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02-Abendausgabe Dresdner Nachrichten : 09.09.1905
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1905-09-09
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id501434038-19050909020
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id501434038-1905090902
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-501434038-19050909
- oai:de:slub-dresden:db:id-501434038-1905090902
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungDresdner Nachrichten
- Jahr1905
- Monat1905-09
- Tag1905-09-09
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Au- Niudisungen aui der Drivatieite Seile N Psg : die rivallige SeileaulDerl leite so Li«., als Eingetanl» Seile so Pis In Nummern nach kann- und getcriagen t ivalüse üsrund.cüe so Pia. aul Privalieitc «o Plg.. rivanige Zeile aus Terlieitc und alz Eingciandi so Pis Auswärtige Auf träge nur gegen Vorausbezahlung, Bcleadlätier werde» mit io Psg> berechnet. kernsvrcchaiwchlud: «mt I Sir. U und Sir. L«l>a» I8glil!!l Isükki IVIäl MIM liiil „Vvssllnöi- Ksekl lvllien" il, ÜIi6l'!ö88Il!Il iiim Ü8i!kl!kl>! WR» §vi«»nl- Neueste Drahtberichte. Hofuachrlchtc», PriisungSstichcn, Abslinententag. AUS» TjUksski. „Fansl". Die Tragödie eines Weibe-. Der Ausruhr im Kaukasus. CmmnUclld, 1). September 1905. Neueste Drahtmeldungeu vom 8. Septbr. Koloniales. Berlin. Amtlich wird gemeldet: Die zum Angriff gegen Hendrik Witboi versammelten Truppen haben am L. August den Vormarsch angelreten. Die Abteilungen Estorss «ld Lenaerke erreichten nach Säuberung des Nananib- und Hanauiplareaus die Linie Kleiiisontein—Cyamis. Der Marsch über die mit Felsgeröll bedeckte, van ticfeingeschnittenen Schluchten durchzogene Hochfläche war außerordentlich schmierig. Die Truppen fanden tagelang kein Wasser. Mehrere Hotten tottenbanden wichen »ach Westen zurück und werden verfolgt. Die Abteilung Roppy imnschiert aus Sincla'rmine zur Säube rung des Tirasgebirgcs und der Äruabbcrgc. Das Haupt quartier befindet sich in Chamis. Die Cl,olera-lSefakr. Berlin. Gestern liefen in Berlin Gerüchte über einen choleraverdächtigen Todesfall um: es handelte sich um den hier verstorbenen Holzschneidereibesitzer Zyrus in der Friedensstraste. Wie Wolsss Telegraphen-Bureau zuverlässig er fährt, ist nach Obduktionsbefund und bakteriologischer Unter suchung Choleraverdachl ausgeschlossen. Brombcrg. Der „Ostdeutschen Rundschau" zufolge ist in Folichno (Kreis Wirsitzj eine cholerakranke Flößcrssrau gestorben und ihr Mann erkrankt. M a r i e n w e r de r. Ten „Neuen Wcslpr. Mitteilungen" zufolge ist bei gwei Kindern in Nicderausmaß und Graudenz Cholera bakteriologisch festgestcllt worden. Antwerpen. Die „Mölropole" meldet, daß die Gesund- beitskommission der Schelde wegen der Cholera in Deutsch, land die Verfügung erlassen hat, daß Schiffe aus Königsberg i. Pr. und von der Weichsel unter Quarantäne gelegt werden sollen. Erdbeben. R o m. Aus Süditalien wird über heftige Erdbeben be richtet: In Catanzaro fand heute morgen 2,55 Uhr ei» Erdbeben statt, das 18 Minute» andauerte. Mehrere Mauern sind ein- gessiirzt, andere, beschädigt. Im Hospital wurden zwei Kranke verletzt. Nachrichten aus Monte di Ealabria zufolge ist dort außerordentliche. Schaden