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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 13.08.1896
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1896-08-13
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18960813017
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1896081301
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1896081301
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1896
- Monat1896-08
- Tag1896-08-13
- Monat1896-08
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Die Morgen-Aec-gabe erscheint nm '/,? Uhr. die Abend-Ausgabe Wochentags um 5 Uhr. Redaktion und Expedition: IohanneSgafic 8. Die Expedition ist Wochentag« ununterbrochen ge^lsurt von früh 8 bis Abend« 7 Uhr. Filialen: Dtt» Klemm'« E-rtiin. (Alfred Hahn). Universitätsskraße 3 (Paulinum), LoniS Lösche, Natbartnenstr. 14. Part, und König-Platz 7. BezugS-PreiS t» dm Hanptexpedition oder den im Gtadt. bmtrk und den Vororten errichteten AuS- «westtvrn ab geholt: vierteljährlich ^«4.50, bei zweimaliger täglicher Zustellung ins Lau« KLO. Durch die Post bezogen für Deutschland und Oesterreich: viertel,abrlich 8—. Direkte täglich« Krenzbandirndung iu« An«land: monatlich 7.KO. Morgen-Ausgabe. Mpziger TaMM AnzeigewPrei- die S gespaltene Petitzrile SO Pfg. Necla men unter dem Redactionsstrich (Lge« spalten) «0^, vor den tzamiliennachrichtea (6 gespalten) 40-^. Größere Lchriften laut unserem Preis- »«»«ichntß. Labellarischer und Zissernsatz »ach höherem Laris. 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Er gelangt hin sichtlich des Werthes, den es für Rußland hat, und hinsichtlich der Erwartungen, die Frankreich hegt, zu folgendem Ergebniß: „Die französische Freundschaft hat Rußland die Unterbringnng seiner zahlreichen Anleihen zu einem Course und einem Zinsfüße gesichert, die günstiger als seine Finanzlage sind, und überdies kann cs in allen orientalischen Händeln, ob deren Schauplatz nun der Balkan oder Ostasien ist, selbst dann auf die Unterstützung der französischen Republik rechnen, wenn deren Interessen dadurch nicht gefördert werde». Diese Selbstverleugnung ist fast ein Bekenntniß. Wenn Frankreich bisher seinem Freunde gegen England be harrlich beisteht, ohne von diesem durch Rußlands Hilfe etwas zu erreichen, wenn es in Konstantinopel sich damit begnügt, den Absichten des Cabinets von Peters burg durchzuhelfen und selbst auf jeden Schimmer einer Genugthuung in Egypten verzichtet, so verräth eS nur, daß es für seine Großmuth einen Lohn er wartet, daß eS die gegenwärtigen kleineren um künftiger größerer Vortheile in den Wind schlägt und daß e« einen anderen Zweck verfolgt, den erst ausdrück lich zu bezeichnen ganz überflüssig ist. Wenn das russische Bündmß volksthümlich geworden ist, so dankt es dies dem Umstande, daß die Nation damit den Ge danken an den Revanche krieg verbindet. Dieser Gedanke mag sich heute weniger ungestüm äußern, als zur Zeit Boulanzer's, der ihn ansbeutele; er mag selbst in der Minderheit der ruhigen Köpfe mehr in hypo thetischer Form sich abzeichnen; er bleibt nichtsdesto weniger die große Emotion der Volksseele, die einzige, die das moskowitische Bündniß lebensfähig macht. Alle Begeisterung wird von dem Traume genährt, daß Rußland feinen „Brüdern" doch einmal zu den verlorenen Provinzen verhelfen werde." Die „Hamburg. Nachr." halten diese Auffassung für zu treffend