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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 06.08.1902
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1902-08-06
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19020806012
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1902080601
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1902080601
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1902
- Monat1902-08
- Tag1902-08-06
- Monat1902-08
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Tabellarischer und Zissernsatz entsprechend höher. — <Sebllhr«u für Nachweisungen uud Lffrrtrnaunahme LS H (excl. Porto). Ertra-Beilagen (gesalzt), »nr mit der Morgen-Au-gabe, ohne Poftbesörderung -sl SO.—, mit Postbefärderuug 70.—. Annahmrschlaß fir Aazeigea: Abend-AuSgabe: Vormittags 10 Uhr. Morgeu-Au-gabr: Nachmittags 4 Uhr. Anzeige« sind stets an die Expedition zu richten. Die Expedition ist Wochentags ununterbrochen geöffnet vor» früh 8 bi- Abend- 7 Uhr. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. Nr. 395. Mittwoch den 6. August 1902. 98. Jahrgang. Ein gutes Omen für -ie Annahme -es Zolltarifs. es Die Wahl in Bayreuth, bei der derjenige Candibat der bürgerlichen Parteien, der für den Zolltarif in der von der Regierung gewählten Form eintrat, weit« ans die meisten bürgerlichen Stimmen auf sich vereinigte, konnte, wie schon so manche vorhergegangene Ersatzwahl, als ein gutes Zeichen für das endgiltige Schicksal des Re« gierungSentwurfes angesehen werden. Noch bedeutsamer aber ist ein Borgang, der sich anläßlich der ReichStagswahl in Forchheim-Kulmbach abgespielt hat. Dort hat ein aus Nationalliberalen und Freisin nigen bestehendes Wahlcomitö einen Aufruf erlassen, in dem eine gleichmäßige Berücksichtigung der Interessen von Industrie und Landwirthschaft verlangt wird. Der Aufruf findet diesen Ausgleich „in der derzeitigen Zollvorlage der Reichsregierung." Es ist richtig, daß, wenn die Forchheim-Kulmbacher Freisinnigen den nationalliberalen Bewerber unterstützen, sie dies in erster Reihe thun, um den Wahlkreis von der Centrumsherrfchaft zu befreien, die dort um so unnatür» kicher ist, als in diesem Kreise die Protestanten die katho lische Bevölkerung um 10 Procent überwiegen. Trotzdem aber ist, wenn Freisinnige für einen Wahlaufruf, der sich ausdrücklich auf den Boden der Regierungszollvorlage stellt, eintreten, dies ein Beweis dafür, daß -ie principiellc Gegnerschaft des Freisinns gegen den Entwurf nicht mehr so unerbittlich ist, wie vor und bet seiner Einbringung. Wir sind nicht Optimisten genug, anzunehmen, daß etwa die freisinnigen Abgeordneten für den Entwurf stimmen werden, aber der Vorgang beweist, daß es ihnen gar nicht allzu unangenehm wäre, wenn der Entwurf schließlich gegen ihre Stimmen angenommen würde, weil sie wohl zu -er Erkenntniß gelangt sind, daß nicht sie, sondern die Socialdemokraten bei der durch das Scheitern deS Ent wurfes nothwendig eintretenden Consussion die lachenden Dritten sein würden. i Noch bedeutsamer vielleicht als dieser Vorgang selbst ist eine Bemerkung, die die „Äreuzzeitung", das führende Organ -er conservativen Partei, dazu macht. Das Blatt macht darauf aufmerksam, daß die Berliner Blätter der freisinnigen Partei den Wahlaufruf nicht abfällig kriti« stren, und bemerkt hierzu, daß, wenn man darnach an nehmen dürfe, diese Blätter seien der Ansicht, der Regie- rungSentwurf schütze mit Recht die Landwirthschaft und ermögliche langfristige