entstanden. Sieben Personen wurden getötet und 27 Insassen des Gefängnisses verletzt. Die Gegend von Pizzo soll fast völlig verwüstet fein In Messina wurde um 2,43 Uhr ein sehr starkes, wellenförmiges Erdbeben verspürt. Rom. Aus Monte-Leone wird gemeldet, daß infolge des Erdbebens sämtliche Häuser in Slesanaconi ein gestürzt sind. Man befürchtet, daß sich etwa 100 Personen unter den Trümmern befinden. Truppen find zur Hilfeleistung in Monte-Leone eingetroffen. Auch in Marcivanv sind alle Gebäude eingestürzt. Bis jetzt sind sechs Schwcrverwundete unter den Trümmern hervorgezogen worden. Catanzaro. Die letzten Nachrichten aus dem vom E r d - beben betroffenen Gebiete lauten sehr ernst. Pizzo, Monte- leoue und Martirano sollen nahezu in Trümmern liegen. Zahl reiche Menschen sollen zu Schaden gekommen sein. Zur Lage in Rußland. Petersburg. Heute fand hier die erste Sitzung einer gemischten Kommission für die Frage der Ausdehnung und Organisation der Unterstützung mit Lebensmitteln der von Mistern le ustv. betroffenen Provinzen stall. Auf Grund des vorgelegtcn Berichts wurde fcslgcstclll, das; unter dieser Not besonders die Provinzen Saratow, Njäsan, Ssamara, Pensa, lambow und Orel, sowie Noronesch und Tula zu leiden naben. Nach annähernder Schätzung wird man für die genannten Provinzen etwa Zsisih Millionen Pnd Getreide zu Nahrungs zwecken und ungefähr 12>ä Millionen Pud Saatgclrcide nötig naben. Für die übrigen Provinzen wird man ungefähr 22 Mil- lionen Pud zu Nahrungszwecken und 3sch Millionen Pud als Saatgelreide nötig haben. Zum Ankauf dieses Getreides wird der L-taatsschatz mehr als 36 Millionen Rubel anwcisen müssen. London. lPriv.-Tel.j Nach hier eingelaufenen Privat- berichten aus Baku sollen die Aufständischen das Arsenal in die Luft gesprengt haben. — Der Petersburger Berichterstatter der „Times" meldet, dast die Petroleum- und N a p h t h a - I n d u st r i e im Kaukasus zu gründe gerichtet ist. Die Arbeitslosen werden auf hunderttausend Mann beziffert. — Aus Wien und Bukarest wird übereinstimmend gemeldet, dast die Unruhen in Kischinew am Montag und Dienstag viel schlimmer waren, als offiziell zugegeben wird. Die Volksmenge vernichtete, plünderte und brannte das Eigentum der Juden nieder. Baku. Balachany ist vollständig ausgebrannt. Die Tataren schleppen alles, was nur den geringsten Wert hat, fort. Bibieibat brennt noch. In den Strasten Bakus fallen nachts Schüsse. Die Börse und die Banken sind geschloffen. Die Verluste sind enorm. Baku. Mittwoch nachmittag wurde der Friede zwischen Armeniern und Tataren ansgerufcn. Durch die Feuersbrünste ist vielfacher Schaden ang-richtet worden. Die Bohrgebicte brennen weiter. Zum gricdeusskhlnft. London. Nach einer Meldung des „Daily Telegraph" begannen die Unruhen in Tokio deswegen, weil fünf Führer der öffentlichen Meinung verhaftet wurden. Am Montag abend fand eine Protestvcrsammlung statt. Am Dienstag sammelte sich eine Volksmenge von hunderttausend Personen, die die Nationalflagge, mit schwarzen Bändern verhüllt, trugen, außerhalb des Hibiyo-Parkes an und rissen das Geländer nieder. Von Parlamentsmitgliedern wurden Reden gehalten, dast an Marschall Oyama telegraphiert werden sollte, daß er den Kampf fortsetzen und nicht den Frieden, der