Oase giebt." - „Weil Dein Schmerz noch frisch ist." „Du weißt nicht, wie sehr ich das Mädchen liebte, wie ich den Tag unserer Vereinigung als das höchste Ziel meines Lebens herbeisehnte!" „Wußte sie das?" „Ja." „Und sie heirathei dennoch den einfältigen Lord! Bei meiner Seele, dann ist sie nicht Werth, daß Du Dich abhärmst." „Sage das nicht, Newton; sie verdient die aufopferndste Liebe des edelsten Mannes, aber sie liebt mich nicht . . . Ihr Herz hat noch nicht gesprochen." Er selbst durfte die bittersten Dinge von ihr denken und ihr sie ins Gesicht schleudern, aber in seiner Gegenwart sollte Nie mand wagen, Böses von ihr zu sprechen. „Hat es denn für den Einfaltspinsel gesprochen? Aber er bietet ihr einen glänzenden Titel und Reicbthum, und deshalb wählt sic ihn, glaube es mir ... Du kennst die Weiber nicht!" sagte Newton bitter. „Ich verbiete es Dir, so von Capri zu sprechen!" rief Marc unmuthig. „Das kannst Du nicht . . . Sie bringt ihrem Ehrgeiz ein Opfer und verschmäht eine Liebe, wie sie ihr so innig und treu zum zweiten Mal im Leben nicht entgegengebracht werden kann. . . . Ich wünsche ja in ihrem Interesse, daß sie an der Seite des Lords glücklich werde", schloß er mit einem leichten Lachen, das deutlicher als Worte ausdrückte: „aber ich weiß, daß es nicht der Fall sein wird." Marcus hatte sich erhoben und durchmaß erregt das Zimmer, während Newton beharrlich fortfuhr: „Denke nicht mehr an sie, denn ich sage Dir, sie ist's nicht Werth . . . Vermeide es, ihr zu begegnen " „Halte ein! Wenn ich nicht mehr an sie denken dürfte, wäre ja mein Unglück noch viel größer, ich kann und will ihr Bild nicht aus meinem Herzen bannen!" „Die Zeit wird's Dich lehren! . . . Sie hat schon an vielen gebrochenen Herzen Wunder geübt!" . „In der Dichtung!" „Noch öfter in der Wirtlichkeit." „Du bist gefühllos." ' „Aber vernünftig."
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