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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 10.06.1905
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1905-06-10
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19050610016
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1905061001
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1905061001
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Handelszeitung
- Jahr1905
- Monat1905-06
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Bezugs-Preis i> w« He»pt«rp»dEUWi «d«« wemi U»-r»d«» stelle, «st,«tz,lt» vterteljährüch ll>-» bei goetta-Uga lüglicha 8»-«l1»»ß i»ll tzms V.7L Dewch dt» Post bezog« für Deutsch land «. Oesterreich viertelführltch LckiO^ für die Übrige» Länder lau» ZettunglprrtSItste. rief« «u»»er kastel /I (NL auf «ü«u vahnhvt« nub III I bet d« ZettullgS-Berkäufer» I * Nedattt« «d Gx-edMeur 158 Fernsprecher L2L Johmrut-Laff, L Smwt-SUtale Dresseur Marte« sttatz, St tFrrnfprecher Amt 1 Nr. 17181 Haupd-AUtak« verltu: LerlD » uck «r, HerzaLBayrHofbuchhaudlg, Lühowstraße iO Derusprecher Arm VI Nr, 40081 Nr. 292. Morgen > Ausgabe. MpMcr TüsiMM Handelszeitung. Amtsvkatt -es LSnlgl. Land- «nd des ÄSnigü Amtsgerichtes Leipzig, des Aales «nd des Nolizeiamtes -er Ltadt Leipfig. Sonnabend 10. Juni 1905. Vuzetgeu-Preis dir -gespaltene Petitzeile SV Familien- und Stellen-Anzeigen 20 Mnanztrll« Aazeiaen, GeschäftSauzetge» onter Text oder an besonderer Stell» nach Tarts. Di« 4 gespalten« Reklamezrtl« 75^. Anuahmeschlust für Uureigen: Ab« ad-Ausgabe: vormittag» 10 llhr. Morgen-Ausgab«; nachmittag» » Uhr. Anzeig« find stet» « ditExpedttioa zu richten. Extra-Beilagen (nur mit da Morgen- Ausgabe) «ach besonderer Vereinbarung. Dt« Expedition Ist umchentag» »»uuterbroche» geöffnet von früh S bi» abend« 7 Uhr. Druck «nd Verlag vo« E. Polz tu Leipzig (Inh. Dr. B„ R. L W. Klinkhardt). Herausgeber: vr. Victor Klirrlhardt. 99. Jahrgang. Var AiMigste vom Lage. * DaS Reichsgericht verwarf die Revision des Grafen Baudissiu und feines Verlegers Janke, die durch den Roman „Erstklassige Menschen" das preußische OfsizierkorpS beleidigt hatten und deshalb ver urteilt worden waren. (S. dtsch. Nch.) * Der außerordentliche schwedische Reichstag zur Behandlung der norwegischen Frage ist zum 20. Juni eiuberufen. * In Christiania ist am Freitag feierlich die UnionS- flagge niedergeholt und die „reine" Flagge gesetzt worben. (S. AuSld.) * In Minsk sind am Donnerstag Abend antisemi tische Krawalle vorgekommen, bei denen Militär ein- fchr eiten mußte. (S. Auslv.) * Der Schah von Persien wird am 17. dS. Mts. in Wien eintreffen. * An der türkisch-montenegrinischen Grenze ist eö zu blutigen Zusammenstößen gekommen. (S. AuSld.) fridtjsk Nanren, der Norweger. Als Nansen nach der Rückkehr von seiner märchenhaft kühnen Polarsahrt das große Werk „In Nacht und Eis erscheinen ließ, fiel es auf, daß er selbst bei jener Gelegen heit die Politik nicht vergessen konnte und von der reinen norwegischen Flagge zu sprechen nicht unterließ. Und das, obwohl der König von Schweden und Norwegen einen erheblichen Bei trag zu den Kosten der Expedition aus seiner Tasche gesteuert hatte. Die damals vielfach über diesen Umstand angestellten Betrachtungen fielen nicht immer freundlich aus und handelten meistens vom Takt und guten Ton in allen Lebenslagen. Für unsere Zwecke wird daran nur erinnert, weil sie ein Symptom sind, wie sehr das Politisieren in Norwegen Volksleidenschaft ist. Alles treibt dort