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Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 29.10.1905
- Erscheinungsdatum
- 1905-10-29
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-190510292
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-19051029
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-19051029
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1905
- Monat1905-10
- Tag1905-10-29
- Monat1905-10
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BezuqS-PreiS m der Houptezpedrtion »brr deren Abgabe, stellen abgedolk vierteljährlich 2.40, bet täglich zweimaliger Zustellung u>- Hou« vierteljährlich 8.—. Durch unsere au«, wärtigen Ausgabestellen und durch die Post bezogen für Deutschland uud i^eslerieich vierteljährlich 4.S0, >ür di« übrigen Länder laut ZettungSpreiSIiste. Redaktion und Lrpedttivnr Jvhannl-gage 8. Telephon Nr. Nr. 22g, Nr. lI7Z verltne« «edaktions-lvureau: Berlin dl>V 7, Dvrott,e«ustrave 63. Del. l. Nr. V975. Dresdner «edaktionS-vureau: Tresdea-A, «öoneritzstr. 2ü, Tel. t, Nr. 4SS3. UtWigcr Tageblalt Handelszeitung. Amtsblatt des Äönigl. Land- «nd -es Äönigl. Amtsgerichtes Leipzig, des Aates und des Volizeiamtes -er Ltadt Leipzig. Änzeiqen-Prei- die 6ge> patten« Petitzelt« Et) Pf. Iamtliew» Wohuungs» und Ttellen- A-zeigen S't Pf. finanzielle Anzeigen, Beschäst-anzetgen unter Text ^der an vesonderrr stell« nach Taris. Für da« Erscheinen an bestimmten Tagen u. Plätzen wird lein« Garantie übernommen. «azelgen-Anuahm« AugustuSplatz 8, Eck« Johannisgast» DieExpebitton ist Wochentag« ununterbrochen geöffnet von irüh v bi« ulmnd« 7 Uhr. Filial-Expedition: Vertin, Lüyowstr. lO . . Dresden, Marienslr. 84. Truck und Verlag vou E. Potz tu Leipzig (Inh. 0r. N. L W. ttlinkhardt). Herausgeben l)r. Viktor Kltnkhardt. dir. 55?. Sonntaft 29. Oktober 1905. 98. Mrganq. Var Aicimgrte vsm csge. * Der Reichskanzler teilte dem Berliner Oberbürger meister mit, daß er gern bereit sei, die Abordnung des Deutschen SlädtetagS am 3l. Oktober mittags in Berlin zu empfangen. * Ter .Reichsanzeiger* macht bekannt: Infolge der Unterbrechung deS Berkehrö auf den russischen Eisenbahnlinien kann die Post nach Rußland bis auf weitere« nicht mehr auf den gewöhnlichen Wegen abaesandt werden. Es wird versucht werden, sie auf anderen Wegen, insbesondere auf dem Seewege, zu befördern. * Die deutschen Unterhändler für den Handels vertrag mit Schweden begaben sich gestern nach Stockholm. * Der deutsche Kaiser bat dem Kaiser von China mitteilen lassen, daß er «einen Einfluß geltend machen werde, damit die europäischen Besatzungötruppen aus China zurück gezogen werden. (S. Ausl.) * Die in Petersburg geehrten Ber Handlungen über die neue rusiische Anleihe sind aut Bors cd lag des russi schen Finanzministers vertagt worden. (Bergl. Handelsztg.) * In Reval kam eS zu blutigen St raß en kämpfen. (S. An«l.) Var Sttprnzl Oer Revolution. Es geht schließlich nicht allen Menschen so gut wie den Erstgeborenen ostelvischer Rittergutsbesitzer, den Söhnen Ham burg scher Groß aufleute oder neuerdings den Proletarier kindern großer Bezirke, die alle eine feste LebenSanschauung mit auf ihren Lebensweg belommen. Es gibt immer noch eine ganze Anzahl Individuen, denen