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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 14.07.1900
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1900-07-14
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19000714018
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1900071401
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1900071401
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1900
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Vertieft wurde die Niederlage in Mülhausen noch dadurch, daß die socialistische Partei unmittelbar nachher auch bei der Reichs- tagsersatzwahl in Northeim einen nicht unbeträchtlichen Stimmcnrückgang erfuhr und demgemäß mit ungünstigeren Aussichten in die Stichwahl hineingeht, als 1898. Damals standen sie mit den 4159 Stimmen, die sie in der Hauptwahl erhalten hatten, an der Spitze aller Bewerber, heute stehen sie um 1700 Stimmen hinter dem erfolgreichsten bürgerlichen Kandi daten zurück. Man kann sich darauf verlassen, daß die Socialdemokratie allen Eifer daran sehen wird, den durch ihre in der letzten Zeit erlittenen Mißerfolge — nur Waldenburg bildet eine Aus nahme — hervorgerufenen üblen Eindruck wieder gutzumachcn. Als Gelegenheit dazu werden sie drei noch ausstehenden und im Herbst stattfindenden Reichstagsersatzwahlen in Branden- burg-We st Havelland, Wanzleben und Rinteln ansehen. Von diesen drei Wahlkreisen ist der Kreis Rinteln, in dem hie socialistische Partei niemals mehr als etwa 3000 Stimmen aufgebracht hat, während die bürgerlichen Gegner auf 6000 und noch mehr Stimmen kamen, am wenigsten aussichtsreich für die Locialdemokratie. Nur der Umstand, daß bei den diesmaligen Wahlen die konservativen und die Antisemiten getrennt vor gehen wollen, während sie bei den vorigen Wahlen einen ge meinsamen Kandidaten aufgestellt hatten, läßt es nicht als aus geschlossen erscheinen, daß die Socialdemokraten in die Stich wahl gelangen. Viel aussichtsvoller sind die Chancen der Socialdemokratie m beiden Kreisen Bran^enburg-Westhavelland und Wanz leben. Besonders in dem erstgenannten Kreise werden sie Alles daransetzen, um zum Siege zu gelangen. Haben sie doch den Wahlkreis bereits einmal innegehabt, und wenn sie auch bei den Wahlen von 1898 in der Stichwahl unterlegen sind, so haben sie doch auch bei dieser Wahl eine Stimmenvermehrung zu ver zeichnen gehabt. In den 80er Jahren nur 3—4000 Stimmen stark, kamen sie 1893 auf 7700 und 1898 auf 9200 Stimmen. Es wird also großer Anstrengungen und vor allen Dingen der Cinmüthigkeit der bürgerlichen Parteien — zum Mindesten bei der Stichwahl — bedürfen, um einen socialistischen Wahlsieg zu verhindern. Ob freilich die Fortschrittler, die schon wiederholt im Besitze des Wahlkreises gewesen sind, geneigt sein werden, eine weise Resignation zu üben, ist mehr als fraglich, lind wenn man ihnen den Vorwurf machen wollte, daß sie durch ihrVerhalten einen socialistischenWahlsieg wahrscheinlich machten, so könnten sie darauf entgegnen, daß die konservativen in der benachbarten Provinz Sachsen sich anschickten, ähnlich zu verfahren. Die konservativen beabsichtigen nämlich im Wahl kreise Wanzleben dem nationalliberalcn Bewerber einen konser vativen Kandidaten gegenüberzustellen, obwohl der Wahlkreis seit dem Bestehen des Reichstags noch niemals anders, als nationalliberal vertreten war. Im Jahre 1871 siegte der nationalliberale Kandidat mit rund 3300 gegen rund 830 Stimmen; im Jahre 1874 mit rund 4600 gegen rund 200 Stimmen; im Jahre 1877 mit mehr als 4200 gegen 720, bei den Wahlen von 1878 mit 6300 gegen rund 3900, bei denen von 1881 mit 3800 gegen 2400, im Jahre 1884 mit 4760 gegen 2900, bei den Wahlen von 1887 mit 9100 gegen 2500, bei den