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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 07.12.1896
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1896-12-07
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18961207027
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1896120702
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1896120702
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1896
- Monat1896-12
- Tag1896-12-07
- Monat1896-12
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Abend-Ausgabe Druck und Verlag don E. Polz iu Leipzig. W. Jahrgang M 622 Motttag den 7. December 1896. F»«rn«t»n. 'e Morgen-Au-gabe erscheint um '/.? Uhr. die Abead-Aul-gas« AocheMagS «m b Uhr. ins s« kltch >ng DezrrgS-Preis Hopterpe^hmi »der den i« Gtedt- Angesichts deS durch die Cooporation der deutschen Locialdemokratte mit dem Engländer Tom Man herbei- geführten Streiks an der Wasserkante verlohnt es sich, in Erinnerung zu bringen, daß die Führer der deutschen Umsturz partei und der englische Agitator noch vor Kurzem das gerade Gegentheil von einem Herzen und einer Seele gewesen sind. Bor und während des Londoner Socialistencongresse-, also Amlahmeschlub für Anzeigen: Abend-Ausgabe: Vormittags 10 Uhr. Mor-t n-AaSgabe: Nachmittags -Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je riu« halbe Stunde früher. Anzeigen Pad stets an die Expedition zn richten. Aazeigeu-Prei- die 6 gespaltene Petitzeile SV Pfg. Reclamen avter demRedaclwnSsmch l-ar- spalten) 50,^. »or den Famlüenuachrichtea b,'spalten) 40^. Größere Tchttston laut unsere,n Preis, verzeichnih. Tadellarischer und Ztfstrnsa- uach höherem Tarif. Ls-actio« »n- LrpeUtio«: Johannesgafse 8. Die Expedition ist Nochrntag» uauaterbrochen geöffnet von früh S bis Abends 7 Uhr. Ausland: monatlich noch niemals jenen kindlichen Traum vergessen! Sie hatte eine sonnige Jugend verlebt, behütet von zärtlichen Eltern, das einzige verwöhnte Kind, — dennoch aber batte die Episode ihrer Schwärmerei für den langen Secundaner Detlev von Geyern einen Glanz- und Wendepunkt in ihrer Jugendzeit bedeutet. Ja, sie wußte es noch ganz genau, sie, das zwölf- und dreizehnjährige Kind, hatte sich die Huldigungen Detlcv's gefallen lassen mit jener gläubigen Zuversicht, die da-naive weiblicheGeschlecht auszeichii ct. Natürlich würde er auf sie warten und sie so bald als möglich heirathen! Aber ach, schon die Prima hatte einen ver derblichen Einfluß auf ihren Helden geübt. Fella batte ihr wiederholt mit bekümmerter Miene gesagt, daß der Bruder Bilder von Schauspielerinnen und ähnlichen „Creaturc»" kaufe und in seinem Zimmer aufhänge, und wenn sich die Beiden auf der Straße begegneten, so zog Detlev mit einer zerstreuten Höflichkeit den Hut, die sie tief verletzte. Ta nahm sie denn all ihren „Stolz" zusammen und jagte den Ungetreuen aus dem Tempel ihres Herzens hinaus. Mira mußte lächeln, wenn sie all der Emphase und der Stürme gedachte, die damals in ihrem Kinderherzen Ver heerungen angerichtet batten. Immerhin bleiben die süßesten und bittersten Eindrücke der Jugend wie in Erz getrieben in unserer Erinnerung bestehen» und Mira konnte beim Zurück denken alle Seligkeiten jener Märchen, die Kinder für Waln heil halten, nachempfinden, als sei eS gestern gewesen, daß sie mit Detlev Erdbeeren suchte oder Schlittschuh lief. Jetzt wäre« lange Jahre über sie hingezogen, und sie hatte schweres Leid und Seelenkämpse kennen gelernt; nur eine große Frauenliebe war ihr bisher versagt geblieben, — vielleicht weil ihre pflichttreue Natur jeden Gedanken an einen Andern als