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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 07.02.1903
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1903-02-07
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19030207018
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1903020701
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1903020701
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1903
- Monat1903-02
- Tag1903-02-07
- Monat1903-02
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Schlichter, religiöser Sinn und die Ueberzengung, dah die Tüchtigkeit des Ein zelnen -er Lebensnerv des Volkes sei, kennzeichneten die Norweger. In Len matzgebenden Kulturstaaten ist die Sach lage längst verwickelter: Dte Industrie, dte gesellschaft- ltche Klassenbildung, die komplizierte Verwaltung»- und Gesetzgebungsmaschine, der Einflutz mächtiger kapitalisti scher Interessen, — ein gewisser materialistischer Zug er- schweren hier die Durchsetzung großer Gedanken, die an die Selbstüberwindung des Einzelnen sich wenden. Die Industrie schafft einerseits bar Geld in Form von Lohn und Verdienst und Mafsengetränke zu billigem Preis — anderseits auch höhere Intelligenz, bessere Volksbildung, feinere Lebenshaltung. Bon den europäischen Grotzstaaten ist England ohne Zweifel derjenige Staat, in dem alle Regungen des Volks- willens am sichtbarsten in Erscheinung treten, wo also auch am frühesten dem Umsichgreifen der Unmätzigkeit durch Vereine und durch das Parlament entgegengetreten wurde. Seit etwa 1825 arbeiten MätzigkeitS- und Ab- stinenzvereine. Heute mögen dieselben an 4 Millionen Mitglieder, einschließlich der Kinder der Laucks ok Sox«, zählen. AIS Steuerauelle wurde das Bier schon 1848 unter Cromwells „langem Parlament", der Branntwein 1660 angezapft. 1751 erließ das Parlament eine Akte betreffs der „äisoräsrl^ ftonaen". Diese war hauptsächlich im Inter- esse der Sicherheitspolizei eingegeven. Die eigentliche KonzessionterungS- (I.ice-nsss-) Gesetzgebung setzt zuerst mit den fiskalischen Matznahmen der Lroiss Inesnsss-^ot von 1825 ein, nimmt aber schon in der 1828 einen sozialpolitischen Stempel an, mit dem Zweck, ein Ueber- hanbnehmen der Schankwirtschaften hintanzuhalten. Da mals wurde eingeführt, daß die Schankgerechtsamkeiten jährlich durch eine Versammlung der Friedensrichter zu gewähren oder zu erneuern seien, also auch von Jahr zu Jahr entzogen werden können; eine Bestimmung, die übrigens auch die preußische Schankgefetzgebung von 1811 bis 1869 enthalten hatte und dte mit Einführung der Ge- Werbefreiheit fiel. Dann folgen bis ans das Gesetz, das am 1. Januar 1903 in Kraft getreten ist, noch etwa 84 Gesetze, die sich mit dem Schankwirtschaftsgewerbe befassen. In den 60er Jahren besaßen dieselben zum Teil allerdings eine „freihändle rische" Tendenz, das Gesetz von 1872 entzog endlich die Konzessionsbefugnis für Verkauf über die Straße den Steuerbehörden und stellte auch diese Geschäfte unter den gemeindlichen Konzessionszwang. Persönliche Erforder nisse des Wirtes, sachliche des Lokals, Verkaufsstunden (Ge setze von 1864,1865 und 1881), Lizenzgebühren (für Brannt wein- und Bierschänken etwa die Hälfte -er Jahresmiete) und das Strafmaß für Verfehlungen -er Wirte werden geregelt. Die Steuergesetzgebung befaßt sich in 14 Parla- mentSakten mit den alkoholartigen Getränken und sucht allmählich die Abgaben höher zu schrauben, um durch höhere Preise neben steigenden Einnahmen den Verzehr zu vermindern. Dte britische Bierbesteuerung von 4,05 ^i! per Hektoliter ist gegenüber der deutschen, die etwa 0,90 ^t! per Hektoliter beträgt, und die britische Branntweinsteuer von 8,80 per Liter reinen Alkohols gegenüber der deut schen von etwa 127 um das Vier- bezw. Dreifache höher. 