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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 26.10.1907
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1907-10-26
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19071026016
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1907102601
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1907102601
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Handelszeitung
- Jahr1907
- Monat1907-10
- Tag1907-10-26
- Monat1907-10
- Jahr1907
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BezugS-Prei- ktr v«ip»ta und koeorl, durch uusrr« krtger und Spediteur« tu» Hau« gebracht: Lui,ab« 1 (nur «argen») vterteljährUch 8 M monatlich I Lutqabe S («argen» und abend«) viertel» jährlich 4. SV M. «anallich 1.50 M. Lurch bi« Post bezogen (2 mal täglich) tnnerhalb Deutschland» und der deutschen Kolonien vierteljtbrlich 5,25 M. monatlich 1,75 w autlchl, Post, dcstcllgeld iür Oesterreich 9 L 66 k, Ungarn 3 L vierteljährlich. Abonnement-Annabore. Uug«stu»vl«tz 8. bet unseren Drägern, Alltalen. Spediteuren und Ännahmetzellen, vwte Paftätutern und Briefträgern. Die einzeln« Stummer tastet tO Psg. «rdakttan und Expedition: Johaunilgalse 8. Delevbon Nr. 14692 Nr. 1469b» Nr. 14694. Lerltarr Redaktion» Bureau: Berlin diV. < Prinz Loui» Ferdinand« Strafe 1. Delephon 1, Nr. 9275. Morgen-Ausgabe 8. AWgerTagtblaN Handelszeitnng. Awtsvlatt -es Rates und -es Rolizeiamtes -er Lta-t Leipzig. Nr. 297 Sonnabend 26. Oktober 1907. Anzeige» Preis für Inserate au« Leipzig und Umgebung di, 6 gespaltene Petllz«ll«25 PI., finanzielle Anzeigen 30 Ps., Reklamen 1 M.; von aulwtrt« 30 Ps., Reklamen 1.20 M. »omLullandSOPf., finanz. Anzeigen75Pf„ Reklamen 1.50 M. Inserate v. Behörden im amtlichen Dell 40 Pf. Beilagegebübr 5 M. p. lausend exkl. Post- gebühr, «eschäslsanzeigen an bevorzugter Stelle im Preise erhöht. Rabatt nach Daris. Aesterteilte Aufträge können nicht zurück gezogen werden. Für da« Erscheinen an befttmmlen Tagen und Plätzen wird keine Laranti« übernommen. Anzeige».Annahme: Luguftu-Platz 8 bei sämtlichen Filialen u. allen Annoncen- SxpeLlliouen de» In- und «atlande«. Haupt Filiale Berlin. Aarl Dunck: . Herzogl. Bahr. Hofbuch Handlung, Lützowstraße 10. (Delephon VI. Nr. 4603). 101. Jahrgang. Das wichtigste vom Tage. * Die sächsische Zweite Kammer verwies gestern nach ein gehender Vorberatung das Gesetz über die Verbindung auswär tiger Kirchen gemeind en und Geistlicher mit der evang. - luth. Landeskirche Sachsens an die Gesetzgebungsdeputation. (S. Ber.) — Am Montag wird die Kammer die freisinnige Interpellation über dis Schiffahrtsabgaben besprechen. * Im Prozeß Moltke - Harden wurde gestern die Zeugen- Vernehmung fortgesetzt und beendet. Heute vormittag beginnen die Plädoyers. (S. Bei.) * Die französische Regierung hat den Kammern ein Geld- buch über Marokko vorgelegt. lS. Ausl.) * Die Minister Forscht und Pacak haben ihre Demission dem Ministerpräsidenten v. Beck überreicht. sS. Ausl.) " Die kanadische Regierung beantragt bei der englischen ein Verbot der Hindueinwanderung, weil die Hindus eiy ungeeignetes Element seien. * Die Gesamtzahl der bei dem Erdbeben in Kalabrien Umgekommenen wird auf 300 geschätzt. Verwundet