Politik — Fridtjof Nansen sogut wie Björnstjerne Björnson und Alexander Kjelland, bei dem sie sogar die ganze Dichtkunst verschlungen hat. Wenn Björnson auf feinem norwegischen Gute Hof hielt und in fürstlicher Gastfreundschaft Hunderte von Gästen empfing, so konnte man sicher sein, daß dabei mehr vom Verhältnis zu Schwede« als von den schönen Künsten gesprochen wurde. Item — die Norweger sind ein eminent politisches Volk — „die Leute sind gefährlich". ES kann deshalb nicht weiter überraschen, daß Nansen in seinem alten deutschen Verlage F. A. Brockhaus eine rein politische Arbeit, ein Mittelding zwischen Broschüre und Buch, hat drucken lasten und damit heute an die Oeffentlichkeit kommt. „Norwegen und die Union mit Schweden von Fridtjof Nansen" steht auf dem Heft und der Verlag hat Recht, wenn er diese politische Schrift ein Ereignis nennt. Gleichzeitig ist auS den Begleitzettelu des Verlags — um nicht Waschzettel zu sagen — noch ein interessanter Umstand ersichtlich, der in der Nansenschen Schrift selbst nicht so deut lich zum Ausdruck kommt. Es heißt an einer Stelle des Begleitzettels nämlich: „Man hat ihn (Nansen) berufen, vor der ganzen zivilisierten Welt den Nachweis für die Be rechtigung der Ansprüche seines Vaterlandes zu führen." Nansen selbst läßt daS nur zwischen den Zeilen seines Vor worts lesen, indem er sagt: „Der Zweck dieser kleinen Schrift ist eS, ausländischen Lesern . . . eine kurze, zuverlässige Darstellung der wichtigsten Verhältnisse und Vorfälle zu geben, die mit nahezu logischer Konsequenz zu der gegenwärtigen Krise geführt haben. Die Schrift er hebt in keiner Weise Anspruch darauf, inhaltlich als etwas Neues und Originelles angesehen zu werden, sie behandelt Gegenstände, über die viele Bände geschrieben sind und noch geschrieben werden können. Ich habe vielmehr nach Kräften versucht, alles, waS hier mitgeteilt wird, in genaueste Ueberein- stimmung mit den Anschauungen der sichersten und allgemein an erkannten Autoritäten zu bringen, und habe bei angesehenen Männern unseres Landes von den verschiedensten Ansichten Rat und Beistand gefunden." DaS Vorwort ist datiert „Lysaker, Mai 1905" und auch die Arbeit selbst ist jedenfalls erst in jüngster Zeit unter dem Druck der auf Entscheidung drängenden Zeitereignisse entstanden, so daß das Zusammen treffen der Buchausgabe mit dem Ausbruch der Krise nicht Zufall, sondern Absicht ist. Trotz LeS anerkennenswert ruhigen ToneS, dem die Er eignisse daS Prädikat bewunderungswürdig verleihen könnten, weht aus jeder Zeile da» unbändige Nationalempfindea de» Norweger», da» die alten normannischen Seeräuber (oder Kolonisatoren — wie man will) mit derselben brünstigen Innigkeit al- nationale Herren reklamiert und zum Beweise !ür die Richtigkeit der norwegischen Unionspolitik verwertet wie die jüngsten Ereignisse. Dabei hat Nansen mit dieser Schätzung der Historie Recht. Der Streit Norwegen» gegen die Union ist in erster Linie ei» Kampf um Gefühlswerte und erst in zweiter um materielle Interessen. Und diese Gefühle sind untrennbar ursächlich verknüpft mit den norwegischen Traditionen, die wieder in der Geschichte ihren Ursprung habe». Di« Nausensche Deduktion ist in der Hauptsache varanf »«richtet, di« nie faktisch anfg«h»ben» Selbstäadiglüt eines norwegischen Königreichs zu beweisen und daraus die Berechtigung Norwegens zu beweisen, seine Geschicke selbst zu bestimmen. Die Union ist sür Nansen reine Personalunion und auS der Reichsakte von 1815, der rechtlichen Grundlage