Handelsverträge, sich für das Zu standekommen des Zolltarifes ganz unerwartet günstige Aussichten eröffnen. Bislang hatte man annehmcn müßen, daß der Zoll« larifentwurf nicht sowohl an der Opposition der Linken scheitern werde, als vielmehr an der Gegnerschaft des Cen- trumS und der Conservativen, denen die in dem Re- gierungsentwurfe vorgeschlagenen Lebensmittelzölle nicht hoch genug erschienen. Der Wahlaufruf spricht nun durch aus nicht etwa von dem durch die Mehrheit der Commission abgeänderten Entwürfe, sondern ausdrücklich von der Zollvorlage -er Reimsregierung. Wenn also die „Kreuzzeitung" in diesem Zusammenhänge von den un erwartet günstigen Aussichten für daS Zustandekommen des Tarifes spricht, so kann dies doch nur dahin gedeutet werden, daß das conservative Blatt ganz zufrieden sein würde, wenn der ursprüngliche Entwurf unter Dach und Fach gebracht werden könnte. Damit würde sich die „Äreuzzeitung" auf den Boden stellen, den daS conservative Hauptorgan der Provinz, die „Schlesische Zeitung", schon längst betreten hat, in der Er« kenntniß, -aß eine Ueberspannung des Bogens für Nie mand verhängntßvoller sein würde, als für die conserva tiven Parteien. Sollte diese Erkenntniß innerhalb der conservativen Kreise an Boden gewonnen haben, so wäre -er Zollvorlage eine günstige Prognose zu stellen, -enn wenn die Mehrheit der Conservativen sich mit dem Re- gierungsentwurfe befreunden würde, so würde auch die Mehrheit des CentrumS — mit Ausnahme der bayerischen Mitglieder — dasselbe thun, und dann würde, -a auch die Nationalliberalen in ihrer großen Mehrheit dem Re- gierungsentwurse zustimmen, die Majorität für den selben als gesichert anzusehen sein. Ordensverleihungen an Amerikaner. Zu der Veröffentlichung der Liste der Ordensver leihungen an Amerikaner anläßlich der Reise des Prinzen Heinrich nach Amerika schreibt das „A. P. B.": „Die Liste ist — wenigstens nach deutschen Begriffen — etwas „dünne" ausgefallen. Ob sich aber, wie ein Berliner Blatt meint, darob unter den Amerikanern „heftige Knopfloch schmerzen" einftellen werden, ist noch abzuwarten. Vorläufig ist die Thatsache zu verzeichnen, daß eine Reihe hervorragender Amerikaner — auch viele Deutsch-Amerikaner — die an den Ehrungen des Prinzen in allererster Linie beteiligt waren, frei willig auf die Ordensauszeichnung von vornherein verzichtet und sich lediglich ein Andenken aus der Hand des Prinzen, eine Photographie oder dergleichen, erbeten hatten .... Daß Herr Melville E. Stone, der General-Manager der „Associated Preß" den höchsten unter allen verliehenen Orden, den Kronenorden zweiter Classe, erhalten hat, ist ein der Presse gezolltes Compli« ment, welches umsomehr Beachtung verdient, als der Prinz schon bei einem früheren Anlasse — auf dem zu Ehren des Prinzen veranstalteten Presse-Bankett — der Bedeutung der ameri kanischen Presse Hohr Anerkennung gezollt hatte." Demgegenüber weist -er „Hann. Cour." darauf hin, -aß die „Ass. Preß", deren Generaldirector jetzt eine hohe deutsche Ordensauszeichnung erhalten hat, vor, während und nach dem spanisch-amerikanischen Kriege das Mögliche dazu beigetragen hat, die deutschfeindliche Stimmung in d«n Vereinigten Staaten zu schüren. Die gehässige Berliner Berichterstattung dieser Agentur, für welche von London aus der Ton angegeben wurde, be ruhte auf direkten Instructionen, welche der damalige Berliner Vertreter der „A. P.", der inzwischen als lästiger Ausländer ausgewiesene Herr Wolf v. Schierbrand, wiederholt