1879 geht die Habitus) Druukarck ^at (Gesetz betreffs der Gewohnheitstrinker) durch. Das Gesetz von 1898 führt die gerichtliche Uebcrführung straffälliger Trunksüchtiger in Trtnkerheilstätten ein. Das Gesetz von 1901 stellt den Verkauf von berauschenden Getränken an Kinder unter Strafe. Der lüoenainx ^ct von 1902 zur Hintanhaltung der Trunksucht, der am 1. Januar in Kraft getreten ist, aber nur für England, nicht für Schottland und Irland gilt, fügt neue Maßnahmen zu den alten. Er stellt den für England neuen Grundsatz auf, daß auch ohne Haftbefehl Personen ihrer Freiheit beraubt werden dürfen, selbst wenn sie sich keiner Straftat schuldig gemacht haben, ein fach wenn sie in betrunkenem Zustand sich öffentlich zeigen, ganz gleichgültig, ob sie durch unanständiges Benehmen Acrgernts erregen oder nicht. Ist in Begleitung der be- trunkenen Person ein Kind unter 7 Jahren, so tritt Straf verschärfung im ersten Fall bis 40 oder auch Haft bis zu einem Monat ein. Dte Trunksucht deS ManneS ward, wenn mit Mißhandlung verknüpft, schon durch da» Gesetz über die summarische Aburteilung von 1895 als Treu- nungs.(nicht Lcheiduugs-)grund der Ehe angesehen, nun ist auch die der Ehefrau als solcher anerkannt, und zwar fpielt „Mißhandlung" keine Rolle mehr. Notorisch trunksüchtige Personen dürfen auf richter lichen Beschluß aüf 3 Jahre keine Schankstätte besuchen bet Strafe von 10—20 ^t!, und Schänkwirte, denen sie namhaft gemacht worben sind, dürfen ihnen in ihren Lokalen keinen Aufenthalt gewähren oder ihnen sonst berauschende Ge tränke zustecken. Angetrunkenen dürfen die Wirte nichts mehr verabreichen, sie auch nicht in ihren Räumen dulden. Strafen von 200—4000 im Einzelfalle sind gegen Ver stöße der Wirte vorgesehen. Ueber den Wert dieser Straf bestimmung gegen Trunkene sind die Meinungen unter den englischen Richtern und Magistratspersonen sehr ge teilt. Biele neigen der Ansicht zu, daß allzu scharf schartig mache und daß besonders die ärmeren Leute hart getroffen werden; doch liegt der Gedanke nahe, daß die Wirte ihnen zu helfen wissen werden (Einrichtung von „Leichenkam mern", in denen Betrunkene ihren Rausch ausschlasen können, und deren Heimbefördcrung durch Droschke). Bon weittragenderer Bedeutung kann sich aber die Be strafung der Wirte und die Verschärfung der Konzessions erteilung bez. die Entziehung der Konzession solchen Wir ten gegenüber erweisen, dte sich ungesetzliches Verhalten zu schulden kommen lassen. Für den Geschäftsgeist in England ist es bezeichnen-, daß eine Versicherung der Wirte gegen Verluste Lurch Geldstrafen sich aufgetan hat. Ein jeder Schankwirt bekommt beim Magistrat ein beson deres VerhaltungSkonto und dessen Stan- soll bet den jährlichen KonzessionSerneuerungen in Betracht gezogen werben. Da nun dte ehrenamtlichen Friedensrichter in gemeinsamer Beratung über die Neuerteilung, Verlänge rung und Uebertragung der Schankgerechtigkeit ganz nach eigenem Ermessen und ohne Angabe der Gründe zu ent- scheiden haben, so ist hier ein neuer wirksamer Hebel zur Einschränkung der Zahl der unordentlichen Wirtschaften gegeben, von dem man sich um so mehr versprechen kann, als die Friedensrichter angesehene Männer sind, deren Interessen nicht mit denen der Schankwirte verknüpft sind. Die bisherige, allerdings ziemlich milde Handhabung der KonzessionSgewährung ist weniger auf Jntereffengemetn- schäft, als auf ungenügende Würdigung -er Alkoholgefahr zurückzuführen, in einqelnen Gegenden vielleicht auch auf politische