zwar auch meist durch Geburt und Verhältnisse ganz roh eine Richtung gewielen wird, die aber doch in der Hauptsache darauf an gewiesen' sind, sich ihre Ansichten über Religion und Staat und andere Dinge selbst zu bilden. DaS geht dann in der Mehrzahl der Fälle nicht ohne Schwanken und Tasten und Tappen ab. Manch einer, der heute weit links steht, war in seiner Jugend eitriger Verfechter des Absolutismus, und mancher hat sich in der umgekehrten Richtung entwickelt. Daraus jemandem einen Vorwurf zu macken, ist unschicklich und töricht, weil eS der Natur den Stillstand vortchreibcn beißt. Einem weit verbreiteten Irrtum mag bei der Gelegen heit mit aller Entschiedenheit entgegengetreten werden, da« ist die Meinung, als ob nur eine Entwicklung nach links An spruch auf Anerkennung der Ehrlichkeit ihrer Motive habe. Es kann dem gegenüber geradezu als Norm hingestellt werden, daß das Alter immer mehr »um Sckätzen des Be stehenden und Erworbenen geneigt sein, daß eS ruhiger urteilen und daher eine Ennoickelungstendenz nach recktS hin haben wird. Auch ist eS sicherlich innerlich gerade sür tapfere Naturen schwerer, sich ihre Wandlung nach ber rechten Seite einzugestehen, al« nach links, wo angeblich allein der Mäunerstolz HeimatSrechr hat. ES ist noch gar nicht so lange her, vielleicht ein Dutzend und einige Jahre, da war es unter den jugendlichen In tellektuellen im Deutschen Reiche vielfach Mode geworden, niit dem Sozialismus zu kokettieren. Im jungen literarischen und künstlerischen Berlin jener Tage zum Beispiel erwiderte es bereit- Mut, sich als konservativ ober auch nur liberal gerichtet zu bekennen. Man nannte sich zwar auch damals nicht gern geradezu Sozialdemokrat, aber sympathisierte doch offen mit den kouragierten Leuten vom Schlage Bebels, Lieb nechtS, Bracke«. Andere Gesinnung galt vielfach in jenen Kreisen als streberhaft. Das . „Marty rium* de« Sozialistengesetze« übte noch seine gewaltige stimulierende Wirkung, u»u> Bismarck, der große Erwecker de« deutschen Naiionalbewußtsein«, stand noch viel zu sebr im Tage«kampse, al« daß »eine« Geiste« bebende Kraft schon in jene werdenden, ringenden Seelen hätte dringen lönnen. Man liebte ihn noch nicht damals, vielen war er noch der junkerliche Gewaltmensch, dem gegenüber man sich so völlig als Objekt vortam, während man doch so gern Subjekt sein wollte. Für Bismarcks Würdigung im Volke ist sein tpäleS, von ihm jo schmerUich empfundene« Gejchick zweifellos di« denkbar größte Triebkraft gewesen. Er rückte den meisten erst memchbch naher, al« man ihn auch bemitleiden dürit«. Im Grunde genommen ein rührender Zug ve« ein fältigen deutschen Gemüt«. Daß in der Folge nrchi mehr von den soztalistych angehauchten Jünglingen den Uedergang zu den Genossen vollzogen baden, al« geschehen, ist zum großen Teil rem taktstchcn Unaetchick oder auch der Eiscriuckt der lozialdcmolratlichen Führer, zum anderen aber dem gewaliigen Einfluss« de« entlassenen BiSniarckS und — Nietzsches zuzuschreiben. Ohne diese hemmenden Einwirkungen hatte e« damals Massenüvertritt« geben tönnrn, die nickt ohne sehr bedenkliche Folgen hätten bleiben lönnen. Es ist zu vermuten, daß die Entwickelung ber Sozialdemokratie äußerlich viel stürmischer verlausen