Wahlen von 1890 mit rund 6400 gegen 6000, im Jahre 1893 mit 7758 gegen 7500 und endlich bei den allgemeinen Wahlen von 1898 (bei der Stichwahl) mit 8870 gegen 6974 Stimmen. Danach ist also seit dem Bestehen des Reiches aus dem Wahl kreise Wanzleben immer nur ein nationalliberaler Abgeordneter in den Reichstag entsandt worden. Zuzugeben ist, daß die nationalliberale Mehrheit sich bei den Wahlen der 90er Jahre nach und nach verringert hat, so daß, während bis 1898 der nationalliberale Kandidat stets im ersten Wahlgange gewählt worden war, 1898 zum ersten Male eine Stichwahl erforderlich wurde. Diese allmähliche Herabminderung der nationalliberalen Mehrheit beruht in erster Linie darauf, daß, wie in fast allen — und auch in konservativen — Wahlkreisen (man denke nur an Ostpreußen und Mecklenburg), die socialistischen Stimmen sich erheblich vermehrt haben; 1898 kam obendrein noch ein Be werber der freisinnigen Vereinigung hinzu, der mehr als 2000 Stimmen auf sich vereinigte und dadurch die Stichwahl herbei führte. Was die konservativen anlangt, so haben sie im Jahre 1871 ganze 87 Stimmen erhalten und cs sind ferner im Jahre 1878 etwa 2200 und im Jahre 1881 etwa 2000 freiconser- vative Stimmen abgegeben worden. Daß unter solchen Um ständen die Nationalliberalen auf eine eigene Kandidatur ver zichten, ist natürlich ausgeschloffen. Wenn nun die konser vativen dieses Wahlkreises durch einen eigenen Kandidaten Zwietracht in die Reihen der bürgerlichen Parteien hineintragen, so ermuthigen sie nicht nur die Fortschrittler im Wahlkreise West havelland, das Gleiche zu thun, sondern sie verstimmen auch die Nationalliberalen im letzteren Kreise. Es ist zwar kaum zu be fürchten, daß die eigentlichen Nationalliberalen sich so weit ver stimmen lassen würden, um sich der Wahl zu enthalten, da ober im Jahre 1898 der conservative Kandidat mit nur 160 Stimmen Mehrheit über den Socialdemokraten siegte, so würde schon die Wahlenthaltung eines Theiles der den Nationalliberalen nahe stehenden Wähler genügen, um den' Socialdemokraten zum Siege zu verhelfen. Gerade die Wahlen in Aschersleben und Mülhausen haben Eins gezeigt: daß es sehr wohl möglich ist, Wahlkreise, die von der Socialdemokratie schon als sicherer Besitz angesehen werden, zurückzugewinnen, wenn die bürgerlichen Parteien ge schlossen zusammenstehen. Würde dies Princip grundsätzlich durchgeführt, so könnte ohne Weiteres die Hälfte der gegenwärtig socialdemokratisch vertretenen Wahlkreise zurückerobert werden, denn nur die Disciplinlosigkeit uud Zersplitterung der bürger lichen Parteien ist schuld daran, daß die Zahl der socialistischen Reichstagsmandate sich seit dem Jahre 1890 unausgesetzt ver mehrt hat. Gerade aus diesem Grunde sind Reichstagsersatzwahlen einer ernsthaften Betrachtung wohl werth. Sie stellen, ebenso wie die Manöver für den Krieg, eine Schule für künftige allgemeine Wahlen dar und zeigen, wie die bürgerlichen Parteien sich am besten der socialistischen Gefahr erwehren können. Fallen auch die ferneren Ersatzwahlen zu Ungunsten der Socialdemokratie aus — und dies zu bewirken, liegt völlig bei den bürgerlichen Parteien —, so ergiebt sich noch der weitere Vortheil, daß die durch ihre bisherigen Erfolge übermüthig gemachte Social demokratie entmuthigt wird. - - - Die Wirren in China. Graf Bülow's Rundschreiben hat in der englischen Presse eine günstige Aufnahme gefunden. Die Morgenblätter beurthcilen es recht beifällig. Die „Times" schreiben: Die unmittelbaren Ziele Deutschlands seien, es brauche kaum gesagt zu werden, identisch mit denen der übrigen civili- sirteu Welt und stellenweise in vollkommenem Einvernehmen mit der erklärten Politik Englands und der Bereinigten Staaten. Englands Haltung