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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 20.02.1881
- Erscheinungsdatum
- 1881-02-20
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-188102207
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18810220
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18810220
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1881
- Monat1881-02
- Tag1881-02-20
- Monat1881-02
- Jahr1881
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 20.02.1881
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Erscheint täglich früh 6'/, Uhr. Kk-artian und Lkpedition JohanneSgasse 3». Sprritillundril der Nrdarlio«: Bormittags 10—12 ttyr. Nachmittag« 4—6 Uhr. «ttr »t, WMß»i>« VUnu,.r>-u ««-, sich tu »utr »irttiututz. Aaaahmr »er sür tzle uickM«>»en»e -lummer »rsttmmteu Inserat» au ktzochrntageu bi« L Uyr Rach«»»ta>«, go Sonn- und Sefttugrn fräl, »t»lltzr. In den /ilialkn skr Zns.-^nnahmr: Ltlo Klrmm, Universitättstratzk 22, Leuts Lösche, kalharinknstroße 16, p. «nr »iS Udr. Anzeiger. Organ für Politik, Localgcschichte, Handels- nnd Geschäftsverkehr. Auflage ^donnementsprn» Viertels. 4V, Md., incl. Brinaerlohn 5 Mk. durch die Bost bezogen 6 Mk. Jede einzelne Nummer 25 Pf. Belegerenlplar 10 Pf. Gebühren für itrtrabeilage» «»«t Poftdesürderung NO Mk. Mit Pvslbesürdcrung 46 Mk. Inserate «aespaUene Petitzeile SO Pf. Gröbere Ährchen lau» unserem Preis« nerzrichniß. tabellanscher Satz nach höherem Tarif, likttameu unter den Nedartionollrich die TpaltzeUe 40 Pf. Inserate sind stet« an di, »ppetzttt«« zu sende». — Rabat» wird nicht gegeben. Zahlung praauumt-rainiu »der durch Post. Vorschuß. 51. Amtlicher Thetl. Geffenlliche Sitzung der Stadtverordneten Mittwoch, am Ir). Februar ». «?., Abend» 1t'/» Uhr tm Laote der I. Bürgerschule. Tagesordnung: l. ErgLnzungswahlen für den Orlsstcuer-Ausschuß und für die staatlichen SlcuereinschätzungS-Commissivnen. N. Gutachten deS Ausschusses zur Gasanstalt über die Er weiterung der Gasanstalt ic. III. Gutachten des Bau-Ausschusses über: u. die auf ver schiedenen Bubgelcvnlen eingestellten Reparatur- und Unterhaltungskosten, svivie über die Budgetcvnkcn 35 und 3«!; tr. Einrichtung einer Probirstation für Wasser Königliche Eonscrvalvrinm der Munks v. die Reparatur der Privetgruben im Frauksurter Tborhause. IV. Gutachten des Oekvnomie-, bez. Bau-, Stiftung«- und Finanz-Ausschusses über: a. die verankerte Eiulhcilung der Eulntzschcr Straße; d. die vom Ralhe vorgclcgle Berechnung deS Aufwandes für die Slraßenanlagen rc. im großen IohanniSgarten; c. eine Kostcnsorderuug für die Elsterregulirung; 0. die Henlellung der Jablonoivoky- straße; e. baS Incasto der Licilaliousgelber bei Holz- Auctionen. V. Gutachten deS Finanz-AuSfchnstes über ». die Hausbalt- planc der Parockialkirchen; Ii. Benvilligung einer Sub vention für die hlcüge Kinderpoliklinik; e. tergl. für die orthopädische Poliklinik; ü. die Pvsilivnen 7. und l9. in Eonto 7 des HaushallplancS. VI. Gutachten des BerfassungS- bez. Finanz-Ausschusses über ». die Bekanntmachung, das Aushängen von Waaren außerhalb der Verkaufslätcn betr.; d. die anderweile Verpachtung des Leipziger Anzeigers; c. die Berleihnng der Pcnsionöbcrechligung :c. an einige städtische Beamte. Lkkalintiiiachlliig, die Anzeigeerstattung von Unglücksfällen in