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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 23.09.1905
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1905-09-23
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19050923021
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1905092302
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1905092302
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Handelszeitung
- Jahr1905
- Monat1905-09
- Tag1905-09-23
- Monat1905-09
- Jahr1905
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Familie u-, Wohnung^ aud Stellen» Angeigeu 80 V1» Maangielle Au-emea, «e,chüft»anzttgen unter Text oder an besonderer Stell» nach Tarif. Für »as isrscheraeo a» bestimmten Tagen u. Plätze» wird kein« Aaranti, übernommen. Anzeigen uud Exttadeilagen nur w der Dtvrge»-Uu»gad« Schlug der cknnatM» nachmittags 4 Uhr. E am>dmrr Nugniknsvlatz 8 48, ^hauniSgass«. Li» Erpeditw» »st Machen tag« »uvoterbrvchen geöffnet «no rrüh s bis abeuds k llhr. -Uiat-ErpesM»»: Beritts Lähomstr. 10. . » Dresden, vlaneuftr. sch Druck aud Verlag »v» E Potz w Leipzig LZub- 0» A » W »liukhardtj. Herausgeber« Dr. Bist»» Klink Herdt, Nr. "«86. Sonnabend 23. September 1905. SS. Jahrgang. va« AichNgrle von rage. Der Dampfer „Eduard Wörmann" ist gestern wohl behalten in Swakopmund eiugetroffe». * Nach einer Sensationsmeldung aus Petersburg über raschte die Polizei eine Versammlung von Revolutionären, welche im Begriff waren, über eia Attentat gegen Lrepow zu beraten. Sämtliche Teilnehmer wurden verhaftet. * Ein nach Petersburg durchreisender russischer Diplomat bat erklärt, daß Rußland entschlossen sei, sich nicht mehr au der Reform in Makedonien zu beteiligen und das Verlangen stellen werde, europäische Kommissare zu ernennen, die au- eigener Initiative das Recht haben 1 ollen, Maßnahmen zu treffen. * AnS Tiflis wird berichtet, daß bei den dortigen Un ruhen ein deutscher ReichSanHehöriger getötet worden ist. Der deutsche Konsul hat Schritte tingeleitel, um Genugtuling uud eine Entschädigung zu fordern. * Der Bizeköuig des Kaukasus ist gestern in Baku eingetroffen und beschloß, 10 000 Mann Infanterie bei den Naphthagrubea zurückzulafseu. (S. Ausland.) "In^Lodz streiken die Arbeiter von 80 kleineren Fabriken der Dameasloffwareubranche, insgesamt 20 000 Arbeiter. Sie fordern eine vierprozentige Lohnerhöhung. * Die Frau und Kinder de» ebemaligen marokkanischen Kriegsministers, Menebhi, die sich von Marakasch nach Tanger begeben wollten, wurden in Magazau vom Gou verneur angehalten; zwei Familienglieder wurden gefangen gesetzt. Der englische Geschäftsträger Whldbore Smith gibt sich große Mühe, ihre Freilassung zu erwirken. ZsrialäemslrratirGer Parteitag. X. Von ullfers» eia«»ea Berichterstatter. vr. 0. Je««, 82. September. ES wurde gestern an dieser Stelle kurz skizziert, daß die Sozial demokratie aller Wahrscheinlichkeit nach auf dem Wege zur Gerverk- schastSpartei ist. Wer deute die blutige Debatte über den Massen streik gehört hatte, küuute in Versuchung kommen, da« zu bezweifeln. Aber Vas wäre sehr voreilig geurteilt. Wir sagten bereit«, daß keine große Entwickelung ohne Schmerzen vor sich geht. Die Sozial- demokratie hat sich bisher auf Pfaden bewegt, die angeblich den höchsten materiellen uud deu höchsten ideellen Zielen zusüdren wollen. Durch die gewerkschaftliche Arbeit lerut dir Arbnterklasse allmählich, daß der Weg zu materiellem Fortschritt und jener, der zu den