wäre, wenn sie einen solchen Ucbenchuß an geistigen Arbeits kräften in ihr« Reihen belommen hält«, während di« Genossen gerade das Gegenteil, nämlich BourgoiSgewohnheiten, bei den Koptarbeileru argwöhnten. Jedenfalls ist beute mit Genugtuung zu konstatieren, daß den liberalen Parteien durch solche Uebertritte nicht allzuviel wertvolle« Mrnschenmaierial verloren gegangen ist. Selbst die jüngste Gelegenheit, die Austmung der national- loziale« Parte», bat der Sozialvemokraii« außer Mauren brecher und einem paar anderen keinen nennenswerten Zu- wacks zugeiübrt. Jniwisch.u hat Dresden dajür geiorgt, baß ber Sozialdrmokiatir viele der heimlichen oder unklaren Sym pathien verlsren gegangen sink, die sie bisher noch beionder» in der geistigen Jugend bti un« batte. Die Lager haben sich , einlich -echiedeu und di« ichlimmste Gefahr, di« dem Staate und damit dem Reiche unv der Gesell'chaft droht«, die Fahnenflucht der Jugend, ist heut« «adaüliig vorüber. Die Luiw ck.iung Naumann« unv seiner Joeen zogt die« klarer al« alle« ander«. Dir« ist in große« Strichen »«« Bild die äußer«« Entwickelung. WaS der Einzelne aus inneren Erlebnissen dabei gelernt hat, ist natürlich außerordentlich verschieden, aber eins kann dock als gemeinsam gelten — die Erkenntnis von der Jugendgötlin Freiheit Vergewaltigung, die im sozialdemokratischen Heerlager wieder und w eder begangen wurde und noch heute begangen wird. Der politisch Gebildete von heute braucht längst keine Beweise mehr für die knechtische Unfreiheit, in der die Masse der rechtgläubigen Genossen sich wohl zu fühlen icheint, während die wenigen Denker und Arbeiter an sich selbst in der Partei unter ihr seufzen. Es ist längst erkannt, daß diese Partei der Masseninstinlte intolerant sein muß, wenn sie sich nicht selbst aufgeben will, gerade wie es das Zentrum sein muß. Auch ihre Radikali sierung bis zur notwendigen Spaltung mit oder obne Krach ist darin begründet. Für den nichtbebelianischen Zeitgenossen bleibt eS trotzdem betrübend zu sehen, wie die waschechte Sozialdemokratie die Freiheit meint. Die jüngste Vermehrung des hierher gehörenden Materials hat der „Vorwärts* geliefert. Nicht daß uns der Vorgang wegen des Schicksal der heraus gedrängten flchs R-daiteure besonder« nahe zu geben bäue — von allem Persönlichen kann man bei rer genügend be wiesenen Liebenswü.di.cksit auch rer bisherige» Redakteure Mil gutem Gewissen abiehen — aber die Sacke an sich, d>es Umspringen nut sechs Individuen, techs Genoffen dazu, hat etwas Entwürrigende«. Diese sechs Redakteure, die nicht einmal sämtlich der Revisionisterei verdächtig sind, haben nun jahrelang, zum Teil ein Dutzend Jahre und länger, nach Kräften im „Vorwärts" aus Kapitalismus und Bourgeoisie, auf die Sklavenhalter und die KuliS geschimpft, habe» sich täglich in die freie Genosfenbrust geworfen und der Sklaverei der bürgerlichen Welt die Frei heit des Genossen gegenübergestellt. Und nun muß ihnen das passieren! Man hat sie einfach herausgedrängt. Jin „Vorwärts" vom 20. Oktober stand ihre Erklärung. Der Parteipapst und die übrigen Berliner Großen der sozial demokratischen Genoisenschait haben über eine Neuorgani sation der Vorwärtsredaktion beraten, nicht einmal, sondern vielmal, unter dem