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Dresdner Journal : 21.06.1870
- Erscheinungsdatum
- 1870-06-21
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id480674442-187006217
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id480674442-18700621
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-480674442-18700621
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungDresdner Journal
- Jahr1870
- Monat1870-06
- Tag1870-06-21
- Monat1870-06
- Jahr1870
- Titel
- Dresdner Journal : 21.06.1870
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13S lw ZMrlict»! Srdlr.-»»r ^MrUetz- l ., IL ,. ll»»«tl>ed l— „ Ib „ l» ^»u—» «ritt jldrtlod it sdlr. 8lrmo«Iis«dllkr, «u»»rrd»Id a«> lioniä. 8iu>6s- ko«« uoä 8t«wp»Iru»cdl«^ tu»»«. Z>»seralrnprnle: kür ä«a N»om einer ^««pLlteueo Teil«: 1 vut«r „Liux«»»oät" äi« Teil«: L Kxr. Lrschrtnea: Hl^Ilek, oUt Li-o-din» äer 8ono aoä p-l-rt-U», ^d«uü» kür Len tolxei-äeo 1'»^ Dienstag, den 21. Jnni Drcs-nerIMmal. Verantwortlicher Redacteur: I. G. Hartmann. 187N. rnseratenannnnm» imswän«: l.«Ip«Izk: t'« ii«Li,r>»r,ri»i« 6omwi»,tovXk <ie, Dre-Uner ^oarn»!»; »den<I»» : kl k>or.»x, k!l a>:»r k'anr; NTindirrg-klerU».- V>»»-I.«ip»i^-L»»vl-krnvL/lirt e. A Zl Vaal.««, LorUo. Onorivs'sLile Uuckli., 1irrr:»ri:ri>»', Nurenu, Itvoor-rii ^kn»»«; Nrewen: >: 8>:vi.orr»; Lr«>I»a: 1. Urmo««'» ^nooneer^urvLU, .lrnrx, Ur«l L kriurxo; kriuillknrt -.».: 3x>i«» n' >el>« Uncvk.; Lol»; kiui«: Ui.1.1.1,« Lk,»., (8, ki»c« <ie I» Lnnr,«); kr»x >'» ?:u«l.lcu'>, Nuedd.' Vi»o. ^i.. O-rLl.1» igeraurgrdtr. klöoixk. Lrpeäitivn äs» vrsiällsr ^onrvni», vreiüen, Lk«r^»r«tkiei>^it»io kio. I. Amtlicher Theil. Dresden, 20. Juni. Sc. Königliche Hoheit der Kronprinz ist heute früh I Uhr von Marienbad wieder hier eingetrofsen. Dresden, 11. Juni. Se. Majestät der König haben allergnädigst zu genehmigen geruht, dast der Vorsitzende de- deutschen Musikoerrins, Professor Carl Riedel zu Leipzig die von Er. König!. Hoheit dem Grobherzog von Sachsen-Weimar'Eisenach ihm verliehene Dekoration eines Ritters des Hausordcns der Wachsamkeit oder vom weißen Falken anuehme und trage. Dresden, 13. Juni. Se. Majestät der König haben allergnädigst zu genehmigen geruht, daß der Concert- meister Ferdinand David zu Leipzig das von Sr. LLnigl. Hoheit dem Großherzoge von Sachsen-Weimar- Etsenach ihm verliehene Ritterkreuz erster Abtheilung deS Hauscrdens der Wachsamkeit oder vom weißen Falken annehme und trage. Dresden, 14. Juni. Se. Königliche Majestät haben den Oekonomteinspcktor Oskar Liebusch in Milke! zum Friedensrichter im Amtsbezirke Königswartha zu ernennen geruht. Dresden, 17. Juni. Se. Königliche Majestät haben dem Hüttenmeister Carl Julius Böhmer auf dem Echindler'schen Privatblaufarbenwerkc das Ehrenkreuz des Albrcchtsordens zu verleihen geruht. Bekanntmachung. Nachdem von dem Präsidium des Norddeutschen Bundes auf Grund von Art. 50 der Verfassung dem zcitherigen Postrath bei der Ober-Post-Direktion zu Leipzig Louis Eduard Albert Lehmann die Stelle eines Ober-Postrathes bei genannter Obcr-Pvstdirection übertragen worden und die landesherrliche Bestätigung dieser Ernennung erfolgt ist, so wird dies hierdurch zur öffentlichen Kenntniß gebracht. Dresden, am 11. Juni 1870. Finanzministerium. Freiherr von Friesen. Heydenreich. Nichtamtlicher