eine Schande für die Nation sei, annehmen solle. Ebenso wurde beschlossen, den Geheimen Rat mit einer Petilion an den Kaiser anzugchen, dast er den Frieden nicht ratifizieren möge. Als die Lcule den Park verließen, hörten sie, daß Graf Katsnra und der Polizeipräfekt sich im Hause des Ministers des Innern befänden. Sie griffen daraus das Haus an und beschossen cs. In der Nacht zum Mittwoch hatte eine Versammlung von Vertretern aus allen Teilen Japans stattgesunden. Es wurde beschlossen, eine Bittschrift an den Thron, den Geheimen Rot und das Parlament zu richten, mit dem Ersuchen, den Friedensvcrtrag nicht z'u ratifizieren. Am Mittwoch fand im Palast eme Konferenz statt, wohin die Minister unter dem Schutze von Kavallerie geleitet wurden. Tokio. Der Stadtkommandant General Sukumo hat eine Bekanntmachung erlassen, worin er das Volk aufsordcrt, sich von den A u s r u h r c r n fernzulmllcn. In Tokio ist der heutige Tag ruhig verlaufen. Aus Schiba wird gemeldet, daß die Prä fektur und das Gcrichtsgcbäude nicdergebrannt sein follcn. Die Zeitung „Niroku" ist suspendiert morden. Homburg v. d. H. Der Kaiser begab sich heute vor mittag 8' ^ Uhr im Automobil nach dem Paradcselde bei Ricdcr- eschbach, die Kaiserin fuhr mit der Kronprinzessin ebendahin zu Wagen. Auch der Kronprinz sowie die übrigen hier weilenden, an der Parade teilnehmenden Fürstlichkeiten und Prinzen haben sich zu Pferde dorthin begeben. Das Weiler ist trübe mit leichtem Regen. Thorn. Bei der gestrigen R e i ch s t a g s - E r s a tz w a h l wurden nach den bis heute vormittag 101-2 Uhr vorliegenden Meldungen für Ortel jnat.-lib.j 11 786, für Breyski lPoles 10 905 und für Sremsri lSoz.f 736 Stimmen abgegeben. Es stehen noch einige Ortschaften der Kreise Eulm und Briefen aus. Pla » eni. V. Das seit dem 24. Juli vermißte Schul mädchen Ella Müller ans Schönhcidc ist, wie der „Bogt- ländische Anzeiger" meldet, heute vormittag durch Spürhunde unter einem Reistighaufcn in einem Walde bei Schönheide als Leiche aufgesundcn worden. Es liegt wahrscheinlich Lust mord vor. Emden. Heute früh 3 Uhr entstand in dem Magazin- ebäude der hiesigen Werft „Nvrdseewcrke" ein Großserie r, as das Magazin in kurzer Zeit einäscherte. Dank dem sofortigen Einschresten der freiwilligen Feuerwehr konnte das Feuer aus seinen Herd beschränkt werden. Paris. Der „Temps" meldet, die gegenwärtigen M a r o k k o - V e r h a n dl u n g e n beträfe» den Konfercnzori. die Anleihe, die Mole von Tanger und die Grenzpolizei. Ws Konferenzort ständen Tanger und eine Stadt in Südspaiuen in Frage. Bar sur Aube. Der Oberbefehlshaber, General Brugäre, gab gestern ein Diner z» Ehren der fremden Offiziere, die den große» Manövern beiwohnen Bnigere trank dabei aus das Wohl der Staatsoberhäupter der 22 ver tretenen Länder »nd aus das Gedeihen der Länder, und dann besonders auf die aus drei Generälen bestehende omerikanffchc Abordnung, aus das große Amerika, sowie aus Präsiden! Roosevclt, den er als wahren Soldaten bezcichnetc, welcher durch seine Klugheit, seine zielbewustte Festigkeit und die Lauter, keil seines Charakters soeben der Menschheit einen unermeßlichen Dienst erwiesen habe. Der dänische General Hegernian-Linden- kron dankte un Namen der fremden Staaten für den Empfang