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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 08.08.1903
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1903-08-08
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19030808016
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1903080801
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1903080801
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1903
- Monat1903-08
- Tag1903-08-08
- Monat1903-08
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Tabellarischer und Ziffernsatz entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisungen »ad Offerteuauuohme SS Lj (excl. Porto). «rtrn-veklagen (gefalzt^ nur «u ser Morgeu-AuSgab«, »hu« Postbesördenm» SO.—, mit PostdefSrderimg 70^-. Annahmrschluß für Anzeige«: Ab««d «AuSgab«: vormittags IO Uhr. Mvrg«».Ausgabe: Nachmittags 4 Uhr. Anzeige» sind stets au di, Erpeditiou zu richten. Die Expedition ist Wochentag» ununterbrochen geöffnet von früh 8 bi» abend» 7 ULr. Druck und Verlag von «. P»lz in Leidig. 97. Jahrgang. ZUM Geburtstage des Königs. Wenn König Georg an seinem heutigen Geburtstage, dvn ersten, der öffentlich gefeiert wird, selbst einen Rück blick auf das vergangene Jahr seines Lebens wirft, so können es im wesentlichen nicht freudige Gedanken sein, die ihn bewegen, und aller Prunk und alles Ceremoniell, die an solchem Tage entfaltet werden, können kaum im stände sein, die Gedanken an das Schmerzliche zu bannen, das dem Monarchen in seinem verflossenen Lebensjahre begegnete. Das wird nur die von König Georg selbst ausgesprochene Hoffnung tun können, daß auf ernste Tage auch wieder bessere folgen, und dann allerdings auch die Zuversicht, die unser König haben darf, daß er, Gott sei Dank, in seinem Lande noch Untertanen genug zählt, denen die Liebe und Treue zum König ein Begriff voll Leben und Inhalt, eine heilige Pflicht ist, und die alles daransetzen möchten, den Monarchen die trüben Tage, die er durchlebt, vergessen zu lassen. Kaum waren im Vorjahre die Totenklagen um König Albert verstummt, da brach das Unheil über das Königs haus herein, riesengroß, mit unheimlicher Gewalt. Nicht das Schlimmste war die Schmach, welche jene ehrver gessen« Frau dem Königshause direkt antat; schlimmer und schmerzlicher für den greisen König war die uner wartete und bis heute unfaßbare Rückwirkung der Er eignisse am Hofe auf einen Teil des Volkes. Während jeder, der mit Unbefangenheit das ganze tragische Schau spiel verfolgt hat, gerade der überaus korrekten Haltung des Königs, wie man sie bet solch schmerzlicher Erregung kaum hätte erwarten können, die höchste Anerkennung zollen mutzte, verbreitete sich, genährt durch gewissenlose Hetzer und eine sensationslüsterne Presse, im Volke eine unheimlich«, wüste Bewegung, die, aus gut schlecht, und aus schlecht gut machend, dem Könige und seinem Hause alle Verantwortung für das Geschehene aufbürden wollte. Wie ein reißender Strom schwoll sie an und erfüllte mit ihren beschämenden Manifestationen Haus und Straße, so daß nicht einmal die Mitglieder der Königlichen Fa milie ihr Heim verlassen konnten, ohne in nächster Nähe auf die Spuren jener verlogenen Sentimentalität zu stoßen, mit welcher damals die beklagenswerten Vor gänge gefälscht und entstellt der Öffentlichkeit übermittelt wurden. Was damals der König mit den Seinen leiden