Theil, llebersickt. Telegraphische Nachrichten. Zritungöschau. (Berlinskc Tidcude. — Belgische Blätter) LageSgeschichte. Berlin: Hcfnachrichten. Müuz- rnquSte. Die Nothstandsdarlehen. Dementis. — Köln: Erbauung neuer Forts. — München: Land- tagsverhandlungen. — Stuttgart: Der Kriegs- ctat. — Wien: G<meindedcputaiion beim Kaiser. Zur Weltausstellung. — Pcsth: Vom Unterhaus?. — Paris: Schreiben ocs Kaisers nach England. Vom gesetzgebenden Körper. Die Gotthardbahnangelcgcn- dcit. — Brüssel: Bericht des Justizministcrs. — Florenz: Tagesbericht. — Rom: Vom Concil. Anleihe. Jubiläum. — Madrid:»Von der Car- listischcn Junta. — Lissabon: Königliche Decrete. — London: ParlameniLverhandluugcn. — Kopen- bagen: Ankunft der Großfürstin Dagmar. Vom Landsthing. — Bukarest: Scnatvrwahlen. — Athen: Das Räuberunwcscn. — Washingthon: Neuer Gencralstaatsanwalt. Postalisches. AuS Venezuela. Ernennungen, Versetzungen rc. im öffentl. Dienste. Dresdner Nachrichten. Provinzialnachrichten. (Leipzig. Chemnitz. Leisnig. Falkenstein.) Beilage. Inserate. Telegraphische Nachrichten. Paris, Sonntag, 19. Juni, Morgens. (W.T. B ) Der „Constitutlonnel" erklärt die Gerüchte, nach welchen für die Abreise deü Hofes nach St. Feuilleton. K. Hoftheater. Sonnabend, den 18. Juni, trat Herr Karl Porth vom k. Theater zu Hannover in zwei kleinen LustspiclrvUen mit glücklichem Erfolg auf. Der Gast spielte in dem Friedrich'schen Virtuosenstück chen „Doctor Robin", das ich aus dreizehn Grün den, von denen die letzten zwölf überflüssig sind, nicht sür „neu einstudirt" anerkenne, den Garrick. Die Aus führung desselben war durchweg geschickt, die Verän derung des Organs frappant und der innerliche Pflicht kampf mit dem lcichtentzündlichen Künstlcrherzcn psy chologisch tüchtig herausschattirt. Ein hiesiger Doctor, der manche gute Bemerkung ins Leben gerufen und da gegen noch keinen Patienten umgebracht hat, ist der rich tigen Meinung, daß der wirkliche Garrick vermöge sei ner geschmackvollen feinen Künstlernatur sich in einen alten Doctor verwandelt haben würde, der in Maske und geistiger Farbenhaltung bei Weitem nicht so grell hätte erscheinen dürfen, als dieser Jahrmarltsdoctor mit wenigen Ausnahmen, vor Allem der des Herrn Emil Devrient, auf dem deutschen Theater eingebürgert ist. DaS gebildete Zeitalter Garrick'S und die srctern Spiel raum gebende Schablonenzeichnung des einactigen Lust spieldichters rechtfertigen und ermöglichen diesen Wunsch. Herr Porth kann vielleicht davon profitiren, da er dem allgemeinen Usus folgte. In dem amüsanten Lustspiel „Ein modernerBar« bar" spielte Herr Porth drnsKonstantin v. Horst, und diese Leistung verdient als eine sehr achibare hcrvorge- hoben zu werden. Es handelt stch nicht, wie gewöhn lich, um einen Kultur^sondern um einen Naturrussen, eine jener seltsamen und gutartigen Mischungen von kurz gespanntem Herzenstrotz und vierspännig fahren der Schwermuth, naiver Exaltation und tyrannischer Cloud wegen deS Gesundheitszustandes deS KaiserS Gegeubefehle ertheilt worden seien, für unbegrün det und fügt hinzu: Der Kaiser leidet nur an einem Podagraanfalle, welcher ihn nicht verhinderte, der Sitzung deS MintsterrathS beizuwohnen. Brüssel, Sonntag, 19. Juni, Morgens. (W. T B.) Der „Moniteur Helge" schreibt: Wir er fahren, daß die Minister ihre