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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 11.11.1897
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1897-11-11
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18971111016
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1897111101
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1897111101
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1897
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DK Morgen-AuSgabe erscheint um '/,7 Uhr. die Abend-AuSgabe Wochentag- um 5 Uhr. Redaktion und Expedition: JotzanneSgafse 8. Di» Expedition ist Wochentag« uunnterbroch« geöffnet von früh 8 bi« Abend« 7 Uhr. Bezugs-Preis t» der Haupkxpeditivn oder den im Stadt bezirk und den Vororten errichteten Nus- uabestellen ab geholt: vierteljährlich ^i4.»0, bei zweimaliger täglicher Zustellung ms Hans 5.50. Durch di« Post bezogen für Deutschland und Oesterreich: viertcliädrlich . Direkte tägliche Krruzbandlendung in« Ausland: monatlich 7.50. Filialen: vtt« klemm'« Lortim. (Alfred Hahn). Universitätsstraßr 3 (Paulinum), Loni« Lösche, -atdarinenstr. 1L, Part, und König-Platz 7. Morgen-Ausgabe. MMer. Tageblatt Anzeiger. Ämtsölatt des Königliche« Land- «nd Amtsgerichtes Leipzig, des Mathes und Nolizei-Ämtes -er Ltadt Leipzig. Anzeigen PreiS die S gespaltene Petilzeile SO Pfg. Neelam«» unke dem N»d«tioa«srri- (4g*- spalten) 50/^, vor den Familiennochrichien (-gespalten) 40^- Gröbere Schriften laut unserem Preise verzeichniß. Tabellarischer und Ziffern^ tz nach höherem Tarif. l-rtr«-Beilagen (gesalzt), nur mit der morgen-Au«aabe, ohne Postbeförderung .St SO.—, mit Postbefördermig -sl 70.—. Annahmeschlvß für Anzeigen: Ad «ad-Ausgabe: Vormittags 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittag« 4 Uhr. Bei dru Filialen »nd Annahmestellen je eine halb« Stunde früher. Anteilen sind stet« an die Expedition zu richten. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. 576. Donnerstag den 11. November 1897. St. Jahrgang. Dolus svoutuulis. Nachdruck »erröten. Dr. Lr. Unser Strafgesetzbuch tbeilt die strafbaren Hand lungen nach der WillenSrichtung des Thäters in vorsätzliche und fahrlässige. Unter Borsatz wird der auf den verbrecherischen Erfolg gerichtete Wille verstanden. Von Fahrlässigkeit spricht man, wenn der Thäter nicht vorauSgesehen hat, daß sein Tbun oder Lassen die Verletzung der Rechte eines Andern, z. B. de« Körpers, berbeifübren werde, aber bei Anwendung der erforderlichen Aufmerksamkeit dies hätte voraussehen müssen. Die Annahme liegt nahe, dieser Unterschied sei klar und umfasse alle möglichen Fälle. Aber schon längst hat sich die Nolhwendigkeit herauSgestellt, den Begriff des Vorsatzes zu erweitern und eine Unterart desselben, den sogenannten eventuellen äolus, zu construiren, den wir ungefähr ver deutschen können als den bösen Vorsatz, der zwar nicht un mittelbar auf den verbrecherischen Erfolg gerichtet ist, diesen aber gleichfalls dann will, wenn sich die Verhältnisse so ge stalten sollten, daß eS nickt anders gehl. ES ist ein schwieriges Capitel der juristischen Theorie, das ick der zu nehmenden praktischen Anwendung wegen an Beispielen einigermaßen klar zu machen versuchen will. Den älteren Lesern wird noch die Thal des Massenmörders Tbomas in Erinnerung sein, der eine Sprengmaschine auf das Schiff bringen ließ, um das Cckiff in die Luft zu sprengen und die Versicherungssumme für die von ihm declarirte Ladung zu gewinnen. Unvermeidlich würden hierbei auch di« Passagiere und die Mannschaft untergegangen sein. War letzteres auch nicht sein Endzweck, so war diese Tödtung doch eine