ist in diesem Punkte also vernünftig und deshalb erf-culich. Sonst freilich können die englischen Blätter über China nur Schlimmes melden. Nach zuver lässigen Meldungen ist auf dem Landwege zwischen Korea uud China jede telegraphische Verbindung unterbrochen. Das Gleiche gilt von der telegraphischen Verbindung zwischen Tfchifu und Shanghai; deshalb müssen die Telegramme jetzt mit Schiff von Taku nach Cbcmulpo gebracht und von dort über Japan und Singapore weiter befördert werden, waö mit großem Zeit verlust verbunden ist. Li-Hung-Tschang erhielt am 6. d. M. auf dem Land wege ein handschriftliches kaiserliches Edict vom 17. Juni, in dem alle Gouverneure um schleunige Truppen sendung zur Hilfe gegen die Rebellen, zu denen offenbar auch Prinz Tuan gerechnet wird, ersucht werden. Li-Hung Tschar.g will auf dieses Edikt hin, das unzweifelhaft noch echt ist, einige Tausend Mann nach Peking schicken. Auch andere Gouverneure werden voraussichtlich Truppen entsenden. Zweck wird es freilich nicht viel haben. Die zwar noch unbestätigten, aber Wohl unzweifelhaft richtigen Nachrichten über die Ermordung sämmtlicher Fremden in Peking werden nunmehr auch von amtlicher chinesischer Stelle zugegeben. So meldet die „Daily Mail" auS Shanghai, „daß daselbst am Montag die Schreckenskunde ankam, die zwei uneingenommen gebliebenen Legationen, nämlich die britische und die russische, seien am Abend um 6 Uhr von größeren Truppenmassen unter dem Oberbefehl Tuan's angegriffen worden. Der Angriff begann mit Artillerie. Der Kampf, der sehr heftig war, dauerte bis zum nächsten Morgen 7 Uhr und endigte mit der gänzlichen Zerstörung der beiden Legationen. Alle Fremden sind todt. Die Straßen in der Um gegend der Legationen sind mit Leichen von Fremden und Chinesen gefüllt. Auf die Kunde von dem An griff rücklen Prinz Ching und General Wangwengshao mit Truppen zum Beistände der Fremden auS, wurden aber von der Uebermacht besiegt. Prinz Ching und Wang- wengshao wurden getödtet. Es verlautet, zwei Aus länder seien entkommen durch die Thore, einer mit einer schweren Wunde am Kopfe. Prinz Tuan ließ zur Feier des Sieges hunderttausend TaelS und riesige Mengen Reis unter die Boxer vertheilen." Das „Reuter'fche Bureau" fragte wegen der Nichtigkeit dieser Meldung beim Auswärtigen Amt an, worauf ihm geantwortet wurde, im Auswärtigen Amtsei hiervon nicht» bekannt. Ein schwacher Trost! Ueber die Bewegung in der Mandschurei berichtet die Russische Telegraphen-Agentur: * Petersburg, 13. Juli. Nach einem ossiciellen Berichte deS Finanzministeriums aus der Mandschurei haben sich revolutio näre Bewegungen nur in der Gegend der Städte Hai-Tschen, Liao-jan und Mulden bemerkbar gemacht, doch wurden sie bald unterdrückt. Tie chinesischen Behörden behaupteten, daß sie an der Bewegung nicht betheiligt seien, und noch am 21. Juni berichtete der Hauptingenieur der Mandschurischen Bahn aus Chacbin, daß aus der Bahn überall Ruhe herrsche und Laß die Gouverneure von drei Provinzen für die Ausrechthaltung der Ruhe einstehen, wenn die Russen keine Feindseligkeiten be ginnen. Die ruhige Stimmung, die scheinbar längs der Bahn herrscht, hielt aber nicht an, sondern die revolutionäre Bewegung verbreitete sich von Peking aus bis nach der Mandschurei. Einige chinesische Beamte schlossen sich der Be wegung an und chinesische Truppen machten dort mit ihnen gemeinsame Sache. Am 22. Juni wird aus Charbin gemeldet, daß der Gehilfe des Gouverneurs von Mukden den Gouverneur in Haft genommen, sich an die Spitze der auf ständischen Truppen gestellt habe und gegen Tjelin marschire. Auch die Kohlenbergwerke von Jan-Sai wurden von Chinesen angegriffen und die Brücke bei der Station Liao-jan angezündet. Die katholische Mission