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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 19.11.1903
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1903-11-19
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19031119022
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1903111902
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1903111902
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1903
- Monat1903-11
- Tag1903-11-19
- Monat1903-11
- Jahr1903
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Es lag nahe, hier demjenigen Manne zu einem Mandate zu verhelfen, der in der letzten Legislaturperiode de» Reichstages gewissermaßen der Wortführer der konser vativen Partei — und, wie zuzugeben ist, ein nicht ungeschickter — gewesen ist: dem in Freiberg i. S recht unsanft durchgefallenen Chefredakteur der „Deutschen Tages zeitung", Herrn vr. Oertel. Allein es kam anders Die zweifelsohne zu Gunsten deS vr. Oertel tätigen Bestrebungen, die in Notizen der befreundeten Presse voiAchtig tastenden Au-druck sanden, blieben auf konservativer Leite ohne Ein druck, ja sie zeitigten nunmehr in rascher Folge die Auf stellung eines im Kreise angesessenen, bis dahin unbekannten konservativen Herrn, der nichts weiter aufzuweisen hatte, als daß er früher einmal Landrat gewesen war. Das war bei der Stellung, die Herr vr. Oertel in der konservativen Fraktion deS Reichstages und im Reichstage selbst eingenommen hatte, eine zweite und unseres Erachtens viel schwerere Nieder lage, als die wohlverdiente im Juni d. I. im Freiberger BergwerkSrrvier. Denn die Nichtaufstellung dieses viel gewandten und redebegabten Politikers von seiten derjenigen Partei, in deren Reihen er fünf Jahre hindurch eine milbestimmende, wenn nicht zeitweilig sogar eine auülchlag- gebende Rolle spielen durste, sieht einer völligen Abkehr von dem ehemaligen „politischen Freunde" verzweifelt ähn lich. Das mag für den Ehrgeiz des „Mannes mit der Weißen Weste" recht bitter gewesen sein. Wie bitter und wie schwer e« aber von ihm und seinen Hinterleuten empfunden worden ist, erfährt man aus einer Notiz der „Deutsch-socialen Blätter" des Abg. Liebermann von Sonnenberg vom >9. d. M. Hier gibt der uUor ogo de« vr. Diedrich Hahn und Intimus deS wider Willen kaltgestellten vr. Oertel dem in leitenden Bundeskreisen herrschenden Unmut also Ausdruck: „In Darkehmen - Goldap - Stallupönen hat die konservative Partei nun doch nicht vr. Oertel, sondern irgend eine lokale Null, einen ehemaligen Landrat ausgestellt. Oertel hat infolge seines rührigen und geschickten Auftretens innerhalb der konservativen Fraktion im verflossenen Reichstage dem konservativen Namen so viel Ehre eingetragen, daß »an ruhig sagen kann. Einen Mann von seiner Bedeutung schickt jede Partei schnellmöglichst wieder ins Gefecht, und auch die konservative, die an tüchtigen Parlamentariern keinen llebcrschuß hat, hätte es sicherlich getan, wenn — <a wenn Oertel nicht zufällig einer der „extremen" BUndler wäre, deren Einfluß die herrschende Gruppe der Konservativen nach Möglichkeit niederhalten möchte Wenn aber die Konservativen so weit geben, sich selbst zu schädigen, nur um den Bündlern nicht zu nützen, so sollten diese sich mal überlegen, ob sie es nötig haben, sich die Fußtritte ihres älteren, aber schwächeren Bruders, der auf ihren Schultern steht, geduldig gefallen zu lassen " Das läßt an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig, giebt aber zugleich auch ausreichende Aufklärung über die Gründe, aus denen die konservative Partei eS vorgezogen hat, auf „einen Mann von solcher Bedeutung" zu verzichten Sie hat im verflossenen Reichstage, zumal während der Kämpfe um den Zolltarif, _die eigenartige „Bedeutung" jener