für die schwedisch-norwegische Union, weist er „die Gleichberechti gung der Reiche und jedes Reiches Alleingewalt in allen Angelegenheiten, die nicht als Unionssache bezeichnet sind" nach. Daß cS überhaupt „Unionssachen" gibt, ist nun zwar fatal, aber Nansen erklärt: „Außer über Krieg und Frieden und die Person des Königs und die Organe, die nötigenfalls zeitweilig an Stelle der Person deS Königs treten sollen, setzt die Reichsakte keinerlei Gemeinschaft sür die beiden Reiche fest. Folglich hat jedes Reich in allen anderen Angelegen heiten sein volles Selbstbestimmungsrecht als souveräner Staat bewahrt, WaS mit der oben angeführten, scharf be grenzten Gemeinschaft nicht kollidiert." Und ferner: „Die Reichsakte ist als ein völkerrechtlicher Vertrag zwischen zwei souveränen Staaten aufzufaffen. So wichtig diese historischen Dokumente aus der Zeit des klugen Karl Johann, des ersten Bernadotte, sein mögen — unS erscheint bedeutsamer, weil für das Verständnis der inneren Naturnotwendigkeit des Konflikts förderlich, WaS Nansen über die Charaktere des norwegischen und des schwedischen Volkes sagt. Mit freundlicher Erlaubnis des Verlags drucken wir deshalb hier aus der Schrift einige Stellen auS Kapitel 4, „Züge aus der Geschichte der Union", ab: „Ebenso wie ihre frühere Geschichte immer ganz getrennte Wege gegangen ist und außer kriegerischen Zusammenstößen weniß Berührungspunkte gehabt hat, so sollte auch ihre zu künftige Entwicklung sehr verschiedene Richtungen ver folgen. Während daS norwegische Volk in demokratischer Richtung vorwärts geschritten ist und unter teilweise forcierter Ausnahme aller modernen Anschauungen eine bis zum äußersten burchgeführte Selbstregierung nach englischem Vorbild ge schaffen hat, hat sich daS schwedische Volk mit seinen vielen Traditionen aus der Zeit seiner Größe und mit seiner stark aristokratischen Verfassung in politischer Höustcht tranig entwickelt; und wenn politische Fragen bei dem norwegischen Volke, wo jeder Bauer und Arbeiter die Ereignisse in seiner Zeitung verfolgt und seine Meinung darüber hat, vielleicht zuviel Zeit und Aufmerksamkeit beanspruchen, so erwecken sie im schwedischen Volke vielleicht zu wenig Interesse. Die höhere aristokratische GescllschaftSschicht, die im schwedischen Gemeinwesen fortwährend eine übermächtige Rolle spielt, hat zudem immer die Neigung gehabt, mit einer gewissen Geringschätzung auf das norwegische „Bauern volk" herabzusehe». Mit ihrer mangelhaften Kenntnis der früher« Geschickte dieses Volkes und der Voraussetzungen für das Entstehen der Union hat die schwedische obere Gesellschaftsklasse den norwegischen Anspruch auf Gleichstellung als eine unrechtmäßige Aeußerung von Hochmut und sogar als Undankbarkeit aufgefaßt, indem man sich wirklich eingebildet hat, daß Schweden im Jahre 1814 Norwegen edelmütig geholfen habe, es von Dänemark zu „befreien"; und es damit „zu einem selbständigen Reich er hob". Das Ergebnis ähnlicher schwedischer Unkenntnis sehen wir in diesen Tagen, wenn z. B. ein Mann wie Dr. Sven He bin in einem ausländischen Blatte der Welt mitteilt, daß die Männer der norwegischen radikalen Politik „Schwedens ur alte Verbindungen mit Mitteleuropa vergessen und nicht daran denken, daß Norwegen zu der Zeit, als die Siege von Lützen und Narva die Bewunderung der ganzen Welt erweckten, eine dänische Provinz war und eine solche weiterhin blieb bis zum Jahre 1814, als es zu einem souveränen Staat erhoben wurde, mit Schweden unter einem Könige vereinigt." Be