mußte, wird sich für uns kaum völlig nachfühlen und angemessen darstellen lassen. Das aber wissen wir, -aß ein Teil des Volkes eine schwere Schuld auf sich geladen und viel zu tun hat, um durch verdoppelte Liebe und Hingebung sein Unrecht gegen den Monarchen wieder gut zu machen. Glücklicherweise ist der Taumel überwunden, und die verständigen Leute sind wieder zu Worte Hcisommen. Der herzliche Empfang, den König Georg bei seinen Be suchen im Lande gefunden, wird ihm gezeigt haben, daß er wieder mit Vertrauen auf sein Volk blicken kann, und daß die alte Sachsentreue auch für die Zukunft ihren Wert behält. Und dieses Vertrauen hat er auch gegenüber dem Ergebnisse der letzten Reichstagswahlen ausge sprochen, das für ihn nicht minder schmerzlich gewesen sein wirb, als sirr jeden Patrioten. Am 3. Juli sprach der König in Meißen: „Man wird mitunter irre an seinem Volke, aber ich bin es noch nicht geworden; ich hoffe, daß es mir treu bleiben wird, wenn auch der Schein dagegen ist!" Und am 7. Juli erwiderte der Monarch in Zwickau auf die an ihn gerichteten Vcgrüßungsworte: „Meine Herren, den Mut sollen wir nicht sinken lassen, auch wenn die Zeiten ernst sind; gerade in dieser Zett muß man Mut zeigen, und dann wird es schon wieder dessen gehen." Das waren Worte eines so vollen, herzlichen Ver trauens trotz allem, was sich ereignet, daß sie in dem Herzen eines jeden patriotischen Sachsen ein lautes Echo erwecken mußten. Ein Tag, wie der heutige, der in jedem, auch dem kleinsten Orte unseres Vaterlandes Gelegenheit bietet, dem Könige zu huckdigen, mutzte förmlich herbei gesehnt werden, um die Schatten endgültig zu ver scheuchen, die sich zwischen Thron und Volk gedrängt. Mit aufrichtiger Herzlichkeit wird deshalb heute überall der Geburtstag König Georgs gefeiert werden. Ueberall werben sich die Wünsch« treuer Untertanen in dem einen begegnen: Mögen die trüben, für den König wie für sein treues Land gleich schmerzlichen Tage für immer geschwunden sein, und möge -cm Könige noch eine vieljährige gesegnete Herrschaft über ein Volk beschert sein, das seinen Fürsten von Herzen liebt und ihm Ver trauen um Vertrauen, Treue um Treue gibt. Gott schütze, Gott segne, Got erhalte unseren König! Die Mauserung -er Sozialdemokratie. Man schreibt unS: Der an sich die „Bourgeoisie" wenig berührende Streit darüber, ob die Sozialdemokratie die Stelle dcS ersten Vizepräsidenten im neuen Reickstage in Anspruch nebmen soll oder nicht, will innerhalb der sozialdemokratischen Partei nicht zur Ruhe kommen. Jetzt hat Bernstein, der be kanntlich die Frage angeschnitten bat, wiederum da» Wort ergriffen und in einem mit historischen Parallelen durch setzten Artikel den Nachweis zu führen gesucht, daß der Besuch eines sozialistischen Reichstagspräsidenten bei Hofe weder etwas Neues, noch etwas Bedenkliches wäre. Die „Vossische Zeitung" knüpft an die Anschauungen dieses „gemäßigten" Sozialisten und seiner näheren Gesinnungsgenossen, wie Vollmar und Heine, die Bemerkung: „Wer nach alledem immer uoch nicht glauben will, daß sich rin erheblicher Teil der Sozialdemokratie in sichtlichem Mauserungs prozeß befindet, mit dem ist ernsthaft nicht zu disputieren." Wenn die „Vossische Zeitung" jede Gelegenheit wahr nimmt, um immer wieder ihre LieblingSivee von der Mauserung aufs Tapet zu bringen, so sei ihr dies ruhig gegönnt, aber wenn