notbwcndige Begleiterscheinung bei Zerstörung des Schisses und als solche von vornherein mitgewollt. Der Wille des Thomas ging dahin, das Schiff mit Mann und Maus in die Lust zu sprengen, und schon auf Grund der alten Theorie war er wegen vorsätzlicher Tödtung strafbar. Ein ferneres Beispiel: Ein Deutscher betbeiligt sich an der Kriegsanleihe eines vom deutschen Reiche bekämpften Staates, obwohl er weiß, daß daS von ihm gegebene Geld die VenbeidigungSfähigkcit des feindlichen Landes erhöbt. Seine Absicht ging allerdings nur darauf, Gewinn durch gute Zinsen und vielleicht auch noch durch Steigen des CourseS zu erzielen, die Stärkung des Feindes war idm nicht Zweck, aber er war sich bewußt, daß er diese durch seine Zeichnung oder Zahlung der ausgelegten Anleihe mitbewirkt, und darum ist er wegen Landesverrathes strafbar, denn er hat diese ihm bewußte Wirkung seiner Handlung milgewollt. Wenn der zweite Erfolg nun aber nicht sicher, sondern nur möglich ist, der Tbäter diese Möglichkeit voraussteht, trotzdem aber die beabsichtigte Handlung vornimmt, und wenn dann der als möglich vorausgesehene rechtsverletzende Erfolg eintritt, ist der Thäter wegen dessen vorsätzlicher Herbeiführung strafbar? Nehmen wir Beispiele. In einem ländlichen WirtbShause entsteht zwischen Bekannten Streit über die Güte, besonders die Tragweite eines Gewehrs, das einer der Anwesenden eben gekauft hat. In der Ferne sieht man einen Hund laufen, der Mann will die Tragfähigkeit seines Gewehrs prüfen, er legt auf ibn an und — trifft. Er ist wegen vorsätzlicher Tödtung teS Hundes,— also wegen Sachbeschädigung, strafbar, denn inan kann nickt bezweifeln, daß er das Treffen deS Hundes nicht nur als möglich vorausgesehen, sondern auch dasselbe, wenn es eintrcten sollte, in seinen Willen mit ausgenommen bat. Er hat die Tödtung also, wenn sie eiutrelen sollte, d. h. eventuell, mitgewollt. Ein Beispiel aus der ge- rnchtlichen Praxis: Ein Schutzmann traf in einem Schanklocal einen polizeilich gesuchten, vielfach bestraften Ver brecher S. Er forderte denselben auf, ihm zur Polizei zu folgen. Der Verbrecher bat, ibn erst sein Essen verzehren zu lassen, und wurde, als er dies verzögerte, von dem Schutz mann erinnert und eine Weile später an der Schulter ge faßt, S. zog sein Messer, einen sogenannten Genickfänger, und stieß dasselbe dem Beamten mit voller Kraft in die Brust. Dieser setzte sich zur Wehre, empfing aber sofort einen zweiten Stich in das Gefickt. Als er sich nun zur Flucht wandte, stieß ihm S. nochmals das Messer tief in den Rücken. An den lebensgefährlichen Wunden lag' der Schutzmann lange darnieder, wurde jedoch wieder hergestellt. DaS Gericht verurtheilte den S. nur wegen gefährlicher Körperverletzung mit einem Messer zu 3 Jahren Gefängniß. Dieses bekannt gewordene Unheil wird in der juristischen Literatur einstimmig verurtbeilt. S. war deS versuchten TodtschlagS schuldig. Sein Zweck war, fick zu befreien, sein Vorsatz ging dahin, den Schuhmann zur Verhaftung unfähig zu machen, bei den dieserbalb vorgenommenen Körperver letzungen war er sich der Möglichkeit, daß sie tövtlich sein könnten, bewußt, und auch dieser Erfolg war ihm recht. Um den Begriff klarer zu machen, seien nun auch einige Beispiele mitgethrilt, in denen rin äolus eveutuLlis nicht vvrliegt. Jemand wirft, Abends im Bette lesend, halb schlafend die Lampe um. Er zündet sie wieder an, wobei ihm der Gedanke kommt, wie leicht doch hätte ein Brand ent stehen können. Er läßt die Lampe trotz seiner Müdigkeit weiter brennen und beim zweiten Umwerfen entsteht wirklich ein größerer Brand. Ist er der vorsätzlichen Brandstiftung schuldig? Er