EntlaffuugSgesuch« in die Hände deS Königs niedergelegt Haden. Der „Jndöpendance beige" zufolge würde daS neue Ministerium folgendermaßen zusammengesetzt sein: de Raeper, Jacobs, Thönissen, Royer, de »ehr und Delcour. Dresden, 20. Juni. Durch die im Anfänge dieses Monats erfolgte Ver änderung des dänischen Cabinets ist die nordschleS« wigsche Frage neuerdings auf die Tagesordnung der Kopenhagener Presse gebracht worden. So behan delt der frühere Conseilspräsident, Bischof Mvnrad, in einem der Charakteristik des vorigen und des jetzigen Ministeriums gewidmeten Artikel der vsfictösen „Ber- lingske Tiden de" die Frage, ob das neue Cabinet dem Auslande gegenüber cine andere Stellung cinneh- men werde, als sein Vorgänger, und sagt: „Es ist angerathen worden, daß der Mtmster des Aeußern eine Höhere und kräftigere Sprache sprechen sollte. Wir kön nen diesem Rathe nicht beistimmen. Der Mächtige ver mag stets den Schwächer» in nachdrücklicher Sprache zu überbieten, und es ist nicht angenehm, sich in dieser Beziehung überbieten zu lassen. ES ist scruer geäußert worden, die Regierung müsse die Unterhandlungen mit Preußen für abgebrochen erklären. In der tiefen Fin- sterniß, in welche sich die diplomatischen Verhandlungen einhüllen, müssen wir es für richtig erachten, die Sache der Weisheit unsrer Negierung zu überlassen. Wir werden uns darauf beschränken, nur einige ganz all gemeine Bemerkungen zu machen. Nach unserm Da fürhalten zeigen sich in Betreff unsrer Zukunft zwei Strömungen in der öffentlichen Meinung. Einige meinen, daß Dänemark sich nur bei vollständigster Erfüllung der Bestimmungen des Präger Friedens zufrieden ge ben und deshalb jedes Anerbieten, welches dem nicht entsprechend ist, verwerfen müsse. Man glaubt au das Nahcbevorstehen großer Umwälzungen und daß man als Alliirter einer Großmacht seinen Willen wird durch setzen können. Andere könne» indeß die Symptome zu einer Störung deS Weltfriedens nicht entdecken und be fürchte», daß Dänemark bei einer evcniuelleu Bethei ligung am großen Wettkampfe leicht zu Grunde gchen könnte; sie wünschen deshalb cine Abmachung der schwe benden Frage, wenn se lche auf irgend euw hmbarc Be dingungen erreicht werden könnte. Sollte es sich nun wirklich so verhalten, dann ist die Meinungsverschie denheit nur theoretisch. Im entgegengesetzten Falle ist cs die Majestät, welche durch die Wahl ihrer Minister den entscheidenden Einfluß auszuüben hat. Weder der Reichstag, noch die Presse wird in einer Sache von dieser Beschaffenheit irgend eine Bedeutung haben können." Die zu Anfang voriger Woche vollzogenen Neu wahlen sür die vier Provinzen Ostflandern, Henne gau, Lüttich und Limburg zur Erneuerung der Hälfte der Kammer der Repräsentanten, welche in Belgien alle zwei Jahre stattfindct, haben mit einem entschie denen Siege der von ihren Gegnern todtgcsagten katho lischen Partei des Landes geendet; das Ministerium hat volle 14 Stimmen verloren, die katholische Partei einen Zuwachs von 9 Vertretern erlangt, während die auf die übrigen 5 dem Ministerium verloren gegan genen Sitze Gewählten unabhängig oder radicale Pro- gresststen sind. Dieses Ergebniß ist um so überraschen der und sür die doctrinär-liberale Regierungspartei empfindlicher, als dieselbe in dem bei Weitem größten Theile der Beamtcnwelt und