und für geeignet, den Glauben an die Ber- söhnbarkeit Frankreichs durch deutsches Entgegenkommen ins Wanken zu bringen. Die „Hambz. Nachr." knüpfen hieran folgende Bemerkungen: „Frankreich ist der festen Ueberzeugung, daß die Dienste, die cs Rußland leistet, die Liebe und Ergebenheit, die es ihm andauernd beweist, die Ruffen bewegen werden, ihm Elsaß- Lothringen zurückerobern zu helfen. Dieser unerschütterliche Glaube ist ein Aberglaube, aber er ist für die wirklichen Absichten und Wünsche der Franzosen sehr viel I charakteristischer, als die officiellen friedlichen Versicherungen ihrer leitenden Staatsmänner. So lange Frankreich wie bisher um die Gunst Rußlands wirbt, bekundet eS damit, daß es nicht daran denkt, sich mit dem Frankfurter Frieden als einer unabänderlichen Tbatsacke abzufinden, daß es nicht nur Elsaß- Lothrinaen wieder haben will, sondern auch sein militairisck - politifcheS Prestige und womöglich zugleich die Rbein- aren ze Herstellen will. Hätte es diese Absichten nicht, so wäre sein Liebeswerben um Rußland, seine vollständige Hingabe an diesen Staat sinnlos, da Rußland für das heutige demo kratisch-socialistische Frankreich so abstoßend wie möglich sein muß." Den russischen Standpunkt, wie er in dem Pariser Zarenbesuche zum Ausdruck gelangt, bezeichnet der Cor- respondent deS Hamburger Blattes wie folgt: „Nach Allem, was bereits geschehen, konnte der Zar schwer an Frankreich vorübergeben, ohne ihm eine Kränkung zuzufügen und das Bündniß selbst zu ge fährden. Und da Rußland mit gutem Grund Werth darauf legte, kann sein Kaiser sich gern zu einem Act der Höflichkeit entschließen, der ikn nicht zu mehr verpflichtet, als er bisher verpflichtet war. „Paris ist eine Messe Werth!" meinte Heinrich der Vierte. Zar Nicolaus ist in der Lage, diesen Kauf weit billiger abzuschließen. Er hat nicht nvlhig, feinen Glauben abzuschwören, wie der Bearner. Er kommt übrigens nicht mit leeren Händen. Die Schlüffe! von Metz bringt er Herrn Dsroulöde zwar nicht mit, aber der Republik bereitet er eine Genugthuung, die sehr hoch angeschlagen werden muß, ihr Ansehen nach außen erhöhen und ihr im Innern manchen Unversöhnlichen unterwerfen wird. Hierin vornehmlich liegt die Bedeutung deS Zarenbesuchs in Paris." Die „Hambg. Nachr." stimmen- auch dieser Ansicht zu, indem sie ausführen: „Legt man diese Ansicht der Be- urtbeilung des russischen Besuches in Paris zu Grunde, so ergiebl sich, daß Rußland, hier wie immer, ohne sich irgendwie in Unkosten zu stürzen, Frankreich einen Dienst zu erweisen scheint und dafür um so sicherer auf dessen Unterstützung in allen Fragen rechnen darf, die für die russische Politik von realer Wichtigkeit sind. Nur in einem Puncte weichen wir von der Auf fassung unferes (Korrespondenten ab, insofern nämlich, als wir überhaupt nicht glauben, daß der Zar mit einer recht liehen „Verpflichtung" nach Paris kommt, die durch seinen Besuch erhöhi oder vermindert werden könnte. Es lag und liegt für Rußland keinerlei Grund vor, sich Frankreich gegen über durch einen Vertrag zu „verpflichten", von dem man nicht wissen kann, was er am Tage seiner Erfüllung an Unbequemlichkeiten mit sich bringt. Rußland kann dieselben Leistungen Frankreichs, die ihm der Vertrag sichern würde, auch ohne diesen haben, und des halb glauben wir einfach nicht an einen Vertrag zwischen beiden Ländern, der Rußland Verbindlichkeiten