sah doch die Möglichkeit deS BrandeS voraus und zündete trotzdem die Lampe wieder an. Die Frage ist zweifellos zu verneinen, denn er bat ganz sicherlich den Brand nickt gewollt, er bat ihn nicht als mögliche Folge der Lectüre mit in den Kauf nehmen wollen. Einer Entscheidung des Reichsgerichts entnehmen wir folgendes Beispiel. Jemand wirft während der Nacht auS seinem straßenwärts gelegenen Zimmer einen idm entbehrlichen, schweren Gegenstand, den er gern los sein möchte, aus dem Fenster. Er war fich hierbei zwar der Möglichkeit bewußt, daß ein Vorübergehender getroffen und getödlet werden könnte, es wurde aber als sestehend angenommen, daß er die» nicht gewollt habe, sich vielmehr der, wenn auch leickt- fcrtigen Hoffnung hingegeben habe, daß in dem betreffenden Augenblick auf der Straße Niemand vorübergehen werde. Er ist nickt wegen vorsätzlicher, sondern nur wegeu fahrlässiger Körperverletzung strasbar, wenn ein Vorübergehender getroffen ist. Die gleiche rechtliche Beurtheilung würde in folgendem, in der juristischen Literatur besprochenem Falle eintreten. Ein Landmann fährt, um für sein schwer krankes Kind den Arzt zu holen, am dunkeln Abend in voller Carriöre zur Stadt, obwohl er sich sagt, daß möglicherweise auf der Dorfstraße noch Menschen sind. Führt er durch sein schnelles Fahren ein Unglück herbei, so ist er doch nur wegen fahrlässiger, nicht wegen vorsätzlicher Körperverletzung strasbar, wenn man nicht die Ueberzeugung gewinnt, daß er daS Ueberfahren mit in seinen Willen ausgenommen hat. Ebenso muß man bei einer Majestäts beleidigung unterscheiden. Kririsirl Jemand Aeußerungen oder Handlungen des Lanresfürsten, so kann sein nächster Zweck sein, eine gegenlheilige Ansicht zu vertreten und die jenige des Landesherr» zu bekämpfen. Ist die Bekämpfung geeignet, den Landesfürsten verächtlich zu machen oder in der öffentlichen Meinung herabzusetzen, so liegt eine Majestäts beleidigung nur dann vor, wenn die Beleidigung von dem Tbäter mit in seinen Willen ausgenommen ist. Ist der An griff vom Redner überhaupt nicht gegen die Person deS Lanvesfürsten gerichtet, sondern gegen eine „hohe Stelle", als welche er selbst das betreffende Ministerium im Sinne hatte, mußte er sich aber bewußt sein, daß ein Tbeil der Hörer alS die „hohe Stelle" einen Lanresfürsten verstehen und auf diesen die beleidigenden Aeußerungen beziehen würde, und war dem Redner auch diese ihm bewußte Möglichkeit reckt, so liegt zufolge der jüngsten Entscheidung des Reichsgerichts, dolus eveMuLUs vor. Wie weit der Wille jemandS im einzelnen Falle gegangen ist, ist eine sehr schwierige Untersuchung, welche in ihrem Ergebniß völlig unsicher >st, so daß nicht nur Jrrthümer der Gerichte hierbei sehr leicht unterlaufen können, sondern auch die Gefahr sehr groß ist, daß, wenn eS sick um Beurtheilung von Aeußerungen politischer Gegner handelt, eine Vorein genommenheit des Gerichts vermutbet wird. In Anbetrackt dieser Mißstände dürfte eS sich empfehlen, den Begriff deS clolus eveutualis mit der größten Vorsicht anzuwenden. Seine Beseitigung ist nicht ohne Weiteres möglich, denn dies würde z. B. zur Folge haben, daß der Mann, der in dem oben er wähnten Beispiel den fremden Hund, vielleicht einen werth vollen Jagdhund, erschießt, straflos ausgeht, da unser Gesetz fahrlässige Sachbeschädigung nicht bestraft. Die Nicht berücksichtigung des eventuellen Vorsatzes ist aber auch nicht zu wünschen, sie wäre ein Rückschritt unserer Strafrechts pflege auf den Standpuact des äußeren Erfolges der That. Deutsche- Reich. 