und trank auf Frankreich und den Präsidenten Loubet. So dann trank der amerikanische General Chasfee, welcher ans führte, er glaube nicht an eine baldige Verwirklichung der Friedcnsträume, auf die französische Armee. Havre. Ein großer Teil des Kreidefelsens an de Küste ist eingestürzt. Ter Scheinwerfer und die Batterie, die sich ans dem Helfen befanden, sind mit in die Tiefe gesiurz». linier den Jelslrüin'icrn wurde die Leiche eines Kindes aus- gesunde». R o m. Kardinal Pierotti ist gestorben. Delio sProvinz Mailands. Bei der Eröffnung einer hier veranstalteten Ackerbau-Ausstellung hielt der Minister des Aenßeren, T i t l o n i, eine Rede, in der er darauf hinwies, wie notwendig cs für die wirtschaftliche Entwicklung des Landes sei, den inneren wie den äußeren Frieden zu erhalten. Bezüg lich der ä n ß e r c n P o l i t i k sagte der Minister: .Mein ständiges Bestreben ist es, den äußeren Frieden zu kichern und dabei nichts zu versäumen, um die wirklichen Interciicv des Landes zu wahren. Gerade im Bewusstsein meiner Pflicht und meiner Berantworilichkcil finde ich die Kraft und Energie, nm denen zu widerstehen, die das Land in Abenteuer stürzen möchten, und die dadurch, dast sie immer neue Fragen aus- werlen, nach unb nach mit allen Großmächten in Streit ge raten und sich schließlich mit allen überwerten würden. Eiuei solchen Politik der Abenteuer ohne jede praktische Unterlage steht das Land ablehilend gegenüber." Kopenhagen. Ter König hat unter dem 5. September verfügt, dast der Kriegs- und Marineminister in Zukunst d » Bezeichnung Verteidigungsminister zu führen Hobe Kopenhagen. Das englische K a n a lg e s ch w ad e r ist vormittags 10 Uhr hier cingctroffcn und auf der Außen- rccde vor Anker gegangen. Lertliches und Sächsisches. Dresden, 8 September —* Sc. Majestät der K önig traf heute vormittag zu Pstude iin Resideiizschlosse ei» und empfing hier die TcpartemcntschesS der Hofstaate». Zur Mittrgstasel kehrte er nach Pillnitz zurück. —* König Eduard von England, der in Manenbad zur Kur weilt, bcsnchlc am 6. d. M. im Rennautomobil de» Kcil- »nd Fichlelberq. Er fuhr über die Stadt Platten, von da nach kurzem Aufenthalt bei Johaiingcorgciistadt vorüber das Schwar;-- wafscrtal aufwärts nach Gottesgnb. —* Gestern weilte Herr Staatsmiinster Dr. von Sende Witz in Begleitung des Herrn Geh. Schulrats Dr. Kühn in Wurzen. Unter Führung des Herrn Bczirksschnlinspettors Dr. Blichet besuchten sie die Töchterschule, die Mädchenschule am Domplatz und die Knahenhürüerschiilc und wohnten dem Unter richte der Herren Direktoren und verschiedener Lehrer und Lehre rinnen hei. Hieraus stattete der Herr Minister dem Herrn Bürger meister Dr. sur. Sechen im Rathanse cincn Besuch ab, bei welcher Gelegenheit er sich über daS in den Schulen Gehörte und Gesehene sehr befriedigt nusstnach. Knust und Wissenschaft. s* König!. Hoffchauspiel. In einer der bedeutendsten Rollen des ganzen Charakterfaches, als Mephisto in Goethes „Faust", trat Herr Mehnert, der neue Mann im Neustädter Hause, gestern abend sein Dresdner Engagement an. Man sarf wohl sagen: mit entschiedenem Erfolge, trotz mancher Aus stellung im einzelnen. Was von vornherein wieder für den Künstler einnahm, war die starke schauspielerisch« Intelligenz