ihren Gatten von vornherein weit von siel, wies. Oder war sie in ihrer Gleichmäßigkeit und Ruhe über Haupt keiner Leidenschaft fähig? Mira wurde in ihrem objektiven Nachdenken iibsr sich selbst durch die Aukunst ihres BaterS gestört, der soeben in seinem leichten Coupe vorsubr. „Oellerchen, liebes altes Oellercken!" rief Mira erfreut und eilte selbst ohne Hut und Tuch vor die Thür, ihn zu begrüßen. Der alte Herr Guntlach, ein kleine» zusammen geschrumpftes Männchen mit unendlich guten, blauen Augen, stieg beschwerlich au« dem Wagen. „Guten Tag, meine kleine Marie", sagte er, indem er sich von feiner Tochter umhalsen ließ. „Ich habe Dir meinen Karl zur Bedienung mitgebracht, da ich böre, daß Du Jambo beurlaubt hast." fache, daß der Antrag Sachße am 13. März d. I. im Reichs tage von einer auö dem Cent rum und den Radikalen ge bildeten Mehrheit «bgrlehnt wurde.weiler in die Competen; der Einzelstaaten eingreife. ES ist also zu befürchten, daß die jetzt in den Etat eingestellte Summe von derselben Majorität gestrichen wird, wenn nicht vom Tische des Bundes raths die particularistischen Bedenken des Centrums gegen eine theilweise Verwendung zu Gunsten von Handwerker schulen als unbegründet znruckgewiesen und widerlegt werden. ES wäre daber zu wünschen, daß Herr Sachße eine Petition an den BundeSrath anregte, die diesen darum erfucbt, bei der Berathung der betr. Etatsposition im Reichstage die im März d. I. von« Centrum ausgesprochene Ansicht, daß die Errichtung und Unterstützung von Handwerkerschnlen aus ReickSmitteln in die Competenz der Einzelstaaten eingreife, zu widerlegen. Der russisch-französische Bund ist in russischen Blättern auch jetzt noch der Gegenstand eifriger Erörterungen, weitmehr als in französischen und deutschen, ein Beweis dafür, daß inan dort das Bedürfniß spürt, denselben noch nicht als völlig abgeschlossene Thatsache, als causa tlnita, zu betrachten. Ganz eigenthümlich muthen in dieser Hinsicht die Erörterungen an, welche ein „Alter Diplomat" in der „Pctersburgükija Wjcdomosti" des Fürsten Uchtoniski ansiellt. Es heißt da nach einer uns zur Verfügung gestellten Ueber- setzung u. A.: » „In Europa kann eher Frankreich in die Lage kommen, Ruß land um Unterstützung zu bitten, als daß dieses eine Hilfe Frank reichs nöthig hätte. Aber der von Frankreich seit 1870 befürchtete nene Angriff Deutschlands ist kaum zu erwarten ... Es ist daher kein ernster Grund bemerkbar, der zur Zeit die Freund schaft Rußlands mit Frankreich einer ernsten Prüfung unterziehen könnte. Aber es giebt doch einen Grund — fährt der Artikel fort —, der dazu zwingt, alle politischen Compinationen aufmerksam zu verfolgen — das ist die innere Lage in Frankreich selbst. Für Rußland ist es vollkommen aleichgiltig, welche Ministerien in Frankreich bestehen und welche Ansichten die Minister haben. Aber Rochefort hat kaum Recht, wenn er behauptet, daß nur bei einer republikanischen Regierung Frankreich stets ein treuer Bundes- genösse Rußlands fein werde; denn schon vor Errichtung der gegen- wärtigen dritten Republik gab e« Zeiten, wo die Beziehungen zwischen Frankreich und Rußland sehr freundlich und bündnißartig (?) waren. Richtig ist an der Bemerkung Rochefort s nur, daß zwischen den inneren Angelegenheiten Frankreichs und seiner äußeren Politik ein Zusammenhang bestehen muß. Nur bei Bestand der inneren Staatsordnung kann man auf eine konsequente Durchführung der einmal nach gegenseitiger Uebereinstimmung über nommenen internationalen Politik rechnen; hierin liegt die Grund bedingung jeder engeren Bundesbeziehung. Aber kann man bei