hauptungen wie die, daß Norwegen eine Provinz von Däne- mark war usw., müssen von mangelnder Kenntnis der Dinge herrühren; ich muß glauben, daß Dr. Sven Hedin nicht weiß, daß Norwegen ein Königreich war und datz eS mehrere Jahrhunderte vor Schweben eine zuverlässige und zum Teil recht bemerkenswerte Geschichte hatte. Aber wenn ein Mann, der in wissenschaftlicher Genauigkeit geübt, so schreibt, WaS soll man da von andern erwarten?" Im folgenden Abschnitte beklagt sich Nansen besonders bitter über die Unzuträglichkeiteu der gemeinsamen Leitung der auswärtigen Angelegenheiten, die in der Praxis zeitweilig dahin geführt habe, daß von Norwegen mitbesoldete Diplo maten an fremden Höfen gegen Norwegen hätten arbeiten müssen. Daran schließt sich die Besprechung der Veranlassung der Krise, der Konsulatsfrage, die aus ähnlichen Motiven Unzufriedenheit erregt, zumal Schwede« und Norwegen keine Zollunion habe». Besonders wertvoll ist schließlich, WaS Nausen im Schluß kapitel über die augenblickliche Situation sagt, und wie er die Sprengung rechtfertigt: „Daß da« norwegische Volk sein eigenes Konsulatswesen verlangt, ist keine Revolution; daß das norwegische Storthing in Uebereinstimmung damit Beschluß darüber saßt, ist keine Revolution; daß die norwegische Regierung die Sanktionierung dieses GesetzbeschluffeS anrät und die Verantwortung einer SanktionSverweigerung nicht übernehmen kann, ist auch keine Revolution; denn eine Regierung macht nicht Revolution, indem sie sich weigert, aeaen die Interessen ihre- Lande- zu handeln. Daß der König hiernach nicht imstande sein wird, eine neue Regierung zu finden, ist auch keine Revolution; man kann die Bürger unseres Lande» nicht zwingen, in ein Ministerium einzutrelen. Aber die gesetzmäßig gewählte und die gesetzmäßig tagende National versammlung kann da» Land nicht ohne Regierung lassen. Und da sich die Königsmacht selbst ihrer Funktion enthoben hat, muß da- Storthing da» bisherige Ministerium ersuchen, in seiner Funktion zu ver bleiben und di« Regierung-geschäfte auszuübe», al» ob die Königsmacht noch anwesend wäre. Die» ist natürlich auch keine Revolution, sonder» einfach da», wa» di« «ttstaodene» Verhältnisse al» notwendig gebiete«." Daß hier et» Patriot, in dies«» Fall« als» «in Pertti» mann, redet, ist natürlich nicht zu verkennen, und sicher werden von schwedischer Seite genügend Gründe gegen das Vorgehen Norwegens angeführt werde« können. Aber gerade des wegen verdient eö nochmals betont zu werden, daß Nansen zwar ausdrücklich sei» und seines Volkes Mißtrauen gegen Schweden dokumentiert, sich aber von Gehässigkeiten völlig frei hält. Und ebenso wie die Norweger in der augenblicklichen Krise betont Nansen den dringenden Wunsch Norwegens, zu einer Art Entente mit Schweden zu kommen. Dabei ist natürlich auch Diplomatie mit im Spiele, aber es klingt doch versöhnlich und vornehm, wenn er mit einem Ausblick auf gemeinsames Handeln mit Schweden sür den Fall einer Bedrohung Skandinaviens schließt. 