üblichen Ausschluß der Oesfentlich- keit, und nicht ein Vertreter der Redaktion wurde zugezogen. Endlich haben die Redakteure verstanden, was man von ihnen wollte. Sie .haben gekündigt, und ibre Kündigung wurd>. glatt angenowmen. Al« inneren Grund ihrer Kündigung geben sie selbst die Erkenntnis an, daß „mit dieser Auflassung (der Äufsichisinstanzen) die Freiheit und Unabhängigkeit der Presse bedroht, wenn nicht vernichtet sei*, die allein den Redakteuren das Recht gegeben habe, „die Würdelosigkeit und Abhängigkeit deS tapitalistiicken Großbetriebs zu geißeln." Entschuldigt sind die Herren damit wiiklick nicht, denn eie Erkenntnis kommt reichlich spät, auch deshalb nicht, weil sie noch im Abtreten von der Bünne ihre bürgerlicken Kollegen ickmäben und ihnen Dinge Vorwerken, dl« sich in dieser Allgemeinheit wohl behaupten, aber nie beweisen lassen. Wertvoll aber bleibt dies von sechs VoiwärlSredalteuren mit ihrem Namen beglaubigte Zeugnis auf alle Fälle, unv vjt genug wird Gelegenheit geboten sein, auf dies Dokument zurückzukommen, wahricheinlch sogar noch während der Zeit rer RedaknonSführung derjenigen, die es ausgestellt haben. Aber wenn auch Schamhaiti-zkeii vor dieser l.tzien Blamage schützen sollte — mit dem RedaklionSwechiel wird von den neuen Geislern Stadthagen und Luxemburg ber alt« Brauch bestimmt wieder ausgenommen und mit Wollust Splitter richterei getrieben werden. Nur nebenbei sei aus da« Komische der völligen Verständnislosigkeit hiagewiesen, mit der dies« Leute dem inneren Wesen einer rem materialistflchen Welt anschauung gegenüberstehen. Denn eine solche muß zum Fatalismus, zum Schlendrian führen, während Vie Genossen mit Bebel an der Spitze eine Angelegenheit nicht mehr anders al« exratisch behanvela können. Aber diele Inkonsequenz wirv von weiterem Toben nicht abhalten. Die übrige Welt wird unterdessen mit immer mehr gefestigter GemülSrube alle diese Anzeichen innerer Unreise und Schwäche notieren und warten, wa- sich weiter aus dem Gärungsprozeß entwickeln wirv. Nachdem wir anerkannt Haden, daß die Sozialdemokraiie nicht den innere» Fortichritt, nicht die ablolute Wahrhaftigkeit und nicht die Freiheit, sondern Unfreiheit der Massen und erst »echt des Individuum« bedeutet, bat ihr revolutionärer Charatler kein« Schnecken mehr. Mit Leu en wie Stadt hagen und Ros» Luxemburg kann man wohl Putsche, aber keine Revolution der Geister herbeijühren. Unv die wäre allein Siegcsdürgschaft. vom baverirche« csittlt»-. (Von llnserni Münchner Korrespondenten.) Die Generaldebatte über das Budget, die sich im großen und gunzen auf einer für unsere Kammer un gewöhnlichen Höhe bewegt hatte, wäre ohne weitere« erwähnenswertes Ereignis zu Ende gegangen, wenn nicht der Ministerpräsident Freiherr v. Podewils un mittelbar vor Torschluß eine alte Streitfrage über die Zuständigkeit des Landtage« aufgestellt hätte. Redner aller Parteien hatten sich ncimlu, nicht nur auf die Be sprecht,ng und Kritik bayerischer und innerpolitifcher Reichsfragen und Verhältnisse beschränkt, sondern auch, wie seit vielen Jahren, aus das Gebiet der auswärtigen Politik des Reiches Exkursionen unternommen, die in- dessen, abgesehen von den grotesken Ausführungen eines übrigens sehr nationalen