Frankreich die Ueberzeugung von dieser Consequenz haben, wenn dort in 25 Jahren 23 Ministerien aufgrbraucht wurden? Wenn die Parteigenossen eine« Bourgeois, Gablet und JaurSs wieder di» Regierungsgewalt tu die Hände bekommen, so muß Rußland der „Bundesgenosse" nicht eines republikanischen, sondern eines socialisttjchen Frankreichs sein. Mit diesen Verhältnissen muß die russische äußere Politik rechnen — wie der See- mann mit den Stürmen. Trotz aller Fortschritte der Meteorologie ist es nicht möglich, auch nur der Hauptsache nach die Richtung und die Stärke der Stürme im Voraus zu bestimmen. Alle Folgen der inner» Erschütterungen in Frankreich vorauSzusehen, ist Niemand im Stand«, aber eS ist absolut nolhwendig, mit ihnen zu rechnen. Ueberraschungrn in der Politik sind sehr unerwünscht, und es giebt auf der Erde kein Volk, das so oft selbst weitsichtigen Politikern Ueberraschungen gebracht hätte, wie das französische. Es braucht nur auf das Jahr 1870 hingewiesen zu werden. Noch am 2b. Februar erklärte der Kriegsminister Le Boes in der Deputirtenkammer einem Angriff der Opposition gegenüber, an der Kriegsbereitschaft der französischen Armee fehle Filiale«: Ltts Klemm's Sorttat. (AlfrkS Hahn), Unidersitätsstraße 3 (Paulinum), Louis Lösche, Katharmenstr. 14, Part, und Königsplatz 7. Extra-veilsgen (gesalzt), nur mit d»r Morgen «Ausgabe, ohne Postbesördcrang 60.—, mit PostbefStderung 70.—. Zur selben Zeit fuhr Detlev in einem kleinen Droschken coups durch den Thiergarten nach seiner Wohnung im äußersten Westen. Er dachte an Mira, wie er überhaupt kaum an etwa« Anderes gedacht hatte seit jenem Tage im Grüne» Wald. — Je länger er mit sich zu Rathe ginst, um so klarer wurde e« ihm, baß diesmal da«, wa« er eine Sonnenliebe oder auch eine LrbenSliebe in seinen Büchern zu nennen pflegte, iu seine Seele, seine Sinne, sein ganzes Sein «in gezogen war. „Maria!" Er hatte «S so laut in der Dunkelheit der Droschke gerufen, baß er uun erschrocken und verlegrn lächelte, al« könne e« der Kutscher gehört haben. Durch di« hochaezozenen Scheiben sah er in großen, bunt verschwimmenden Nebeln die Laternenlichter vorüberrennen, denn da« GlaS war in der Kälte aoarlaufen, und er saß gar heimlich und geborgen in dem kleinen Raum. Die Sehnsucht überkam ihn, hier Mira neben sich fitzen zu haben; und so lebhaft waren seine Schischi war ihr gefolgt, neugierig, Näheres über den selt samen Besucher in der Küche zu hören. Während ihr Lina dann die winterlichen Hüllen abnahm, fragte sie: „Hast Du immer in meiner Abwesenheit männlichen Besuch?" „Ach Gott!" sagte Lina, die mit dem Pelzmantel über dem Arm in der Thür stand „nennen doch gnädiges Fräulein das keinen männlichen Besuch! Er hat ja ganz graue Haare! Und überhaupt ein Schwarzer , nein, auS purem Mit ¬ leid Labe ich ihm erlaubt, manchmal Abends herzukommen. „Na, na!" „Aber wenn ich doch gnädiges Fräulein zuschwören kann, daß eS weiter nichts ist!" ereiferte sich Lina; offenbar ging es ihr gegen die Ebre, in einem zärtlichen Verhältniß zu dem Neger aedacht zu werden. „Also, wie kommt der Mensch in meine Küche?" „Gnädiges Fräulein wissen doch, daß ich die Bestellungen bei Borchardt immer selbst mache: die Köchin ist ja so faul, die mag ja keinen Gan^z allein besorgen — jetzt liegt sie auch schon wieder seit einer Stunde zu Bett. Na und bei Borchardt treffe ich eben sehr oft den Schwarzen, der für seine Herr schaft Commissionen macht; so haben wir uns halt kennen gelernt. Und gestern ist der arme Mensch von seiner Dame auf vier Wochen in die Stadt beurlaubt worden — sie wohnen im Grünewald —, um hier alle Tage russische Bäder zu nehmen. Er hat Reißen in allen Gliedern, der Jambo, und ich glaube, er verträgt überhaupt unser deutsches Klima nicht." „Soso", machte Schischi und winkte Lina, daß sie gehen könne; an der Thür rief sie sie zurück: „Wenn der schwarze Herr Dich noch öfter besuchen sollte, Lina, — eS wäre mir lieb, wenn Du die Gänseleberpastete für mich ließest; vielleicht nimmt Jambo mit kaltem Hasen braten sürlieb." * * * 2» Billa Herzenslust (übrigens hatte sie der Erbauer so getauft, nicht Mira) ging die Hausfrau geschäftig von eine« Raum rum andern. Eine ihr selbst unbequeme Unruhe hatte sie erfaßt, und sie konnte nicht ihre gewohnte Gelassenheit wiedersmden. Das war ibr nicht lieb, ihrer klaren, durch sichtigen Natur war alles Unverständliche nicht angenehm. Mehrmals hatte sie sich seit Detlcv's Besuch gesagt, daß «S ganz natürlich sei, wenn die Auffrischung jener liebliche« Kinderliebe sie beschäftige; gleich daraus indeß lachte sie sich selbst über dirsen Scheintrost aus. Hatte sie doch jenseits des Meere« sowohl, wie seit sie wieder in Deutschland war, Politische Tagesschau. * Lei-zi«, 7. December. Daß der Reichstag am Sonnabend den zur Be- rathung stehenden Petitionen kein Interesse entgegenbrachte, kann man ihm nicht verübeln, denn ihn müssen die Dinge, die der Protest Leckert-Lützow an den Tag gebracht hat und ferner an den Tag bringen zu sollen scheint, noch ungleich tiefer berühren, al« die Presse und die große Masse ihrer Leser. Wa« nützen, so müssen die Vertreter des deutschen Volkes sich fragen, die gewissenhaftesten Berathungen, wenn c« den Jntriguen nichtsnutziger Subjekte gelingt, Minister zu stürzen, von deren Verbleiben oder Gehen die Ausgestaltung wichtiger Vorlagen, ja vielleicht der ganze CurS unserer inneren und äußeren Politik ganz wesentlich abbängt? Herr v. Köller und General v. Bronsart sind höchstwahrscheinlich Opfer solcher Jntriguen geworden, und der ehemalige Minister deS Innern, Herr v. Köller, erfährt erst jetzt, daß Angestellte der von ihm selbst ressortirenden politischen Polizei den Verdacht, er sei in Sachen der Militairstrafproccßreform indiScret gegen seine Collegen gewesen» verleumderisch gegen ibn wach gerufen haben; und wie er, so erfahren das deutsche Volk und seine Vertreter obendrein, daß eö dem StaatSsccretair des Auswärtigen erst durch Anstrengung eines ProcesscS möglich geworden ist, diese Jntriguen zu enthüllen! Wir glauben, eS würde dem Wunsche des Reichstags eben so wie dem deS größten Theilcs seiner Wähler ent sprechen, wenn die Sitzungen so lange ausgesetzt würden, bis der senlationelle Proceß zu Ende geführt wäre. Daß dieser die gesammte deutsche Presse ganz vorwiegend beschäftigt, ist selbstverständlich. Bon wesentlich neuen und vcdeulsamen Gesichtspunkten geht indeß keines der uns heute vorliegenden Blätter bei der Besprechung aus: die Betrachtungen der meisten kommen auf dasselbe hinaus, waS die „Nat.-lib. Corr." anSführt: „Der Proceß Leckert-Lützow hat vorläufig mit mehreren vu>ß»n Fragezeichen aeschloffe», von deren Beantwortung erst das abschließende Urtheil abhüngt. Soviel kann, was dir weitere Behandlung des ProcesscS anlangt, indeß schon jetzt gesagt werden, daß es noch der gegründete» Ansicht beachtenswerther politischer Kreise dringend nothwendig ist, nachdem der Schleier soweit gelüstet, nun für volle Klarheit zu sorgen, gleichviel ob zu diesem Zweck der Minister deS Innern als oberster Ches durch den Polizeipräsidenten v. Windheim dem Criininal- beamten v. Tausch, der schwerlich noch lange Beamter bleiben dürfte, für die