stnd etwa 1000 Personen. lS. Neues a. a. W.) Der Gesetzentwurf über die Bezirk-Verbände« Bei der Eigenart des Wahlgesetzentwurfs der Regierung für die Zweite Kammer, in welchem die Wahl nahezu der Hälfte der Abgeord neten durch die Aommunalverbände vorgesehen ist, erregt der von der Regierung dem Landtage zugcstellte Gesetzentwurf über die Bezirksver bände besonderes Interesse. Die hauptsächlich in Betracht kommenden Paragraphen sind die folgenden: 8 4. Die Bezirksversammlung besteht aus dem Amtshauptmann und 39 Abgeordneten. 8 5. Der Bezirksoersammlung gehören an: 1) Dreizehn Vertreter der Höchstbesteuerten des Bezirks, 2) sechsundzwanzig Abgeordnete der im Bezirk gelegenen Städte und Dörfer. Von den Abgeordneten der Hvchstoesteuerien müssen mindestens zwei Abgeordnete Landgüter von wenigstens 50 Hektar landwirtschaftlich benutzter Fläche besitzen und mindestens sechs Abgeordnete auf dem Lande ihren wesentlichen Wohnsitz haben. Von den Abgeordneten der Städte und Dörfer müssen mindestens drei zu den Wahlen für den Landeskulturrat, mindestens drei zu den Urwahlen für die Handelskammern, mindestens vier zu den Urwahlen für die Gewerbekammern berechtigt und mindestens drei krankenvcrsiche- rungspflichtige landwirtschaftliche oder gewerbliche Arbeiter sein. tz 9. Die in 8 5 Absatz 1 Ziffer 2 bezeichneten Abgeordneten werden aus die Städte und Dörfer nach dem Verhältnisse der städtischen und ländlichen Bevölkerung verteilt, wie sie durch die letzte Volkszählung fest gestellt worden ist. 8 10. Die Wahlen der städ t ischen Abgeordneten zur Be zirksversammlung werden von den Mitgliedern des Stadlrats und der Stadtverordneten in gemeinsamer Sitzung, beziehentlich von den Mitgliedern der Stadtgemcinderäte unter Leitung des Bürger meisters vollzogen. tz 12. Die Wahl der Abgeordneten der Dörfer erfolgt durch die Vorstände der im Wahlbezirke gelegenen Gemeinden und die Besitzer derjenigen vom Gemeindeverbande ausgenommenen Güter, welche nicht unter den Höchstbesteuerten stimmberechtigt stnd. Für Ge meinden von 500 bis 1000 Einwohnern tritt außer dem Gemeindevor stand« ein von dem Gemeinderate gewählter Wahl mann der Wahlversammlung hinzu. In gleicher Weise wird weiter für jede Vollzahl von tausend Einwohnern über Eintausend ein zweiter, dritter, vierter usw. Wahlmann außer dem Gemeindevorstande gewählt. 8 16. Die Abgeordneten zur Bezirksversammlung werden aufsechs Jahre gewählt. Die Ausscheidenden sind wieder wählbar. 8 20. Der Bezirksversammlung liegt in Vertretung des Bezirks verbandes die Durchführung der Bezirksaufgaben ob. Sie hat die hierzu notigen Mittel zu beschaffen und ist berechtigt, Ausgaben zu beschließen, das nicht -um Stammvermögen gehörige Bezirksvermögen zu verwenden, Gebühren für Bezirkseinrichtungen festzusetzen, Anleihen aufzunehmen und Abgaben zu erheben. Sie hat außerdem die Wahlen in den Bezirks und in den Kreisausschuß, sowie die gesetzlich sonst der Bezirksver- sammlung zuacwiesenen Wahlen zu vollziehen. In der Begründung wird ausgeführt, daß, wenn die Bezirksver tretungen bisher im allgemeinen nicht viel geleistet hätten, dies daran liege, daß cs nach dem Gesetze im Mangel obligatorischer Bezirksauf- oaven lediglich von der Initiative der