erhielt. Um sich in seiner Stellung zu halten, mag dann dieser Herr mit dem deutschen Adelsnamen ein klebriges in Deutfchfeindlichkeit gethan haben. Aber jedenfalls kann man nicht behaupten, daß der jetzige Ritter des Kronenordens nichts davon gewußt hätte, daß da von der ihm unterstellten Preßagentur eine geflissentliche Brunnenvergiftung getrieben wurde. Er ist in dieser Zeit von deutsch-amerikanischer Seite wiederholt darauf auf merksam gemacht und um Abhilfe ersucht worden, aller dings ohne Erfolg. Die Ausweisung Schierbrand's ist ja auch gar nicht wegen seiner Thätigkeit als Bericht erstatter der „A. P." erfolgt — man wußte in Berlin sehr wohl, daß er da nur Handlanger war —, sondern wegen eines höchst ordinären Artikels, den er über den Kaiser in der New Zjorker „Evcning Post" veröffentlicht hatte. Man kann also doch wohl in der jetzigen Auszeichnung des Herrn Melville E. Stone nicht sowohl ein der Presse gezolltes Compliment sehen, als vielmehr eine Quittung für das während -er Reise -es Prinzen Heinrich gezeigte Wohlverhalten -er „A. P.". Jedenfalls wird man in den amerikanischen Pressekreisen, welche früher ebenso deutsch freundlich waren wie jetzt, in der Decorirung des Herrn Stone kein ihnen gespendetes Compliment sehen, sondern höchstens die Bestätigung des Bibelwortes, daß mehr Freude herrscht über einen Sünder, der Buße thut, als über SO Gerechte. Deutsches Reich. * Leipzig, L. August. Der Leipziger Tolstoi-Proceß wird in der neuesten Nummer der „Christlichen Welt" in zwei Aufsätzen von juristischer und theologischer Seite be handelt. Namentlich finden die schweren Bedenken, die der 8 166 des Strafgesetzbuchs anläßlich dieser Anklage auch in theologischen Kreisen hervorgerufen bat, eine eiugehende Be gründung. Im Anschluß hieran fordert der Herausgeber der „Christlichen Welt", Pfarrer Rade, alle Männer von öffent licher Stellung, die als Glieder der evangelischen Kirche sich durch die heute mögliche Handhabung deS 8 166 R.-St.-G.-B. beunruhigt fühlen, auf, zum Zwecke der Einleitung einer Action gegen diesen Paragraphen vom kirchlichen Standpunct auS sich nut ihm in Beziehung zu setzen. H Berlin, 5. August. (Französisches Lob deutscher Einrichtungen.) Man liest in fran zösischen Blättern: „Das deutsche Reich ist das Land, in dem hygiei nische und sanatorische In stitute. besonders im Hinblick auf die Bekämpfung der Lungenschwindsucht, das Höchstmaß einer rationellen Ent wickelung erreicht haben. Der in der medicinischen Welt sehr bekannte, auch schriftstellerisch thätige Chefarzt des Sanatoriums in Angicourt, Dr. Plique, hat in seinem eingehenden Berichte Uber die ausländischen Ausstellungs- leistungen im Palais de l'HygiSne constatirt, daß auf diesem Gebiete unsere Nachbarn durchaus unsere Meister sind. Des Näheren führt er aus: Die deutsche Aus stellung bot ein schönes Bild von rastloser Energie und Schaffenskraft. Deutschland hat uns dort 80 Sanatorien, in der Mehrzahl zugleich Lungenheilstätten, vorgeführt, die über 7208 Betten verfügen. Die bildlichen und tabellarischen Darstellungen, die zum Theil in Reliefform gegebenen Situationspläne waren in jeder Beziehung bewunderungswürdig. Ein einziger Blick genügte, um zu erkennen, daß diese weiten, in gesunder Gegend an gelegten, theils von Wald, theils von Parkanlagen um gebenen Etablissements unseren elenden, winkligen un verräucherten Pariser Heilanstalten weit überlegen sind. Der Bau der deutschen Heilanstalten, ihre Unterhaltung