in Mulden wurde zer stört und die dortigen Kausmännsläden wurden geplündert. Jin Norden der Mandschurei, in der Provinz Zizikar, wurden schnell chinesische Truppen zur Sicherheit der Bahn mobili- sirt. Die Proclamationen der Aufständischen wurden auch in Mukden und Girin veröffentlicht und der Gouverneur erklärte der Lahnverwaltung, nicht für die Sicherheit garantirrn zu können. Der Oberingenieur berichtete darüber: Der Generalgouverneur von Amur bat um Schutz. Am 24. Juni wurde ein Edict des chinesischen Kaisers aufgesangen, das den Truppen befahl, sich mit den Boxern zu vereinigen. Am 25. Juni wurde dem Hauptingenieur vom Gouverneur von Mulden bekanut gemacht, daß das ganz« Eigenthuin der Bahn an die chinesischen Beamten übergeben werde und daß sich die Russen unter dem Geleite der chinesischen Soldaten entfernen und die Mandschurei verlassen sollen. Darauf gab der Hauptingenieur alsbald folgende telegraphische Antwort: Gemäß dem mit der chinesischen Regierung abgeschlossenen Vertrag sind die Russen verpflichtet, die Eisenbahn zu bauen. Deswegen kamen sie nach der Mandschurei, wo sie drei Jahre hindurch mit der Bevölkerung im besten Einvernehmen gelebt haben. Jetzt sind in Iber Provinz Mukden Boxer aufgetaucht, welche die chine sischen Christen angegriffen und Eisenbahnarbeiter, die Bewachung-» Mannschaften und Ingenieure nicht verschont haben, während die Beamten in Mukden nichts gethan haben, um das zu verhindern. Um den Unordnungen sofort »in Ende zu machen, ist der Gouver neur in Mukden verpflichtet, die Rebellen zu vernichten. Kann er das nicht mit den ihm zu Gebote stehenden Machtmitteln, so soll er sich wegen Hilfe von Seilen der russischen Regierung an den Ches der Provinz Kwantung (Port Arthur) wenden. Der chinesische F-uilletsn. Der Schleier. Don Maurus Jokai. Aus dem Ungarischen von Julius Halm. Nach: ruck verboten. Unter der Regierung des Khalifen Moavia geschah es, daß eln junger arabischer Kaufmann eine zauberhaft schöne syrische Jungfrau zum Weibe nahm, die er abgöttisch liebte. Aber er begnügte sich nicht damit, daß die Natur Zubeida mit all' den Schätzen bedacht hatte, die das Weib zur Göttin machen; er wollte sie noch schöner machen und entlieh dem Seidenwurm die Seide, der Muschel die Perle, dem Felsen das Gold und den Vögeln das Gefieder, sie, die Einzige, damit zu schmücken. Ja, wenn Seidenwurm, Muschel, Felsen und Vögel das Alles her leihen würden; leider muß man aber das Alles bezahlen, und eines Tages sah Abdullah, daß er sich wegen der schönen Zu beida zu Grunde gerichtet hatte. Die schöne Frau bemerkte den Trübsinn des Gatten, aber dieser hätte ihr um Alles in der Welt nicht gestanden, warum er gar so traurig war, und nie und nimmer hätte er die Feig heit begangen, daS Geschmeide zurückzunehmen, daS er seinem geliebten Weibe gegeben. Sondern er that, was alle Schuldner thun, er stopfte ein Loch mit dem anderen. Aber was Zubeida mit all' ihrer Zärtlichkeit nicht von ihrem Gatten herauslocken konnte, das erfuhr sie alsbald von den groben Gläubigern, die den biederen Abdullah zu drängen be gannen und kein Blatt vor den Mund nahmen. Kaum hatte Zubeida erfahren, in welch' verzweifelter Lage ihr Gatte sei, als ihr Entschluß auch sofort feststand. Sie wollte jegliches Geschmeide, all' ihre Schätze verkaufen, um ihrem Manne auS der Derlegenheit zu helfen, und ließ insgeheim einen gefälligen Zwischenhändler rufen, dem sie den Auftrag gab, einen Käufer zu finden, der all' ihre Kostbarkeiten insge- sammt zu kaufen geneigt wäre. Der Zwischenhändler fand nach langem Suchen Jemanden, der geneigt war, Zubeida'S Schätze anzukaufen unter der Be dingung, daß sie sie ihm selber zeige. Und dieser Käufer war kein Geringerer al» Al-Numan, der