Amtshauptleute und der Will fährigkeit der Bezirksvertretungen abhing, ob überhaupt und in welcher Richtung der Bezirk eine besondere Tätigkeit entfalten wollte, und daß manchenorts die Abneigung der Bezirksvertretungen gegen die Einfüh rung von Bezirkssteuern so groß war, daß es an den zur Erreichung der Bezirkszwecke erforderlichen Mitteln gebrach. Dann heißt cs wörilich weiter: Ein derartiger Zustand steht mit den Bedürfnissen des praktischen Lebens in um so grellerem Widerspruche, als mit der fortschreitenden Entwickelung von Staat und Gemeinde, der Ausbreitung der Industrie, der Steigerung des Verkehrs, dem Wachsen der Ansprüche aller Stände und namentlich im Zusammenhänge mit dem Ausbau der sozialpolitischen Gesetzgebung der öffentlichen Verwaltung immer neue, noch ungelöste Aufgaben gestellt werden. Soll Sachsen, was insbesondere die Er füllung der sozialen Pflichten anlangt, nicht nach und nach im Vergleich zu anderen deutschen Ländern rückständig werden, so ist es an der Zeit, grundsätzlich die Frage neu zu regeln, welche der dem modernen Staats- wesen obliegenden Verpflichtungen den Bezirksverbänden zur Erfüllung zugewiesen werden sollen. Bei einer entsprechenden Aufgaben- und Lastenverteilung wird das Hauptaugenmerk darauf zu richten sein, die Bezirke durch Zuweisung neuer Aufgaben und Gewährung der zu ihrer Elffüllung erforderlichen Mittel zu kräftigen Selbstverwaltungskörpern auszugcstalten, und darauf hinzuwirken, daß sich in der Bezirksorganisation die verschiedenen Interessenkreife zu gemeinschaftlicher Arbeit vereinigen. Vor allem es. daS hauptsächlichste Hemmnis der Entfaltung einer lebhaften Selbst- vcrwaltungStatigkeit der Bezirke — di« zu enge Begrenzung der Be zirksausgaben — zu beseitigen. Ueber die Zusammensetzung der Bezirksversammluna ist zu be merken, daH die Regierung auch in dem jetzt vorliegenden Entwürfe an der Zugehörigkeit von Vertretern der Gemeinden und der Höchstbe- steuerten zur Bezirksversammluna und an dem Verhältnis der Ver- treterzahlen beider Kategorien festgehalten hat. Auch hat man unge achtet der inzwischen eingetretenen Verschiebungen in den Erwerbs- und Vermögensverhältnissen und des stark gesunkenen Geldwertes davon ab gesehen, den Begriff der „Höchstbesteuerten" zu ändern, da er sich im Laufe der Zeit fest eingebürgert hat. Dagegen ist durch die Vorschrift, daß von den Vertretern der Städte und Dörfer ein bestimmter Prozent satz der Landwirtschaft, dem Handel und der Industrie, sowie dem Arbeiterstande angehören müssen, einem Gedanken Rechnung getragen worden, der schon bei der Beratung des Gesetzes geäußert worden ist. Mit dem Bestreben, daß unter den Höchstbesteuerten der große Grundbesitz und überhaupt das Land entsprechend vertreten sein soll, wird zweierlei bezweckt. Einmal handelt es sich darum, dem größeren landwirtschaftlichen Grundbesitze die ihm seiner staatlichen Bedeutung nach zukommende Vertretung in der Bezirksversammlung zu sichern, wie ihm solche nach den oben angeführten Motiven von Anfang an zugedacht war, wie er sie aber nicht allenthalben gefunden bat. Weiter soll aber durch die neue Bestimmung auch der Gefahr vorgebeugt werden, daß fick die Abgeordneten der Hochstbesteuerten übermäßig