Fabriken betreffend. Nach tz. l der Ministeriatverordnung vom 1. August >878, die Fabrikeninspection betressend, sind die Fabrikbesitzer unk Fabrikleiter verpflichtet, wenn in Folge des Geweri-ebeMebe« eine Persoit das Leben verloren oder eine solche Beschädigung erlitten hak. daß sie länger als 72 Stunden an ihrer Arbeit behindert ist, der Gewerbepolizeibehörde (Stadtrath) und dem königlichen Fabrikeninspector davon Anzeige, und zwar »n ersteren Falle sofort, im letzteren spätestens vier Tage nach Eintritt des Unfalls zu erstatten. Dessen ungeachtet sind in neuerer Zeit diese Anzeigen vielfach unlcrlasscn worden. Wir bringen daher die eingang-gedachte Bestimmung hier den bethciliglen Gewerbetreibenden mit dem Bemerken in Er innerung. daß wir gegen Zuwiderhandelnde aus Grund von vier Woche» nachdrücklickst Vorgehen werden. Leipzig, am 1l. Februar I88l. D«r Rath der Stadt Leipzig. 1)r. Gevrgi. Kreisch.»er. Bekanntmachung. Mit Ostern d. I. sind von uns für Söhne oder Töchter hiesiger Eltern zwei ganze, nach Befinden in vier halbe zu theiiende Freistellen am königlichen Eonservatorium der Musik allhicr zu vergeben. Die Vergebung erfolgt auf ein Jahr. Bewerbungen sind unter Lcscbcinigung der Ortsangehöriakcil der Ellern der Gesuchstellcr und soweit möglich unter Beifügung von Zeug nissen über Wohlverhallcn und Befähigung biS zum 1. Mär; d. I. schriftlich an da« Direktorium de- könig lichen Eonscrvatvriuins der Musik allhier zu nchten. Leipzig, den >4. Februar 1881. Der Rath der Stadt Leipzig. I-r. Gevrgi. Harrwitz. Holipsianzen-Verkauf. von dem städtischen Forstrevier Burgau können durch den Reviervermalter. Herrn Rathssörstcr O. Dietze in Forstbauü Burga« (Post Böhlitz-Ehrenberg bei Leipzig) die nactzverzeichnclen Holzpflanzen zu den beigesetzlen Preisen gege« Baarzahlung oder Nachnahme und gegen vor henge Anmetvuna abgegeben werden, nämlich: 4000 Stück Ijähnge Eicken ea. 5000 400 1000 3000 3000 «00 1000 4000 3000 2000 2000 »00 2 Mlr. doch ü St. 8jährige Eichenlaat Linken ca. 2'/, Mt. och ä Stück irken ca. 3 Mir. och ü Stück irken ea. 1»/« bi» 2 Mlr. hock ü St. Birken ea. l'/«M. hoch ü Stück rschenblält Ahorn ea. 4—4'/» Mir. hoch ä Stück eschenblält. Ahorn ca. 3 Mir. h.äSt. rschenblätt. Ahom ca 2Mtr.h. »St. Fichten mit Ballen caI'/«M. h.ki St. Fichten mit Ballen ca 1>/,M.H. äSt. Fichten mit Ballen ca. 2 —2'/.Mtr. hoch » Stück Fichten mit Ballen ca. 3Mtr.h. »St Leipzig, am —.-Mk.» -/° —.60 » - » —.60 « » , —.40 « » « —.60 - - —.SO —.50 7.50 Mk 2.50 - 50.— - 40.— - 25— - rr— . so — 50.— IS— 40.— —.60 « , « 50.— » 1- t.LO . SO.— - . iro.— . 15. Februar 18-1 De» Rath» Forst^Drputattoa. Gountag den 20. Februar 1881. Realschule II. Ordnung. Nardstrahe 21. Tie Ausnahtneprnsuiia findel statt Mittwoch, den 23. Februar, früh 6 Uhr. Papier und Feder sind milzudrinaen. 1>r. Vktür, Direktor. Äuclion. Mittwoch, »e« SS. Februar n. o. sollen von vormittag« 9 Uhr an in der Pleeßendura zu Leipzig eine Anzahl eiserne Oesen, Äasrohre mit Leuchter, Fenster. Tbüren, alte Metalle, hölzerne Bettstellen und ander« Gegenstände an den Meistbietenden ver. kaust werden. Leipzig, am IS. Februar 1881. llöuigltchr Varnison-Berwaltuna. Nichtamtlicher Tlscil. Leipzig. 