der Presse dienstbare An hänger zählt und von der kürzlich erfolgten Katastrophe der Langrand-Dumonccau'jchcn Schwindclunternehmun- Noblcsse. Es find Sonderlingserscheinungen, wie sie die Autokratie und die Barbarei mit angesäuselter Bil dung bei einem gemüthweichcn Volke massenhaft hervor bringen. Dieser Konstantin, der die Russinnen zu fett, die Polinnen zwar schön, aber nur ein Jahr lang treu und die „schlanken" deutschen Frauen in dem angeneh men altväterischen Glauben findet, in der Ehe bis ans Ende ausharren zu müssen, ist sehr hübsch gezeichnet und von Herrn Porth ohne Ucbertrcibung so speciell durchstudirt, wie cS jetzt leider bei den meisten Schau spielern zum Schaden ihrer Kunst aus der Mode ge kommen. Spiel, Redeweise und Sprachacccnt waren in allen Nüancen trefflich ausgesührt und gaben ein erheiterndes und, was mehr ist, ein wahres Charak terbild. Herr Koberstein hat seinen Landjunker Alfred v. Horst mit ungewöhnlicher Illusion gespielt, denn da ich etwas entfernt saß und anfangs den Theater zettel nicht laS, so erkannte ich den Künstler nicht so fort, was mir sonst trotz seines intelligenten Strebens leider noch niemals bei Herrn Koberstein passirt ist. „Familienzwist" von Putlitz dürfte eher als neu einstudirt gelten. Bet diesem humoristisch-satirischen Genrebilde der damaligen deutschen Tagesgeschichtc, die nun Historie geworden, ist wegen mehrfacher Neubesetz ung ein ganz anderes Zusammenspiel erforderlich. Das Resultat war erfreulich, und Frau Bayer brachte in die Nolle der Friedensvermittlerin Concordia durch die Weichheit und Wärme ihres Naturells ein natürlich versöhnendes, echt weibliches Element. Mit der komischen Charakteristik deS Herrn Dessoir als Jäger Patzig kann ich gar nicht einverstanden sein. Es kommt nicht darauf an, cine Rolle „wohl oder übel", sondern nur darauf, sie „wohl", d. h. mit Wahrheit und Geschmack zur Wirkung zu bringen. LaS „übel" gen cine ihr günstige Beeinflussung der öffentlichen Stim mung erwarte» konnte. Die Bestürzung im liberalen, die freudige Ucberraschurg im katholische» Lager war daher aucy, namentlich im ersten Augenblicke nach d m B^kanntwerden des Wahlergebnisses, nicht gering. So schreibt von den dec Negierung nahe stehenden Organen das „Echo du Parlcment": „Die liberale Partei ist besiegt, die Klerikalen triumphiren. Das Mini sterium ist ohne Majorität in der Nepräsentantenkam- mer, die Gewalt fällt in die Hände der Katholiken" (hierauf erfolgt eine erbitterte, höhnische Apostrophe an die Sieger). — Das „Journal de Gant" sagt, dieses Mal befestige sich in der That der Ultramon- tanismus mit Kühnheit, indem er auf die Wähler den famosen Erlaß deS leidenschaftlichen Prälaten Malou anwende: „Die Candidaten sind nur Das, was ich will, daß sie sein sollen; Ihr habt Euch weder um sie, noch um die Mittel, die ich gebrauche, zu bekümmern; die Kirche ist Alles in Allcm, sie spricht: gehorcht!" — Die „Jndependancc bclge" bemerkt: „Wenn die Wahlen für die klerikalen einen unbestreitbaren, wenn gleich ungenügenden und unwirksamen Erfolg documen- tiren, so sind sie ein bezeichnender Schlag, eine strenge, aber nicht unverdiente Lehre, cine vielleicht um so heil samere Züchtigung, je härter sie ausfällt sür jene Fraktion der liberalen Partei, welche sich mit dem Na men des Doktrinarismus