aus den Städten rekrutieren. Es soll nicht geleugnet werden, daß dieser Entwurf mancherlei Besse rungen enthält. Es kommt in ihm das Bestreben zutage, die Landwirt schaft nicht einseitig zu bevorzugen, vielmehr auch anderen Berusskreisen einen Einfluß zu sichern. Immerhin ist der Charakter des Entwurfs noch stark agrarisch und plutokratisch, so daß er nicht unverändert von den liberalen Parteien wird angenommen werden dürfen. Das heben wir einstweilen in Kürze hervor und behalten uns vor, auf den Ent wurf noch näher zurückzukommcn. Die Maszregelrirrg des Orsfessov Schröers durch die Sperrung seiner Vorlesungen für die katholischen Theologen in Bonn wirft ein grelles Schlaglicht auf die absolute Abhängigkeit der katholischen Theologenfakultäten von den kirchlichen Behörden. Im Falle Renz, bei dem durch das taktisch kluge Verhalten des Kardinals Kopp der offene Konflikt vermieden wurde, handelte es sich wenigstens um Dinge des Glaubens und des theologischen Lehrvor trags. Gegen Professor Schröers liegen dagegen Beschwerden in dieser Richtung keinesfalls vor. Die Sperre ist lediglich darum über den Professor verhängt, weil er sich nach Ansicht des Kölner Erzstnhls der Mißachtung der „kirchlichen Disziplin" schuldig gemacht hat. Der Erzbischof erteilt sich selbst das Recht zu einer drs- ziplinarcn Bestrafung des Professors, weil, wie es in seinem Erlaß heißt, „die Professoren der Theologie keine eigene Lehrgewalt haben, sondern solche vom Bischof erhalten". Man mache sich nun aber mal die Konsequenzen dieser Doktrin klar Ter Staat beruft die katholischen Dozenten, mit deren Ernennung die kirchliche Behörde einverstanden ist, er besoldet sie, er garantiert ihnen Lehrfreiheit, schützt sie gegen staatliche Willkürakte durch das Disziplinargesetz. Der katholische Gelehrte ober übernimmt damit, daß er ein Glied der höchsten wissenschaftlichen Orga nisation des Staates wird und mit Teil hat an den Ehren, die die civitss saackemiki bis zur N e k t o r a t s w ü r d e hinauf zu vergeben hat, die Pflicht, die W ü r d e d e s L e h r a m t s nach außen zu wahren. Und nun ereignet sich der Fall, daß einem alten Professor schließlich gewisse Schachzüge gegen die Eh r e u n d W ü r d e s e l n e r F a k u l t ä t zu weit gehen und er zu der Notwehr einer öffentlichen Kritik der Mißstände greifen muß, die im übrigen kirchcntreu, taktvoll und voller Ehrfurcht gehalten ist. Und allsogleich verfügt die kirchliche Be hörde, ohne den Staat zu fragen, seine Disziplinierung durch Sperrung seiner Vorlesung! Ist angesichts dieses Vorganges der Staat, trotzdem es sich hier nicht um eine eigentliche Le befrage handelt, wirklich nicht imstande, die von ihm berufenen und bezahlten Professoren gegen einen solchen Willkürakt eines Erzbischofs zu schützen? Haben die bischöflichen Behörden schlechthin eine Aufsichtsgewalt über die vom Staat unterhaltenen Universitäten und ist diese Aufsicht nur durch den Vatikan beschränkt? Die Frage ist brennend und mit der Ausrede nicht gelöst, daß der Bischof, der die Vorlesungen ganz willkürlich sperren kann, damit noch lange nicht die Absetzung des Professors ver füge. Ebensowenig aber könnten sich mit einer solchen Feststellung die Lehrkörper der