12 Berlin, 10.November. Der„Sckutzverband gegen agrarische Uebergriffe" bat am Sonnabend die erste Generalversammlung nach seiner Begründung abgebalten. Man verdankt der „National-Zeitung" einen sehr umfang reichen Auszug aus d<zm dort mitgetheilten Jahresberichte. Es wäre nicht nölhig gewesen, auf die Veranstaltung zu sprechen zu kommen, wenn sie nicht Verwahrung im frei sinnigen Lager, natürlich von Seiten des Herrn Richter, bervorgerufen hätte. Sckon im Berichte heißt eS, der Verband könne nicht Alles, waS er vollbracht, an die große Glocke hängen, und in der Versammlung selbst wurde erklärt, die Cassengcbahrung sei „Gesckäftsgeheimniß". Etliches erfährt man aber. Es scheint für die kleine Presse, durch Verbreitung von Flugblättern und .ausklärende" Schriften viel geschehen zu sein. Sodann wird die sckon bekannte „rege Sympathie" erwähnt, die der Sckutzverband dem Bauernverein „Nordost" und dem „Sckutzverein Mecklen- burgiscker Landwirtbe" zuwendet. Auf ihre Thätigkeit bei den Wahlen bildet sich die junge Vereinigung anscheinend nickt wenig ein. Sie bat sich an sieben, zum Tbeil für ibre „Sacke" siegreichen Nachwahlen betbeiligt. Ein purer, aber den Herren Rickert und Barth gewiß willkommener Zufall will eS, daß der Bericht sagen kann, die Betheiligung habe sechs mal zu Gunsten der freisinnigen Volkspartei staNgefunden; hier setzt die Verwahrung des Herrn Richter ein. Er tritt der nabegelegten Schlußfolgerung entgegen, daß der Sckutzverband seine Partei erheblich unterstützt habe. In Wahrheit seien für die sechs Wahlen zusam m en nur höchstens 10 bis 12000 an Subsidien gezahlt worden, eine allerdings sehr gering fügige Summe, wenn man bedenkt, daß vom Sckutzverband einem schleswig-holsteinschen Wahlkreise und zwar einem solcken, in dem leider die freisinnigen Flügel einander lebhaft befehden, 20 000 angeboren worden sind - der siebente Wahlkampf, in dem der Sckutzverband den „Rubel rollen" ließ, ist der Ansbach'sche. Ter große Dichter und Idealist Herr Michael Conrad verdankt seine Wabl also dem gar nickt ideal veranlagten Schutzverbande, der alle Par teien gegen die „Agrarier" zu unterstützen sick bereit erklärt, wenigstens in den ländlichen Distrikten des östlichen Deutsch lands, wo es doch auch Socialtemokraten giebt. Wir er greifen die Gelegenheit, in Erinnerung zu bringen, daß der von der Begrllndungsvcrsammlung deS SchutzverbandeS in daS Centralcomitb der Vereinigung gewählte nationalliberale Abgeordnete Siegle andern Tags bekannt geben ließ, er habe an der Versammlung nickt theilgenommen und hätte, wenn er anwesend gewesen wäre, sich außer Stand erklären müssen, die auf ibn gefallene Wabl anznnehmen. Berlin, 10. November. Aus dem n Lrdlichen Schleswig wird uns von geschätzter Seite geschrieben: „Die Entscheidung des Oberverwaltun gSgerichtS, be treffend die Zulassung der polnischen Sprache in öffentlichen Versammlungen, bat unsereDänen sehr befriedigt. Zunächst nehmen sie ohne Weiteres Partei für die Polen gegen die Deutschen, trotzdem, daß die Verschieden heit zwischen ihnen und den Polen in konfessioneller und jeder sonstigen Beziehung ein unendlich großer, die Verschieden heit von den Deutschen dagegen eine äußerst geringe ist. So dann schließen sie bezüglich ihrer eigenen Verhältnisse, daß, wenn der Gebrauch der polnischen Sprache zugelassen ist, in öffent lichen Versammlungen gleicherweise auch die dänische zu gelassen werden muß. Zugleich ist aber die Besorgniß bei cbnen erwacht, daß die Zukunft in dieser Beziehung eine Aenderung bringen muß, und darin dürften sie nickt Unrecht haben. DaS Bestreben der dänischen Agitation geht ausgesprochener Maßen darauf hin, das nördliche Schleswig von Preußen abzutrennen und an Dänemark zu bringen, und