20. Februar. DaS Ergebniß der Präsidentenwahl im Reichstage wird noch auf lange Zeit hinaus der politischen Lage die Signatur gebe»; kenn »och weil schärfet ausgeprägt als im preußische» Abgeordnctcnhause trat kie conservativ- klerikale Majorität mil dein Anspruch, die Geschäfte zu leiten und den Gang der Politik zu bestimmen, im Reichstage aus. D>« Präsidentenwahl ui den beiden Körperschaften hatte unter ähnliche» Boraussetzungen stallgesiinken, aber zu einem eiilgegenaesetztcn Ergebnis; gesührl. Hier wie dort Hallen sich die Mitlelparleie», die gemäßigten Ele mente der Evnse rvativc» und Liberalen, darüber ver ständigt. daS Eentrum vom Präsidium anSzuschlicßen. Im Abgeordnetenhaus,: sind sie damit turchgedrungen, im Reichstage nicht, weil dort ein erheblicher Tlwil der Eo»- servaliven sich angeschlosien Halle, für die deutschconserva- tive Partei geschlossen ot e koch Mil nicht neniiensiverlhe» Absplillerungen an dem Pael mil den» Eentrum sesthicll, eine für den Unlerschiet im Ebarakler der conlcrvaliven Parle, im Reich und in Preußen bezeichnende That- fache. Ob die Eonscrvalive» des Erfolgs, zivei Mitglieder in daS Präsidium gebracht zu haben, froh sind oder werben, möchlen wir bezweifeln. Es lau» doch nur. wer nicht sehen will, leugnen, daß da« E«»trum der eigentliche Sieger ist. Logischer und korrekter wäre cS offenbar gewesen, wenn man Herrn von Franckenstein oder Herrn Winbt hprst lieber gleich zum ersten Präsidenten gemacht hätte. Dann wäre cs noch klarer hervorgetrelcn, wohin die Dinge treiben, wenn man den« llltramonlanisinus iü der Reichepolitik eine Stell« anwcist, lie er nun un^ nimmer cinnehmen darf nnd kan», und diejenigen Element« in die Opposition drängt, welche die natürlichen und nnenl- behrlichcn Stützen einer gesunken nationalen Politik karstcüen. Die cvnservaliv-klerikale Majorität, bi« im Präsidium zum Ansdrnck gekommen, mag jetzt an die Arbeit geben. W>« zweifeln nicht, daß daS Eenlrnm ungcachlcl seiner Niederlagen »» Abgeorknetenhause iv .scr einmal seine pvsikivc Seil« hervorzukehre» sich bemühen wirb. Schon dräng! es sich picnsteisrig als Gohülse bei der Slene rrcso rin vor; schon weist es aus seine Unenlbehrlichkeil bei einer „gesunden" Socialpolilik hin; bei Gesetzen, die da» Ansehen und di« Machtstellung des Reichstages schmälern würden, wie dein über die zweijährigen Budgclpenoben, wird es gewiß auch mit sich reden lassen. Run, wir gelröste» unS: je schroffer die „Masorilät", die in dem ersten Beamten de» Herrn von Putttamer, eine», bairische» INlran, ontanen und einem sächsische» Particularisten ihren getreusten Ausdruck findet, in den Bordergruuv tritt, um so rascher wird sie abgcwirlhschaslel haben. Die siürinische Auseinandersetzung zwischen dem Fürsten Bismarck und Herr» Lamp ha ulen hal auss Neue den Beweis geliefert, daß deS Ersteren Reken nur mit großer Vorsicht als GeschichlSmaterial zu verwerthe» sind. Der Fürst erzählte dem Herrenhause, daß er bereit« 1K76. als es sür ihn kein ^Hweiscl mehr gewesen, daß schon mit einem verborgene» Deslcit gcwirthschastel werde, daraus gedrungen habe, „der uns mehr unk mehr in Blutleere ver- setzenden Handelspolitik ein Ende zu machen". Nun hat der Reichskanzler allerdings zum ersten Male sein wcilauSsehcndes Stcuerrrsormprograiiim — Ersetzung aller direkten Steuern di» aus eine Ehreneinkommenstcuer durch indirekte — bereits am 22. November l875 im Reichstage vorgelragen, aber von einer A-nberuug der HankelSpolitck war