auferlegt. Was aber die moralische Verpflichtung Rußlands gegen Frankreich und seinen guten Willen betrifft, ihr praktisch gerecht zu werden, so sind wir der Meinung, daß sich die Fran zosen allzu optimistischen Erwartungen überlassen. Jedenfalls ist nicht einzusehen, weshalb Rußland die jetzige Gefügig keit Frankreichs durch Erfüllung der Hoffnungen, lauf denen sie beruht, zu beseitigen versuchen sollte, noch dazu durch Unternehmungen, deren Ausgang mindesten ungewiß wäre und die außerdem Rußland verhindern würben, seine eigenen Ziele, die im Osten und nicht im Westen liegen, mit dem bisherigen Nachdruck zu verfolgen. Rußland wird stets die französische Unterwürfigkeit bestens accepliren und Frankreich höflich behandeln, aber daß es auch nur eine einzige Patrone zur Verwirklichung der Revanckeideen Frankreichs verschießen lassen werde, glauben wir nicht, wenn es nicht durch seine eigenen Interessen unaus weichlich dazu qenöthigt wird ober durch eine feind selige Haltung Deutschlands bei Gelegenheit einer euro päischen Complication. Deshalb haben wir das fronzösisch- russische „Bündniß", wenn man diese Bezeichnung überhaupt gebrauchen darf, immer als eine societas leonina angesehen, bei der die Vortheile für Frankreich mehr in der Einbil dung bestehen, während die Dienste, die es Rußland leistet, sehr greifbarer Natur sind. Wenn sich die Franzosen in diesem Verhältniß wohl fühlen, so haben wir nichts dagegen einzuwenden. Das Lächeln wabrzu- nebmen, mit dem man in Europa ihre über eifrige Hingabe an Rußland oft genug betrachtet, ver hindert sie ihre Verblendung; sonst würde ihre Empfind lichkeit gegen das Ridicule sie bald genug zur Besinnung und zum Erkennen der wunderlichen Rolle bringen, die sie den schlauen Ruffen gegenüber in den Augen aller klar und nüchtern denkenden Politiker spielen." So die „Hamb. Nachr." über den russischen Stand punkt bei der Zarenreise. Der deutsche Standpunct bleibt, wie wir schon (rüber sagten, der: mit der jetzt wachsenden Möglichkeit einer französischen Uebcreilung, welche die russische Calculation über den Haufen wirft, zu rechnen, erst recht auf dem Hui vivs zu blechen und unser Pulver trocken zu halten. Deutsches Reich. K. Berlin, 12. August. Da der „Vorwärts" von den Ergebnissen des internationalen Socialistencongreffes nichts Gutes zu melden weiß, so schreit er die Tbatsache, daß eine solche socialdemokratisch-anarchistische Veranstaltung überhaupt ftatlfinden konnte, als einen Ruhmestitel aus. „Wo ist die Partei", so fragt er, „die einen ähnlichen Congreß hätte abhalten können?" Er hätte ebenso gut sagen können: „Wo ist der Eisenhändler, der Schwämme verkauft?" Die anderen Parteien führen eben die Waare „Jnlernationalität" nicht. — „Eitel Schwindel" nennt Herr Richter in der »Freis. Ztg." die von einem socialvemokralischen Blatt herrührende Nachricht, daß er nicht mehr in Hagen zum Reichstag canbidiren werde. „Eugen Richter wird nirgend anders als in Hagen canbidiren." Gar so stolz brauchte der volksparteiliche Führer nicht zu thun. Er bat bereits bei den letzten Landtagswahlen wo anders caudibirt als in Hagen, und er wäre nicht Mitglied des preußischen Abgeordnetenhauses, wenn er es unterlassen hätte. Ausfallend ist, daß Herr Richter dem Blatte, das die Nachricht zuerst gebracht, die Worte in den Mund legt, er werde aus Furcht vor der Socialdemokratie von der