zeugeneidltche Aussage volle Freiheit geben läßt, oder noch weitere amtliche Stellen zu ver nehmen sind. Hat man einmal in Liese lichtscheuen Treibereien hincingegriffen, dann muß auch ordentlich aufgeräumt werden. Dieser Proceß darf keine Unklarheit lassen, die mit den Mitteln deS strafgerichtlichen Verfahrens aufgedeckt werden kann. Was nun den bisherigen Verlauf anlangt, so steht zunächst fest, daß eine gründliche Säuberung mit der politischen Polizei vorzunehmen ist, eine gründliche Säuberung mit den Personalacten. Wer weiß, wie viel Ehr- abschnriderei und Verleumdung, nach den Ausklärungen im Fall Kukutsch zu schließen, in amtlichen Mappen sonst noch vorhanden sind! Di« zweite bedauerliche Thatsache besteht darin, daß jene Ge sellen als „Journalisten" verkappt ihr Unwesen zu treiben ver mochten. Mitschuld trägt hier gleichermaßen di« sensations- vo* veniger als fünf Monaten, haben die deutschen Social- dc uokrateii die Zulassung der Anarchisten zum Congreß auf iwS Leidenschaftlichste bekämpft. Ihre Angriffe richteten sich vor Allem gegen diejenigen Engländer, die die Ge meinsamkeit der Ziele beider revolutionären Richtungen durch gemeinsame Berathung zum AnSdrnck gebracht seheH wollten, und der hervorragendste dieser Engländer .. . Erbat auch der während deS SocialistencongresseS veranstalteten Anarchisten- versammlung beigewobnt und sie in einer Ansprache begrüßt, während in dem mit glühendenFarben gemalten Berichte de«„Vor- wärt«" über eine Festveranstaltung der Socialdemokraten nichts davon stand, daß Tom Man an ihr theilgenommen habe. Tom Man gehört zu der Independent Labour Party, die von der deutschen Socialdemokratie bis dahin immer als diejenige bezeichnet worden war, die ihr an Taktik und Grundsätzen unter den englischen Parteien am nächsten stände. Während deS CongreffeS und wegen der dort offenbarten Gesinnungen Tom Man'S ist im „Vorwärt-" dieser Charakter der „Unabhängigen Arbeiterpartei" ab- und der „Socialdemokratischen Föderation" Hyndman zuerkannt worden. Von socialdrmokratischer Seite wurde auch auf dem Congreß versucht, einen Protest der Independent Labour Party gegen das Verhalten Tom Man « zurecht zu machen, es ist dies aber, wie der „Vorwärts" sich ausdrückte, nur bei „verschiedenen Mitgliedern" der Partei gelungen. Wenn man erwägt, daß die „deutschen" Führer aus nahmslos Jedermann, der nicht jeden Anarchisten für einen Polizeispitzel oder doch für das Opfer eines Polizei spitzels ansieht, al« ibren grimmigsten Feind anfalleu, so kommt man zu dem Ergebniß, daß die deutschen Social demokraten sich ein politisches Opfer auferlegt haben müssen, da sie mit Tom Man in Hamburg zusammenwirkteu. Bei dem Engländer wird es nicht größerer Selbstüberwindung bedurft haben, um sich, als Zwischenglied, mit den heimischen Arbeitgebern zu verbinden. Der Reich«tagSabgeordnete für den 10. sächsischen Wahlkreis, Herr Rittergutsbesitzer Sachße - Merschwitz, bat die Güte, unS über die Gründe, die das „Großenhainer Tageblatt" zu der Annahme führen mußten» die Einstellung einer Summe von 50 000 in deu Etat des Reichsamtes des Innern „zu Aufwendungen für Einrichtungen und Ver anstaltungen, welche allgemeinen Zwecke» deS deutschen Handels und Gewerbes dienen", sei auf den von dem Herrn Ab geordneten bei der dritten Berathung des vorjährigen EtalS eingebrqchten und befürworteten Antrag auf Errichtung von Handwerkerschulen im deutschen Reiche aus Reichs mitteln zurückzusühren, Folgendes mitzutheilen: „Herr Staatssecretair vr. v. Boetticher hat dem Unter zeichneten in Gegenwart des deutsch-conservativcn EtatSredners