Rücksichtnahme. Da aber die Alkoholgegner immer mehr ein politischer Machtfaktor werden, so schwinden auch die Gleichgültigkeit und die Zaghaftigkeit. Die Klubs, die für alle Schichten der englischen Be völkerung eine grobe Bedeutung besitzen, haben von jeher das Recht, in ihren Räumen an Mitglieder und eingeftthrte Gäste ohne besondere Konzession berauschende Getränke zu verkaufen. Wollen sie fernerhin von dieser Vergünsti gung Gebrauch machen, so müssen sie sich bei Gericht in eine Liste etntragen lassen, ihre Satzungen hinterlegen, die Namen ihrer Vorstände und ihres Geschäftsführers und die Zahl ihrer Mitglieder angeben und alle einge- tretenen Veränderungen anfangs des Jahres melden. Die Geschäftsführer haften persönlich für dte strenge Be obachtung aller Vorschriften des neuen Gesetzes in den Klubräumen. Verfehlungen gegen diese Bestimmungen und das Ausschänken berauschender Getränke seitens un eingetragener Klubs wird mit empfindlichen Geldstrafen, im Wiederholungsfälle sogar mit Bußen bis zu 1000 oder auch Gefängnis bis zu einem Monate bedroht. Die Polizei ist ermächtigt, sich von dem Wohlverhalten in -en Klubräumen zu überzeugen. Ausgenommen sind einzig und allein die akademischen Klubs in Oxford. Das neue Gesetz wird ferner als eine Ergänzung zur Trunksuchtsakte von 1898 wirken und manche Personen zu ihrem eigenen Heil in Trtnkerheilstätten führen, deren Vermehrung sich bald sehr fühlbar machen dürfte. Fragt man nach dem Erfolge der bislang eingeführten Maß nahmen, z. B. den Sonntagsschluß und die hohe Besteue rung durch Staat und Gemeinde, von denen man eine weitgehende Einschränkung -es Konsums hätte erwarten sollen, so ist die Antwort allerdings keine recht befriedi gende. Die Zahl der Schankstätten ist bei der rationellen Konzefsionsgesetzgebm g nicht sehr hoch und im Rückgang. (In England 1879: 117 000,1900: 125 000; in London eine auf 446 Bewohner, dagegen eine in Berlin auf 185, in Frankfurt a. M. auf 145, in Hamburg auf 152, in München auf 200, in Dresden und Breslau auf 213 Bewohner.) Dte Kabrtkstädte weisen bis zu 1 Schankstätte auf 176 Be wohner auf. (In Essen nur eine auf 457, Dortmund 329, Bochum 275, Chemnitz 285, Magdeburg 213, Mülhausen t. E. 204, Zwickau 191, dagegen in Halle 166, Schöneberg 164, Kottbus 161, Solingen 152, Glauchau 133, Gera 126, Fürth 101.) Der Konsum ist in England pro Kopf etwas höher, nicht ganz ohne Grund nimmt man an, daß der sonntägliche WtrtShausschluß dem Familientrunk Vor schub leistet. Im Jahre 1898 trank der Engländer durch- schnittlich 10,9 Liter reinen Alkohol, der Deutsche nicht er heblich weniger, nämlich 9,8 Liter. Der Wert des ver zehrten Bieres, Weines und Branntweines bezifferte sich in Großbritannien 1899 auf 3243 269 480 macht also 81 auf den Kopf, oder nach Schätzung Rowntrees von ca. 140 durchschnittlich auf den Trinker (unter Ausschluß der Kinder und Abstinenten). In Deutschland kann man den durchschnittlichen Konsum alkoholhaltiger Getränke -u gleicher Zeit auf -en Kopf mit etwa 51 beziffern. In England un- Deutschland kann man allerdings die Be obachtung machen, daß der Branntweingenuh auf Kosten des Bierverzehrs zurückgeht, immerhin ein Zeichen fort schreitender Bildung, gesundheitlich aber ein fragwürdiger Gewinn. In Anbetracht der sehr hohen englischen kom munalen und staatlichen Besteuerung wird zugegeben wer den Missen, daß bei einem wirtschaftlich fortschreitenden Volke die hohe Besteuerung allein noch keinen genügenden Damm gegen -ie Gefahr de» AlkoholismuS bildet. Trotz aller gesetzliche« Maßnahmen und aller Bereinsarbeit hat sich in England gerade in -em letzten Jahrzehnt