Statthalter von Kufa. Die schöne Frau sagte ihrem Gatten noch immer nicht», sondern packt, ihre Schätze zusammen und trug sie zu dem Statthalter. Al-Numan'» Augen funkelten voll Begier, al» er diese «chätze erblickte; aber nicht die todten, sondern di« lebendigen. „Wie theuer verkaufst Du mir Deine Diamanten, Deine Perlen, Deine Rubinen, Deine Seide, Deinen Sammet, Dein Elfenbein und Deine tickende kleine Uhr? Ich gebe Dir, was Du verlangst. Aber Du mußt mir Alles geben, was Du Dein nennst." Sie verlangte genau so viel, um Abdullah's Schulden be zahlen zu können, und Al-Numan feilschte nicht. In seiner leidenschaftlichen Hast vergaß er sogar, zu zählen, wieviel Geld in den Säcken war, die er ihr zu Füßen legen ließ. Aber als sie freudig erregt die Beutel zusammenraffen wollte, da sprach Al-Numan: „Bemühe Dich nicht, schönste aller Houris. Meine Diener werden Deinem Gatten dies Geld überbringen; Du aber bleibst hier, denn ich habe Dich gekauft." „Mich? Al-Numan?" „Ja, Dich. Du hast mir Deine Diamanten verkauft. Nir gends unter der Sonne giebt es Diamanten, so strahlend wie Deine Augen. Du hast mir Deine Perlen verkauft. Indiens herrlichste Perlen müssen sich auf dem Meeresgründe verbergen vor dem Schmelz Deiner Zähne. Und sagt nicht der Dichter, Deine Lippen seien Rubinen? Und ist nicht die theuerste Seide, die Du an Dir trägst, die Seide Deiner Locken? Ist Dein Nacken nicht Elfenbein, Dein Busen nicht Sammet und Dein Herz nicht ein tickendes Uhrwerk, das die Stunden meines Lebens zählt? — Und das Alles hab' ich Dir abgekauft!" * * * Abdullah aber rannte wie toll in der Wüste umher, als er erfuhr, daß ihm Al-Numan sein Weib geraubt. Was konnte er dagegen thun? Der Statthalter ist ein mächtiger Herr. Wen soll er um Hilfe angehen, wenn der oberste Richter selbst der Räuber ist? Er schickte die goldgefüllten Beutel, den Kaufpreis für sein Weib, zurück, gab den Gläubigern seine Schiffe, seine Kameele und seine Maaren preis und verließ sein HauS mit der Leier in der Hand, ohne etwas mitzunehmen, außer dem Gewände, daS er am Leibe trug. Und als er nichts mehr besaß, weder ein Weib, noch Vermögen, noch Verstand, da küßte ihn die Muse auf die Stirn und er ward Sänger und sang dem athemloS lauschenden Volke die herrlichsten Lieder; auf den Straßen und auf den Marktplätzen, an den Brunnen und in den Gärten schaarte sich daS Volk um ihn, und weit und breit verkündeten Alle den Ruf de» SängerS Abdullah. Da grrieth er einst vor den Palast deS Khalifen und begann zu singen. Moavia lauschte ihm vom Erker seine» Palastes, dann ließ er den Sänger rufen und hieß ihn eine schöne Romanze singen. Und er sang die Geschichte von der schönen Zubeida, und wie Al-Numan sie mit List und Gewalt ihrem Gatten entführt. Hätte er seine, Klage in Prosa vorgebracht, hei, wie schmählich wäre er davongejagt worden; aber die Lieder waren so schön, daß die Augen des Khalifen sich mit Thränen füllten, und als der Gesang verstummte und Abdullah dem Herrscher zu Füßen sank, sagte Moavia: „Geh' heim, Dir soll Gerechtigkeit werden." „Ich habe kein Daheim", erwiderte der wandernde Sänger. „So bleib' hier, bis Du ein Heim haben wirst." Moavia aber ließ den Statthalter vorführen und sprach: „Willst Du Deinem Kopfe entsagen oder Zubeida? Wähle!" „Al-Numan neigte das Angesicht zur Erde. „Erhabener Khalif! Könnte ich mit Zubeida leben ohne Kopf, ich würde lieber auf meinen Kopf, als auf sie verzichten. Denn wenn ich ihr entsagen muß, hat mein Kopf auch keinen Werth mehr. Aber schließen wir einen Handel, erhabener Khalif. Gestatte, daß Zubeida ein Jahr lang mein sei, und dann kannst Du mir den Kopf abschneiden lassen." Der Khalif blickte ihn staunend an. Was muß da» für eine berückende