8. Vie Sprengung der nordischen Unio;r. Am Freitag morgen ist in Christiania die Unionsflagge auf der Festung AkeröhuS unter großen Feierlichkeiten gegen die dreifarbige norwegische Flagge ausgewechselt worden. Gegen 10 Uhr vormittags hatten sich auf dem Festungsplatze etwa 30 000 Menschen versammelt. Vor der Wohnung deS Kommandanten war die Garnison der Stadt unter dem Kommando des PlatzmajorS zur Parade aufgestellt. Die norwegische Garde, die zur Zeit Fcldübungen vornimmt, war aus diesem Anlässe in die Stadt kommandiert worden. An wesend waren auch die Mitglieder des Storthings. Kurz vor 10 Uhr verlas der Kommandant den Beschluß des Storthings. Als die Uhr des FestungSturmeS den ersten Scklag der zehnten Stunde schlug, begann die Unions flagge sich zu senken. Die Truppen präsentierten daS Gewehr, und die Musik intonierte daS Vaterlandslied: „Norwegens Söhne". Während des Kanonendonners begann die Menge das Haupt zu entblößen. Dann wurde die neue Flagge gehißt, die Truppen präsentierten wieder um, die Musik spielte die Nationalhymne: »Ja wir lieben dieses Land", in o.e viele einstimmten. Die Kanonen don nerten aufs neue Als die Flagge gehißt wurde, erschollen laute Hurrarufe. Der Kommandant brachte ein Hoch auf das Vaterland aus, das begeistert ausgenommen wurde. Die Nationalhymne wurde abermals gesungen; damit war der feierliche Akt beendet. AuS allen Lanvesaegenden gehen Dank- und Zustimmungs telegramme bei der Regierung und dem Storthing ein. Die Gemeindeverwaltungen beschließen überall Zustimmungs adressen. Eine solche wurde am Donnerstag abend vom Ge meinderat in Christiania beschlossen, worauf sämtliche An wesenden stehend „Gott schirme das Vaterland" anstimmten. DaS Akademische Kollegium stellte der Regierung ein Schreiben zu, in welchem ihr Dank ausgesprochen wird, daß sie die Ehre des Landes gerettet habe, ferner der Wunsch, daß die gefaßten Beschlüsse dem Vaterlande Glück und Segen bringen mögen und die Hoffnung, daß die Regierung, gestützt aus das einrge Volk, im stände sein werde, das Land glück lich aus allen Schwierigkeiten zu führen. Das HandelSvepartemcnt stellte sämtlichen Generalkonsuln in Christiania bestätigende Abschriften der den Beschluß des Storthings betreffenden Aktenstücke zu und forderte sie auf, ihren Regierungen über das Geschehene zu berichten. Die Ernennung LoevlandS zum Minister deS Auswärtigen tritt erst am 15. Juni in Kraft. Die in Christiania erscheinende „Aftenposten" meldet auS Madrid: Der Gesandte Baron Wedel-Jarlsberg, geborener Norweger, verlangte anläßlich der Auflösung der Union seinen sofortigen Abschied als schwedischer Gesandter und reist heute nach Christiania ab. Es verlautet, daß die ebenfalls in Norwegen geborenen Gesandten in Kopenhagen, Rom und Washington diesem Beispiel folgen werden. Die Stimmung in Schweden ist nach wie vor ruhig. Immerhin bestätigt sich die Auffassung, eS sei das beste, die Taisachen als solche hinzunehmen. Einzelne Stockholmer Blätter sprechen die Befürchtung aus, das Ausland könne sich in die Aufhebung der Union durch Norwegen mischen, und wünschen aus diesem Grunde, daß Schweden dazu bei trage, daß der norwegische Freistaat von Europa anerkannt wird. Diese Ansicht teilen mehrere Mitglieder des Reichs tags. Anvere Blätter schlagen dagegen vor, die Angelegen heit dem Haager Schiedsgericht zu überweise», um de» Union streitigkeiten em Ende zu machen. Der Kronprinz von Schweden ist am Freitag vormittag in Stockholm eingetroffen. Die Prinzen Gustav Adolf und Eugen begrüßten ihn bereits auf der Station Liljehollen. Am Stockholmer Bahnhöfe hatte« sich zur Begrüßung die Prinzen Karl und Wilhelm, die Staatsminister und der Minister des Aeußern eingefunden. Eine große Volksmenge, die vor dem Bahnhöfe und in der Wasastraße angefammelt war, begrüßte den Kronprinzen und die anderen Mitglieder des Königshauses mit Hurrarufen. Die Stadt war mit Flaggen geschmückt. Die Einberufung de» schwedischen Reichstages auf den 20. Juni ist am Freitag in der Sitzung des