sie die „ungläubigen Thomasse" damit abfertigen will, daß mit ihnen nicht ernsthaft zu disputieren sei, so ist diese Bemerkung ebenso bequem wie ungezogen. Wollten wir die Un gezogenheit mit einer gleichen erwidern, so würden wir etwa sagen: „Wer nach der Lektüre des neuesten Bernstein- schen Artikels noch immer nicht glauben will, daß daS Mauserungsgeschwätz ein heilloser Unsinn ist, mit dem ist ernsthaft nicht zu disputieren." Da wir aber nicht unhöflich und und auch nicht bequem sind, so wollen wir an der Hand deS Bernsteiuschen Artikels nachweisen, wie weit selbst „ge mäßigte" Sozialdemokraten davon entfernt sind, ihre Partei zu einer harmlosen sozialen Resormpartei zu machen — was bekanntlich die Mauserungspolitiker immer behaupten. Es ist charakteristisch für Vie innersten Ueberzeugungen und Wünsche Bernsteins, daß er zwei historische Parallelen heran zieht: den Besuch Rollands am Hofe Ludwigs XVI. im März 1792 und die Verhaftung Karls I. von England durch den Fähnrich Joyce. Beide Monarchen wurden bekanntlich durch die siegreiche Revolution um einen Kopf kürzer gemacht. Selbst die „Vossische Zeitung" muß zu diesen Vergleichen sagen: „Ob Herr Bernstein mit diesen geschichtlichen Erinnerungeu besonders glücklich ist, kann einstweilen dahingestellt bleiben." Doch, diese Erinnerungen sind sehr glücklich gewählt, denn sie enthüllen die letzten Hoffnungen selbst eines Bernstein. Der Bernsteinsche Gedankengang geht auch auS dem Satze hervor: „Wir haben in Deutschland zwar keine Revolution, jedenfalls aber eine Wahl hinter uns, die an demonstra tiver Wucht der Wahl zur gesetzgebenden Ver sammlung 1792 wenig nachsteht." Für Bcrnstem ist die letzte Wahl gewissermaßeu eine vorbereitende Handlung für die schließliche Revo lution. Und so ist auch sein Wunsch, die Sozialdemo kratie solle im Präsidium vertreten sein, aufzufassen. Der sozialdemokratische Vizepräsident wird nach Bern stein« Meinung „die gestiegene Bedeutung der Sozial demokratie illustrieren". Bernstein und seine Anhänger betrachten — und ganz mit Recht — eine derartige äußere Bekundung der sozialdemokratischen Macht zugleich als ein Mittel, diese Macht fortzuentwickeln. Ihnen gilt der Vize präsident also nicht etwa als eine Brücke zur Verständigung mit den bürgerlichen Parteien, sondern als ein neues in da» Lager des Feindes, d. h. des Bürgertums hineingeschobeoeS Aussalltor. Selbst daS von der „Vossische» Zeitung" vertretene volks parteiliche Bürgertum hat kein Vertrauen zu der angeblichen Mauserung der Sozialdemokratie oder großer Teile derselben. Der „Vorwärts" hat vor wenigen Tagen eine Liste von 25 Wahl kreisen veröffentlicht, in denen bas freisinnige Bürgertum „Verrat geübt", d. h. dem Gegner der Sozialdemokratie in der Stichwahl zum Siege verhalfen hat. Unleugbar stehen die Sozialdemokraten in vielen politischen und wirtschaftlichen Fragen, die den Reichstag beschäftigen (Zollfragen, Abwehr indirekter Steuer», Ablehnung neuer Forderungen für Heer und Marine) der freisinnigen und der süddeutschen Volks? Partei sehr viel näher als die konservativen Parteien diesen freisinnigen Gruppen stehen. Wenn die freisinnigen Wähler an die sozialdemokratische Mauserung glaubten, so würden sie also ganz unlogisch gebandelt haben, als sie konservativen Kandi daten gegen die Sozialdemokratie rum Siege verhalfen. Die Wähler aber hatten den