dte bedenk liche Erscheinung gezeigt, daß in der Frauenwelt aller Ge sellschaftsschichten die Neigung zum Trünke wächst. Sta tistisch feststellen läßt sich deren Anteil am Alkoholgenussc freilich nicht, aber die zunehmenden Verurteilungen von Frauen wegen ungebührlichen Betragens (im Vergleich zu den Männern in den nördlichen Grafschaften 1:8, in London 1:1,4) und dte Ueberfüllung der Heilanstalten für Trinkerinnen sind Beweis genug für die traurige Tat sache. Die englische Bevölkerung scheidet sich mehr und mehr in zwei Lager, einerseits in das der Enthaltsamen und Sehrmäßigen, anderseits in das der Gewohnheitstrinker und — -trtnkertnnen. Die erstere Gruppe ist der Träger -er Kultur und des sozialen, wirtschaftlichen und religiösen Fortschritts; wenn auch eine Minderheit, ist sie doch schon stark genug, Englands Schicksale zu beeinflussen. Das Trunksuchtsgesetz von 1898 ging von der richtigen Grund anschauung aus, Trunksucht sei in vielen Fällen eine heilbare Krankheit, bas Gesetz von 1901 sucht dte Kinder vor Verführung zu schützen. Das neue Gesetz erklärt den Mangel an Selbstbeherr schung, aus dem allmählich die Trunksucht erwächst, für eine Schande und die Ausbeutung der Trinklust seitens -er Wirte für sträfliche Habsucht. Drei Siege der Mäßtgkeitssache! Deutsches Neich. /». Berlin, 6. Februar. (L. von RankeS Verhältnis zu Politik und Presse in seinen letzten Lebens jahren.) Im Februarhefte der „Deutschen Revue" ver öffentlicht F. von Ranke Mitteilungen aus dem Leben Leopold Ranies. In diesen fesselnden Mitteilungen sind für den Politiker diejenigen besonders interessant, die über daS Verhältnis Rankes zu Politik und Presse iu seinen letzten Lebensjahren einiges Licht verbreiten. F. von Ranke pflegte dem großen Geschichtsforscher, seinem Baler, nach dem Thee aus der „Kreuzztg." vorzulcsen. Dabei suchte er zuerst heraus, was für Ranke von Interesse sein konnte, also nur wenig von den Personal-, Lokal- und Familiennachrichtrn, dann kam der Leitartikel: die ersten zwei Sätze zeigten dem Hörer, ob der Inhalt des Lesens wert sei. Hatte er doch auch die Gabe, bei dem Gespräche mit einer ihm bisber unbekannten Persönlichkeit sofort zu erkenne», wes Geistes Kind er vor sich hatte. Gerade so war es bei der Zeitung. Ganz besonders hatte eS ihm der Wiener Korrespondent der „Kreuzztg." angetan oder es langweilten ihn die österreichischen Verhältnisse; denn eine Korrespondenz aus Wien durfte jedenfalls nie zu Ende gelesen werden. Leopold von Ranke hat die „Kreuzztg." von ihrem ersten Entstehen an gehalten, weil sie seinem politischen Standpunkt am nächsten kam, aber er war keineswegs immer mit ihr einverstanden. „Die persönlichen Angriffe Diest-DaberS auf BiSmarck", bemerkt F. von Ranke, „verletzten ihn tief; für die Hammersteinschen Gesetzentwürfe hatte er keine Spur von Interesse. Die antisemitische Bewegung verwarf er; für das Auftreten StöckerS fehlte es ihm an Ver ständnis." — An Wahlen bat sich Ranke nie beteiligt. Warum, sagte er, jemandem seine Stimme geben, der doch teilweise ganz andere Anschauungen bat? Ein Freund des allgemeinen Stimmrechtes ist Ranke nicht gewesen. Daß der Arbeiter sozialdemokratisch wähle, war »hin sozusagen Natur gesetz. An den ReichStagSverbandlungen aber nahm er leb- hasteu Anteil. Bismaicks, Windlborsts, Laskers, Richters Reden ließ er sich bis zum letzien Worte vorlesen, und ent hielt der ParlamcntSbericht eine wichtige Debatte, so kehrte er später als gewöhnlich zu seiner wissenschaftlichen Arbeit zurück. Dann nahm sein Sohn erst gegen Mitternacht Ab- schied, und er tat eS in der berechtigtsten Bewunderung des Greises, der