Bauernbllndler-, wenigstens des Vorzugs der Kürze nicht entbehrten und sich durchweg in parlamentarischen Grenzen hielten. Tabei wurde nun auch mehr oder minder deutlich deS impulsiven Eingreifens und Stimmungswechsels ge- ducht, der sich in der Reich-Politik nicht selten bemerkbar gemacht bade. Der Ministerpräsident bedauerte nun, wie e« von ihm al« selbstverständliche Pflicht erscheint, diese gegen da« Reich-oberhaupt gerichtete Kritik aus« tiefste, und hob dagegen in warmen Worten die un ermüdliche Tätigkeit de« Kaisers zu des Reiches Wohl hervor. Dabei bestritt ec dem Landtage die Kompe tenz, die auswärtige Politik in das Bereich seiner Be sprechung zu ziehen, da ihre Leitung zu den persön- lichen Rechten gehört, die vom Kaiser unter B«rant- Wörtlichkeit des Reichskanzlers ausgeübt werden. Noch mals betonte dann Freiherr v. Podewils dem letzten, sozialdemokratischen Redner gegenüber, die Zu ständigkeit des Landtages beziehe sich nur auf Reichs- angeleqenheiteu, auf welche durch die Verfassung den Regierungen der Einzelstaaten iin Bundesräte ein Ein- sluß zuerkannt ist. Welcher Auffassung man nun auch sein mag, jeden falls wird der bayerifche Landtag, darüber sind alle Parteien einig, nicht von seiner Uebung abgeben. Ter einzige Erfolg des Ministerpräsidenten wird eine aus gedehnte Debatte bei seinem Etat sein. Sie hat der Präsident des Hauses schon angekündigt, nicht ohne dabei sehr energisch zu betonen, daß er für dieses „<.-x l.^e et u«u" erworbene Recht der Kammer eintreten werde. Nein praktisch betrachtet, wäre es schon deshalb besser gewesen, der Ministerpräsident batte erklärt, daß sich die Negierung da jede Derantworllich. leit im Einzelstaate fehle, an solchen Diskussionen nicht beteiligen werde. Es läßt sich aber außerdem nicht verkennen, daß die von Freiherrn v. Podewils ge zogene Grenzlinie unter Umständen sehr schwer einzu halten ist. Darnach erscheint es z. B.zulässig, sich darüber zu äußern, ob das Deutsche Reich einer erst klassigen Flotte bedarf oder nicht: denn die Bewilli gungen stehen fa Reichstag und Bundesrat zu. Die Erörterung dieser Frage wird aber naturgemäß auf die auswärtige Politik und die äußeren Beziehungen des Reiches führen. Jedenfalls dürfte auch anderswo zu denken geben, daß auch die Liberalen, denen in Bayern nahezu allein die Hochhaltung des nationalen Gedankens zu- fällt, durch den gut nationalliberalen Pfälzer Dr. Hammerschmidt, unter vollster Anerkennung ber Reichs politik der letzten Zeit, ihrem Bedauern über das im pulsive Eingreifen und besonders über die früheren, .fast unwürdigen Bemühungen um die Freundschaft des Auslandes, namentlich Englands", unverhüllten Ausdruck gaben. Von Liberaler Seite wurde dein Ministerpräsidenten zugerufen: Telegrammel, vielleicht auch in Erinnerung an das Swinemünder Telegramm, in welchem dem P r i n z-R e g e n t en die vom Zen trum abgelchnten 100 000 Mark für Kunstzwecke an geboten wurden. So gut gemeint es auch war, seine — diese Tatsache ist bisher noch nicht bekannt — vom Grafen Crailsheim verweigerte, und dann in Berlin unter „München" erfolgte Veröffentlichung hat den erfolgreichen Ausgangspunkt nicht nur zum Sturme des Zentrums, sondern auch zu der Intrige gegen den Grafen Crailsheim