erfordert naturgemäß bedeutende Ausgaben. Zweifellos werden aber die für den genannten Zweck erforderlichen Summen durch die obligatorische Krankenver sicherung erheblich ermäßigt. Die aus diesem, weise Voraussicht mit großem praktischen Nutzen verbindenden Gesetze resultirenden Vortheile für die Versicherten sind weitgehender Natur. Außer der Behandlung in Kranken häusern, in hygieinischen Instituten aller Art u. s. w. ge währt das Gesetz eine Fülle von Hilfen und Unter stützungen, die bei unS nahezu unbekannt sind. Auch bei der häuslichen Behandlung werden den Kranken außer den Arzneimitteln Wein, Milch, geeignete Nahrungs mittel u. s. w. gewährt. In den letzten Jahren wurden durchschnittlich 65 Millionen Mark für den Bau hygieinischer Anstalten, die für die Mitglieder der Krankenversicherungscassen bestimmt waren, 45 Millionen für hygicinische Maßnahmen und Einrichtungen all gemeiner Natur, Bäder, Schlachthäuser, AbwässerungS- anlagen u. s. w. ausgegeben." Berlin, 5. August. (Krankenversicherung der Hausgewerbetreibenden.) Ende Sep tember oder Anfang October dieses Jahres wird sich auch die socialpolitische Conunission -es deutschen Handeisiages u. A. mit der Begutachtung des Entwurfes eines Bundcs- rathsbeschlufses, betreffen- die Krankenversicherung der Hausgewerbetreibenden, befassen, der bekanntlich vom Reichsamte des Innern den verschiedenen Bundesregie rungen und durch diese den betheiligten Verwaltungs behörden zur Aeußerung übermittelt wurde. Die in den Handelskammern vertretenen Industriellen und Groß kaufleute haben an der Entscheidung ein hervorragendes Interesse. Es handelt sich darum, ob diejenigen Haus gewerbetreibenden, welche von einem Unternehmer mittelbar oder unmittelbar beschäftigt werden, in die für seinen Betrieb errichtete Fabrik - Krankencasse hinein gehören oder durch die für die Allgemeinheit bestehenden Cafseneinrichtungen zu versichern sind. Der um die Ucber- führung der modernen Socialreformideen in die prak tische Wirklichkeit verdiente Ttadtrath H. v. Franken- berg in Braunschweig behandelt in der „Arbeiter versorgung", dem Centralorgan für das gesammte Kranken-, Unfall- und Jnvaliden-Bcrsicherungswesen im deutschen Reiche «Nummer vom 1. August), die Frage, ob die Hausgewerbetreibenden in Betriebs - Krankencassen gehören, folgendermaßen. Er sagt: Läßt man es zu, daß die Hausgewerbetreibenden von den Betriebs-Kranken- caffen ausgeschlossen sind und den Ortskrankencassen an heimfallen, so macht man sie gewissermaßen zu Versicherten zweiter Classe und schmälert einen großen Theil des Er folges, der von -er Einführung der rcichsrechtlichen Krankenversicherungspflicht für sie zu erwarten sein würde. Die Mehrleistungen der Betriebs-Krankencasien im Vergleich zu den übrigen Stellen sind oft sehr beträcht lich (erhöhtes Krankengeld, Familienfürsorge und der gleichen): es wäre zu beklagen, wenn sic nicht auch den wirthschaftlich schwachen Hausgewerbetreibenden zu Gute kcnnnen sollten. Noch größer aber wäre der augenfällige Schaden, -er den Ortskrankencassen erwachsen würde. Viele Arbeiter und besonders Arbeiterinnen in in dustriellen Anlagen sind bei einem Nachlassen ihrer Kräfte außer Stande, noch fernerhin an Ort rmd Stelle in der Fabrik ihren Arbeitsplatz auszufüllen: um zu leben, lassen sie sich Arbeit in die Wohnung geben und verdienen als Hausgewerbetreibende ihr Brod. Wenn man ihnen die Fabrik-Krankencasse versperrt, muß sich die Ortskranken kasse ihrer annehmen, und