extremen Bündler vom Schlage der Oertel, Roesicke, Hahn, Lucke und Schrempf so schwer und drückend empfunden, daß sie geradezu einen Abderitcnstreich begehen würde, wenn sie auch nur einen dieser von der Wählerschaft an den verschiedensten Stellen des Reiches mit anerkennenswerter Entschiedenheit und seltener Uebereinstimmung abgelehnten Herrn wieder in den parlamen tarischen Sattel heben wollte Gebranntes Kind fcheut das Feuer, und darin liegt ein weiteres, immerhin erfreuliche« Zeichen der Zeit. Die Konservativen bekunden durch die Igno rierung des vr. Oertel, daß sic gewillt und entschlossen sind, jenem extremen Bündlertum in ihren Reihen, wenigstens aus dem parla mentarischen Boden, den alten unheilvollen Einfluß nicht wieder einzuräumen. Wenn damit zugleich gesagt sein soll, daß man den alten, guten konservativen Boden zurück gewinnen bestrebt sei, so ist das nur zu begrüßen. Lange genug hat diese Erkenntnis zum «chaden der Konservativen ia auf sich warten lassen. Herrn vr. Oertel und seinen Freunden gegenüber bleibt aber das Wort in Geltung: Die Toten reiten schnell Der badische Landtag wird zum l. Dezember einberufcn. Boraussichtlich zählt dann infolge der Abgeordnctenwahlen die nationalliberale Fraktion 26 Mitglieder — gegenüber 24 der letzte» Seision —, wennim Wahlkreise Eberback Buchen, wo die Abgeordnetenwahl noch aussteht, alle auf das liberale Parteiprogramm gewählten Wahlmänncr bei der Abgeordnetenwabl sich auch zuverlässig erweisen. Trotz dieses kaum erwarteten Zuwachsesdarfdie natio nalliberale badische Partei nicht auf ihren Lorbeeren auSruhen. In zwei Jahren erfolgt wiederum die Erneuerung der zweiten Kammer durch Abgeordnctenwahlen. Für die dann aus scheidende Hälfte der bisherigen Abgeordneten kommen haupt sächlich solche Schwarzwaldbistrikte in Betracht, deren Be völkerung zwar katholisch ist, aber doch noch liberal gewählt hat. Das Zentrum ist jedoch unermüdlich an der Arbeit, diese früher liberalen Wähler für sich zu gewinnen, und bat den besten Agitationsstoff in der K l o st e r f r a g e. Die Regierung hat sich noch immer nicht entschieden; sie läßt diese Wunde offen und treibt dadurch die gesamte Bevölkerung immer mehr in den Kulturkampf hinein. Diese unselige Zaudervolitik schadet weit mehr als die schließ liche Zulassung von Männerklöstcrn, gegen die der größte Teil der Nationalliberalen sich sträubt. Wenn die jetzige Regierung gegen die Zulassung jener Klöster ist, so sollte sie endlich in unzweideutiger Weise Farbe bekennen und ihre Entscheidung nicht auf die lange Bank schieben. Ihre Un- schlussigkeit wirb einst die Verantwortung für die immer leidenschaftlicher sich gestaltende konfessionelle Verhetzung und sür die schließliche Eroberung der bisher liberal vertretenen Schwarzwaldkreise durch das Zentrum zu tragen haben. Milttärforderungcn der Slowenen. In Oesterreick grassiert jetzt eine Epidemie. In Ungarn ist sie ausgebrochcn, nach Böhmen hat sie hinübergegriffen. Nun sind auch die Slowenen von ihr angesteckt. Auch sie stellen jetzt ihre nationalen Forderungen in Bezug auf die Armee auf. Sie wollen eine eigene „südslawische Armee" haben und fordern — frei nach berühmten Mustern — die Rückversetzung der slowenischen Regimenter in ihre Heimat, die Rückversetzung der in Ungarn und Galizien dienenden slowenischen Offiziere, die Errichtung einer slowenischen Kadettenschule in Laibach, zweisprachige Aufschrifttafeln an den Kasernen Krains und was dergleichen bescheidene und fromme Wünsche mehr sind. Soll man sich wirklich über derlei „Programme" aufregen? Wir glauben, daß man ihnen damit zuviel Ehre antäte. Im Gegenteil, gerade in der Uebcrtreibung der Forderung liegt ihre beste Remedur. Man mag von der Geschicklich keit und Festigkeit