gegeben. Sonst beschäftigte sich die Kammer in den lebten Tagen mit der Arbeitslosenfürsorge und einem ganzen Bukett wirtschaftlicher Anträge des Zentrums. Diese Aktion „zum Fenster hinaus" unternimmt das Zen- trum in jeder Legislaturperiode. Landwirtschaft, Ge werbe und Arbeiter erfahren, wie gut es der Ultramon- tanismus mit ihnen allen meint, und dann werden die meisten Anträge in einem Ausschüsse begraben. WaS diesmal an ihnen gnt ist, steht im liberalen Programm. In der Frage der Arbeitslosenfürsorge gingen Kammer und Regierung einig. Interessant war uns die Ab- lehnung des liberalen Antrages, der eine voraus- schauende, planmäßige Fürsorge verlangte. Hätten ihn die Sozialdemokraten eingebracht, er wäre der be- geisterten Zustimmung des Zentrums sicher gewesen. Deutsches Keich. Leipzig, 29. Oktober. * Bom Reichstag. Wie der „Frkf. Ztg.* an« Berlin ge- melde» wird, ist Uber die Einberufung de« Reichstaz« rur;e>t ein Beschluß noch nicht gefaßt, doch steht er nahe bevor und di« Wahr cheinlichleit spricht dafür, daß man ihn baldigst zu- samm.ntreten läßt und ihm vie Flottenvorlage und die sogenannte Reichsfinanzreform als die ersten, vor allen Dingen zu erledigenden Ausgaben vorlegen wird. Der Er- »rag der ReickSerbjckafl-siruer ist nicht auf ION und mehr Millionen, wie eS hieß, sondern, wie zuverlässig verlautet, aus ungefähr 60 Millionen für die Reichskaffe veranschlagt. Einige kleinere Spezialetat« find dem Bunve-rat inzwischen auch schon ,»gegangen. * Siichfifche ParlamentSnachrtchten. Der Arbeitsplan de« sächsischen Landtage« für die nächste Zeit wird sich folgendermaßen gestaben: Mittwoch, 1. November: Bericht über die Verwaltung und Vermebrung der Sammlungen für Kunst und Wissenschaft in den Jahren l902 und l9o3, wobei jedenfalls auch der Fall de« Direktor- Meyer vom Ethno graphischen Museum zur Sprache kommt, ferner der Gesetz entwurf betr. die vorläufige Erhebung von Steuern und Abgaben im Jahre >906. Donnerstag, 2. November: Gesetz betr. vi« Erstattung von Umzugskosten an SlaaiSdiener unv Lehrer an höheren Lehianstasien. Freitag, 3. November: Antrag Kühlmorgen aus Aufhebung ve« tz >9 des Ergänzung«steuer- gejeye«. Der Sonnabend bleibt voraussichtlich srer. — In der jolgenden Woche gelangen die Interpellationen, wie bereit« gemeldet, zur Verhandlung, zunächst die über vie Fleiscknot unv die Wahlrechtsreform. Die Eisenbabnbetrirbsmiitel» gemeinfchast wird vermuilich auch zum Gegenstand einer Jnterpellalion gemacht werden. Ihre Beantwortung ist aber erst später zu erwarten, da man in die jetzt schweben- den Verhandlungen n»cki vurch parlamentarische Erörterungen «ingreifen lann. Die Interpellation der Freisinnigen Uber bi« SiromichiffahrtSabgaben kommt erst später zur Beratung. Es ist noch gar nicht fest gestellt, ob dle Sache ven BunveSrat beschäitigen wird; bei der ablehnenden Haltung eines Teil» der Regierung dürfte «brr da« Gegent il der Fall sein, da Herr v. Buvde sich schwer! ch ohne Noi einer Schlarpe au-feyen dürfte, die er nur mit seinem Rückiritt beantworten könnt«. * Verdank kausmönntscher ttrmttentafien Eeulfchland«. Em ,Verband kaufmännischer Krankenkassen Deutschland«* wurde auf «in« von der Kranken«ass« ,ür Handel-angestellte i« Barme» ergangen« Anregung