damals so wenig die Rede, »iß er vielmehr gerade umgekehrt sich bei dieser Gelegenheit zur äußersten Eonsequenz dcS Frei. Handel», der Abschaffung aller Zölle bi» aus wenige hohe ginanzzölle bekannte. Bon einer Aenberung der Handel«. Politik ist aber auch in de» jüngst veröfsenllia len Briefen an Bülow au« dem December 1877 - die doch so vertraulich waren, daß sie Herrn Eamphausen gar nicht >m Wort- laut mitgetheill wurden — nicht eine Spur zu finden. Fürst Bismarck hat also nur. vermöge der von Herrn Camphausen beißend charakterisirten Fädigkeit, sich nur des „Angenehmen" zu criunern, Gedanken, die sich erst im Laufe des Jahres t87S bei ihm entwickelt haben, um zwei Jahre zurückversetzt. Ferner behauptet der Reicbökanzler, rr habe Herrn Camp- Hausen erst mit Einsetzung der CabinetSsraqe dahin gebracht, sein« Tabaksteuervortage von 1878 cinzubrinaen. Herr Camphausen hat Dem entgeacngehalten. daß e r v,relt» im Februar 1877 diese Vorlage habe einbringen wollen und nur durch den Reichskanzler daran verhindert worden sei. Er hal sich dafür aus die Rede des Letzteren vom 10. März >877 bezogen, und in der Thal heißt es darin wörtlich: „Ich räume offen ein, daß ich mich dawider erklärt habe und lieber die Unannehmlichkeit zu hoher Malricul..r- umlagcn ein Jahr hindurch einmal trage» will, al» die Slcuerreform dadurch schädigen, daß man einen der besten und wesentlichsten Artikel, von dessen Schwimmkrast ich er warte. daß er andere vielleicht mittragcn werde, vorwegnehme. sür den ein Provisorium einführe, waS unS nachher abhalten würde, eine gründliche Reform vorzunehmen." Beiläufig be merkt. hat also damals Fürst Biömarck anerkannt, daß man nickt dasselbe Steuerobject Jahraus Jahrein zum Opfer neuer Experimente machen könne. Die Haltung Camp Hausen'« dem Reichskanzler gegenüber findet in der Vresse lebhafte Sympathie. So schreibt di« „Magdeburg if he Zeitung": „Wie De r nun aber sei. den Freunden Camphausen'« ist e« eine Freude, eine innige Grnugthuung gewesen, zu hören, wie er sich gerechtfertigt hat. Sklavische Naturen und jene strebsamen Geister, an denen im Lande ja kein Mangel ist und die bei solchen Gctegenhoilen einen wahren Ianilsckarenlär», »lachen, werden i» den. Streite der beide» großen Männer sich ohne Weiteres aus die Leite des Mächtigen, der darüber selbst a»> wenigsten erfreut sei» wird, stelle»; was uns betrifft, so kümmert uns die Macht wenig, wir Hallen es ohne Ansehen derjelhen nur »nt der Güte der Sache Und ii» vorliegende» Faste können wir »ur sagen, daß Fürst Bismarck sich dn'smal koch wieder einmal recht starke Bipßcn gegeben und aus der Mensur einige „Blutige" tavengelragen hal. Er hal sich recht wuchlige lhalsachliche Bencktiaungo» gefallen laste» »niste». Dabei ist zu bemerken, daß Eamphausen noch lange nicht daS setzte Wort gesprochen hat." Fürst Bismarck blieb auch diesmal Sieger, das preußische Herrenhaus hat kein mäckligen Druck nicht widerslebe» könne», den da« energiscke Einireie» des Reichs kanzlers sür den dauernden 2 leucrerl aß auSgeübt Hai; eS bat dem Gesetz zugeslimml, wenn auch mil offenbarem Wikcrsirebcn nnd mil dem unverkennbare» Gesübl, seiner cigcnNichen cvnscrvalive» Ausgabe damil zu entsagen, die in diesem Falle klar genug vorgczeichnel war und auch den meisten Mitglieder» zum Bewuglsein gekommen schien. Da zwischen