reinpolitifche» Zielen d,S Proletariats führt, nicht stets identisch sein müssen; daß vielleicht ein Augenblick kommen wird, wo r« sich darum handelt, entweder durch Paktieren mit der gegenwärtigen Gesellschaftsordnung wirt schaftliche und soziale Wünsche zu verwirklichen oder aber die ganze heute errungene Stellung der Arbeiterschaft (und das ist nicht wenig und wird immer mehr) hiuzuwerfea, nm erstrebte Hohr politische Ziele zu erreichen, vielleicht aber auch den ganzen Einsatz mit einem Schlage zu verliere«. Man hat, meist noch ohne sich dessen bewußt zu fein, da« Gefühl, daß die Arbeiterschaft in ihrer Masse sich dann für den ersten Weg entichrtden wird. Diese« Gefühl ist für Biele bitter und darum selbstverständlich, daß man sich mit Händen und Füßen sträubt, es sich einzugenehen. Wer über den alten deutsche» Idealismus Freud« uud Stolz empfindet, ivo und in welcher Gestalt er ihm entgrgentret«, der muß an erkennen: e« bat doch auch etwa« schönes, wie hier die Arbeiter klasse mit sich selbst, der einzelne Arbeiter mit dem eigenen Herzen ISmpit, um die alten Ideal« behalten zu dürfen, mögen diese Ideale noch w überlegt, falsch und verderblich sein. Man kann vielleicht auch sage», daß sich die Arbeiterschaft mit einer Pfeiie Opium über ibre gewerkschaftlich« Entwicklung Hinweg täuschen will. Jedenfalls haben diese Berhaudlougru in un« die lleberzeuqung auf« Neue befestigt, daß alle großen Reben von Blut und Revolution nicht» an der Tatsache ändern, daß die Entwicklung dennoch friedlich und odn« Massenstreik verlaufen wird. Man muß diese Gewerkschaftsführer auf der Tribüne de» Jenaer Volk«- Hauses geiehra und gehört haben. Sie reden wohl auch davon, daß die Arbeiterschaft bereit ist, mit dem Leben für ihr« Ziele ttn- zutreten daß auch solch« Möglichkeit nicht für ausgefchlossen erklärt werden darf. Aber mau kaou deu Radikalen nicht ganz Unrecht geben, wenn sie an der volle» Aufrichtigkeit solcher Watte zweifeln. Alle die Führer sind sich im Innern ganz klar darüber, daß dir deutschen Arbeiter sich uicht vor geladene Gewehre Kellen würden, und daß sie, sobald sie de« König« Rock tragen, auf alle absehbare Zeit genau dorthin schieße» werde». wohin man es ihnen befiehlt. An die Möglichkeit Wittlich revolutionären Vorgehens glaubt kein Gewerkschaftler in leitender Stellung, wohl uur mit einer einzigen Au»- uadme. v. Elm meiut io etnerRed«, die durch rhrlicheWärm« und selbst sichere Ruhe auch dem Gegner imponiert, wenn die Herrschenden oweit sind, daß sie un« da« RetchstagSwahlrrcht nehmen, dann scheuen sie sich auch nicht zu schießen. Wenn es aber io weit kommt, dann stehen wn uoirren Mann. Wen» wir aeichlagea wnden, schlagen wir wieder. Daran zu denken, dürst Ihr nie oufhvren, Genossen! Erziehet Eure Söhne so, daß sie daun uicht schießen. Sorgt für jenen Augenblick! Allerdings, wenn da« Wahl recht genommen wird, dann können wir nicht sofort den Massen streik dekretieren, aber von dem Augenblick an wird er organisiert. Allo will auch v. Elm, unsere« Erachten« der Einzige, der Ernst zu machen bereit wäre, den Massenstreik jetzt noch nicht organisieren. Auch er ist trotz alledem praktisch anttrrvolutionär, wendet sich übrigen- auch gegen die antiparlamentattjcheu Tendenzen der Kant-ky und Mehring. Scheinbar hält auch der Gewerkschaftler Legi«» eine höchst revolutionäre Rede. In Wirklichkeit spricht und wirkt er lehr gegen den Massenstreik und macht damit augenscheinlich große» Eindruck auf den Parteitag. Er