auch dann noch seine Arbeit fortsetzte. -i- Berlin, 6. Februar. (Reichstag und Landtag.) Die „Kreuzztg." ist ganz damit einverstanden, daß die Regierung dem Reichstage über Dinge, die zur Zuständigkeit eines Landtages gehören, keine Auskunft gibt. Dagegen hält die „Kreuzztg." eS für falsch, daß Vie Landtage nicht daS Recht haben sollen, ReichSangelegenheiten zu erörtern. Denn ReichSangelegenheiten, die der Beschlußfassung des BundeSratrS unterlägen, für die also die Vertreter der Einzel staaten durch ibre Regierungen instruiert werden, seien uustrrittig auch Laudesangelegenheiten und könnten als solche in den Landtagen erörtert werden. Von diesem staatsrecht lichen Standpunkte aus dürfen tue Landtage schlechthin jede ReichStagSaogelegenheit vor ihr Forum ziehen. Denn eS gibt kein Geirtz, daß der Beschlußfassung de« BundeSratrS nicht unterläge, und auch keine BundesratSverordnung, die von lolcher Beschlußfassung befreit wäre. Mithin würde bei konsequenter Durchführung der von der „Kreuz- »eituug" vertretenen Ansicht nicht allein die parlamentarische Erörterung der Landtage in« uferlose gehen, sondern es würden auch die Landtage grundsätzlich und tatsächlich ein Vorrecht vor dem Reichstage erkalten. Ein derartiger Zu stand ist staatsrechtlich und praktisch unhaltbar. Und deSbald muß man es der Regierung Dank wissen, daß sie die Er- Llteruug von LaudtagSaugelegeuhritra un Reichstag« ebenso abschneidet, wie die Erörterung von Reichstagsaagelegeu- heiten im Landtage. Diese« Verfahren ist allerdings der „Kreuzztg." und ihrer Partei im vergangenen Jahre im Abgeordnetenbause einmal höchst peinlich geworden! 6. 8. Berlin, 6. Februar. (Demonstration der deutschen Bauarbeiterschäft.) An die Bauarbeiter schaft Deutschlands (BauhülfSarbeiter, Bauklempner, Bau schlosser, Bautischler, Bildhauer, Dachdecker, Glaser, Maler, Maurer, Ofensetzer, Steinhauer, Steinsetzer, Stuckateure, Zimmerer) hat sich die Zentralkommission für Bauarbeiter- lckutz gewendet und beruft die genannten Branchen auf den 29. und den 30. März nach Berlin rin. C« soll der zweite Bauarbeiterschutzkongreß abgebalten werden, der sich zu einer „imposanten Demonstraiion gegen die Mißstände im Bau gewerbe" gestalten soll. Im Anschluß an diesen Kongreß halten die Zimmerer, die Maler, die Maurer und di« Bau arbeiter ihre Verband-tage ab. Es wird also Ende März und Anfang April in Berlin dir Entscheidung darüber fallen, in welchem Umfange der Lohnkampf in diesem Jahre sich abspielen wird. Wir glauben, daß er schärfer und ernster als je entbrennen werde, denn dir sozialdemokratischen Organi sationen sind gestärkt und die Kassen vorzüglich gefüllt. Haben doch in einer einzigen Woche, der letzten im Januar, die Maurer Berlin« über 19 000 an die Zentrale in Hamburg abliefern können. Unter der Flagge „Besserer Schutz im Baugewerbe" macht man die verschiedenen Branchen mobil, schweißt sie zusammen und bearbeitet sie dann auf den verschiedenen Einzelkongressen weiter. Einzelne Gewerkschaftsführer haben unumwunden angekündigt, im „roien Wahljahre", in dem die Massen sich so wie so in lebhafter Bewegung befänden, müsse man wenigstens in den Hauplzentren den Achtstundentag erkämpfen; selbstverständlich dürst man keinen LobnauSfall gegen früher erleiden. Von Gegenmaßregcln verlautet noch nicht viel, obgleich da- Bau gewerbe schon Beunruhigungen genug erlebt hat, um den Arbeitgebern di« Notwendigkeit der Anwendung umfangreicher Abwehrmittel nahe zu legen. D Berlin, 6. Februar. (Telegramm.) Der Kaiser unternahm nach der gestrigen Familien-FrüdstückStafel einen Spaziergang im Schloßhof und hielt später eine Vor besprechung