Staats- ratrS beschlossen worden, der unter dem Vorsitze deS Königs und in Gegenwart des Kronprinzen abgehalten wurde. Der Präsident des Ministerrates teilt« den Beschluß de» Stor- IhingS vom 7. Juni mit und erklärte dann folgende»: Durch dieses revolutionäre Vorgehen bat der Storthing nicht nur obne die Mitwirkung de« König«, sondern auch obne Rücksichtnahme auf Schweden au« eigener Machtvollkommenheit Beschluß über die Auflösung der Union gefaßt, die auf Grund eine» gegenseitigen, durch das Gesetz festgelcgten Abkommen» besteht und ohne die Zu stimmung der beiden Länder nicht aufgehoben werden kann. Der Beschluß des Storthing» ist eine schwere Verletzung der Rechte Schweden«, u»d e» ist unbedingt nötig, daß der Reichstag zu einer außerordentlichen Tagung einberufen werde, um Über die Schritte »u berate», die vo» Seiten Schweden» inbetreff dessen, wa» sich ereignet hat, zu ergreifen sind. — Die EntlaffuugSgesuche de, Gesandte» i» Kopenhagen, Rom »d Madrid, di« wdvrv»« N*r»4-a ft»d, werd«, «»- vaskndr dttpIStrenrer.prsrttser. Ueber die äußeren Vorgänge bei dem Aufsehen erregenden Abbruch deS Plötzensee-Prozefscs wird unS berichtet: 8. <L L. Berlin, S. Juni. Zu Beginn der heutigen Sitzung fehlte der Angeklagte AhrenS. Sein Verteidiger R.-A. Dr. Löwenstein erklärte, daß Ahrens wohl im Gerichtsgebäude anwesend gewesen sei, sich jedoch wegen Unwohlseins habe nach Hause begeben müssen. Er hoffe jedoch, noch im Laufe des Vormittags ver- handlungsfähig zu werden. Vors. Landgerichtsdirektor Opper mann vertagte darauf die Verhandlung auf 1 Uhr mittags. Inzwischen ging auf dem Korridor daS Gerücht, daß der Prozeß heute zu Ende gehen würde. Nur wußte man nicht, wie das geschehen solle, ob durch Zurücknahme des Straf antrags, durch Vertagung oder durch eine Erklärung der An geklagten. Die Spannung, wie der Ausgang dieses Riesen prozesses sich vollziehen würde, war bei Beginn der Sitzung um 1 Uhr mittags naturgemäß aufs höchste gestiegen. Der Be ginn selbst verzögerte sich einige Zeit, da der Gerichtshof auf das Erscheinen des Oberstaatsanwalts Dr. Jsenbiel wartete. Dr. Jsenbiel erschien kurz nach 1 Uhr, worauf der Vor sitzende Landgerichtsdirektor Oppermann die Sitzung für eröffnet erklärte. Der Angeklagte AhrenS war erschienen. Sogleich nach der Eröffnung erhob sich Erster Staatsanwalt Dr. Schönian und teilte unter atemloser Spannung mit, daß der Staatsanwaltschaft die Nachricht zugegangen sei, daß die Herren Angeklagten eine Erklärung abgeden möchten. Rechts anwalt Dr. Löwenstein, der Verteidiger des Angeklagten Ahrens, verlas darauf folgende Erklärung: Ich habe im Namen sämtlicher Angeklagten und im Einver ständnis mit ihren Herren Verteidigern folgend« Erklärung ab zugeben: „Wir, die vier Angeklagten, haben durch die den Gegenstand der Anklage bildenden Zeitungsartikel lediglich die öffentliche Aufmerksamkeit auf die Reformbedürftigkeit deS Strafvollzugs richten wollen. Dagegen hat unS jede Absicht fern gelegen, die bei dem Strafvollzug beteiligten Behörden und Beamten, insonderheit die Herren Nebenkläger Medizinalrat Dr. Baer und Medtzinalrat Dr. Pfleger zu beleidige» oder ihnen oder der Justizverwaltung «in ges«tz- oder vorschriftswidrige» Verhalten zum Bor wurf zu machen. Wir erklären, daß soweit in den Artikeln solche Vorwürfe gefunden werden könnte«, wir dieselben nicht aufrecht erhalten können. Di« Bewei»a»fnabme hat bisher auch nicht» ergeben, wa» diese Vorwürfe rechtfertigen könnte. Wir erklären ferner, daß wir auch von einer