richtigen Instinkt, daß eS sich ebens» wenig empfiehlt, sich auf dir sozialdemokratisch« Mauserung zu verlassen, wie etwa zu einem momentan friedlich da- liegenden Tiger hineinzuspa,irren, und sie haben sich deShal» mit Recht gesagt, daß der Gegensatz zu anderen bürgerliche« Parteien in Zollfragen und vergleiche» von verschwindend geringer Bedeutung ist gegenüber dem Gegensätze zu der revolutionären Tendenz der Sozialdemokratie In der Besetzung eine» PräsidialpoftenS durch einen Sozialdemokraten eine Annäherung an daS Bürgertum zu erblicken, erscheint unS als in jeder Hinsicht verkehrt. Frieilletsn. Fultons erstes Dampfschiff. Ein Erinncrungsblatt zur Säkularseter der Dampfschiffahri. Bon Rudolf Curtius. rttachtruct vcNvieu. Unter den Säkularerinnerungen technischen und natur wissenschaftlichen Inhalts, die das zwanzigste Jahrhundert als Nachfolger seines in dieser Beziehung bahnbrechen den Vorgängers feiern kann, steht diejenige, welche die Erfindung des Dampfschiffes betrifft, sowohl zeitlich wie sachlich fast an erster Stelle. Im Sommer des Jahres 1803 soweit gediehen, daß sie durch den genialen amerika nischen Ingenieur Kulton aus der Theorie in die Praxis übersetzt werden konnte, inaugurierte sie 26 Jahre früher als StephensonS Dampflokomotive „Nockett" ihren unauf haltsamen Siegeszug über bas feste Land antrat, die Er- vberung der Meere, deren sicheres Befahren bis dahin im höchsten Grade vom Wind und Wetter abhängig gewesen war. Reisen nach fremden Ländern konnten nunmehr mit «tner früher undenkbaren Sicherheit und Geschwindigkeit ausgeführt werden. Denjenigen, denen es in der alten Heimat zu eng geworden war, erschlossen sich eigentlich erst von jetzt an bequeme Wege nach fernen, schwach bewohnten Ländern, und die nunmehr möglich gewordene schnelle und billige Heranschaffung überseeischer Roh- Produkte eröffnete den Zurückgebliebenen durch das Auf blühen der Industrie neue Erwerbsgelegenheiten, dank denen die Bevölkerung Europas erst ihre heutige Zahl und Kulturhöhe erreichen konnte. Wie es bet vielen andern großen technischen Fort schritten der Fall gewesen, ist auch die Erfindung des Dampfschiffes nicht durch die glückliche Eingebung eines Augenblicks, wie Pallas Athene aus dem Haupte des WolkendonneverS ZeuS, in die Wirklichkeit getreten. Schon lange, ehe überhaupt die Dampfmaschine durch DeniS Papin (1690), ferner durch New-Comen und Cowlcy (1705) und endlich durch bas mehr als dreißigjährige Be mühen von JameS Watt (1769 bis 1800), der unablässig an ihrer Vervollkommnung arbeitete, eine brauchbare Gestalt erhielt, hat der Gedanke, Schiffe durch die Gewalt deS ausstrvmenden Dampfes zu bewegen, die Köpfe zahl reicher Erfinder beschäftigt. So soll bereits der spanische Schiffskapitän BlaSco deGary im Jahre1543 den Bau von Dampfschiffen angeregt haben, ohn« daß es dabei jedoch überhaupt nur zu Versuchen gekommen ist. Dagegen wurden schon im Jahre 1618 in England die ersten Patente auf Methoden erteilt, die die Fortbewegung von Schiffen durch mechanische Kraft bezweckten. Auch diese Projekte scheinen nie zur Ausführung gekommen zu sein, und deshalb beginnt die Vorgeschichte der Dampfschiff- fahrt erst mit dem Jahre 1681, in dem ein Buch Papins, des Erfinders deS nach ihm benannten DampstopfeS, er schien, worin bestimmtere Vorschläge über die Möglichkeit der Konstruktion von Dampfschiffen