Universitäten zufrieden geben. Wenn es ihnen nicht möglich ist, einen der ihren, sobald er die Würde seines Lehramts verteidigt, vor der Lahmlegung seiner Lehrtätigkeit durch eine äußere, nichtstaatliche, wissenschaftsfeindliche Macht zu schützen, dann muß sich eben allerseits als letzte Konsequenz die Erwägung der Frage erneut anfdrängen, ob derart abhängige und der Willkür kirch licher Behörden unterworfene Fakultäten an den deutschen Universitäten noch Existenzberechtigung besitzen. Einstweilen haben die Bonner Studenten für den gemaßregelten Professor Partei ergriffen. Wie ein Telegramm aus Bonn meldet, haben nämlich die Vertreter der Studentenschaft, ausgenommen die katholischen Verbindungen, beschlossen, anläßlich der Maßregelung des Professor Schröers durch den Kölner Erzbischof, auf Antrag der Burschenschaft Alemannia, Professor Schröers als Ausdruck der Hoch achtung und des Vertrauens einen Fackelzug darzubringen. Ferner wurde beschlossen, in einem Aufruf die gesamte Bonner Studenten schaft zu möglichst zahlreichem Besuche der verbotenen Kollegien aufzu fordern. Die katholischen Korporationen, die der Vertreterversamm- lung nicht angehörten, sind zur Teilnahme an dem Jackelzuge eingeladen. V. Moltke gegen Harden. Verltv, 25. Oktober. Die VormittagSsitzuug. DaS äußere Bild des Prozesses vor und in dem Verhandlungs raume ist so ziemlich daS alte. Nur bat sich da» Gedränge womöglich noch gesteigert. Ein Sprühregen verhindert nicht, daß Hunderte von Neugierigen die Eingänge besetzt halten, klebrigen» bat sich allmählich eine üble Praxi» berauSgebildet. Kläger und Angeklagter werden seit gestern von der Menge nicht mehr mit stillem Hoffen, sonder» auch mit lauten Kundgebungen behellig». Bei Harden wird Bravo ge rufen, bei Mollke gejohlt, wa» sich in der Lieblichkeit der Töne und de« Gebarens überhaupt wenig voneinander unter scheidet. ES ist anznnebmen, daß eS auch beiden Parteien gleicher maßen unangenehm ist. Im Saale die übliche Fülle, die alten Gesichter. Auch Herr Lücke, der biedere Stadtpolizist und infolge einer Personal verwechselung geladene Zeuge, ist in Standhaftigkeit wieder anwesend. WaS er soll, weiß kein Mensch, er auch nicht. Aber er ist da und wird heftig beneidet von allen, die gern an seiner Stelle sein möchten. Seine Uniform mit den leuchtenden roten Ausschlagen ver körperlicht den Prozeßhumor. Der Kriminalkommissar von TreSckow, ein eleganter Mann mit guten Manieren und einem klugen Gesicht mit blondem Bollban, konferiert eifrig mit anderen Polizetbeamlen. Auch Frau v. Elbe mit ihrem Sohn und ihr Gatte sind wieder erschienen. Frhr. v. Berger wartet noch immer seufzend auf seine Vernehmung. Desgleichen brennen andere Personen darauf, in dem Prozeß ihre längst präparierte Rede vom Stapel zu lassen. So die Sachverständigen in homosexuellen Dingen, Dr. Magnus Hirschselv und Dr. Merzbach. Die Verhandlung beginnt mit einiger Verspätung und der erwar teten Enttäuichung: Der Fürst Philipp zu Eulenburg und Herlefeld kommt nickt. Er hält sich aber in seiner Berliner Wohnung zur Ver nehmung bereit. Ein später eingehendes gerichtsärztliches Zeugnis bestätigt die schon auigezähllen KranlheitStymptome. Darunter ist übrigens auch ein interessanter