Candidalur absteheu. Das hatte das Blatt nicht gesagt, der Entschluß war mit einer Absage des Centrums an Richter erklärt worden. Das „Leipz. Tagebl." batte so fort Zweifel daran geäußert, daß das Centrum sich von seinem erprobten gehorsamen Gehilfen trennen werde; aber warum verliert die „Freis. Ztg." kein Wort über dieses Verhältniß? Berlin, 12. August. Von verschiedenen Seiten ist an die Nachricht von der Aufhebung des von der Heydt'sch en Rescripts der Tadel geknüpft worden, daß diese Auf hebung viel zu spät erfolge. Unseres Erachtens nicht mit Recht. Zweifellos bat das Rescript durch seine Ausdehnung auch aus die brasilianischen Südprovinzen s. Z. eine Wirkung ausgeübt, die man als ungerecht bezeichnen kann, indessen gebt es doch nicht an, ihm die Hauptschuld daran beizumessen, daß die Entwickelung der deutschen Siedelungen in Süd brasilien ins Stocken geralhen ist. Wenn die brasilianischen Staatsmänner das im Anfänge allerdings reckt mangelhafte Ein wanderungssystem zweckentsprechend Verbeffert hätten, statt die Coionisation ganz sich selbst zu überlassen, so würde auch das von der Heybl'sche Rescript schwerlich den Zuzug deutscher Einwanderer gebindert haben. Thalsächlich hat in den ersten Jahren des Bestehens dieses Rescripts, als die brasilianische Regierung die Besiedelung des Landes mit freien Kleingrundbesitzern noch aufrichtig anstrebte, ein solcher Zuzug noch stattgehabk. Erst die Herrschaft einer völligen ^ystemlosigkeit machte dem ein Ende. Der preußischen Regierung einen Vorwurf daraus zu machen, daß sie das Rescript nicht zu einer Zeit aufgehoben bat, wo die bra silianische Regierung unverkennbare Beweise der Vernach lässigung des gelammten Colonisationswerkes und ins besondere ihrer Abneigung gegen die Vermehrung des deutschen Kleingrundbesitzerstandes in Südbrasilien ge geben hatte, ist widersinnig. Als dann noch die politischen Wirren dazu traten, welche auch die Südprovinzen Brasiliens keineswegs verschonten, war an eine Aushebung des Rescripts schon gar nickt zu denken. Wenn jetzt ruhigere Verhältnisse eingetreten sind und die brasilianische Regierung gewillt ist, die deutschen Colonisten mit einem ausgiebigen Rechtsschutz zu umgeben, so kommt die Aushebung des Rescripts noch immer früh genug. Dieses Hal Deutschland dann davor be wahrt, seine Bauern in einer Periode an Brasilien abzu geben, in der es sich dort nicht um eine wirkliche Coloni sation, sondern nur um Len Ersatz der an Zahl abnehmenden Sclaven durch europäische Lohnarbeiter handelte, deren Loos gewiß nicht beneidenswerth war. (D Berlin, 12. August. (Telegramm.) Der „Reichs anzeiger" veröffentlicht folgenden kaiserlichen Erlaß aus Wilhelmshöbe vom 11. dss. Mts.: „Zu Meinem leb haften Bedauern nöthigte Mich Unpäßlichkeit, auf die fchon seit Monaten geplante Reise nach Wesel, Ruhrort und Essen zu verzichten. Es war Mir um so schmerzlicher, als es Mir hohe Freude bereitet hätte, anläßlich der Wieder einweihung der Willibrords - Kirche in Wesel altange stammte Lande Meiner Krone zu besticken und deren Be wohner zu begrüßen. Mit wahrer Befriedigung und großer Freude erfüllten Mich die Berichte über das jubelnde Willkommen und die warmen Huldigungen, mit denen die Kaiserin und der Prinz Heinrich an allen Orten empfangen wurden. Die begeisterten Kundgebungen, die Anhänglichkeit an Mick und an Mein Haus aus allen Kreisen der Bevölkerung, die