bezeichnet deu Satz der Resolution, der deu Massenstreik „gegebenen Fällst für rin witt'ames Kampfmittel er klärt, al« ein Zugeständnis an di« Auarchosozialistrv Dies« Paar Leute wären aber ohne alle Bedeutung, «von sie nicht solch«, gewiß unbeabsichtigt, Förderung an« der Partei Herms erhielten. Trete« di« Mafien auf die Straße, dann gibt es keiu Zurück mehr. Wen» wir einmal Macht genug haben, um » » mittelbar vor der Herrschaft zu stehen, dann treibe« »ns di« Regierenden schon vor die Bajonette; dann werden wir vn« anch wehren können. Unser« Leute haben auch gelernt, da« Gewehr zu gebranche» «Bebel: Laden aber kein«! Ja, Bebel, idr wollt ja die Revolution nicht. Dm» aber scheint es mir zu gefährlich, de» Masst»streik z« propagieren. Ich danke für Revolutione» mit dm Händen t» dm Tasche»! Der Zentralarbetterstkrrtär Robert Schmidt spottet, wem der Mafien streik übe , Haupt Erfolg v«s»r«b«. dm» könne »M ihu ja «f»ich z« Osimsis, vxwmden «d j^ott dm KnpüaUswu« tamtt I Stimmen zu danken hat, al« ihrer Empfehlung de« Massenstreik«. I Am Uubefriedigsten werden die Frtrdbergtaner fein, was voran«- I zujehen war. Aber auch die Richtung Mehring-KautSkh wird höchsten« aus taktischen Grüudeu sich befriedigt zeigen. au» den Angeln heben. Er weist ganz richtig darauf bin, daß die Arbeiter sich nicht fo kommandieren lassen wie Soldaten. Sie werden vorsichtig genug sein, den Gehorsam zu verweigern. Weitaus die bedeutendste Rebe hält Bömelburg, der Vorsitzende de« letzten Gewerkschaftskongresse«, der dort ein scharfes Referat gegen deu Massenstreik erstattete und jetzt au-sühtt, solche Aktionen könne man keinesfalls vorbereitrn. Sie müßen von einer ungeheuren Erregung getragen sein, und die läßt sich nicht schaffen. So lange das Maß de« BolkSzorne« nicht zum Ueberlaufen voll ist, so lange können die Reaktionäre machen, was sie uns wollen, und wir können Beschlüsse fassen, welche wir wollen, es wird alles beim alten bleiben. Deshalb sollen wir uns nicht durch solche Resolutionen fest legen; das schafft Verwirrung. „Für mich als Gewerkschaft ler bleibt in erster Linie der Beschluß von Köln bestehen!" Ich bin Maurer und nicht hoch gebildet, und mir fehlt auch der feine Schliff. Mein Wissen und unser Aller Wißen reicht nicht an das der Genossin Luxemburg heran. «Heiterkeit.) Aber ich habe Jadre hindurch für die Arbeiter gekämpft; dann schmerzen solche Angriffe. Wir wollen Ruhe in der Organisation haben. Dieser Satz trifft den Kern der ganzen Sache. Man hat bei allen Gewerkschaftlern, wenn auch bei keinem so stark wie bei Bömelburg, den zwingenden Eindruck, daß sie ohne Worte, nur durch Art und Ton ihrer Rede dem Parteitag klarmachrn wollen: Ihr könnt hier beschließen, was Ihr wollt. Wenn es jemals einen Maßenstreik gibt, dann müßen wir es doch sein, die ihn machen. Wir allein werden deshalb stets zn entscheiden haben, ob er ver wirklicht wirb oder nicht. Mit jenem Bömelburgichen Satze ist deshalb der Massenstreik für alle absehbare Zeit erledigt. Daran können alle revolutionären Reden nichts ändern. Da ist gleich die Genossin Luxemburg, der die Vorgänge in Rußland offenbar sehr zu Kovse gestiegen sind. Marx hat gelehrt, daß die Evolution in Revolution umschlägt, und wir stehen im Jahre der russischen Revolution. In den verfügbaren zehn Minuten schimpfte sie viel mehr, al« wir hier wiedergcben können. Bander- velbe habe den belgischen Generalstreik verpfuscht durch sein Techtel mechtel mit den Liberalen. «Bernstein: Unwahr!) Ach, was verstehen Sie davon! «Großer Lärm.) Ist eine einzige Revolution gewesen, ohne daß das Volk sein Blut vergoß? Nun bat es das immer für die Bourgeoisie getan; das erste mal, wo e« für sich selbst fei« Blut vergießen will, kamen sogenannte Sozialdemokraten (Lärm) und warnen davor. Wir wollen die revolutionäre Energie nicht dämpfen, wie alle diese Genoffen seit Jahren getan haben. «Veisluchte Dema gogie l) Lernen Sie von Rußland! — Die Gallrrie, von russischen, polnischen Studenten und Studentinnen besetzt, die ebenfalls da« Jenaer Volttdaus den Warschauer Straßen vorziehen, klatscht Bei fall. Unter den Delegierten regt sich nicht eine Hand. Auch Eduard Bernstein spricht für den Maßen streik, ungeschickt wie immer. Frau Zetkin meint, das Proletariat dürfe sich nicht unter allen Umständen durch die Zwirnsfäden der bürgerlichen Gesetz lichkeit gebunden sühlen. Und Genossin Zietz fügt beruhigend hinzu: der Massenstreik braucht noch keine acht Tage zu dauern, dann sind die Machtmittel des Staates schon desorganisiert. Die unvermeidlichen Advokaten Stadthagen und Dr. Liebknecht wollen wir den Lesern schenken. Außerordentlich geschickt und trotz seiner Unbeliebtheit sehr ein drucksvoll, macht Abg. Heine aufmerksam, daß in Resolution und Referat die Hauptfrage unbeantwortet bleibe, ob nämlich ein Massenstreik überhaupt möglich sei. Massenstreik ohne revo- lutionären Hintergrund ist ausgeschlossen. Gewiß haben wir auch dazu das sittliche Recht, aber was nützt uns das ohne die Macht. Die fehlt un» heute, und hierüber keinen Zweifel zu laßen, be- trachte ich al» heilige Pflicht. Denn die Arbeiter sind eS, die ihr Blut zu Markte tragen müßen. Gerade die Drohung, Wahlrechts änderungen mit dem Maßenstreik zu beantworten, lockt ja die Reaktion zu solchen; denn die Reaktion würbe gerne schießen. Ich bin kein prinzipieller Gegner des Massenstreik«; da« ist überhaupt rin« taktische Frage. Schaffen wir erst die nötigen Voraussetzungen, di« nötige Macht. Da« aber kann noch lange dauern. Kommt Zeit, kommt Tat! In ähnlichem Sinne äußern sich einige andere Genossen. Dr. David weist darauf hin, daß die Debatte znm großen Teil Wasser aus die Mühle der Scharfmacher sein werde. Nachdem man an dir Theorie vom ökonomischen Zusammenbruch dr- Kapitalismus nicht mehr glaube, kehre man zux alten revolutionären Methode zurück. Rosa Luxemburg erinnere an Rußland «Zuruf: soll doch hingehru!); dort sind die Verhältnisse ganz andre, der vergleich ist Wahnsinn. Die politische Macht erobern, heißt, die Majorität ge winnen; al« Minderheit, auf dem Wege der Gewalt werdea wir nie etwa« erreichen. Bebel begann sein Schlußwort mit vorsichtiger Ironie: „Eine Debatte, wo so viel von Blut und Revolution die Rede war, habe ich auf unseren Patteitagen noch nie gekört". Natürlich wurde das alles nur gesagt, um Druck au-zuüben zur Annahme der Resolution. „Ich, in meinem harmlosen Gemüt, habe an alles da« nicht gedacht. Ich sage Ihnen, an dem Tage, an dem Blut fließt, bin ich in der ersten Reche, wo ich mein Lrbenlang war. «Lebhafter Beifall. „Genosse" Schmidt ruft dazwischen: DaS Wort Hunger hört sich gut an in Deinem Munde.) Soll das heißen, daß ich keinen Hunger kenne? Ich weiß, wie e« in einer Arbeiterfamilie zugeht, und in der Jugend war es mein sehnlichster Wunsch, mich einmal an Butterbrot sattzuessen. Ich weiß, wie Hunger tut. (Schmidt ruft: Denken Sie vielleicht, ich bin an« der Bourgeoisie?) Bebel (erregt): Sie