Passus, den Bernstein sofort aufgrcist: Der Patent soll in Krankhcilövorstellungen befangen sein. Schade, daß man den Gerichtsarzt nicht tragen kann, was er darunter versteht. Ueber die kommissarische Vernehmung des Fürsten Eulenburg entspinnt sich ein Streit. Bernstein will sie hinauSgeichobeu haben, damit der Fürst eventuell auch noch über andere Sachen und Zeugenaussagen als nur die des Hauptjeugen über die Potsdamer Orgien vernommen werden könne. Dieser Zeuge aus der Potsdamer Zeit ist noch nicht vereidigt worden. Er soll erst mit rem Fürsten konfrontiert werden, um sich zu vergewissern, ob er in dem Fürsten einen der Zioilteilnehmer an den Dämmervergnügungen in der Potsdamer Adlervilla wiedererkenne. Aber wie das machen? Ter Gerichtshof findet nach langer Beratung rinn anscheinend gangbaren Ausweg: Der Zeuge soll versuchen, den Fürsten zu Gesicht zu bekommen. Um daS recht taktvoll anzustellen, auch um die von der Prozeßordnung vorgeschriebene Vorsicht bei Begegnungen zwischen unvernommcncn Zeugen walten zu lassen, wird der Kriminalkommissar v. TreSckow mitgeschickt. DaS Ganze soll eine nichtamtliche Hand lung sein. Um es vorwegzunehmen: Der Fürst lehnt ab, sich dem Zeugen zu zeigen. Er motiviert es damit, daß er ja einem Irrtum oder der Bös willigkeit deS Zeugen dann wehrlos ausgeliefert sei, da er sich bei der Gelegenheit uichr verantworten könne. Wie soll man das ausfassen? Daß diese zuweit getriebene Vorsicht nicht gerade günstig wirkt, ist zu- zugeben. Trotzdem können solche Bedenken Wohl auftauchen, und bei der Bereitwilligkeit, sich kommissarisch vernehmen und dem Zeugen gegen überstellen zu lassen, ist es angezeigi, mit dem Urteil zurückzuhalten. Der Entschluß sieht aus, als wär- er nach rein juristischen Er wägungen gefaßt. Im Verlaufe der heutigen überhitzten Debatten werden zur Be gründung von neuen Beweisanträgen ganze Plaidoyers gehalten. Harden spricht erregt über die Versuche, die Aussagen der Frau von Elbe zu diskreditieren. Die Zeugin habe über den wichtigsten Punkt, ob und wie die Ehe überhaupt vollzogen worden sei, in be greiflicher Scham sich vielleicht noch nicht deuilich genug ausgedrückr. Unter Ausschließung der Oeffentlickkeit werde sie wohl auch ras noch sagen. Sie möge unter nachdrücklicher Berufung aus ihren Eid nochmals darüber gefragt werden. Harden hat Frau von Elbe im Haufe des Geheimrats Schwenningcr kennen gelernt, reffen Frau, die lrüh: e Frau von Lenbach, eine Nichte des Grafen Moltke ist. Bernstei« greift auf das Schärfste — nach der Ablehnung deS Fürsten Eulenburg, den Zeugen zu empfangen — die Qualiiäten deS Fürsten an. Wenn der Fürst es bestreitek, homosexuell veranlagt zu sein und sich bomosexuell betätigt zu haben, so werd- ich das zu beweisen iuchcn. Bismarck hat nickt von ihm gesagt: „Ich glaube, daß er ein Päderast ist", sondern: „Er ist ein Päderast". Und wenn Fürst Bis marck, der kein Ehrabschneider war, das gesagt hat, so ist das >ür mich schou dreiviertel Beweis. Der AuSjpruch kann bewiesen werden durch einen Zeugen, der zur Stelle ist. Der Anwalt des Klägers will den roten Fürsten Bismarck nicht gelten lassen und wenn er es geiagt habe, habe er in Höherem Maße als Graf Moltke die Pflicht gehabt, Seine Majestät