herrlichen Veranstaltungen, des ver schiedenartigen Begrüßungsformen werden Mir, Meiner Gemahlin und Meinem Bruder stets in freudigster I Erinnerung bleiben. Indem ich daher Allen, die zu FririHetsn. Strategie und Taktik auf der Lühne. Vom Oberregisseur Max Grnbe (Berlin). Nachdruck «kriotni. ES ist noch nicht allzu lange her, daß selbst die vor nehmsten Tbeater ihrem Publicum Gelegenheit gaben, auch in den ernstesten Dramen die Erregung des GcmüiheS durch wohlthätige Heiterkeit auslösen zu können, und zwar geschah dies regelmäßig dann, wenn m irgend einem historischen Schauspiel eine Kampfscene unvermeidlich war. Unter großer Fröhlichkeit der Zuschauer wälzte sich dann ein Statisten haufen von einer Couliffe nach der gegenüber liegenden, und erst nachdem die Wellen des Frohsinns sich einigermaßen gelegt hatten, begann der Ernst deS Kunstwerkes allmählich wieder in sein Recht einzutreten. Man hielt das früher für ein unvermeidliches Uebel und machte dafür im Stillen mehr den Dichter verantwortlich als die Darstellung. Erst die Meininger haben bekanntlich die Forderung aufgestellt, daß die Bühne die Verpflichtung habe, auch weitergehenden Ansprüchen des Dichters gerecht zu werden. Zugleich erbrachten sie den Beweis, daß dies in den meisten Fällen auch möglich sei. Im Julius Cäsar scheuten sie auch nicht davor zurück, das Bild einer Schlacht auf der Scene zu entrollen, und seit der Zeit gilt eS für eine der vornehmsten Regieaufgaben, scenische Schwierigkeiten nicht zu umgehen, sondern nach Möglichkeit zu bewältigen. Aber trotz diese- löblichen Bestreben- ist noch heute eine Schlacht auf der Bühne selten rin Sieg für den Regisseur. Auch auf dem Theater gehör? zum Kriegführen Geld, Geld und wieder Geld. Die wenigen beglückten Bühnenleiter, welche hundert Statisten werben und ihnen zehn Proben bezahlen können, dürfen immerhin mit einiger Hoffnung auf Erfolg sagen: „Die Masse muß eS bringen." Aber auch hundert und mehr auf einander loSpaukende Comparsrn werden an und für sich noch nicht die Illusion kämpfender Heerbaufen erwecken können, hundertfach wächst nun auch die Gefahr, Laß einer dieser Söldlinge, ein anderer Winkel ried, nicht der Freiheit, sondern dem grimmsten Feinde aller Tbeaterkämpfe, dem Gelächter eine Gaffe bahne und damit alle Kunst de- Schlachtenlenkers hinter den Eouliffen zum Kinderspott mache. Diese altbekannte Gefahr läßt unS auch hier da- Dichter wort schätzen: „In der Beschränkung zeigt sich erst der Meister." Damit soll nicht gesagt werden, daß zebm'Männer eine Schlacht glaubhafter verkörpern können als ihrer hundert, aber der wirksamste Bundesgenosse für den Regisseur, der meist sebr gegen seinen Willen sich als kriegführende Macht aufspielen muß, wird immer die Phantasie der Zuschauer sein. Wenn diese sckätzenSwerthe Kraft nur heutzutage nicht in gar so geringem Maße zur Verfügung stände! Im Folgenden will ich einige Kunstgriffe rerrathen, mit denen auf der Bühne die Einbildung-krast des Beschauer mil Erfolg erweckt und unterstützt werden kann. Unter Umständen und bei einem sehr naiven Publicum — doch wo ist das wohl noch zu finden? — thut es bloßes Schlachtgeräusch hinter der Scene. Hierbei ist jedenfaU- da- übliche Zusammenschlagen von Schwertern und Schilden zu vermeiden, das stet- an Mephisto'-: „Wie sie sich erbosten, Blutklappernd an einander stotzenk" gemahnt. Weit eher werden