schmückte und deren entner vende Politik den Liberalismus paralystrte, indem sie seine berechtigten Bestrebungen systematisch zurückwics." — „Die liberale Partei", heißt es in der „Etoile beige", „ist vollständig geschlagen.... Die Minorität ist eine andere geworden und das Cabinet über den Haufen geworfen." — Die katholischen Blätter, wie das „Journal de Bruxelles", „Bien Public", die „Gazettede Liöge", begnügten sich dagegen anfangs damit, den Triumph ihrer Sache zu constatiren, den Rücktritt des Cabinets als dessen unvermeidliche Folge hinzustellen und einige ebenfalls nicht allzu zarte Aus fälle gegen die bisherige Regierung und dte liberale Partei zu machen. — Der „EScaut" sieht in dem Wahlrejultat „eine energische Bethätigung des Volks- Willens, welcher cine ernste und weite Ausdehnung des Stimmrechts und stufenweise Reduktion der Militär lasten verlange." — Allmählich aber, nachdem die erste Hitze verraucht, beginnen die Organe beider Parteien die Situation in gemäßigterm Lichte zu betrachten. Die Katholiken, deren hervorragendste Führer in Rom weile» und die seit der Längrand'schen Affaire kaum in der Lage sind, einen ebenso unbescholtenen als tüchtige» Staats mann aus ihrer Mitte an die Spitze dec Regierung zu stellen, sind nahe daran, einzugcstehen, daß sie mehr gesiegt haben, als ihnen eigentlich lieb ist, und die Liberalen sammeln sich wieder und fassen die Even tualität einer Auflösung der Kammer ernsthaft ins Auge, wobei sie zugleich eine Läuterung ihrer Partei verlangen. So tröstet sich die bereits cttirte „Jndö- pendance bclge" damit, daß die Clericalen, selbst wenn sic ans Ruder gelangten, ihre Ideen nichtsdesto weniger nicht würden verwirklichen, noch die Schöpfungen des liberalen Ministeriums redressiren können, so tief seien die lctztern in das Bewußtsein der Nation eingcdrungen. „Wenn auch die Katholiken die Oberhand gewinnen", so lautet das Urthcil des wett verbreiteten Blattes, „ihre Ideen bleiben doch verworfen; wir werden Clc- ricale am Ruder sehen, aber nicht die Träume des Clericalismus verwirklicht." — Aehnliche Erwartungen äußert das „Journal de Lisgc": „Ihr Sieg wird die Opposition in cine nicht geringe Verlegenheit stür zen. Die clericale Partei hat leider ausgehört, eine Re gierungspartei zu sein; ihre wahren Häupter huldigen Anschauungen, denen sie nicht ohne energischen Wider stand wagen dürften, in ihren Handlungen Geltung zu verschaffen.... Sie hat keine Staatsmänner mehr und ist offenbar nicht in der Lage, eine lebensfähige Ver waltung zu begründen. Man wird also gezwungener maßen und in nicht zu langer Frist zu einer liberalen Regierung zurückkehren müssen." — Das „Organe de liegt in der vorherrschend äußerlichen carikirten Auf fassung, die zu sehr an das Sommerthcatcr unter freiem Himmel bei Wurst und Bier erinnert. Ein alter Jäger, der schon nüchtern auf Beinen dahinhumpclt, die nicht ihm zu gehören scheinen, muß natürlich im Trünke eine sehr effectvolle Spottgestalt für die Galerie werden, aber ein echter Künstler sollte nie zu steigen glauben, wenn er sich zur Galerie hinaufspielt. Je derber ein^ Figur vom Dichter gezeichnet ist, je mehr hat sich der Schauspieler bei rein realistischen Lebensbildern vor einem Hinausschreitcn über die letzten Linien zu hüten. Eine unvergleichliche, lebenswahre