laufzuklären. Hierauf zu erwidern, gibt sich für die Gegenpartei keine Gelegenheit. Es gibt aber einen sehr naheliegenden Ei wand: Als Bismarck nämlich das sagte, war er schon lange nicht mehr im Amte und baue bei seinen gespannten Verhältnissen zu Berlin auch vielleicht gar leine Gelegenheit, es zu sage». Ter Vormittag brachte nun auch eine längere zusammenhängende Rede des Klägers, die ersichtlich günstig wirkte, auch wenn sie eiHenl- lich nichts beweist und widerlegt. Graf v. Moltke erzählle von seiner Freundschaft zum Fürsten Eulenburg, wie er sich immer künstlerisch-musikalisch betätigte, daß er selbst zu kom ponieren versucht habe, schon als ganz junger Offizier bei den Kürassieren in Breslau. Er erzählt von der noch schmerzenden Wund- aus dem siebziger Kriege, von seinem Glücksgejühl in künstlerischer Um gebung. Er möchte Majestät aus dem Prozeß herauslassen. Das ver lange die Tradition des preußischen Generals. Sein Anwalt besteht auf einer Aussage deS Kaisers, ob auf diesen politisch vom Kläger eingewirkt worden sei. Harden bestreitet, daß damit etwas bewiesen Werren könne, denn Fürst Eulenburg sei ja der Politiker gewesen; voa dem Grafen Moltke nehme das Wohl kein Mcnsch im ganzen Saale an. Der habe nur seinen Freund Eulenburg informiert. Harden versucht auch endlich wieder aus das Thema „Probandum" zu kommen. Wenn der Kläger unwahrbaftig sei, so zeige Vas allein schon die Berechtigung deS Herausgebers der „Zukunft", gegen ihn und seinen Kreis zu kämpfen. Es fällt auch en-lich das Wort „impotent" zur Charakte ristik des Klägers. Dem Schwiegervater der Frau von Elbe habe der Kläger das selbst zugestanden. Aus der Monatsschrift des „Medizinisch-Humanitären Komitees" (Herausgeber Dr. Magnus Hirschselv) wiid eine Stelle verlesen, wegen der Graf von Moltke und Fürst Eulenburg nicht geklagt baben, obwohl in ibr nach Ansicht de» Beklagten viel mehr gesagt sei, als in sämtlichen Artikeln der „Zukunft"; Harden gerät bei seiner folgenden Rede in höchste Ekstase, ichlägt auf den Tisch, rollt die Augen. Di- Stimme kippt über. Man muß einen Nervenchok over einen Kollaps befürchten. „Die Spatzen pfeifen die Geschichten des un glücklichen Grafen Hohenau, des Kameraden und Vetter» des Grafen Moltke, von den Dächern. Mitglieder der Herrscherhäuser würden sagen: „Ist e» möglich, daß das auch nur bestritten wird?" Und dann das Stärkste: „Dieser Mann (mit dem Finger aus den Grasen zeigend) hat sich ja de» Rock nur zu erhalten gewußt durch eine Unwahrheit!" Darauf endlich erzählt der Graf von seiner Verabschiedung. Er habe sein Abschiedsgesuch eingereicht, weil er in seiner Stellung nichl mehr unter der Wucht der Hardenschen Verleumdungen habe bleiben können. Der Vorsitzende: Sie sind nicht gefragt worden, ob die Vorwürfe wabr sind? — Darauf habe ich „Nein" geantwortet. Der Anwalt des Grasen macht eine Andeutung: Vielleicht hat man in einer Ver zögerung des Grafen ein unmilitärisches Verhalten erblickt? Schon spitzt Bernstein die Ohren: Verzögerung? Vielleicht weil der Kläger von seiner Kenntnis der homosexuellen Vorgänge nicht Meldung gemacht hat? TaS will Herr von Gordoa nicht gesagt haben, weil er fein Vorgehen
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