ein gut abgestimmtes, bald näher bald ferner erklingendes Stimmengebraus, Schlacht rufe, Trommeln und Trompetenrufe ihre Wirkung thun. Die Täuschung kann noch dadurch erhöht werden, daß recht verschieden klingende Signale, — di« der feindlichen Parteien —, deutlich al- solche erkennbar sind und wenn diese manchmal unharmonisch durcheinander tönen, kann die Vorstellung erzielt werden, al- seien die Kämpfenden nun nahe aneinauder gerathen. Erlaubt ober erfordert das Stück da- Markieren von Geschützfeuer hinter der Scene — diese« wird sehr einfach durch Schläge auf die große Pauke dargestellt — so wird der Regisseur der Zeit im Auge behalten müssen, in welcher das Stück spielt. Wenn e« z. B. auch im Prinzen von Homburg heißt: „Solch' einen Donner der Geschütze hab' ich Zeit meine« Leben« nicht gehört" — so darf doch nicht ein« Kanonade wie mit Hinterladern aufgeführt werden, denn damals erforderte da- Laden, Richten und Abfeuern eine« Geschütze- noch geraume Zeit und e« wird al« besondere Leistung erwähnt: „Blitz Element! Seht! Mit 12 Feuer schlünden wirkt jetzt der Henning- auf den Wrangel lo-." Auch da- Musketenfeuer — da« durch eine starke hölzerne Ratsche erzielt wird — darf nicht so unablässig erschallen, als käme eS von Repetiergewehren. WaS thut aber der kluge Regisseur, wenn er seine Treffen au- dem sicheren Hinterhalt vor die kritischen Blicke de« Publicum- zu führen genöthigt ist? Zunächst wird er sich drn Umstand zu Nutze machen, daß eine Schlacht sich meist bei Morgengrauen zu entwickeln pflegt. Möglichste Verdunkelung der Scene kann manche Schwäche seiner Schlachtordnung gnädig verhüllen. Wachsendes Tageslicht kommt dann dem Sieger und der Schlnßscene zu Gute, indem es zugleich symbolisch wirkt. Wie ein geschickter Feldherr wird der Regisseur serner zu seinen Operationen ein coupirteS Terrain wählen müssen. Deckung zu suchen ist wie im Felde so aus der Bühne eine Hauptaufgabe und der Regisseur hat ja im Gegensätze zu seinen militairischen College» de» Vortheil, sich sein Terrain selber schaffen zu können. Wenn es die Situation also irgend zuläßt, stellt man «inen Wald auf die Bühne, hinter dem eine Ebene angenommen ist. Auf dieser, also auf dem den Beschauern entferntesten letzten Drittel des Theater- läßt man, durch Bäume und Gebüsche halb verborgen, die Haupt- und Maffenkäinpfe toben, während der vordere freie Tdeil der Scene, als Waldlichtung gedacht, für etwaige Einzelkämpfe der Hauptpersonen frei bleibt, oder als neutraler Boden für den sonst etwa nöthigen Dialog Verwendung findet. Da selbst tausendjährige Eichen aus der Bühne sehr leicht schwanker., so darf man nicht versäumen, vor die Baumbögen und Satzstücke plastisch« Steine legen zu lassen, damit die Wuth der Kämpfer keine Bäume entwurzelt. Ist ein Wald als Kampfplatz ganz unwahrscheinlich, so theilt man den Schauplatz durch einen Hügel oder Felsen, so daß rückwärts ein möglichst kleiner Ausschnitt den Blicken frei bleibt, in dem dann das Schlachtgewühl desto gedrängter erscheint. In der vorderen Reihe desselben kämpft natürlich das Solvpersonal, das etwa zur Verfügung stehende Ballet, Pantomimisten oder da« geschulte Statlstenbrrr. Freund und Feind werden möglichst durch verschiedene Feldzeichen kenntlich gemacht. Die Fahnen der Besiegten werden im Schlußbild al- Trophäen verwendrt, um dessen Glanz zu erhöhen. Der Krieg auf der Bühne