der österreichischen Staatsmänner noch so gering denken, hier kommt ein anderes Moment in betracht, was stärker ist als Menschenwille: die Macht der Verhältnisse Es ist nicht richtig, auf Ungarn zu exemplifizieren. Ungarn ist ein selbständiger Staat, Lessen souverän eigentlich sein Parlament ist. Und nicht einmal hier hat die wichtigste Forderung, die der magyarischen Kommandosprache, durchgesetzt werden können. Mögen Tschechen und Slowenen sich m Armeesorderungen erschöpfen und schließlich auch die Italiener eine besondere „italienische Armee" verlangen, — erreichen werden sie nichts. Denn was sie wollen, ist undurchführbar und kann nur als Mittel der Agitation augenblicklich Dienste leisten. Also nur keine unnötigen Besorgnisse! Bor solchen papiernen Forderungen geht die österreichische Armee noch nicht in die Brüche. Der König von Italien in England. Die Begrüßung, welche die Londoner Blätter dem König von Italien widmen, ist eine recht herzliche und achtungsvolle. Der „Standard" schreibt u. a., der fetzige Besuch sei zwar nur privater Natur, aber doch keineswegs ohne politische Be deutung, wie schon daraus zu erkennen sei, daß der italienische Minister des Auswärtigen den hohen Gast begleite. Es gebe zwischen England und Italien keinen Jntereffenkonflikt und keine Spur eines Zwistes. Beide Länder seien seit fünfzig Jahren eng befreundet. Nirgendwo habe man den Kampf um die italienische Einheit mit herzlicherem Anteil verfolgt als in England, und wenn in neuerer Zeit Italien sich dem Dreibunde angeschloffen habe, so sei englischerseitS um so weniger dagegen einzuwenden, da es dadurch nie von England abgezogen und, wie jüngst ersichtlich wurde, nicht einmal abgehalten worden sei, gute Beziehungen mit Frankreich anzubahnen. Herr Tittoni und Lord LanSdowne dürften wohl Uber Makedonien wie über Marokko manche« miteinander zu reden haben, und ihre Besprechungen dürfte« kaum verfehlen, indirekte, wenn auch nicht sofortige Ergebnisse von beträchtlichem Werte herbeizuführen. — Ein Vertreter des „Reuterschen BureauS" hatte gestern eine Besprechung mit dem italienischen Minister des Aeußern Tittoni, in deren Verlauf der Minister sagte: Ich kann nur wiederholen, daß die italienische Politik eine Politik des Friedens ist, sie kann als ihre Grundlage nur den Dreibund aufrecht erhalten, der durchaus friedlicher Natur ist. Es ist in Deutschland und Oesterreich-Ungarn wohl bekannt, daß unsere Erklärungen in diese« Beziehungen durchaus ohne jeden Vorbehalt oder Gedanken a« einen solche« abgegeben werden und daß das italienische Kabinett über politische Fragen sowohl in auswärtigen wie inneren Angelegenheiten völlig einig ist. Die beiden mit uns verbündeten Mächte vertrauen auf unsere Mitarbeit, die noch mehr an Kraft gewinnen wird durch die neuen Handelsverträge, die unsere wechselseitigen berechtigten Interessen befriedigen werden. Wir werden unser Möglichste» tun, um die Wieder herstellung herzlicher Beziehungen zu Frankreich weiter zu entwickeln und zu befestigen. Was England betrifft, was könnte ich den warmen und aufrichtigen Aeußerungen der Zuneigung und Freundschaft noch hinzufügcn, die die italienische Presse kundgetan hat? König Victor Emanuel befindet sich hier als erhabener Dolmetsch dieser Gefühle. Die jüngste Rede des Premierministers Balfour über die Lage in Makedonien gibt in großen Zügen auch unsere An- schaumigen wieder. In der Mittelmeerfrage, wie in Afrika ver folgen wir eine Politik, die mit der Englands völlig im Ein klang steht. Gestern abend fand zu Ehren der italienischen Maje stäten in der St. Georges'Hall deS Schlosses ein Festmahl Feuilleton. Ein interessanter Mann. IKj Roman von Arthur Zapp. -Uuliivrukk verboien. 