haben mich gereizt und provoziert. Ich muß endlich dem Gerede vor der ganzen Wett rin Ende machen, daß ich ein steinreicher Mann bin. (Lebhafter Bei fall.) Diese elenden Behauptungen sind nur gemacht worden, um wich» btt den Arbeitern zu diskreditieren, und jetzt nimmt sie ein Parteigenosse auf. E» ist eine alte Erfahrung, daß diejenigen, die eine zeitlang ultraradikal sind, dann ins Gegenteil Umschlagen, wie Genoß« Schmidt. Wir wollen hier keine Beichlüße in« Blaue hineinfaßen. Auch soll die Partei nicht auf irgendein Kampfmittel festgelegt werden. Da« Kampfmittel soll nur in Erwägung gezogen werden. Aber gerade die Redner, die am meisten Blut verspritzten, waren dann gegen den Massenstreik. In meiner Resolution ist nicht ge sagt. in diesem oder jniem Augenblick muh der Massenstreik er klärt werdea. DaS Wort „gegebenen Falle«" setzt die Möglich keit der Durchführung voran«. Wir haben bei der Hamburger Wahlrecht-Verschlechterung den Massenstreik erwogen und tta- ftiunnig verworfen. Die Arbeiter waren an dem Kamps« ja kanm inlerejftett, da sie bisher schon ein schlechte« Wahlrecht haben. Wir wollen uuserersttt« krine-weg« an die Gewalt appellieren; wir wollen nicht» sei, al» Wächter und Warner. „Wenn der Genosse Schmidt sich ttabtldet, ich mache eine Rrilerattacke gegen die Klria- kalwrigea, dann kennt er mir schlecht! um einmal mit den Ber linern zu reden." Revolutionen werden nirmal» gemacht und müßen durchan» nicht immer blutig sein. — Der Antrag Lrgir» will di« beste Rosine an» meinem Kochen heran-klauben. Arbeiten wir für» Erst« au der politischen Bildung unserer Klasse." E» folge» »an ein« lange Reihe persönlicher Bemettungeu, dir ebenso amüsant wie unwesentlich sind. Bei der Abstimmung wirb der Antrag Legten gegen wenig« Stimmen verworsrn, dl« Bebelschr Resolution mit überwältigender Mehrheit angenommen. Nur 1t „Nein" und 2 Enthaltungen: darunter die GewerlschastSftlbrer Bömelburg, Körsten. Legiea, Rob. Schmidt »ad die Abgg. tztta«, Ltndemann, Edmund Fischer. Man darf wohl behaupten, daß die R^Nntion ihre» zahlreich« Klausel« (geqebe»«, Fall« w.) mehr vrr friecke. Ein Japaner über die christlichen Missionen in Japan. Dr. Inazo Nitobe, Professor an der Universität Tokio, bat ein Buch unter dem Titel „Buschido" („Die Seele Ja» panS"), dem Titel des Moralkodex der Klasse der Samurai, des feudale» Rittertums in Japan, verfaßt, worin er sich mißbilligend über die christlichen Missionen i» seiner Heimat ausspricht. Er kann durchaus nicht finden, daß durch sie die Bildung deS Landes gefördert werde. Dabei richten sich aber seine Angriffe nicht gegen das Christen tum selbst, sondern nur gegen die Methoden und Formen, durch die die Lehre Christi von den leitenden Personen verdunkelt werde. „Die Mehrzahl der Missionare", sagt Nitobe, „hat keinen Begriff von unserer Geschichte. „„Was gehen uns die heidnischen Chroniken an?"", sagen sie, und geben sich durchaus keine Mühe, sich der Denkweise anzupassen, die sich durch unsere Bätrr ausgebildet hat und schon Jahrhunderte lang besteht. Wie kann man die Ge schichte einer Nation verlachen? Als ob nicht das Schicksal eines jeden Volles, sogar der wilden Stämme Afrikas, die keine Chroniken haben, von Gottes band selbst auf die Seiten der allgemeinen Geschichte der Menschheit geschrieben wärel Obne die Vergangenheit eines Volke« zu kennen, behaupten die Missionäre, das Christentum sei eine neue Religion, während es meiner Ansicht nach eine alte, sehr alte