Rea.erung, Cvnservalwen, Centn»» und der äußersten i'inken im Weltlaus um die Gunst des steuerzahlende» unk wählenden pronßiicheii Volkes vereinbarle finanzpolilische Esperinlcnl, welches ein liesos Loch in das bestickende Sleuer- >,stein stößl, ohne daß bereits klar z» erkennen wäre, was an die S>ölle lrelen soll, Hai damil das letzte Hinderiuß über wunden Der ferneren Slenerpolilik de» Reickskanzler« sind damil die Wege geebnet. Füril Bismarck hal betont, wie er diesen Steuererlaß als einen wesenilicken und inienlbebrlicken Bcstandtheil seines ganze» Systems betrachtet unv bei Ab lehnung deS Gesetzes verziveiscln würde, seine Reform tiirchznsiihren, oder doch nur init liescr Cnliniithigung in dieser Richtung weilerarbcilen konnte. Diejenigen Liberale», ivclcke dem Vorschlag per Regierung zugestiinml ober vielmehr ihn übertrumpft habe», können i>ch au» Pen Herrcnbausreden des Reichskanzler» belehren, welchen un- oeabsickkigtcn Dienst sie ihm geleistel haben, und wie sehr die Zustimmung zu dem Steuererlaß mit dem Zwang der Logik die Zustimmung zu den wettere» Folge» des neuen finanz politischen System« i» sich schließ! und zwar schwerlich allein i» den Augen des Reickskanzlcrs. Sehr interessant sind die Worte, niit denen sick Fürst Bismarck über da» Vorgehen de« Abg. Richter aussprach: „Von der Seile der Gegner wurde uns gerade der Antrag gebracht, de» ich nach mel» m iebha'keren Temperament vv» Hause aus gewünscht haben 'rörde, nämlich der Rlchler'sche Antrag, den Süurrerlaß dauernd zu machen Ich bi» keinen Augenblick zweifel haft gewesen, daß wir den sortschritltichen Antrag, der g'gen unS gestellt war, sür uns ausnehmen mußten: er lag in der selben Richtung, wie unser einmatiger er war nur radikaler und zeigte ein größere« und festeres Vertrauen aus die Be willigung indirecier Steuern »n Reichstage". Der Reichs kanzler hal ganz richtig kie logische» Folge» vorgesehen, welche ds« Zustimmung zum dauernden Slenererl.rß in sich schließt. Dem konservativ - ultra montanen Trimnph bei der Präsidentenwahl ist die konservativ-ultrainonlane Ver ständigung in der Commission sür das Verwenbungs- gesctz »ns dem Fuße gefolgt. Wenn da« Cenlrum trotz seiner Niederlagen in der kirchenpolitiscken Frage so bereit willig an der Stencrresorm »»larbeitel, so geschieh! es einfach darum, weil die Herren, welche sür die Zoll- und Tabak steuererhöhung von 1879 gestimmt haben, ebenso wenig wie die Negierung und deren Partei mit leeren Händen vor ihren Wähler» wieder erscheinen könne». Da aber daö Bcnvenduilgsgcscy wie der Steuererlaß bei der nackten Lage de« preußischen Staalshaushaliselals in Wirklickkeil nicht die Erfüllung aller, sondern nur eine Kette neuer Verheißungen senken, die mil unerbittlicher Nvlhwendigkeit neue Be- willigungen nach sich ziehen muß, so sind alle Verwahrungen de« Centrums im Abgeorknetenhause, sich nicht für den Reichstag binden zu wollen, nur eitle Manöver. Die Klerikalen behalten sich vor, gegen kie Braustcucr zu stimmen, welche sür Baiern keinerlei Borlheil verspricht, um desto sicherer dem letzten Rcllungshajen de» Monopol» enlgegen- zutreibcrt. Nach zuverlässigen Millheilungen ist die Beendigung der Arbeiten des preußischen Landtage« für den nächsten Mittwoch in Aussicht genommen. Ob kiese Beendigung in Form des Schlusses ltatistnde» wird, oder in Form emer