'M» «sich Herbert von Reßtorf wieder allein sah, versank er In ein tiefes Nachdenken. Sein Geist durchlief noch einmal -die Erinnerungen seiner jungen Ehe. Wie er Valeska kennen und Hecken gelernt, wie ihr frisches, natür liche-, ungekünsteltes Wesen, die zarte, unberührte Keusch heit ihrer Mädchenseele es ihm, dem ernsten, reifen Mann, angetan hatte. Uwd nun. nun diese bittere Enttäuschung! Der Stolz des Mannes, der sich in dem Herzen seines Weibes alleiniger Herr und Gott gedünkt, litt unend lich .. . Wie sie ihm unbedingt «mit Leib und Seele er- geben geschienen! Wie er geglaubt hatte, jede Regung ihrer Seele zu kennen! Und nun — nun erkennen zu müffen, daß'sie ihn so schwer, so plump getäuscht hatte! Der Einsame sank stöhnend in den nächsten Sessel und stützte den Kopf, und suchte es sich zu erklären, es zu be greifen, das Unbegreifliche, Unfaßbare. Er bemühte sich, mit ruhiger Ucberlegung zu prüfen, SntschuldigungS- gründe zu finden. Vergebens! Er fand keine, er kam nur immer wieder zu dem Ergebnis: es war unbegreiflich und unentschuldbar! Nur eins gab es: vergessen, ver- geffen! Wenn er Glück hatte, fand er morgen früh die Kugel, die ihn von allen Zweifeln und Qualen erlöste. «Aber da trieb ihn ickb ein Gedanke in die Höhe: sein Kind! Was wurde aus seinem Kind? Eine heiße, über quellende Empfindung wogte in ihm und eine unbezwing liche Sehnsucht nach dem Anblick seines kleinen Sohnes erfaßte ihn. Er eilte hinaus, in das Kinderztmmer hin über. Aber der Kleine war nickt da. Er klingelte nach dem Mädchen und befahl ihr. die Amme mit dem Kinde zu rufen. „Sie sind beide bei der gnädigen Frau", erwiderte Las Mädchen. „Die gnädige Frau verlangte so sehr nach dem kleinen Hans." Er winkte. „Es ist gut. Lassen Sie ihn da!" Er kehrte in sein Zimmer zurück. Da» Mädchen zün dete Li« Lampe an. Er saß an seinem Schreibtisch und be gann an BeleSka zu schreiben. Der Brief sollte ihr nur in dem Falle, daß er von dem bevorstehenden Zweikampf nicht mehr lebend zurückkehrte, übergeben werden. Aber schon nach den ersten Zeilen ließ er die Feder sinken. Was sollte er ihr sagen? Sollte er ibr auch über da- Grab -inan» zürnen, sollte er auch angesichts de» Tode» sich unversöhnlich stellen? Er sprang auf und ging wieder grübeln- im Zimmer auf und ab. Ss fiel ihm plötzlich schwer aus dir Seele, -aß er sie gar nicht einmal angehört, daß er ihr nicht ein» mal da« Recht der Verteidigung, da- man auch dem ver worfensten Verbrecher unbeschränkt gewährt, gelassen ßaUe. E» kam auf einmal das zwingende verlangen, sie um Erklärung ihrer ihm unbegreiflich erscheinenden HandlnngSweff« zu fragen, und Entschuldigung-gründe zu hören, über ihn. Er wollte klar sehen, wie groß ihr Anteil an der Schuld und wie viel dem fremden Aben teuer zur Last zu legen sei. Als er in das Schlafzimmer etntrat, sah nur Johanna, das Hausmädchen, am Bett. Die Kranke schien zu schlummern. Er machte dem Mädchen ein Zeichen, zu gehen, und näherte sich auf den Fußspitzen dem Bette. Als er sich auf dem daneben stehenden Stuhle niederlirß, blickte die Kranke auf. Ein« schwache Röte huschte über ihr Gesicht und ihre Augen nahmen einen verschüchterten, flöhenden Ausdruck an. Bewegt neigte er sich zu ihrem Ohre. „Ich bitte dich, mir zu erklären, was dich veranlaßt hat, dein Bekanntfein mit — Baron Minolcsku zu ver leugnen." In ihren leidenden Zügen leuchtete cs auf. Offenbar gewährte es ihr eine Befriedigung, sprechen, sich verteidigen zu dürfen. Sie begann zu erzählen mit fieberischem Eifer, wie sie zuerst, ohne sich Rechenschaft davon zu geben, den Baron verleugnet habe. Sie schilderte ihre seelischen Kämpfe, ihren Gemütszustand, wie sic wiederholt ent schlossen mar, ihm alles zu gestehen, wie dann aber jedes mal ihr böser Dämon si« eingeschüchtert und wie er