weiteren Beweisaufnahme ein anderes Ergebnis nicht er warten. Wir Angeklagte Büttner, Schneidt »nd Kali-ki ver pflichten unS, nachdem auf gründ dieser Erklärung der gegen unS gestellte Strafantrag zurückgenommen sein wird, diese Erklärung in den von unS redigierten Zeitnngen, „Vorwärts" und „Zeit am Montag", baldmöglichst veröffentlichen zu wollen und die ge samten Kosten de» Verfahren« zu tragen. Berlin, 9. Juni 1905. Schneidt, Büttner, KaliSki, AhrenS." Vors.: Herr Mediziualrat Baer, geben Sie sich mit dieser Erklärung zufrieden. — Nebenkläger Geh. Medizinalrat Baer: Ja, ich gebe mich zufrieden. — Vors.: Und Sie Herr Dr. Pfleger? — Medizinalrat Dr. Pfleger: Ich erkläre mich nach Vieser Erklärung ebenfalls zufrieden. — Vors.: Würden die Herren also Ihrerseits den gestellten Strafantrag zurück ziehen? (Wird bejaht.) Erster Staatsanwalt Schönian: Nachdem seitens der Herren Angeklagten diese Erklärung abgegeben ist, nimmt der Herr Oberstaatsanwalt beim Kgl. Kammergericht den von ihm gestellten Strafantrag zurück. Ich bin durch Schreiben vom heutigen Tage ermächtigt, diese Erklärung abzugeben und komme diesem Auftrag nach, indem ich das Schreiben zu den Akten überreiche. Vertreter der Nebenkläger Justizrat Wronker«: Im Auf trage der Nebenkläger habe ich zu erklären, daß sie den gestellten Strafantrag zurückziehen. Erster Staatsanwalt Schönian: Nunmehr beantrage ich, daS Verfahren einzustelle». — Der Gerichtshof zieht sich darauf zur Beratung zurück. Nach kurzer Beratung ver kündet der Vorsitzende Landgerichtsdirektor Oppermann, daß das Gericht gemäß dem Anträge der Staats anwaltschaft beschlossen habe. Damit erreichte dieser Riesenprozeß, der mindestens noch mehrere Wochen gedauert haben würde, nach dreiwöchiger Dauer sein Ende. Der Prozeß erhält durch fein eigenartiges Ende erst wieder die Bedeutung für die nicht gerade fachmännisch interessierten Kreise, die man ihm bei feiner Eröffnung beilegte, die aber im Laufe der drei Wochen seiner Tauer mehr und mehr abgeschwächt wurde. Die ewigen Wie derholungen ermüdeten alle Kreise so sichtlich, daß die Zeitungen manchmal bedauert haben werden, sich mit dem einmal begonnenen Prozeßbericbt eine Nute aufgebun- den zu haben. Jetzt ist das natürlich anders geworden. Besonders das Eine gibt dem Ende des Monstrepro- zcsfes fein charakteristisches Gepräge, das ist die an deut- schen und speziell an preußisclxm Gerichten sicher nicht häufig beobachtete Tatsache, daß der Gerichtsbeschluß auf Einstellung des Verfahrens sich zwar formell auf die Zurückziehung der Anklage durch die Staatsanwaltschaft und die Nebenkläger stützen konnte, daß aber die Initia tive schließlich doch von den Angeklagten ausging. Sie gaben, jedenfalls nach vorhergcgangenen Verhandlungen mit den übrigen Instanzen, ihre Erklärung aus freien Stücken, ohne jede sichtbare Anregung, ab, und darauf erfolgte das Uebcrraschende, daß diese Erklärung ge wissermaßen als Sühne für die etwaigen Beleidigungen angesehen wurde. In diesem Eingehen auf die Ansichts äußerung der Angeklagten liegt ein große» Zugeständ- niS de» juristischen PkormaliSmu» an daS rein Mensch, liche und insofern möchte man eS geradezu al» eine kul turell bedeutungsvolle Neuerscheinung ansprechen. Ju risten freilich werden, und sicher nicht ohne gute Gründe, hierin auf manche» Bedenkliche sehen. Denn wo bleibt di« Justiz, wenn j«be Beleidigung dadurch wieder gut gemacht werd« koiurw, daß der veletdiMr nachher «>
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