Herrn v. Leipziger die Mittheilung gemacht, daß dir Ein setzung der betreffenden 50 000 mit seinem Anträge in directem Zusammenhänge stehe. Der Unterzeichnete hielt sich für verpflichtet, sofort Herrn Bürgermeister Rüder- Roßwein davon in Kenntniß zu setze», damit derselbe den Vorstand der dortigen Schlosserschule zu einem neuen Unter- stützungsgejuche an den Herrn Reichskanzler aussordere." Hiernach ist die allgemeine Annahme, daß jener Betrag lediglich als Zuschuß für die Kosten der zur Erforschung der Absatzverhaltnisse in China in Aussicht genommenen Expedition in den Etat eingestellt worden sei, erfreulicher weise irrig. DaS ändert aber leider nicht« an der That- Das goldene Herz. 4j Novelle von E. Fahrow. Nachdruck vkrtotrn. Pandez beugte sich vor, denn er witterte eine Gesinnungs verwandtschaft. Auch ihm war die gerade, glänzende Natur Detlcv's nicht sympathisch. „Jawohl. Ich hasse ihn, während ich ihn früher ganz gern hatte." Wenn Schischi von Jemand sagte, daß sie ihn „ganz gern" gehabt habe, so vermuthete Pandez mit einigem Recht eine alte Liebesgeschichte dahinter. Er lehnte sich mit einem Ge fühl de« Unbehagens in seinen Sessel zurück: denn scUießlich, wenn er auch wußte, daß Schischi kein unerfahrener Backfisch mehr war, — man sprach doch nicht gerade gern von jenen twurs passses. „Du brauchst nicht gleich so ein Gesicht zn schneiden", sagte Schischi unverblümt, — „eS steckt nichts weiter dahinter. Detlev von Geyern hat mich einmal sehr geärgert, — so sehr geärgert, daß ich an jenem Abend schlecht spielte, und deshalb baffe ich ihn. — Wollen wir nun ausfahren?" li'",igel' Tageblatt Anzeiger. Amisölatt des Königlichen Land- und Amtsgerichtes Leipzig, des Nathes nnd Nolizei Ämtes -er Ätadt Leipzig. sichtige Presse, die sich in den letzten Jahren eutwickelt, aber auch jene Politik, die jede beliebige politisch,« Frage auf Persönlichkeiten hinausspiclt und an die Stelle. sachlicher Erörterungen persönliche Gehässigkeiten setzt. Im klebrige» kann der „Journalismus" dieser Hoxpen ckllf sich beruhen; denkende Menschen werden jene Snbjccte ebensowenig dem Stande zur Last legen, wie Betrügereien eines Enrpfuschers dem HHtzerr Kair Hardie Tom Man. Arzte. Tas Allerbekla geuswertheste an ditsem Proceß ist »>«» aber seine hochpolitische Seite. Wie war eS nur möglich, unter welchen Voraussetzungen konnte in den höchsten verantwort lichen Stellen des Staates ein Mißtrauen überhaupt Boden fassen und so groß answachscn, daß an Stelle einerBcseitignng desselben durch offene, unmittelbare, persönliche Aussprache es für »ölhig besundcn werden konnte, auf solchen Umwegen Klarheit zu schaffen?!" Bemerkt sei »ur noch, daß die „Germania" für die Leckert und Lützow da- ^System Bismarck" verantwortlich macht. ES wäre über diese dem Charakter des ultramontanen Blattes durch aus angemessene Niedrigkeit kein Wort zu verlieren, wenn auS ihr nicht mit Sicherheit hervorginge, baß die Ultramontanen (und Herr Eugen Richter, der sich die Auslassung aneignet) an die Bcurtbeiluna deS eine Krankheit deS Staatskörpers an zeigenden ProcesscS nicht mit der Absicht, sie zu erkennen nnd zu bcilen, herangegangen sind, sondern um im Gegentheil durch bewußte Irreführung Uber Ursache und Sitz des Nebels die Gesundung zu hintertreiben. So vom Haß geblendet kann der Blick auch eines Ultramontanen nicht sei», daß er sich aufrichtig dem Glauben hinzugeben vermöchte, Fürst Bismarck hätte von Beamten ausgehende Treibereien gegen da« Auswärtige Amt Jahre lang dulden nnd schließlich die Oeffent- lichkeit zu Hilfe nehmen müssen, — ein Schritt, für