Aussetzung der Sitzungen aus unbestimmte Zeit, hängt davon ad. wie sich die Verhandlungen über da« Verwendungsgesetz gestalten werden. Fürst Bismarck soll versichert haben, daß »ach Schluß de« Reichstage« der Landtag zu einer Nach- session cinberusen werden müßte, die etwa 4—6 Wochen bauern würde, da der Minister des Innern unbedingt aus die Erledigung der von ihm vorgctegtcn Organisationsgesctze bestehe. Der Ausfall der Präsidentenwahl im Reichstage ist im ultra montanen Lager mit Hellem Jnbel bearisßt worden So schreibt man dem ockannten Jesuilenblatt „LÜcst- säliscker Merkur" ans Berlin: Da« „evangelische Kalserthum" Ist nicht z« Stand, ge kommen due die Präsidentenwahl ,m Reich»,age! Mäch tig» Faktoren hatten dahin gewirkt, daß das Lenrrum wie im Ab- aeordnetcnhauie so auch ün Reichstage seine Vertretung im Prä- sidium, die e» erst sei« kurzer Zeit errungen hatte, wieder verlieren soll« — ober der Anschlag ist gescheitertl Gras Arnim hatte gestern Frelherrn zu Franckensteln persönlich und otstclell mitge- theilk, daß er nicht in ein Präsidium wieder eintrelcn werde, in welchem sich ein Mitglied de< Tentrumö befinde. So viel steht sest, daß er zu seiner Entschließung nicht sowohl durch seine eigen« Neigung, al« durch fremde Einflüsse gedrängt worden ls«. (!) Düse Einflüsse aber kamen von zwei Letten her, nicht von den Fracttonögenossen de« bisherigen Präsidenten allein. Bor. ugSwetse sind e- die schlesischen Mitglieder der de Ul men Reichs Partei, welche dem Tentrum ewige Feindschaft geschworen haben, dieselben können e« noch immer nicht vergessen, baß sie beim Auöbruch, des „Sulturkampfrö" von Lentrumö- Mitgliedern an« Ihren alten Wahlkreisen verdrängt worden find und andrr.värlö sich um ein Mandat bewerben mußten, sie waren daher doppelt gefügige Werkzeuge, wle im «baeordnetenhoute so auch lm Neichc-tage mit Hochdruck für die Entfernung de« Eenirumö au« dem Präsidium zu arbeiten. E« waren heute tnöbelondere die tichstschen und süddeutschen Lonservativen, Freiherr v. Marschall (»arlöruhc) -n der Spitze, welche entschieden au einem wetl«r«n Zusammengehen mit dem Ecnirum de- standen. Ob diese dreiste Sprache nach dem Keschmacke des Herrn «. Goßler, de« Erwählten dieser Coalition, und ob Herr v. Putttamer. der Hohe Vorgesetzte des neuen Reichstags- Präsidenten, von dieser Auslassung befriedigt sein wird — wer möchte eS zu entscheiden wagen? Der Senior des preußischen Abgeordnetenhauses, der Abg. v. Bockum-Dolss-, ist gm Sonnabend 80 Jahre all ge worden. Ist es schon einen, Politiker selten vergönnt, in acliver pariamenlarischer Tkäligkeik einen solchen GeburlSlag zu erlebe», so machen HEr besondere Umstände den Gedenklag um so crinnerungsreicher. Herr v Bocknin-Dolssö hat nickt allein von den Anfängen de« VersassungSlebens an ob», ede ttnlcrbrechung der preußischen Volksvertretung angeberl. ondern er ist auch stets von ein und demselben Wahilorpe, » seiner enger«» Heimalh. Per Grafschaft Mark, ge, wählt werden. Seine Landsleute haben ihm sogar soweit die Treue gehalten, daß sie auch im Reichstage, nach Grund»pz de« norddeutschen Bundes durch keinen Anderen vertreten se.n wollten, unk in der Thal hal Herr v. Bockuin Dolffs vom e fn slilnirenden R.ick«lage an ununlerbrochen bis heule auch äsen Reichstagen angehort. Wik enge aber sein Name speeiell mil dem