Erscheinung war der Patzig des Hrn. Räder, und doch besaß dieser Künst ler einen wirklichen, vom Augenblick gebornen Humor, um dessen willen seiner Phantasie manche Abschweifung erlaubt sein durfte. Wer weder ähnlichen Humor noch jene Phantasie besitzt, muß das schauspielerische Werk zeug des Verstandes verständiger gebrauchen. Otto Banck. Felice. Eine Erzählung. Von Pauline Schanz. (Fortsetzung auS Nr. 138.) Gotthard hatte, angesichts seines nahen TodcS, noch kaum daran gedacht, wem einst sein Erbe zu Gute kommen sollte. Vielleicht Piola oder Viola's Kindern. Aber Viola war versorgt und sie und ihre Kinder brauchten wahr scheinlich sein Geld nicht- Es konnte aber anders noch segensreich wirken und ihm selbst war cs vielleicht noch Vorbehalten, wenigstens nach seinem Tode der Welt zu nützen, für dte sein Leben vollständig nutzlos gewesen. Er beschloß sein Haus und sein ansehnliches Ver mögen zur Begründung einer Kunstschule, die nach Namur" erwartet von der „Logik der Thatsachcn" zu nächst eine (bekanntlich schon eingetrctene) MinistcrknsiS und allgemeine Wahlen vor Schluß les Jahres. „Was auch erfolgen möge", bemerkt dazu das Namurer Blatt, „auf alle Fälle muß die liberale Partei sich un verzüglich organisircn und ein neucS Programm auf stellen, welchem die aufrichtigen Prvgressisicn sich anzu schließen vermögen." — Das „Journal de Char leroi" meint geradezu: „Wir haben nun unser Werk von vorn anzufangcn und die liberale Meinung auf weitern und soltdern Grundlagen wieder aufzmichien", und bezeichnet auch sogleich einige jüngere Kräfte, wel chen sie diese Mission auferlegt zu sehen wünscht. — Die „Meuse" hält gegenüber einer „so zusammenge setzten Kammer", wie die gegenwärtige, „kein Ministe rium für möglich" und den Ausweg aus der bevor stehenden politischen Krise für „äußerst schwierig". — Pikant ist die philosophische Haltung der Antwerpener „Opinion", welche die Situation in folgender Weise beurtheilt: „Uebrigens haben die Wahlkörper das Recht, ihre Interessen Denjenigen, die sie für geeignet batten, anzuvertrauen. Die Wähler von Gent, Verviers, Char leroi und Soignies haben Appetit nach dem klericalis- mus verspürt. Sie werden daran zu kauen haben. Wenn nach Boerhave ein kleiner Exceß von Zeit zu Zeit sehr heilsam ist, so wird eine gründliche Je uitcn- indigestion diese guten Städte von der bittern Stim mung purgiren, die sie gegen ihre alten Verbündeten hegten. Allerdings nöthigen sie uns, ihnen zur Ge sellschaft mit zu mediciniren; aber wir wollen hoffen, daß die Cur nicht zu lange dauern nnd der Liberalis mus, auf Diät gesetzt, sich danach nur um so wohler fühlen wird." Tagesgeschichte. * Berlin, 18. Juni, lieber die Reise Sr. Maje stät des Königs nach Ems sind folgende Bestimmungen getroffen. Die Abreise von Berlin erfolgt morgen Abend 12 Uhr per Extrazug. Am Montag früh wird Sc. Majestät in Kassel eintrcsfen und die dortige Ausstellung zwischen 8 und 10 Uhr besuchen. Die Ab reise von Kassel wird König Wilhelm Vormittags l 1 Uhr antreten und in Ems Nachmittags gegen 4 Uhr ein- trcffen. — Heute früh nahm Se. Majestät das Stand- bilv dcs Königs Friedrich Wilhelm lll. in Augen schein. Der König ist zu Pferde in d:r Gcneraisuni- form, seiner Zeit mit dem Generalshute und zmückge- worscncm Mantel, dargestellt; die Statue