es liegt auf der Sand, wie schlecht deren Risiko bei diesen abgeschobenen Mitgliedern sein wird: -ie Beiträge stehen nicht annähernd stn Ber- hältniß zu den Anforderungen an Krankengeld, Arzt und Arzneikosten, Wochenbettunterstützung, Sterbegeld n. s. w. Was insbesondere die Wöchnerinnen betrifft, so ist mit Bestimmtheit anzunehmen, daß sie die Ortskrankencassen stark belasten würden, weil fast jede Arbeiterin, der ihr Zustand das Betreten der Fabrik nicht mehr erlaubt, noch so lange als möglich die hausgewerbliche Beschäftigung fortzusetzen pflegt und weil 8 20, Abs. 2 des Kranken-Ver- sicherungsgcsetzes die sechs Monate insgesammt umfassende Mitgliedschaft nicht ausschließlich bei der in Anspruch ge nommenen, sondern in irgend einer Zwangsvcrsicherung zur Voraussetzung hat. Eine derartige Ueberwälzung der Versicherungslast von den Schultern der Fabrik- cnrf die Ortskrankencassen würde sehr unbillig sein und die Er bitterung gegen die Betriebscassen, welche mancherseitS besteht, steigern. Berlin, 5. August. (Anschluß der elsässi schen Klerikalen an die Ccntr umspartei ?) Die „Kölnische Volkszeitung" kann mit Stolz über Strö mungen in den Reichslanden berichten, die die Möglichkeit deS Aufgehens des elsässischen Klerikalismus in der deut schen Centrumspartei als nahe gerückt erscheinen lassen. Feuilleton. Der Patrouillenritt eines sächsischen Hnsaren-Osficiers in China. Wohl noch keine Monats-Versammlung des Leipziger Militär-Vereins „Künigin-Husaren"bot ein solches weit über den Rahmen derselben hinauSgehendes Interesse, wie die am verflossenen Sonnabend im kleinen Saale des Tivoli veranstaltete. Herr Oberleutnant Kirsten vom Königin-Husaren-Regiment in Grimma hielt einen Vor trag über seinen berühmten Ivtägigen Patroutllenritt in China, der sich wohl al» die bedeutendste cavalleristtsche Lei- stung während deS gesammten chinesischen Feldzuges darstellt und solche Beachtung fand, daß Oberleutnant Kirsten vom Generalfeldmarschall Grafen Waldersee den Befehl erhielt, einen genauen Bericht darüber dem Kaiser einzureichen. Nach seiner Rückkehr von China muhte der genannte Lfftcier über seinen Patrouillenritt vor dem hochseligen König Albert einen Vortrag halten — am Sonnabend er freute und erhob er damit die Reiterherzen der ehemaligen Husaren seine- Regiment- und dadurch ist un- Gelegen heit gegeben, auch dem groben Leserkreis« de- „Tage blattes" die Schilderung eine- Patroutllenritt- zu geben, der in der Krieg-geschicht« wohl wenig Gegenstücke finden dürfte. Oberleutnant Kirsten erhielt am 26. April 1901 vom Hvchstcommandirenden in China den Auftrag, „über Siningtien in Richtung Thatungfu arffzuklären und festzu stellen, ob Truppen de» General- Tung-fusiana sich in dieser Gegend befänden." — Die Ausführung diese» so einfach scheinenden Befehls bot in Wahrheit fast unbesieg bare Schwierigkeiten. Das Land, in das sich der Pa troutllenritt hinein erstrecken sollte, war völlig unbekannt. Genaue Karten gab e» nicht, dagegen die Sicherheit, dah Boxerbanden und mit diesen fraternistrenbe» reguläre- chinestsche» Militär die Gegend durchzog. Der Ritt, den Oberleutnant Kirsten am 26. April 9 Uhr vormittag- mit seiner au» dem Sergeanten AübelSmann, dem Trompeter Wustrack, dem Gefreiten Breitenbach und den Reitern Ilsen, RiemS, Schulte, Trompa und Götz antrat, war somit ein Ritt auf Tod und Leben und der erstere schien der kleinen, wackeren Reiterschaar sicherer als das letztere. In dem gebirgigen, zumeist futterarmen