Schönheit sein, um derentwillen ein Mann be reit ist, sich um einen Kopf kürzer machen zu lassen. „Wir feilschen nicht", fuhr er den Statthalter an. „Sende mir das Weib sofort hierher, oder lasse Deinen Kopf hier." Al-Numan flehte um einen Tag, eine Stunde Aufschub. Vergebens. Der Khalif war selbst begierig, Zubeida zu sehen. Und als er ihr Äug' in Auge gegenüber stand, fing auch sein Herz Flammen. So viel Schönheit in einem Wesen zu vereinen, welche Ver schwendung von Allah! Zubeida sank vor dem Khalifen in die Knie und bat mit flehender Stimme, er möge ihr den Gatten zurllckgeben, und da der Khalif in das thränenvolle Auge schaute, da sah er, daß diese Thränentropfen ein Meer waren, in daS der Verstand zu ver sinken drohte, und nun staunte er nicht mehr, daß Al-Numan darauf Schiffbruch gelitten. Aber er wollte Herr dieses Meeres werden, und führte sie an die Stufen seines Thrones. „Vergiß Deinen Gatten, werde mein Weib und theile den Thron mit mir." „Ich bin Deine» Glanze» nicht würdig, laß mich in Ab dullah'» Schatten Hausen." „Abdullah ist zu Grunde gegangen, er hat sein vermögen verloren." „Um meinetwillen hat er'» verloren, für mich hat er'» dahin gegeben; so ist e» denn billig, daß ich sein . . . „Abdullah ist rin Bettler!" „Ich werde ihm betteln Helsen, und zu Zweien werden wir mehr verdienen." „Abdullah ist zerlumpt." „Weil er Niemanden hat, der sein Gewand flickt; wenn ich bei ihm sein werde, wird er nicht mehr zerlumpt sein!" „Abdullah ist wahnsinnig!" „Weil er mir seine ganze Seele gab; sobald ich zu ihm zurückkehre, wird auch seine Seele zurückkehren." Der Widerstand reizte die Leidenschaft des Khalifen, und er gab Befehl, sein ganzer Hofstaat möge sich im Thronsaal ver sammeln: Hohepriester und Heerführer im vollen Ornat. Er selbst legte sein Herrschergewand an, steckte den diamantenen Lurgudsal an seinen Turban und setzte sich auf den goldenen Thron. Dana ließ er Zubeida wieder zu sich führen. Und auf einen Wink des Khalifen ward Abdullah vorgeführt. Staubig wart» sein Gewand und zerfetzt, die Turbanrolle hing unordentlich gelöst auf seinen Schultern; die nackten Beine waren blutig zerkratzt von den Dornen, durch die er in der Wüste ge wandert, und sein Blick war unstät und wirr. Da sprach der Khalif: „Sie mich an und sieh ihn an. Ich bin König, er Bettler. Ich bin ein Mann, er ist ein Nichts. Mein ist das ganze Land, ihm gehört nur die Landstraße. Ueber mir steht nur Moham med, unter ihm nur der Hund. Ich nenne so viel Schiffe auf den Meeren, so viel beladene Kameele mein eigen, wie Un geziefer sein Körper beherbergt. Wähle, wem von unS Beiden willst Du angehören?" Zubeida flog lachend und weinend auf den Bettler zu, fiel ihm um den Hals, küßte die zerlumpten Gewänder und die zer- schundenen Füße und stammelte: „Mein Gatte, mein Geliebter!" Und von diesen Küssen kehrte Abdullah's verlorene Seele zurück. Der Khalif aber ließ nicht den Scharfrichter rufen, sondern den Schatzmeister und befahl, man möge Abdullah sein ganzes Vermögen, seinem Weibe all' ihr Geschmeide zurllckgeben und Beide auf herrlichen Rossen in ihr Heim zurückführen. Aber ehe er Zubeida entließ, sprach er: „Du hast mit Deiner Schönheit Dich, Deinen Mann und Andere in protze Gefahren gestürzt. Nur Allah hat mich davor bewahrt, daß ich nicht auch eine große Ungerechtigkeit begangen habe. Von heute ab wirst Du Dein Antlitz mit einem Schleier verhüllen, so oft Du die Gaffe betrittst, und wirst Deine Schön heit nur vor Deinem Gatten enthüllen." Und damit diese» Gebot für Zubeida nicht beschämend sei, ertheilte der Khalif den Befehl, daß alle Frauen in Zukunft mit verschleiertem Antlitz auf der Straß, zu erscheinen haben.
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