den, weil ohne ihn die Lust nicht zu reinigen war, das Land dem Frhrn. v. Marschall zum größten Danke ver pflichtet ist, aber doch auch zweifellos ein Schritt, dessen Un vermeidlichkeit im Interesse der RegierungSaukorität bedauert werden muß. Fürst Bismarck bat sich auch wiederholt vor die Nothwendigkeit gesetzt gesehen, gegen dunkle Wühlereien an die Oefsentlichkeit zu appelliren, so gegen die „Reichs - glocke", die Declaranten, aber nicht gegen Staatsbeamte, die direct zu fassen Herr v. Marschall im Stande hätte sein sollen und auch im Stande gewesen wäre, wenn — ja wenn ein einheitlicher Wille im Reiche und in Preußen sich bethätigen könnte. Wenn man schon den Proceß Leckert zum Anlaß eines Vergleiche« zwischen einst und jetzt machen will, so muß man im Gegensätze zur „Germania" zu dem Er gebniß gelangen, daß die Dinge unter dem Fürsten Bismarck soweit nicht hätten gedeihen können. Ein Vorwurf gegen Herrn v. Marschall liegt in dieser ab wehrenden Darlegung nicht. Er hat in dieser Gerichts verhandlung nicht zu übertreffenden Muth und die höchste Thatkraft gezeigt. Aber unter den heutigen Regierungs verhältnissen ist eS ein seltener Glücksfall, wenn ein Staats mann diese beiden Tugenden zu bewähren in die Lage kommt. Gedanken, daß eS ihm war, als fühle er den warmen, reinen Hauck ihrer Nähe, als sei ihre lockenumbräunte Stirn dicht an seiner Schulter. — Er deckte dir Hand über die Augen, obgleich ihn kein Licht stören konnte, und Verse bildeten sich im Sinn, die unaufhaltsam an« seinem innersten Herzen rmporquollen. Zu Hau« angelangt, versuchte er zu schreiben, die eben empfundenen Verse zu Papier zu bringen, allein es wollte nichts werden. Ungeduldig warf er endlich die Feder hin und klingelte nach seinem Diener. Er gebe jetzt zu Herrn von Schmock, Fritz solle ihm zu elf Uhr Tbee bereit halten, später käme er keinesfalls zurück. Und ob zu morgen der neue Smoking bereit wäre? Ja? Gut, dann könne er sich den alten nehmen. „Aber, bitte, hänge ihn erst an die Luft!" Denn Detlev konnte die Idee nicht vertragen, daß sein Diener mit seinen abgelegten Sachen auch sein persönliches Parfüm trage. „Morgen" war Sonnabend und der Tag deS Mittag essens bei Mira Oliveira. , 2 ch Schischi langweilte sich beute im CirkuS, obgleich sie viel Liebe und Verstandniß für schöne Pferde besaß. Um neun Uhr brachte sie demnach Sa» Pandez wieder nach Haus, und sie verabschiedete ihn freundlich an der Thür; sie habe Kopsweh, er solle am nächsten Dienstag wiederkommen. Und dann gab sie ihm plötzlich vor der HauSthür einen Kuß; er war doch ein zu hübscher Junae! — Wie erstaunt war aber Schischi, in ihrer Wohnung Alles dunkel und Lina, die Zofe, nicht zum Empfang bereit zu finden. „Lina wird doch nickst anfangen, leichtsinnig zu werden?" dachte sie, ohne daß eS ihr etwa einfiel, an das alte Sprichwort zu denken: „Wie der Herr so der Knecht." Sie aing in die Küche und blieb mit einem Aufschrei auf der Schwelle stehen. Da saß ein kohlschwarzer Neger an dem Weißen Küchen tisch und grinste ihre Lina an, welche ei» leckere- Mahl für ihren sonderbaren Gast bereitet hatte. Bei Schischi'« Erscheinen sprangen Beide auf. Die flinke Lina fand zuerst ihre Sprache wieder: „Ach Gott, wie gnädiges Fräulein mich erschreckt haben! Ich dachte, gnädige« Fräulein würden wie gewöhnlich erst spät kommen. Nun ist auch Alle« vorn noch dunkel, — nein, — ich will aber auch gleich Ga« anstecken gehen!" Und wie eine Eidechse duschte sie hinaus und entzündete blitzgeschwind in den beiden Vorderzimmern die Lampen.
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