gemacht wurden. Papin, der bald darauf Professor der Physik in Marburg wurde, baute im Jahre 1707 auch wirklich ein Schiff mit RuderrSLern, die durch Wasserdampf bewegt wurden; er fuhr mit diesem Fahrzeug am 27. September desselben! Jahres auf der Fulda von Kassel nach Münden hinunter und hatte den kühnen Gedanken, die Fahrt die Weser weiter hinab und von Bremen auf der Nordsee bis nach England fortzusetzen. In Münden verweigerte man ihm jedoch die Durchfahrt, und als er diese mit Gewalt zu erzwingen suchte, benutzten fremde, durch den Brotneid aufgestachelte Weserschisfer dies als willkommenen Bor wand, um sein Schiff von Grund aus zu zerstören, worauf Papin mißmutig alle weiteren Versuche aufgab. In der Folgezeit versuchten sich die Engländer Jonathan Hüll (1736) und Patrick Miller (1788) mit dem in Rede stehenden Problem. Auch in Frankreich erbauten im Jahre 1774 Auxiron und im folgenden Jahre Parier verschiedene Bersuchsschiffe, während Rumsey in Phila delphia im Jahre 1787 die Reaktionskraft des aus Röhren ausgcstoßen«n Wassers, also den Rückstoß, für ein Bcr« suchsboot als bewegende Kraft benutzte. Andere Er finder, wie Vramah, Joffroy in Lyon, Livingstone Kingsley, Roosevelt und Fitch, der als erster auf den Ge danken kam, die Schraube zum Vorwärtstreiben von Schiffen zu benutzen, bemühten sich vergeblich, es zu einer effektvollen Leistungsfähigkeit ihrer Schiff« zu bringen. Trotz mancher Teilerfolge, wie sie sich namentlich an die Namen Papins und Pörters heften, wird dennoch Fulton immer als der eigentliche Erfinder des Dampf schiffs gelten, der den Sprung vom Künstler zum Ingenieur mit dem glänzenden Erfolge unternahm, daß er in seinem neuen Wirkungskreise die Menschheit mit einer der wichtigsten Erfindungen aller Zeiten beschenken konnte. Fulton, der im Alter von 28 Jahren Pinsel und Palette hinwarf, um sich den technischen Wissenschaften zu widmen, war bald nach seinem Berufswechsel nach Paris gegang«n, wo er sich zunächst rastlos mit der Kon struktion von Torpedos und Torpedobooten beschäftigte und in seinem Landsmann, dem amerikanischen Gesandten bei -er französischen Republik, Livingstone, einen stets zu materieller Unterstützung seiner Pläne bereiten Gönner fand. Die fruchtlosen Versuche seiner Vorgänger auf dem Gebiete deS Dampfschiffahrtsproblems waren ihm wohl bekannt, und auch von einem im Jahre 1802 von Symington erbauten, mit einem Heckrad ausgerüsteten Dampfschiff, mit welchem dieser Erfinder auf dem Forth- und Clyde-Kanal zwei Kanalboote mit einer stündlichen Geschwindigkeit von etwas mehr als drei englischen Meilen schleppte, hatte er genaue Kenntnis erhalten. Nachdem er im Frühjahr 1802 seine Zeichnungen und Modelle an Livingstone gesandt und im Laufe des darauf folgenden Winters sein erstes Fahrzeug vollendet hatte, konnte er an Montgolfi«r, den berühmten Erfinder deS Luftballons, die selbstbewußten Worte schreiben, daß er fest an die Verwendbarkeit seine» Bootes glaube, weil er die Fehler seiner Vorgänger zu vermeiden gewußt habe, die durch unzureichende Kenntnis der Dampfkraft un andere mechanische Mängel verursacht worden seien. Die erste Probefahrt, die im Frühling 1803 stattfand, schien seine Hoffnungen Lügen strafen zu sollen; der Rumpf des Schiffes erwies sich nämlich für die schwere Maschine als zu schwach, und das Fahrzeug ging in der Sein« unter. Unverdrossen