als letztes Mittel ihr gedroht habe, daß er einen Zweikampf provozieren und seinen Gegner töten werde. Herbert von Reßtorf hörte mit gemischten Gefühlen zu, zwischen Mitleid, Empörung und Zorn hin- und her schwankend. Da fühlte er sich leise, schüchtern an seinem Arme berührt. ,Last du — du das Bild?" fragte die Kranke zögernd. Er nickte düster. Da schien plötzlich ein alarmierender Gedanke in ihr auszusteigen, und mit einer heftigen Bewegung richtete sie sich auf ihren Ellenbogen auf. ,Hst — ist es zum Streite zwischen« euch gekommen? Hast du ihn beleidigt, Herbert? Hat er dich zum Duell gefordert?" Ihre Augen hingen mit einem Ausdrucke stärksten, verzweifelnidsten Entsetzens an ihm; ein heftiges Beben schüttelte die zart«, schwache Gestalt. Er erschrak. Die mahnenden Worte des Arztes fielen ihm ein. „Nein, nein doch!" rief er in heißer Angst. „Du schadest dir, Vally! Beruhige dich, ich bitte -ich in- ständig, beruhige dich!" Sie hielt mit krampfhaftem Griffe seine Hand gefaßt. .verheimlichst du mir auch nicht», Herbert?" „Nein, nein!" „Tu schwörst es mir?" „Ich schwöre ,» dir." Mit einem befreienden Aufatmen sank sie in ihre Kiffen zurück. Ein glückliche» Lächeln breitete sich über ihr Gesicht, ein Au-druck von Frieden und Ruhe. Mit unwillkürlicher Gebärde strich er ihr liebkosend über Stirn und Wangen, während es ihn heiß durch- schauerte. So verstrichen «in paar Minuten, ohne daß eine» von beiden rin Wort sprach. Seine Liebkosungen schienen ihr überau» wohl zu tun; ihr« Mienen glätteten sich, sie atmete ruhiger und tiefer. Ihre Augen schloffen sich u»d st» schien sanft at»»«schluannern. Herbert von Reßtorf trat an- Fenster und lehnte die heiße Stirn gegen die kühlen Fensterscheiben. Er wunderte sich über sich selbst. Alle gärende Unruhe, aller Zorn, alle Entrüstung schien aus seiner Seele ge wichen. . . . Mit einer plötzlichen Bewegung richtete er sich auf und drückte die geballte Faust gegen die Stirn. Er Tor, er unvernünftiger Tor! Hatte er nicht soeben selbst gelogen, Valeska getäuscht, zu einem Betrüge seine Zuflucht nehmen müssen? Und er hatte geglaubt, es ihr als todeswürdiges, unentschuldbares Verbrechen anzu rechnen, daß sie in der Angst um sein Leben sich hatte zwingen lassen, gegen ihn unwahr zu sein? Wahn sinniger Narr, der er gewesen, daß er geglaubt hatte, die unlöslichen Bande, die ihn mit der geliebten Krau, mit der Mutter seines Kindes verknüpften, in einer zornigen Aufwallung für immer aus seinem Herzen reißen zu können! . . . Leise, auf den Zehenspitzen, kehrte er zu ihrem Bett zurück. Sie schlief sanft und ruhig, in dem Bewußtsein feiner Liebe und Verzeihung. Lange betrachtete er sie schweigend, mit überströmenden Augen. Mit einem Seufzer riß er sich endlich los und kehrte in sein Zimmer zurück, um in einem Briefe voll Verzeihung und Liebe von ihr Abschied zu nehmen. Ein dumpfer Schmerz stellte sich ein und mit einem Gefühl schwerer Beklommen heit legte er sich um Mitternacht zur Ruhe nieder. Schon vor sechs Uhr erhob er sich. DaleSka schlummerte noch immer sanft und ahnungslos, während er sich zu dem Gange fertig machte, von dem er vielleicht nicht mehr zurückkehren würde. Und nun war e» halb sieben, Zeit, zu gehen. Noch einmal trat er vor ihr Bett und betrachtete sie lange, mit Blicken, die sich unter her« vorbrechenden Tränen verdunkelten. Da schlug sie plötz lich ihre Augen auf. Sie sah ihn verwundert an. ,Mas ist dir, Herbert?" fragte sie. Er war nicht fähig, zu antworten. Von seiner Be wegung übermannt, stürzte er tn seine Knie und barg sein Gesicht schluchzend tn den Falten ihres Deckbettes. Da ertönte plötzlich die Flurglocke und eine Minute später klopfte eS an die Tür. „Wer ist da?" fragte Herbert von Reßtorf, der sich rasch erhoben