namentlich verfolgt sie diesen Zweck durch eine außer ordentlich starke „Ausnutzung" des Versammlunzs- und DereinSrechts. Mit einem Netz von Vereinen ist das Land überzogen, die alle mehr oder weniger im Dienste der Agitation stehen, so daß in den Städten und mebr noch rund herum auf dem Lande zahllose politische Versammlungen abgebalten werden können, um den Kamps gegen das Deutsche und die Opposition gegen die bestehenden Verhältnisse zu beleben. Selbstverständlich wird in diesen Versammlungen ausschließlich die dänische Sprache gebraucht. Der Zweck, der verfolgt wird, ist, wie nickt weiter ans- einandergesetzt zu werden braucht, ein staats- und rechts widriger, und eS ist nicht verständlich, wie Männer, welche überdies den Eid der Treue geleistet haben, sich an diesen Bestrebungen betbeiligen können. Daß die Staatsgcsetze und die durch dieselben gewährten Rechte gegen den Staat selbst benutzt werden, und zwar unter Ausschluß der deutschen Oeffentlichkeit in einem deutschen Staate, kann unseres Er achtens nicht gebilligt werden und erfordert dringend eine Ab änderung der betreffenden Gesetze. Seit 1876 haben »wir das Geschäftssprachengesetz, und warum soll nicht ebensogut die Sprache in öffentlichen Versammlungen, wo öffentliche Angelegenheiten besprochen werden, deutsch sein können? Mögen auch einige ältere Personen nicht im Stande sein, deutsch ordentlich zu verstehen, in der jüngeren Genera tion nimmt die Kenntmß des Deutschen tbeils durch den Unterricht, tbeils durch den Verkehr fortwährend stark zu, und es wird keiner langen Zeit bedürfen, bis im nördlichen Schleswig im Allgemeinen jeder Mann deutsch verstcht. Also fort mit dem Gebrauch einer anderen Sprache als der deutschen Staatssprache aus den öffentlichen Versammlungen, fort mit dem Jrrlhum, daß dadurch das Vereins- und Ver- fammlungsrecht verkürzt wird." Hß Berlin, 10. November. Dem Bundesrath ist, wie bereits mitgetbeilt, wieder eine Novelle zum GerichtS- versassungSgesetz und zur Strafproceßordnung zugegangen. Die Vorlage unterscheidet sich ganz wesentlich vou dem Entwurf, ter in der vorigen Session so viele Monate die Justizcommission deS Reichstags beschäftigt hat, ohne im Plenum zur Beratbung zu kommen, da über die wichtigsten Punkte eine Verständigung zwischen der Regierung und der Mehrheit der Commission nickt zu erreichen war. In dem gegenwärtig ausgearbeiteten Entwurf ist nickt allein von dem Wiederaufnahmeverfahren keine Rede, sondern auch die Frage der Entschädigung unschuldig Verurtheilter bleibt, wider alles Erwarten, unberührt. Es wird also wohl die Regelung dieser Frage einer weiteren Vorlage Vorbehalten. Das jetzt vorgelegte Gesetz enthält lediglich in acht Punkten Abänderungen des gellenden Gerichtsverfassungsgesetzes von geringer Bedeutung. — Zu gleich ist dem Bundcsrath die Novelle zur Civilproceß- ordnung zugegangen nebst dem Entwurf eines Einführungs gesetzes zu dieser Novelle. Dieser Gesetzentwurf ist ziemlich umfangreich. Er enthält nicht weniger als 248 Nummern, welche die Punkte angeben, in denen das bestehende Gesetz abzeändert werten soll. Dabei sind in mancher Nummer mehrere neue Paragraphen eingesügt. Das Zustellungs-, sowie das ZwangSvollstreckungsverfadren sollen mehrfach resormirt, die Befugnisse der Gerichtsvollzieher in mancher Beziehung eingeschränkt werden. Tie Revisionssumme wird, wie drahtlich schon gemeldet, von 1500 auf 3000 .4. erhöht, womit vornehmlich eine Entlastung des Reicksgerichts bezweckt wird. Ferner soll eine gewisse Erschwerung der Ent mündigung bewirkt und daS Aufgebotsverfahren zum Zwecke der Todeserklärung neu geregelt werten. Ter Kreis