ging er an die Hebung seiner Maschine und an den Bau eines stärkeren BooteS, daS im Juni 1808 vollendet wurde und zu dessen Erprobung er die französische Akademie der Wissenschaften und eine große Zahl von Gelehrten, Technikern und Genie offizieren etnlud. In Gegenwart dieser Persönlichkeiten und einer großen Menge schaulustiger Pariser vollzog sich nun am 9. August das Ereignis, das die Geburts stunde der Dampfschiffahrt bedeutete. Hatten auch die besten von früheren Erfindern erbauten Boote beim Kahren stromaufwärts entweder gänzlich versagt, oder nur eine so geringe Bewegung entwickelt, daß sie praktisch unbrauchbar waren, so manövrierte Kultons Schiff zum Erstaunen der Anwesenden nach allen Leiten mit großer Leichtigkeit, und das lange umstrittene Problem mußte als endlich gelöst anerkannt werden. Dem Erfinder schien nun als Frucht seiner Mühen ein goldener Wetzen in die Halme zu schießen. Auf einen an den „Ersten Konsul der Republik" erstatteten Vor schlag, Kriegsdampfer zu bauen, die der englischen Flotte überlegen sein und sogar eine Landung in England er möglichen müßten, schrieb Napoleon an ken Minister de Champagne, daß eine große Wahrheit und handgreifliche Tatsachen vor seinen Augen ständen. Man habe ihn viel zu spät auf das Projekt aufmerksam gemacht, das im Stande sei, das Ansehen der Welt zu verändern. Unge duldig erwarte er von einer zur Prüfung der Erfindung eingesetzten Kommission eine Erledigung der Anlegenheit in höchstens acht Tagen. Wie so ost im Staatsleben, wurde auch hier aus der Prüfungskommission eine Beerdigungskvmmiffion. Auch Bonaparte scheint in dem Wirrwarr der sich fast über stürzenden politischen Ereignisse den Erfinder und seine verheißungsvollen Projekte vergessen zu haben. Im Mai 1804 verlieb Fulton, des langen Wartens müde, Frankreich, nachdem er durch Livingstones Vermittelung vom Staate New Uork ein Monopol für die Dampfschiff fahrt auf den nordamerikanischen Strömen erhalten hatte. Zunächst wandte er sich nach England, wo er von der Firma Boulton L Watt, der ersten und einzigen leistungsfähigen Anstalt für den Bau von Dampf maschinen, eine neue Maschine bauen ließ. Er war zu der Ueberzeugung gelangt, daß sein Dampfschiff nur dann definitiv den Steg über Ruderboot und Segelschiff behaupten könne, wenn eS von wirklich starken mechanischen Kräften bewegt wurde, und bestellte deshalb eine Maschine von 18 — sage 18—Pferdekräften, die im Vergleich mit den heutigen Ricsenmaschinen der transozeanischen Schnell dampfer, welche durch eine ost fast tausendfache stärkere Kraft fortbewegt werden, «in Zwerg von allerwinzigsten Dimensionen war. Mit der im Jahre 1806 vollendeten Maschine begab sich Fulton nach New Dork, und begann den Bau seines berühmten Schiffes „Claremont", das eine Länge von 42,5 und eine Breite von 4,5 Meter und zwei seitlich angebrachte Räder von 4,7 Meter Durch, mesier und eine Tragfähigkeit von 162 Tonnen hatte. Am 7. Oktober 1807 fand die entscheidende Probefahrt statt. Der massenhaft versammelte Mob, bet dem blutiger Hohn und Begeisterungstaumel jederzeit so nabe bei ein ander liegen wie im antiken Rom das Kapitol und der tarpejische Felsen, brach in Dpottgeheul auS, als das Schiff gleich im Anfänge wegen eines vorübergehenden Ver- sagen» der Maschine nicht von der Stelle rückte. Als dann aber Leben in den erzitternden Rumpf kam