Legende ist, die sehr leicht in die Seelen der Menschen Zutritt findet, unabhängig von deren Rasse und Nationalität, wenn man sie uur in einer ihnen gewohnten Sprache ausdrückl. DaS Christen tum in der Form, die ihm die Engländer und Amerikaner gegeben haben, mit den angelsächsischen Zutaten, die die Reinheit der Grundlehre verderben, ist nur rin dünne» Reis lein, das man dem Stamm deS Buschido auspfropfen will. Muß venu der Prediger der neuen Lehre deu Baum mit Wurzel und Zweigen auSrvdeu, um Samen in das verödete Land zu streuen? Ein solches herri sches Verfahren mag vielleicht in Ha war am Platze »ein, wo die kämpfende Kirche mit Erfolg Reich tümer aufbäuft und die Einheimische» verdrängt, aber in Japan ist fo etwas rein unmöglich. Ja, Christus selbst hätte auch ganz sicher nicht zu solchen Mitteln gegriffen, als er Sein Reich aus der Erve begründete." Wenn die Missio nare so wenig verstehen, sich die Achtung derer zu erwerben, die sie mit der Macht des Wortes überwinden wollen, so darf mau sich freilich uicht wundern, daß es manchmal zu Exzessen deS japanischen Pöbels gegen die Missionare kommt. Wittes Abreife von Paris. Dem „B. T." wird aus Paris depeschiert: Witte ver läßt beute abend Paris und begibt sich direkt nach Berlin. Wie verlautet, Hal er zwar hier mit Pariser Finanzier- und auch mit Herrn Fischel vom Berliner Hause Mendelssohn konferiert; doch handelt es sich für den Augenblick noch nicht um den Abschluß einer Anleihe, für die mau den rechten Augenblick noch nicht gekommen glaubt. Witte äußerte hier wiederholt, daß er fürs Erste weder Aussicht, noch den Wunsch habe, in Rußland eine leitende Rolle in der inneren Politik zu spielen. Er scheint zunächst die Entwickelung der Dinge abwarten zu wollen uud gedenkt den Winter in Nervi zu verbringen. Rußland als Auftraggeber. Ueber die bevorstehende Vergebung von Neubauten für die russuche Kriegsflotte werden in London die folgenden Mitteilungen veröffentlicht: Ein Vertreter der russischen Regierung unterhandelte am Mittwoch mit der Firma Vickers Sons and Maxim; eS kam je doch zu keiner endgültigen Verständigung, uicht einmal zu einem entsprechenden Vorschlag. Die von beiden Seiten gemachten Vorschläge waren gutem Vernehmen nach lediglich informierender Art. Bor einiger Zeit hieß eS bereit-, die Aufträge für die neuen Schiffe würden entweder nach Deutschland oder nach Amerika gegeben werden. In der City bezweifelt man die-, soweit Amerika in Be tracht kommt. Deutschland dagegen wird für einen ernsten Wettbewerber der britischen Werften ge halten. Die deutschen Schiffbauwerftea haben bereit» Ver treter zu Unterhandlungen nach Rußland geschickt, mit welchem Erfolg, ist in London nicht bekannt. Die russische Regierung zieht zwar in London Erkundigungen ein hinsichtlich der Vergebung von Aufträgen an britische Werften, doch ge schieht nicht-, waS eS al- gewiß erscheinen ließe, daß wirk lich Aufträge nach England gehen werden. Alle großen Schiffswerften und Panzerplattenwerke erklären, eS sei ihnen nichts davon bekannt, daß einer Gruppe oder einzelnen Firmen Aufträge erteilt worden seien. Immerhin werden auf einigen Wersten im Norden Vorbereitungen für den Bau von neuen Schiffe« getroffen, und am Clyde, am Ty ne und in Barrow betrachtet man die geschäftlichen Aussichten al» ausgezeichnet. Au» der Seeschlacht i» der Tf»schi»»straße wird in Berichten der „Köln. Ztg." ein Vorkommnis, das bisher noch nicht bekannt aeworden ist, verzeichnet. Der