über da« Krregsspirl im Apollosaal« ab. Zur Abendtafel waren keine Einladungen ergangen. Heute morgen von 9 Uhr ab machten der Kaiser und die Kaiserin mit dem Kronprinzen eine Promenade im Tiergarten. Der Kaiser hatte darauf eine Konferenz mit dem Reichs kanzler. Nachmittags beabsichtigt der Kaiser di« Aus stellung der Spiritus - VerwertungS-Genossenschaft in der Srestraße zu besuchen. — Die Kaiserin stattete gestern vor mittag der Fürstin zu Wied einen Besuch ab. — Aus der Poststatistik, die dem Reichstage zu- gegangen ist, ergibt sich, daß die Zahl der Telegramme im Jahre 1901 gegenüber 1900 nur um 1,2 vom Huudert zu genommen hat. Das ist, meint die „Freis. Ztg." offenbar die Folge der Aus dehnung des Fernsprechnetzes, denn die Länge der Telegraphen- unb Fernsprechleitungen hat in diesem Jahre um 27,8 vom Hundert, die Zahl der Apparate um 16,5 vom Hundert, der Ver- bindungsanlagcn zwischen Stadtsernsprecheinrichtungen verschiedener Orte um 36,2 vom Hundert, der Sprechstellen ausschließlich der öffentlichen um 18,9 vom Hundert zugenommen. Hervorzuheben ist aus dieser Statistik auch, daß in der Beförderung der Zeitungsnummern ein Rückgang von 1,3 vom Hundert eilige- treten ist, wogegen die Beförderung der Drucksachen eine Zu nahme von 9,8 vom Hundert aufweist. Der bar» Umsatz aus Anlaß des Postanweisungs-, Auftrags- und Nachnahmeverkehrs hat um 3,9 vom Hundert zugenommen und 18 640 Millionen Mark betragen, darunter Postanweisungen allein 16 329 Millionen Mark. T Danzig, 6. Februar. (Telegramm.) Bei der heutigen Landtagsersatzwahl im Wahlbezirke 2 Danzig wurden nach amtlicher Ermittelung 439 Stimmen abgegeben. Von diesen fielen auf Rechtsanwalt Rudolf Keruth in Danzig (freisinnige Volkspartei) 436, auf Hauptmann und Gutsbesitzer Schrewe m Prangschin (kons.) 3 Stimmen. * Bremen, 6. Februar. Die Arbeiter der Werft de« Bremer Vulkans beantworteten die Aussperrung von 500 Arbeitern mit der Verhängung der Sperre über die ganze Werft. Die Direktion kündigt die Schließung der Werft au, falls bis Sonnabend die Sperre nicht aufgehoben wird. (Magdeb. Ztg.) r. Ariern, 6. Februar. Die Vertrauensmänner der konservativen und der nationalliberalen Partei be schlossen einstimmig, für die kommende Reichstags- und LanvtagSwahl die bisherigen Abgeordneten Scherre- Leubingen und Bürgermeister Knobloch-Sangerhausen wieder aufzustellen. ä. Gera, 6. Februar. Der dem Landtag zugegangene Rechenschaftsbericht über die Finanzperiode 1899/1901 zeigt im allgemeinen kein erfreuliches Bild der Finanzen im Fürstentum!. Allerdings war die Einnahme auf die Periode nur mit 7 958 400 veranschlagt, betrug aber 8 947 525 6, dagegen betrugen die mit 8 194 209 .4? veranschlagten Aus gaben in Wirklichkeit 8 879 422 und die Matrikularbeträge waren um 572 715 höher, als vorgesehen war. Den Mehrausgaben stehen Ersparnisse in den verschiedenen Ab teilungen der Verwaltung des Fürstentums gegenüber, ferner an Mehreinnahmen aus dem Reiche 272 841 396 625 ^tk aus der Einkommensteuer und auS der Giunbsteuer 16 723 Mark. Endlich sind infolge von Erbschaftsregulierungea etwa 38 000 -E Steuern nacherhoben worden. AuS dem bestehenden Fonds zur Entschädigung an unschuldig ver urteilte oder verhaftete Personen Hal auch in dieser Periode keine Entschädigung gewährt zu werden brauchen. Oesterreich Ungarn. Dte Armees-rache. " Pest, 6. Februar. (Abgeordnetenhaus.) Ministerpräsident v. Szell ergreift daS Wort, um aus den Einspruch de« Abgeord neten Barta (Kossuthpariril gegen die gestrigen Ausführungen d»S »rafen Andrasfy zu antworten. Im Haus« herrscht groß»
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