und das Schiff stolz gegen Albany zu davondampfte, ver wandelte sich da» Hohngelächter in tobenden BetfaL Unmittelbar nach dieser Probefahrt wurde mit dem „Claremont" der Personenverkehr eröffnet, und bald darauf mit dem Bau dreier neuen und größeren Schiffe, des „ttaritan", des „Car of Neptune" und des „Paragon", begonnen, welche bis -um Jahre 1812 in Amerita weitere 50 Nachfolger erhielten. In diesem und im folgenden Jahre konstruierte Kulton die ersten großen Dampffährea für den Verkehr zwischen New Z-ork und ihren Schwester städten Brooklyn und Jersey-City, und im Jahre 1814 erhielt er vom Kongreß den Auftrag zum Bau des ersten ÄrtegSbampfers. Kulton sollte den Erfolg dieses Schiffe», das 44 See meilen in 8V2 Stunden zurücklegte, nicht mehr erleben. Er starb am 24. Kebruar 1815, und es ist bezeichnend für sein Erfinderschicksal, daß er bei seinem Scheiden eine Schuldenlast von 120 000 Dollar zurückließ. Während in England in den Jahren 1812 und 1813 die ersten Dampf ¬ schisse in den Verkehr gestellt wurden, dauerte eS in Deutschland bis zum Jahre 1818, bis die ersten Dampfer auf dem Rhein und der Elbe erschienen, und in Oester- reich furchte das erste Dampfschiff sogar erst im Jahre 1830 die Wellen der Donau. Inzwischen war längst (1818) in New L)ork der erste transozeanische Dampfer „Sa vannah" vom Stapel gelaufen, der die Strecke von Sa vannah nach Liverpool in 26 Tagen zurücklegte, und im Jahre 1825 stach zum ersten Male ein Schiff unter teil weiser Benutzung der Dampfkraft von England auf die große Osttndienfahrt in See, wobei die Fahrt um bas Kap der guten Hoffnung in 113 Tagen zurückgelegt wurde. Der ausgedehnten Verwendung der Dampfschiffe auf hoher See war der Umstand hinderlich, daß Ke seitlich angebrachten Schaufelräder bei stark bewegtem Wasser aus den Mellen gehoben wurden, so daß die Maschine in diesen Augenblicken nutzlos arbeitete und dieGewalt über das Schiff gerade in bedenklichen Momenten verloren ging. DiesemUebelstande abzuhelfen, war der Erfindung der Schiffsschraube durch den Oesterreicher Ressel Vor behalten, der damit eigentlich eine noch viel gewaltigere technische Großtat als Kulton vollbrachte. Bon Haus auS Forstmann, hatte er schon 1812 die Idee gefaßt, Schiffe durch die mittels Dampfes bewegte archimedische Schraube vorwärts zu treiben. AIS er aber im Jahre 1829 seine Erfindung in bi« Praxis etnführen wollte, stellte ihm die geistig beschränkte Bureaukratie ein Bein, indem sie wegen eines unbedeutenden Unfalls an der Maschine alle wetteren Versuche mit der klassischen Begründung verbot: „Bon den drei Bestandteilen, dem Schiffskörper, der Schraube und der Dampfmaschine, ist die Dampfmaschine zerbrochen und die Schraube unverletzt geblieben. Also ist die Schraube -um Betrieb der Dampffchiffahrt nicht tauglich. Im AuSlande batte man ein tiefere» Verständnis als in Ressels Heimatland«. Den Ruhm, den man ihm aG geschnitten, erntete statt seiner der Engländer Smith, dek im Jahre 1836 die Lctstungsfähigkeit der Schiffsschraube so augenfällig nachwie», daß von da ab di« Einführung derselben bei allen seefahrenden Völkern und damit eine neue Akra der Dampffchiffahrt begann, die zu den stolzen schwimmenden Palästen und den mit SchnellzugSgs» schwindigkeit vorwärts eilenden Ozeanrennern der Gegen wart geführt hat.
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