Lande, dem der AufklärungSritt galt, erwiesen sich die australischen Pferde, mit denen die Reiterregimenter unseres deutschen ostasiatischen Expeditionscorps ausgerüstet waren, als besonders nützlich. Wetterhart und ausdauernd selbst auf dem steinigen Boden, schnell und genügsam, trugen sie ihre Reiter durch die ungeheuren Strapazen dieser fünfzehn Tage sicher zurück. Hätten die Pferde in diesen Sand stürmen, diesen ewigen kalten Regenschauern, dieser durchdringenden Kälte versagt, kein Mann der Patrouille wäre leben- zurückgekommen. Um größere Marschleistungen zu erzielen, ritt die Patrouille ganz leicht gepackt ab. Sie nahm nur Vorder- Packtaschen mit; die Carabiner wurden auf dem Rücken getragen, sonst war jeder Reiter mit Säbel und Lanze ausgerüstet. Der Ritt des ersten Tages führte nach Huai-lai, wo noch ein vorgeschobener Posten stand, bei dem in einem Bergtempel die Patrouille für die Nacht Quar tier bezog. Hier traf auch der chinesische Dolmetscher ein, den der ESeadronchef dem Oberleutnant Kirsten mit der schriftlichen Warnung zusanbte, derselbe sei wahrscheinlich ein chinesischer Spion. Als der Führer -er Patrouille am nächsten Tage beim Vormarsch im Hunho-Thale -ie Ueber- zeugung gewann, bah dies zutreffend sei, denn der Chinese suchte mit tausend Ausflüchten den Marsch auf alle nur mögliche Art aufzuhalten, jagte er dem Zopfträger erst daS Pony und dann ihn selbst weg und setzte, sich auf seine eigenen Sprachkenntnisse verlassend, den Marsch ohne Dolmetscher fort. Kaum befand sich die Patrouille im Fluhthale de» Hunho, als ein Sandsturm loSbrach, der zu dem furcht, barsten gehört, was jene unwirthliche Gegend dem Rei- senden anzuthun vermag. Der Boden deS ganzen ThaleS ist mit feinem Lvtzsand bedeckt, den der Sturm zu einer einzigen, meilcnwciten, undurchdringlichen Staubwolke aufwirbelt. Mit geschlossenen Augen, müh- sam athmend, drangen die Reiter Schritt für Schritt in dieser Staubdunkelbeit vor. Der Sturm trieb den Sand durch di« Uniformen, in die Poren: dem Reiter Gütz schwollen die Augen so -u, daß er sie nicht mehr zu öffnen vermocht« nnd erst anderen Tags», nachdem in der ganzen o- bewährten sich die australischen Pferde. Sie gingen ohne zu zucken ins Wasser, schwammen ohne Aufregung un kletterten, nachdem der Strom sie mehrere Hundert Meter mit fortgesührt, aus andere Ufer. Mit durchnäßten Kleidern und Sattelzeug ritt die Patrouille weiter und erreichte am Nachmittage einen Ort, in dem sich ein mit einer Mauer umgebener Tempel befand, in -em man Quartier machte. Die darin befindlichen Chinesen mußten unter Reiterbedcckung aus dem nahen Orte Fourage und Wasser holen und wurden dann bis auf einen alten Priester aus dem Tempel entfernt. Thüren und Thore verrammelte man, um vor einem nächtlichen Ueberfall sicher zu sein. Während der Nacht alarmirte schreckliches Geschrei den Reiter. Es war der alte Priester, der sich in Kaulianschnaps total betrunken hatte und nun ebenfalls hinausspcdsrt wurde. Aber mit der Ruhe war es vorbei. Um fünf Uhr früh saß man wieder im Sattel und nun ging der Marsch in nördlicher Richtung ins Gebirge, das auf so schmalen Maulthierpfaden nnmittel- bar an tiefen Abgründen vorüber passirt werden mußte, daß die Pferde geführt werden mußten. An diesem Tage war die Hitze so glühend, daß Roß und Reiter fast ver schmachtet wären, wenn man nicht endlich die in den Berg hineingebaute Hütte eines Hirten und in dieser ein Fäß chen elenden, muffigen Wasser- entdeckt