in der Ausgestaltung der Rolle, iodann die außerordentliche Kraft, mit der er die Höhepunkte seiner Partie in ein Helles Licht zu rücken versteht. In der Auslassung der Figur hielt sich Herr Mchnert streng an die ältere Tradition, die von Schdelmann klassisch verkörpert wurde, und die von den jüngeren Schanspieler- größen nur „och Possart pflegt: er war der absolute Teufel, nicht der diabolische Junker ü Is Damison: wenigstens in der Hauptsache. Bisweilen strebte der Künstler — nicht immer mit dem gleichen Glück — eine Verbindung beider Auffassungen an, so in der Schüler- und in der Garten-Szene, die, einige Ueber- trcibilngen abgerechnet, für diesmal die besten Eindrücke ver mittelten. Hier, und vielleicht mehr noch in den beiden Unter redungen mit Faust gelang es Herrn Mehnert vor allem, die geistige Prägnanz des chcvaleskcn Verführers mit einer dialektisch sophistischen Feinheit zur Geltung zu bringen, die man diesem brutalen Teufel gar nicht zugetraut hätte. So ziemlich völlig unterschlug dafür der Künstler den Humor der Rolle: die Schalkhaftigkeit, die io selbst der Herrgott sim Prologs an Mephisto rühmt und ohne die der ritterliche Freund vom Faust n-ur eine unvollkommene Teusesrolle spielt, vermißte man empfindlich. Die me 't viel zu absichtlichen komischen Lichter, die Herr Mehnert hier »nd da der Figur dafür aiifictztc, wirkten doppelt deplaciert, da er ganz unvermittelt daneben pathetische Akzente erklingen ließ. So sehr ich sonst geneigt bin, diesen das Wort zu reden — der Hanswurst-Mephisto, wie er neuerdings bei den naturalistischen Schauspielern Mode wird, ist Goethes Intentionen zuwider —, so dürfen sie doch keinesfalls zu sehr gehäuft werden, da das tragische Pathos der ironischen Nega tivität des Mephisto eigentlich widerspricht. Am stärksten und unmittelbarsten wirkte der neue Darsteller da, wo er heroische Kraft entwickeln, wo er in gesteigerten Maste» die Figur entstehen lassen konnte. Eine Vorliebe >ür die gewisse „bengalische Be leuchtung", wie ich cs nennen möchte, einen Hang zum Opcrnhaften in der Pose must der Künstler, dessen bedeutende Qualitäten ein strenges Messen mit dem höchsten Maste zur Pflicht machen, energisch bekämpfen, ebenso wie die Bevor- zuguiig einer allzu gutturalen Sprechweise, die einer pl-i>Iischc» Tonbehnndliing nicht günstig, ja der Deutlichkeit, namentlich bei der raschen Abwicklung größerer VerSpoelien, leicht hinderlich ist. Alles in allem war aber jedenfalls die Leistung des Künst lers wohl dazu angetan, sicher mehr als die wenig glückliche Wahl seiner Gaslspielrcllen, frohe Hoffnung auf sein gedeihliches Wir- ken in dem Ensemble unseres Hofschanspiels zu erwecken, nament lich soweit es sich — was immer wieder betont werden soll - um die Verkörperung soaenannlcr Charaklcrhcldcii Handels, um das üble Wort aus dem Theaterjargon einmal zu brauchen. Hier darf die Kritik von Herrn Mehnert das Beste erwarten: möge er sie nicht zur falschen Prophetin machen. — Im übrigen gab die Vorstellung, in allen Rollen ganz jo besetzt wie immer, zu kritischen Ausstellungen keinen besonderen Anlast. Für die reiche theatralische Staffage, die man bei uns i» Reichtum, Fülle »nd Glanz der Dichtung zu teil werde» läßt, kann man nur Worte höchster Anerkennung