allein !9 Fuß hoch, also höher als die Reiterslatue Friedrich's dcs Grcßekl; doch wird das ganze Monnm nt nicht höher als jenes sein, weil das Pieoestal und der Sockei nie driger sind. Dicht hinter dem Monument sind auf bei den Seiten Rundtheile angelegt, auf denen später, man sagt in vielleicht 2 Jahren, die Statuen der Frhrn. v. Stein und v. Hardenberg ausgestellt werden sollen. Vor das Monument, an die Ecken des Platzes nach dem Schlosse zu, sind die Fontänen verleg: worden, beide von derselben Dimension, wie die cine frühere. Sonach wird der Lustgarten in seinem neuen Gewand: sicher einer der schönsten Plätze und eine neue Zierde Berlins Wersen. Nächsten Montag beabsichtigt erc tönigl. Ho heit der Kronprinz die dann von den Gerüsten bereits befreite Statue in Augenschein zu nehunu — Wie dte „N. Pr. Z." erfährt, hat Se. Majesiäl der König sür die Abgebrannten in Konstantinopel 20,000 Frcs. aus dem Kronfideicommißfond anzuwcisen geruht. — Das Befinden Ihrer königl. Hoheit der Kronprin zessin und der neugebornen Prinzessin ist, dem neue sten Bülletin zufolge, zufriedenstellend. — Der comman- direndc General des Gardccorps, General der Cavalcrre P.inz Augnst von Württemberg hat heute einen mehrwöchentlichen Urlaub angctreten und sich nach St. Petersburg zum Besuche seiner Schwester, der Großfür stin Helene von Rußland, begeben.— Die „N.Pr.Z." dementirt die Zeitungsnachricht von einer bevorstehen den längeruUrlaubsreise des Krugsministcrs v. Noon. — Der Ausschuß des Bundesrathcs des deutschen seinem Hingang ins Leben treten sollte, zu bestimmen, welche neben zahlenden Eleven eine Anzahl Freistellen für mittellose Schüler, die er besonders im Auge hatte, enthalten sollte. Der Anfang dieses Unternehmens konnte, den Verhältnissen nach, nur klein sein, aber cs war doch immer ein Anfang, cs konnten, durch seiu Vorgehen angeregt, andere Vermächtnisse dazu kommen und so endlich mit der Zeit der Baustein, den zu legen er stch entschlossen, sich zu einem stattlichen Gebäude gestalten. Dieser Plan, der plötzlich in ihm entstanden war, begeisterte Gotthard, zog wie ein plötzliches Licht in seine umnachtete Seele und verscheuchte vorläufig seine Todcsgedanken. Auch Beate sollte nicht vergessen sein. Ihr sollte im wirthschaftlichen Theil dcs Institutes die Stelle einer oberen Beschließerin angewiesen werden und sie sollte auch übrigens durch eine Pension bis an ihr Lebensende vor Mangel geschützt werden. Endlich ging er in seinen Plänen noch weiter und beschloß, die beabsichtigte Kunstschule schon bei seinen Lebzeiten etnzurichten, die Räumlichkeiten des Hauses, dem zukünftigen Zwecke gemäß, umzugcstalten, Lehrer und Eleven zn suchen, die Zahl der Freistellen festzu setzen und so mit seinem Tode sein Werk schon als ein in den Hauptzügen fertiges zu hinterlassen. Er dankte Gott für diese Eingebung. Zum ersten Male seit langer, langer Zeit, wo Groll, Verstimmung, dumpfer, unsagbarer Schmerz seine Seele crfüllten, hatte er ein Helles, warmes Dankgesühl gcgcn Gott in seinem Herzen. Jetzt fühlte er sich froh und leicht, beflügelt und gehoben; er hatte endlich den einzig möglichen schmerz- erlösenden Weg gefunden, der ihn von seinem kleinen, armen Ich aufs Allgemeine hinlcnkte und sein Selbst-
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