hätte, das dennoch köstlich den Verdursteten schmeckte. Endlich erreichte die Patrouille daS Dorf Meiyo und damit den Schauplatz furchtbarer Boxer-Gräuel. Das saubere Dorf war zu meist von unter französischem Schutz stehenden chinesischen Christen bewohnt, nnd deren Priester Hcon, bei dem Oberleutnant Kirsten Quartier nahm, sprach etwas latei- nisch, so daß der Ofsicier Genaueres von den hier ver- übten Gräueln erfuhr. Auf Befehl des General Shan waren eine» Tages INO Soldaten aus Luanhua gekommen und hatten gemeinsam mit den Boxern aus Tungsbenn gegen hundert Christen in der bestialischsten Weite um- gebracht und die Kirche zerstört. Noch schlimmer batten die gelben Teufel in dem Dorfe Siachonanyc gehaust, das die Patrouille am nächsten Tage nach einem furchtbaren Marsch in strömendem Regen aus so aufgeweichten Straßen, daß die Pferde oft bis an den Bauch einsankcn und sich überschlugen, erreichte. In diesem Dorfe stand Nacht die Augen gekühlt waren, wieder zu sehen vermochte. Dazu wehte ein eisiger Wind. Die meisten, die in einen Lolchen Sandsturm gerathcn, gehen auf das Elendeste zu Grunde. Oberleutnant Kirsten ließ endlich die Patrouille nach Osten abbiegen, wo er das Städtchen Kiming ver- muthete, erreichte den Ort auch glücklich und ritt, nach dem er einen Chinesen als Führer aufgegriffen nnd am Zopf genommen, kurz entschlossen in die Stadt ein und nach dem Hause des Mandarins. Beim Eintritt in das Gebäude lief in eiliger Hast eine Anzahl von Chine'en aus demselben fort und derselbe Vorgang wiederholte ich beim Betreten der Hintergebäude. Die Vermuthung, h er schon in ein Boxernest gerathcn zu sein, wurde bei der ' fort vorgenommencn Durchsuchung des Gebäudes zur Ge wißheit. Man fand zusammengelegte Uniformen, 40 ge ladene Gewehre, dann ein ganzes mit Pulver, Patronen, Gewehren, Säbeln und sonstigen Waffen gefülltes Arse nal. DaS verwegene Eindringen der neun deutschen Reiter in Sinpano — so hieß der Ort — hatte die Eigner und Hüter der Waffen und des Arsenals zu eiliger Flucht getrieben. Der Mandarin war nach Tchansi geflohen. Oberleutnant Kirsten ließ die Waffen vernichten und brachte durch Anzünden de» Gehöfts die vorräthe an Pulver und Patronen zur Explosion. Darauf ritt die Patrouille weiter nach Kiming, das um 6 Uhr Nachmittag erreicht wurde und sich al» unbesetzt erwies. Am 28. April ging der Ritt auf Pao-on weiter. Er brachte neue Gefahren. Zweimal mußten der Hunho und der Lankanho-Fluß -urchsurtet werden. Hinter Pav-on bog die Patrouille ins Lankanho-Thal ein: aber nun be gannen die neuen Schwierigkeiten. Immer mehr ver engte sich das Thal, hohe Felsen traten dicht an die Ufer heran, so baß unter den schwierigsten Verhältnissen ein dreimaliger Uferwcchsel durch Durchschwimmen des sehr tiefen, schnell zwischen den Felswänden dahinströmcnben Flusses vorgcuommen werben mußte. Die reißende Strö mung drohte die Pferde wegzureißen, sie zumUcberfchlagen zu bringen, das war der Tob für Roß und Mann. Drei der Reiter konnten überhaupt nicht schwimmen und schwimmen hätte in dieser Strömung doch nichts geholfen. Aber eömußte sein, wenn der Patrouillenritt hier nicht ein vorzeitige» Ende nehmen sollte. Der Führer ging -- -7 --.' - zuerst in den Fluß, einzeln, um ein Anbrängen der Pferde I nur noch ein einziges Gehöft, in welches sich die Christen an einander zu vermeibcn, folgten die acht Reiter. Wieder I zurückgezogen hatten und vor dem sie einen voll-
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