bereit halten, ebenso für das sei» abgetönte Ziisammenspiel (Oberrcgissenr Lewingerl und das Streben sinnt icher Mitivirkciiden.dcr Dichtung allcnthall'en tiefgehendste Eindrücke zu sichern. Das reichste Verdienst in dieser Hinsicht erwarben sich auch gestern Frl. P olitz an deren Gretchen neben der Tiefe dcS Gefühls die pocsievcrklärte Natürlichkeit immer am meisten zu sie wundern bleibt, und Herr Wiecke, der das, was er äußerlich an Macht der Persönlichkeit als Faust vermittelt läßt, reichlich dadurch ersetzt, daß er das philosophisch-lyrische Element der Rolle restlos zur Geltung bringt und die nimmer befriedigte, träum- dunkle Sehnsucht des ideal abstrakten Philosophen ebenso glücklich zu betonen weiß wie die jugendlich-feurige Schwärmerei des romantisch-sinnlichen Liebhabers. — Ein Schönes noch zum Schluß: das Haus war, trotzdem die Voistellnng außer Avon»c- ment stattfand und die Herrlichkeit eines Svätsommeltagcs van seltenem Glanz ins Freie lockte, nahezu vollständig ausvcrkanft. Gewiß ein schönes Zeugnis für unser Thcatcrpublikum, das sich hierin mit der Kritik eins weiß und in den Klassikern noch immer den ruhenden Pol in der Erscheinungen Flucht sicht. 4V. Tie Tragödie eines Weibes. lDer Prozeß Murri-Bonmartini.f Der berühmte italienische Historiker Gugliclma Ferrcto veröffentlicht im Pariser „Figaro" einen seittattonclle» Aussatz über den Prozeß Murri-Bonmartini, worin er nachzu weisen sucht, daß Linda Bonmarlini, die Tochter des Professors Aiigustv Murri. die unlängst in Turin wegen entfernter Mit schuld an d«m Morde ihres Gatten zu 10 Jahren schwerem Kerker verurteilt wurde, das Opfer eines Justizirrtums ist. Wir lassen aus diesem Plaidoycr nachstehend die wescntlickfen Stellen folgen: Ich glaube, dast sich seit langem in Europa keine Tragödie ab gespielt hat, so kompliziert, so aufregend, so geheimnisvoll, wie der Prozeß Murri, der kürzlich vor dem Schwurgerichte in Turin beendet worden ist. Tneienigen, die die Entartung der Demokratien studieren, würden vergebens eine grauenvolleres Phänomen suchen, als diesen ungeheuren Ansall von Kollektiv- Wahnsinn, den ein iiiinieriöses Dervrechen hcrvorricf und dessen Opfer ein geistig hochstehendes Weib wurde. Hübsch, außerordentlich intelligent und gebildet, von be strickenden, Zauber, Besitzerin einer bedeutenden Mitgift, schien Frl. Linda Murri, die Tochter des Professors an der medizini schen Fakultät in Bologna und des berühmtesten Arztes in Italien. Herrn Augusto Murri, alle Erfordernisse zu einer glücklichen Heirat in sich zu vereinigen. Das Unheil wollte es, daß sie durch ihre eheliche Verbindung mit einem jungen Manne aus Padua, Francesco Bonmartini. eine bejammernswerte Frau wurde Ihr Gatle entstammte einer erblich belasteten Fannlie, in der es zahlreiche Geisteskranke gab. Er gehörte unter jene Kategorie von Leuten, die äußerlich normal scheinen, deren seelische Zcr- rüttuna nur ihrer intimsten Umgebung sich enthüllt. ToS wurde Frau Linda Bonmarlini klar, als sie den wahren Charakter ihres Mannes erkannte. Sie war ein herzensgutes, vornehmes, geistvolles und kunstsinniges Weib, die den edlen Ehrgeiz hatte, aus ihrem Gatten einen distinguierten Mann zu machen, Ui«
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