kommandierende Admiral Togo lag schon lange in Ma- somvho, einem der schönsten südkoreanischen Häfen, und er wartete mit Ungeduld daS Herannahen der russischen Flott«; alle Anordnungen und Befehle waren erteilt. Da erschien am 26. ganz unerwartet der ganz« Admiralstab vor dem Höchstkommandierenden und wieS darauf bin, daß allem An schein nach ein Teil der russischen Flotte den Weg durch die Tsugarustraße, im Norden Japans, zwischen Jeso und Hondo, benutzen werde. Er möge deshalb seine bisheriaen Anordnungen dementsprechend ändern. Ruhig erklärt« der Admiral, daß da» nicht angehe und daß er sicher fei, dt« ganze russische Flotte würde die Lsujchimastraße wählen. Nachdem er die Herren des Admiralstabes schon entlaßen hatte, rief er sie nochmal zurück und lagt«, da» er die ganze Verantwortung für die von ihm erteilte» Befehl« übernehm«. politircde LagettGau. Leipzig, 28. September. Oberst Gaedke als Informatik Frankreichs. Aus Pari- wird «nS geschrieben: Herr Paul Belon, der im „Journal" über die deutschen Kaiirrmanöoer recht sachlich berichtet hat, ist auch nach Berlin gefahren, von dessen Riesrnkomplex er gewaltige Eindrücke erhielt. Dabei bat er einen Betuch gemacht, der ihm von einem Mitreisenden sehr empfohlen wurde, einen Besuch bei Herrn Gaevke, Obersten a. D. Der französische Generalsekretär deS „Hotels Kalserhof" bat ibn zu der RedaktionSstube gewiesen, die der militärische Mitarbeiter deS „Berliner Tageblatts", der „mächtigsten Berliner Tage-ieitung", in dem „weiten Grund stück" deS Herrn Mosse bewohnt. Also Paul Belo» erzählt: „Gaebke ist eia Mann von etwa fünfzig Jahren, dünn, vor nehm, mit bloßer Stirn, vorspringenden Backen, sanften blauen Augen und blondem Schnurrbart, der über rin sorgfältig rasiertes Kinn herabsällt." Uud Herr Gaedke sprach, den Kopf zurückwerfend, über die deutschen Karsermanöver zu dem fran zösischen Reporter: „Hart näckig lehnt man eS ab, au« der KriegSlehre Nutzen zu ziehen. Sie haben die Kaisermanöver mitgemacht, ich war auch dabei. Sie haben wie ich die gekünstelten Schlachtfelder gesehen, die ge- ichickt au-gewählt waren, um drnTiuppen die gleichen Positionen zum Angriff und zur Verteidigung zu geben. Natürlich haben die wahren GefechtSlerrainS ei» ganz andere- Aussehen. Warum will man die Soldaten glauven lasten, die Dinge trügen sich nach einem willkürlichen Plane zu, der keine Beziehung auf die Wirklichkeit hat? Wie viele Unwahrscheinlichkeiten haben Sie wohl choquieren wüsten?" Ueber die Operationen deS letzten Tafle- har Herr Gaebke gesagt: »Kein Balaillom keiu Mann Ware heil bavongekommen. Es gehört tatsächlich der Mangel jeder Ahnung von der furchtbaren Wirkung der ShrapuellS dazu, um eine Aussetzung auf dem Schlachtfeld bei solche« Formationen zu wagen. Ja der Mantschurtt war ich bei bedeutenden Treffen zugegen. Auf einem moder»« Schlachtfeld steht man nicht», alle» ist hinter Erdwälle» verschanzt, und mau braucht Tage, um in die Schußweite des Feinde- zu kommen. Die ganze Zeit über arbeitet die Artillerie, deren Geschütze hinter Laufgräben ver borgen sind, und deren Mannschaft und Offizier« man nicht sieht. Wie dumm (eotts) ist die Gewöhn- heft unserer — und wohl auch ihrer — Offizier«, auf recht stehen zu bleiben, wenn man die Mannschaft zwingt sich hinzulegen. Als ich rin Regiment kommandiert«^ habe ich veriucht, diesen Irrtum zu bekämpfe». Ich sagte zu meinen Untergebenen: „Meine Herren, wenn Sie Ihre Soldaten daran gewöhnen. Sie beim Manöver