hin m diesen Tagen in Magdeburg begründet. Vertreten waren 24 kaufmännische Kranlcnlafjen jElngefchriebene HilfSttrffen». deren Tätigkcir sich vorwiegend au» einen kleineren Bezirk beschränkt, mir einer Mitgliederzahl von 28 750. — Ernst VeSper- Barmen sprach über da« Thema: Welche berechtigten Forde rungen dürfen und müssen die Handelsangestellten an die Reform deS Kian'cnoersichcrun.iSaej tzeS ttellea. Redner forderte unter Zustimmung der Versammlung die Berech tigung zur Bildung von Ort-krankenkaffen jür HandelS- angeflellie (nicht im Hanrelsgewerbe Angestellte) die Berech tigung, von den Prinzipalen da- eine Drittel der Beiträge zu erheben, ein Verbot, die Aufnahme versickerung-pflichtiger PeNonen von einem Gesundheitsattest lowie ven der Zu gehörigkeit zu einem Verein oder Verband abhängig zu machen, vie Ausdehnung der VcrsickcrungSxflicht auf alle HantelSangesteUten nur einem Salär von 3000 und darunter u w. Diesbezügliche Anträge sollen den gesetzgeben den Körperschaften unterbreitet werden. — Der nächste Ver- bandSlag soll Ende April 1906 in Hannover stattfinden. — Sitz des VerbanveS ist bis auf weiteres Barmeu. * Aus Koburg-'r-otha. Der gemeinschaftliche Land tag nahm in seiner heutigen Sitzung den Lotterie vertrag mit Preußen und den anderen deutschen Bundesstaaten an; ebenso den Entwurf zu einem neuen Lotteri.geietz nach der entsprechenden Vorlage. Ferner wurde nach Zuständiger Debatte in ber Frage der Fleischteuerung ein Antrag einstimmig angenommen (auch die Agrarier stimmten dafür: „Die Herzog! che StaatSreaierung zu ersuchen, bei den jetzt bestehenden hohen Fleifchpreisen, die weite Bevölkerung«- kreise in ihrer Ei nährung schwer schädigen und alle Nahrungs mittel in die Höhe treiben, die Reichsregierung aufzujorvern, alsbald diejenigen Schritte zu tun, die geeignet sind, der Kleitch- teuerung zu steuern, auch vurch Oeffnung ver Greazeu, soweit tolche Maßnahmen nicht dazu führen würden, den inländischen Viehbestand vurch Einschleppung von Seuchen zu schädigen. In Beamworinug einer Anfrage erklärt StaalSmimster Richter, daß vie koburgsche SlaatSregierung eine „Fleisch not" anerkenne, und der stellvertretende BundeSrais- bevollinächiigte angewiesen sei, im BundcSrate dahin zu wirken, daß alle geeigneten Schritte zur Linderung der Klrischteuerung getan werden. * Von -er russischen Grenze. Wie wir vor fast einer Woche meldeten, hat rin russischer Posten zwei au der Grenze auf deutschem Gebiet bei Myslowitz befindlichen Deutschen befohlen, auf russische« Gebiet zu komme» »ad sie bann verhaftet. Die beiven Deatscheu, die sich absolut nichts hatten zu schulden komme» lasse», wurden rann mehiere Tage lang durch russische Gefäaguiffe ge schleppt, wobei sie alle möglichen Unbilden erduldeten. Sie haben natürlich sofort Beschwerde erhöbe». Durch den Kattvw tzer Landrat erfolgte, wie die „Nat.-Ztg.