zeichnet sich vor dem wirklichen meisten« dadurch au«, daß die gewaltigsten Kämpf« über die Bretter toben, obne daß man Verwundete und Tobte gewahr wird. So erfreulich die- im Humanitären Sinne ist, so wenig vermag e« di« Illusion zu erhöhen. Ein umsichtiger Regisseur muß daher einen Lhril seiner Trupp«» von vornherein zum Tode vrrurtheilen, und zwar wird er hierzu gerade die tüchtigsten und geschicktesten Leute wählen. Nur muß er scharf darauf achten, daß nicht rin Urbereifriger allzufürchterliche Todeszuckungen verübt, WaS natürlich eine der beabsichtigten sehr entgegengesetzte Wirkung au-üben kann. Ich erinnere mich noch lebhaft deS Telegramm-, da« der Herzog von Meiningen vor Beginn der ersten Gastdarstellung in Berlin seinem versammelten KrieaSvolk zuarhen ließ. Da ganze Personal stand auf der Bühne versammelt und in nickt geringer Aufregung vom Mark Anton bis zum geringsten „Völkerspieler" herab, denn daß der Abend so glücklich aus laufen und das ganze Gastspiel eine Epoche in der deutschen Schauspielkunst bedeuten werde, war uns Allen natürlich noch nicht klar. Da wurde das Telegramm verlesen: „Allen Glück! Pfutz soll nicht zu lange sterben!" In diesem entscheidenden Augenblick hatte der genialste aller Negiekünstler nichts zu fürchten, als einen zu gewaltigen Todeskainpf meines damaligen College» Herrn Pfutz, ter sehr gewissenhaft irgend einen Bürger spielte und im letzleu Act als zuverlässiger Kämpe zum Tode bestimmt war. Wo es angängig ist, wird angenommen, daß die Schlackt schon auf der Scene im Gange war. Eine niedergebrannte Hütte, weggeworfene Schilde, Waffen, Helme und Mäntel, Pfeile, die in den Bäumen stecken — die meisten Tbeater- schlachten fallen ja in die Zeit vor Erfindung deS Schieß Pulver- — können den Zuschauer in Stimmung setzen. Allenfalls lassen sich auch Gliederpuppen als Leichen ver wenden, doch ist dies nicht ohne Gefahr, jedenfalls müssen sie sebr gut gelegt und womöglich durch geschickte Coniparsen als Verwundete gedeckt werden. Und wenn nun Alles gehörig erwogen, sorgfältig arrangirt, inscenirt und probirt worden ist, dann kann der Regisseur Abends Fanfare blasen lassen, um in den meisten Fällen zu erfahren, baß in einer Schlacht fast Alle- sich anders gestaltet, als auf dem Feldzug-plan. Da wackeln die Bäume, weil ein Haufe tapferer Soldaten sich auf einmal an einen Punct hingekämpft hak, wo er niemals sieben sollte, da fallen Leute und strecken die Beine gen Himmel, die gar keine Berechtigung dazu haben, da findet Einer seinen Gegner nickt mehr und baut wütbend in die leere Luft hinein, da er doch einmal zum Fechten engagirt ist. Und wenn da- Alle« nicht eingetreten, Alles glücklich vorüber ist und dir feindlichen Heere obne bemerkenSwertbe Entgleisung die RUckzuglinie hinter die schützenden Eouliffen gefunden haben, dann steht vielleicht ein einzelner Krieger „allein auf weiter Flur", sieht sich mit dämlichem Gesicht bilfeflehend um, weiß nickt ob, wohin und wie er fick aus dem Gesichtskreis der Beschauer fortstehlen soll, bis ihn die wachsende Heiterkeit in die Flucht treibt, gewöhnlich nach der allerfalschesten Seite bin. Das sind Augenblicke, die man schaudernd selbst erlebt haben muß, um sich stauneno zu fragen, wie e- möglich sei, daß die Regisseure ganz Europa« noch nicht in corpore der Friedensliga beigetreten sind.
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