und schnell seine Fassung wiedcrgewonnen hatte. ,Herr Assessor Yrcuhofs möchte den Herrn Regierungs rat dringend sprechen", rief da» Hausmädchen hinein. Befremdet — denn sie hatten verabredet, daß er den Assessor abholen sollte — ging der Regierungsrat in den Salon hinüber. Der Asseffor kam ihm mit allen Anzeichen einer freudigen Erregung entgegen. »Da» Duell ist unmöglich, Herr Regierungsrat", sagte er, noch keuchend von dem eiligen Gange, von dem auch da» erhitzte Gesicht zcngte. „Wie?" fragt« der Angeredete überrascht. „Da» heißt das? Erklären Sie!" „Eben als ich mich in der Erwartung Ihre» Besuche» bereit hielt, suchte mich Herr von Döring, der eine der Sekundanten des Baron» MinoleSku, auf. Er brachte «ine verb'üffende Nachricht. Heute nachi sei wieder ein mal zwischen ihm. einigen anderen Herren und dem Baron ein scharfe» Hasardspiel in, Gang« »«wesen. Plktzlich seien zwei der Herren auf de» Rnw仫», d«r bi« Bank gehalten, losgestürzt, hätten ihm die Hände fest gehalten und ihn, den sie seit einiger Zett im Verdachte des Falschspieler»- gehabt, untersucht. Richtig, in dem linken Aermel seines Rockes hätte eine Karte gesteckt, die der Baron während des Spiele» beiseite gebracht habe. Natürlich, eine große Aufregung sei entstanden und man habe lebhaft beraten, was zu tun fei. Nach kurzer Debatte habe man sich dahin geeinfigt, ein Protokoll Ücker den Kall aufzunehmen, das Schriftstück aufzubewahren und nur für den Kall, daß der Ertappte sich den ihm ge- stellten Bedingungen nicht füge, davon Gebrauch zu machen. Dem Falschspieler habe man aufgegeben, un verzüglich die Stadt zu verlassen und nie wieder zurück zukehren. Unter diesen Umständen seien die Kartellträger des Rumänen llbereingekommen, daß ihr Mandant nicht mehr satisfaktion-fähig und mithin ein Zweikampf zwischen ihm und Ihnen, Herr RegicrungSrat, unmög- lich sei. UebrtgenS hat Herr von Minole-ku bereits mit dem ersten Frühzuge — um fünf Uhr — unsere Stadt verlassen." Mit starker seelischer Erschütterung hvrte Herbert von Reßtorf den Bericht an. Dann tat er einen tiefen, befreienden Atemzug und reichte mit einem aus vollem Herzen heraustbringenden: »Ich danke Fchnen, mein lieber Herr Freyhoff", dem Assessor herzlich die Hand. Als er an das Bett der in dumpfer Spannung Harrenden zurückkehrte und sie ihn mit fragendem, angst vollem Blick ansah, beugte er sich liebevoll zu ihr hinab, küßte sie in stiller Bewegung und sagte: „SS ist gut — alles gut, Schatz! Nun witzd nichts mehr unser Glück stören, nichts." . . . Erst ein paar Wochen später, al» sie beide Arm in Arm an dem paradiesischen Gestade de» Mittelländischen Meere- wandelten, berichtete er ihr die ganze aufregende Wahrheit. * * » Zwei Monate später kehrte Frau BaleSka mit frischen, klaren Augen und von Gesundheit prangenden Wangen mit ihrem glücklichen Gatten in die Heimat zurück. Am Bahnhofe wurden sie von Asseffor Freyhoff und Erna Sarnow empfangen. Gemeinsam machten sie sich auf den Weg nach der Reßtorfschcn Wohnung — voran die Herren und ein paar Schritte hinter ihnen die beiden Damen. »Nun, hast du «» überwunden?^ fragte Frau Bale»ka leise. Erna Sarnow nickte errötend. „Bis auf einen Rest von Empörung über mich selbst", antwortete sie. „Wie konnte ich nur so verblendet sein!" „Und wirst du je wieder einem Manne Glauben und Vertrauen schenken können?" fragte Frau Valeska weiter, voll Spannung in da- ernster und nachdenklicher ge wordene Gesicht de» jungen Mädchens blickend. Erna Sarnow nickte noch entschiedener und ihr Antlitz erglühte noch heftiger, während sich ihre Blicke unlwill- kürlich mit strahlendem Ausdruck aus den jüngeren der beiden vvrausschreitenden Männer richteten. . . . E » d e.
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