* berichtet, am Freitag an Ort und Stelle an der Greuze eine Besich tigung, wobei festgestellt wurde, daß der Grenzposten die beiden Deutschen unter Drohungen genötigt hatte, rvistsche« Gzbiel zu belreien. Derselbe russische Grenzposten drohte gestern, den Landrat und feine Begleitung festzunebmen, falls sie der Greuze zu nahe kommen würden. Wenn selbst ein königlich preußischer Landrat der artiger Unbill ausgesetzt fft, wird wohl endlich die russische Regierung »„gehalten werben, diesem Greuzunfug zu steuern! * Verrat an ver Partei. Unter dieser schönen lieber- schrift behandelt die „Leipziger BoltSzeitung* zum ersten Mal eingehender ven Skandal in der „VorwärtS*-Redaktiou. Sie weist zunächst rein fachlich darauf hin, daß nach Jeoa jeder mann in der Partei, der e« wissen wollte, gewußt habe, daß eine „reformatorische Umgestaltung der „Vorwärt«*-Redak tion" bevorstanv. E« habe sich dabei zunächst nur «« die beiden Redalteure Büttner und KalrSki gehaudelt, die nicht mehr die Ansichten verträten, um derentwillen sie von den Berliner Genossen iu die Redaktion gestellt worden seien und man habe sie durchaus nicht auf da« Pflaster werjen, sondern ohne irgend eine materielle Schädigung auf andere Posten Hellen wollen. Da« sei der Keru der Affäre. Wie im einzelnen der Parteivorstauv gehandelt h»be, wisse man in der „L. VolkSztg." nicht. — Dann aber kommt das sehr inieressanie, verblümte Eingenändni« von dem Terrorismus, der in der sozialdemokratischen Presse auf Redakteure auSgelibt wird. Nur daß hieifÜr äußerst sansie, bei ter „Volkszeitung* gan, ungewohnt« „Flöien- töne* gewählt werden, „wir verkennen durchaus nicht, daß bei den Äufsichisinstanzen unserer Zeitungen in denen ja immer die Arbeiter da« Uedergewicht Haden, eine gewisse Rücksichtslosigkeit gegea die Redakteure nicht immer vermieden wird.* Wie zart weiß hier da« Organ de« „Sauherveittones* zu schreiben! Wunderbar zart! Freilich gleich darauf „trompetet* e« gegen die lech« Revakieure des „Vorwärts" „eS ist ein Verrat an der Partei, jolche Konflikte in einer Weise an die große Glocke zu hängen, die der kapitalistischen Preßmeute gestaltet, wie eine Herde hungriger Wölfe über die Partei selbst berzufallen.* Und nun geht es in dem gewohnten Tauchaer-Straßenjungenton wiiier, indem die „VolkSieiiung" renvmmistisch schreibt von ihrem (!) „eibisch-äitdetischen Ekel* „vor den schmatzenden Bruberküslen, die die Tintenkulis der kapita listischen Presse jetzt über die sechs Redakteure in rauschender Fülle ergießen* Und ein Mitarbeiter der „Täubchen Rundschau*, der eS angeblich gewagt ha», von der Be-pitzelung der reoisiomstycken BorwärtSrevaktion vurck eine „Mebiin,z-Kreatur" zu schreiben, wird gar zum „Preß lumpen" ernannt. Die sechs Uebeltäter aber werden ichließlich wegen ihrer „Literateneitelkeil* den Ardettermassen überliefert, die, wie die „Vollszcitung dofft, sie „traktieren* werden „den Daumen aus- Äuge und da« Knie aus tue Brust*. — So also ergeht e» denen, in ber „Partei der Oefsentlickkeit* e« wagen, di« Ocssenilichkeit anzurufen, wenn man sie terrorisiert! * äum Arbeitekampf in bensachfisch'ttzüriugtfchenLkbereirn liegen un« vom gestrigen Tage solgende Meldungen vor: zunächst au« Meujelwiy. Die Lohnkommission der hiesigen Weber bestreitet die in verschiedenen Blättern ausgespiocheae Behauptung, daß sie den vom Fabr>kantrnv«rein derau«- gegel'rnen Lohntaris anrrlaunt batte. Da« Geueuteil ist vielmehr der tzf-ür und ri« W«b«r haben dadurch erreicht, daß ihnen eine ach»pr»z«»tiß» itdhnrrhhhiluß v»> i. Ottvber
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