der nicht pfändbaren Gegenstände wirk erweitert und namentlich auch für die Landwirthsckaft eine Anzahl von Ausnahmen festgesetzt. Zur Piändung von Frückten, die von dem Boden noch nicht getrennt sind, soll ein landwirtbschaft- licher Sachverständiger zugezogen werden, sofern anzunehmen ist, daß der Werth der zu pfändenden Gegenstände den Be trag von 1000 übersteigt. — Die Novellen sollen gleich zeitig mit dem Bürgerlichen Gesetzbuch in Kraft treten. — Tie Begründung zu den Entwürfen ist noch nickt fertig ge stellt und wird m etwa vierzehn Tagen nackgeliefert werden. (Die von uns gestern wiedergegebene einschlägige Auslassung deS „Hambg. Corr." ist hiernach zu berichtigen. Red. d. „L. T.") Was Schiller verdiente? Bon Hermann Pilz. Schiller war nicht immer mit irdischen Glücksgütern gesegnet- Er war nickt so sorglos und sicher gestellt wie Goeibe, Wieland und andere Günstlinge des weimariscken HofeS, sondern hatte, wie Jean Paul, oft genug mit Noth und Sorge zu kämpfen. Wunder muß eS nehmen, daß ibm selbst in Tagen, wo er um die gemeine Notbdurft des Lebens sick abmiihen mußte, der Schwingen Kraft nickt gelähmt wurde. Seine Schaffenslust blieb auch in trüber Zeit rege und der Mißmuih übeikam nur selten sein Herz. Darin zeigte er sein große- Herz, seinen edlen Geist, seine mutbvolle Ge sinnung! Nur Krankheit, nickt irdische Sorge, vermochte ibn zeitweilig zu beugen. Schiller'« Eltern waren nicht vermögend. Mit einem blauen Röcklein am Leibe, im Ränzcken 15 lateinische Bücher und 48 Kreuzer in der Lasche, kam er von Ludwigsburg auf die KarlS- sckule aber wa« ihm im Beutel fehlte, daS trug er im Kopfe, Reichthum, nämlich an Phantasie und Wißbegirrde. Al« er am 15. December 1780 die Karl«- schule verließ, wurde er als „MebikuS ohne Portespse" mit 18 Gulden Gebalt dem Regiment Augs überwiesen. Daß er damit auch in damaliger Zeit nickt zum Schlemmer werden konnte, bedarf keiner weiteren Versicherung. Aber er behielt den Kopf oben. ES entstanden auf dem kleinen, dürftig auS- gestatteten Stübchen bei der HanptmannSwittwe Vischer die ickon auf der KarlSsckule begonnenen „Räuber". Schiller's „Stubenbnrsche", der Lieutenant Kapff, übte die erste Kritik an dem Werke und Manches wurde auf seinen Rath geändert und gemildert. Nun fand sich aber weder in Stuttgart noch in Mannheim ein Verleger, so daß Schiller sick entsckloß, daS Drama auf eigene Kosten drucken Hu lassen. Große Geister sind nur selten auch große Geschäftsleute. Schiller fehlte eS an praktischem Sinn und an Geld, so daß die Drucklegung nur langsam und unter den größten Schwierigkeiten vor sich ging. Der Drucker war mißtrauisch und druckte nur, wenn er für jeden Bogen den Mammon batte. Schiller mußte einen Bürgen für 150.4 stellen, ehe der Druck überhaupt begann. Mehrmals mußte er unterbrocken werden, weil eS an Mitteln fehlte, aber allmählich wucksen die Ballen von Druckbogen an, die in deS Dichters unfreundlichem Zimmer zu einem hölzernen Tisch und zwei Bänken, leeren Tellern und Flaschen, einem Haufen Kartoffeln und der an der Wand hängenden, spärlichen Garderobe einen seltsamen Contrast bildeten. Und als nun das Buch 1781 in 800 Exemplaren fertig war, da lag eS wie Blei, und nur wenige Exemplare wurden verkauft. Nur langsam stieg die Kauflust, und erst nach der ersten Aufführung in Mann heim unter Dalberg'S Leitung wurde der Absatz besser. Schiller gründete in dieser Zeit daS „Württemberaiscke Repertorium", in welchem auch eine von ihm selbst verfaßte Kritik der „Räuber" erschien, aber auch mit diesem Unter nehmen auf eigene Kosten verdiente er nickt«, so daß es mit dem dritten Hefte eingiug und den Dichter