stehe» z» sehe«, was sollen Sie dann sagen, wenn sie Sw im Felde ander- handeln sehen? Im Felde wüsten Sie sich neben ihnen binlegen, denn sonst würden Sie von der erst« Salo« weggefegt, und da» Regiment würde auf einmal alle seine Führer verlieren, wa» nicht sein darf." Mau bat nicht hören wollen, und der Scherz geht weiter." Herr Gaedke nannte die Kavallerieattacke», wie sie bei den deutschen Manöver» geritten würden, eine „vbriwdw utopls". Vorteil bat, wie er meint, von den Sommer übungen der HüifSdienst. Er gesteht ihnen einen moralischen Effekt zu, deu der Berührung der Truppen mit dem Ober befehlshaber. Er bemerkte noch, seine Absicht, über die französiichen Manöver zu schreiben, sei falsch verstanden worveu, uud brachte ei» Argument vor, da- nicht erst kommentiert werden soll, da man e- seinem eigenen Trost überlasten darf: „Ich bin überzeugter Anhänger de» Frieden» zwischen beiden Völkern, und wenn ich die wirklichen Streit kräfte gezeigt hätte, über die Sie verfügen, wenn ich sie studiert hätte, fo Härte ich für den Frieden gearbeitet." Das Wieverauftrrtcn der slawischen WahltätigkeftSgefellschaft. Aus Petersburg wird unS geschrieben: Unter den politisierenden Kreuen der beiden russischen Hauptstädte treten immer heftiger zwei sich befeindende Richtungen auf, die ihre Stützen bis hinauf in die Kreise der Großsürsten haben. Die Einen spielen sich als Panftaviften auf, welche eine neue großzügige auswärtige Politik Rußlands am Bal kau und in Borderasien predigen, die Anderen, die offenbar in Witte ihren geistigen Führer iehen, empfehlen die Politik der Sammlung uud der zeitweiligen LoSiagung von allen panslavistischen Abenteuern. Die erste Richiuug hat auch i>r Moskau viele Parteigänger, von wo aus der Vorstand der fo lange zurückgedrängteu Slavischeu Wohl- läiigkeitSgesellschaft wieder eine starke Tätigkeit entfaltet Sie verfügt leit kurzem wieder Über größere Geldmittel und versendet Flugschriften, welche an die „Aufgaben Rußlands am Balkan, in Kleinasien und Palästina erinnern. DaS Beachtenswerteste hierbei ist wohl die Tatsache, daß diele Gesell,chaft auch vielerlei Beziehungen zu England und Nordamerika angeknüpft hat, wo sie angeblich bereits viel« Gönner gefunden habe. So haben auch kürzlich drei Vertrauensmänner der Gesellschaft, darunter der Oberst Tscherep - Spiridorowitkch, deu bekannten englisch- amerikanischen Millionär Andrew Carnegie in Schott land ausgesucht und um seine „moralische und materielle Unter stützung" für da» große „BejreiungSwerk" gebeten, da» dre Gesell schaft am Balkan zu durchführen hab«. Carnegie hat von den Besuchern eine „Deakichnft" entgegeogeoommeu und ihnen seinen Beistand versprochen. Da« ganze würde also die Wiederauflebung der panslavistischen Agitarrou der Tschrr- nafew und Ignatiew bedeuten, welche die Balkankttege von l878—1878 herbeifübrten. — Sehr bezerchueod ist für diele Bewegung auch folgender Vorgang, der un« au» Sofia gemeldet wird: Gemäß den Verband «urigen, welche die Ver treter der englischen BalkankorniteeS um den beiden sich be fehdenden bulgarisch - makedonischen RevolutionSkorniteeS (Sarawow und Zontschew), sowie mit den serbisch-makedoni schen Komitee« hatten, hat sich in Barna ein neues make donische» Zentralkomitee gebildet, welche« die Ver- söhung ver bervea feindlichen Gruppen und ein« Verständigung mit de« serbischen Komitee über die »««ter« Tätigkeit in Makedonien »»strebt.
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