in Schulden stürzte. Auch mit der „Anthologie auf da« Jahr 1782, gedruckt in der Buchdruckern zu TobolSko", in welcher sich auch einzelne der „Lieder an Laura" befinden, wurde nichts verdient. Schiller's pekuniäre Lage war überaus mißlich geworden. Dazu Differenzen mit dem Herzog, der ibm ver boten hatte, andere als ärztliche Schriften drucken zu lassen. Schiller entfloh und kam am 24. September 1782 mit seinem Freunde Streicher in Mannheim an. Streicher wollte nach Hamburg, um bei Back seine Studien fortzu- ietzen. Ta Dalberg in Mannheim nicht anwesend war, wanderte Schiller nach Frankfurt a. M, wo er sich als „Vr. Ritter" in einer Herberge in Sachsenhausen niederließ. Er reichte mit seinem Gelte etwa noch zwölf Tage au» und neuer Verdienst stand nicht in Aussicht. Die „Räuber" wurden zwar aufgesübrt, aber die Bühnen brauchten für Stücke, die schon gedruckt waren, nichts zu zahlen. Schiller schrieb an Dalberg um einen Vorschuß von 100 Gulden für den inzwischen vollendeten „FieSko", aber Dalberg lehnte es ab, eine Zahlung zu leisten, ehe da« Stück „bubnensähig" sei. In Stuttgart sollte obendrein der Freund Schiller'«, der sich für seine Verlagsunternebmungen verbürgt hatte, in den Schuldthurm wandern. Mit 30 Gulden, die Streicher von seiner Mutter für die Reise nach Hamburg erhielt, machten di« Freunde Kehrt und wanderten nach Mannheim zurück. In Oggersheim bei Mannheim blieben sie und Schiller ging an die Aübnenbearbeitung deS „FicSko". Die dreißig Gulden waren bald ausgezebrt. Da lehnte obendrein Dal berg die Ausführung des „FieSko" ab. Die Noth war am höchsten. Schiller wandte sich an Frau von Wolzogen, die ihn auf ihr Gütchen in Bauerbach «inluv. Nun verkaufte der Dichter den „FieSko", pro Bogen zu einem LouiSd'or, zahlte damit die Gasthofsschulden und ging im December 1782 nach Bauerbach. Trotz Geldmangels und der Sorge um die Stuttgarter Schulden, schus der Dichter die „Luise Millerin", den ersten Act einer „Maria Stuart", sowie Scenen des „Don Carlos". Mittlerweile war auch Dalberg einsichtsvoller geworden, und Schiller wurde Theaterdichter der Mannheimer Nationalbübne. Er verpflichtete sich, vom 1. September 1783 bis 31. August 1784 drei neue Stücke zu liefern. Dafür sollte er 300 Gulden und den Ertrag je einer Benefizvorstellung beziehen. Der „FieSko" war inzwischen im Druck erschienen und also auch für die Bübnen vogelfrei, so daß Schiller die Mannheimer Stellung ein Rettungsanker wurde. Er bearbeitete für die Mannheimer Bühne „FieSko" und „Luise Millerin". DaS levtgenannte Stück wurde von Jffland in „Kabale und Liebe" umgetausk. Freilich, die drückenden Stuttgarter Schulden wurde er nickt los, und einer seiner Bürgen, der auS Stuttgart entflohen war, wurde in Mannheim aufgegriffen. Schiller war darüber außer sich, aber er besaß nickt die Mittel, um den Gläubiger zu be friedigen. Zu seiner Beruhigung befriedigte sein HanSwirtb Hölzel den Gläubiger und befreite den Bürgen. Schiller'« Lage wurde immer kritischer, da auch Dalberg an eine Er neuerung deS Abkommens nicht dachte. DaS Zusammen treffen mit Karl August m Darmstadt brachte ibm zwar den HofratbStitel rin, aber kein Geld. Seine Lage in Mannheim war unhaltbar, da erinnerte er sich ter Freunde, die er in Leipzig batte, und offenbarte sich Ferdinand Huber, dem Bräutigam Tora Stock«. Bald darauf erbielt er von dem 1756 in Leipzig geborenen Christian Gottfried Körner, Rath im Consistorium zu Dresden, und Later Tbeodor Körner«, der damals Bräutigam Minna Stocks war, einen Wechsel auf 300Thlr. und die Einladung, nach Leipzig zu kommen, wo er auch am
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