parlamentarischen Leben Preußen« verknüpft ist, da» er. giebl da« Protokoll vom 0. Februar l8.',tt über die Bcetkiaung der Versassung«urkundr vom 3l- Januar durch r^onig Friedrich Wilhelm IV. im Schlosse zu Berlin. Am Schlüsse diese» Protokolls heißt e«: daß dasselbe zur Be glaubigung von den anwesenden Mitglieder» des S'taals- >nininerilii»s, sowie von de» Präsidenten beider Kamiitt/en in drei Ausfertigungen vollzogen werden, von denen ei,ne der Protokollführer de« Slaalsininistcrium«, kie zweite der «Lkchnfl- sudrer der Ersten Kammer, Abg. v. Bockum-Dolsss, nnd di« drille ver Schristsührer der Zweiten Kammer, Abg. /-eßler, an sich genommen habe. Dann folgen die Unterschrift,-n: erst die Minister: Gras Brandenburg,' Freiherr Otto v. Man- teufsel, v Strolha. v. v. Heydt, v. Rabe, SimonS, t-an» die beiden Präsidenten der Kammern, Rudolph v. Anersirald und Gras Schwerin, endlich der Prolokollsührer des MiniUeriiimS, Geh Ralh Evstenobl« unv die beiden genannten Sckitiftsulirer der Kammern Von all diesen ist außer dem morgigen Jubilar nur Herr v. Manteufsel noch am Leben. Die Verhandlungen des Oberbürgermeister« Yen Köln und der Commission über nachträgliche streitig gewordene Puncle deS Vertrages über die kölnische Stakt crwcile- rung worden, wie au» Berlin gemeldel wird, «isrig scrt- gesührl unv vielleicht binnen Kurzem entschieden. Ter Ober, bürgormcister Becker wurde vom Kronprinzen empftttigeii. Im Ganzen haben die bisherigen Bemühungen des Ober» bürgern,eisters beivirkl. daß den von der Stadt ausgehenden Wüiftchen möglichst die Wege gebahnt worden sind und ein günstiger Abschluß sich erwarten läßt. Die mit der Stadl- crweilcrung in, nahen Zusammenhänge stehende Frage deo Erhaltung der allen Dyorburgen dürste eine Entscheidung finden, welche sowohl den Verkebrkinteressen wie denen der Bau- und Kunstgeschichte Rechnung trägt. Unser Wiener Cvrrespondent schreibt un« dom >7. d.: Die nationalen Gegensätze, welche unter dem gegenwärtigen Ministerium wieder überaus heftig hervorgetrelcn und na mentlich die gemischten deutsch-slavischen Provinzen in eine bedenkliche Aufregung verseht, lzabcn in den jiingstvcr- slossenen Tagen auch hier in Wien zu Kundgebungen Ver« aiüassung gegeben, welche die in dem Regierungsprögrainme betonte „nalwnate Versöhnung" wohl noch lange al» -inen illusorischen Wunsch erscheinen lassen bürsten. Die groß« Theilnakme, welche die hier vor einigen Tagen von der dcnlsch- akademischen Lesehalle veranstailcle Lessing-Feicr gesunden, sowie ihr Verlaus dürsten Ihnen wohl aus den hiesigen Blättern bereit» belannt sein. Al« nach trägliche Bemerkung möchte ich hier noch horvorhebcn, daß die Veranstalter jener Feier sowie den größten Theil de» deutschen Publicum« unserer Stadl zumal bas polizeiliche Verbot verletzte, welches sich gegen die Absinguna de« Liede«: „Deutsche Worte hbr' ich wieder" gelegentlich de« Fesicom- inerse« kehrte. Die Entrüstung gegen jenes Verbot kam auch an manchen öffentlichen Orten außerhalb der Lessingseier ganz nachdrücklich zum Ausdrucke. In emem sehr desnchlen Local des Stubenring« protestirte man unter Auberm energisch, daß die Polizei „deutsche Worte" und ein „deutsches Lied" >n Wien verbleien wolle, und ließ diesem Proteste da» ver botene Lied unter stürmischem Beisalle unmittelbar folgen. Minder bekannt dürfte e« vielleicht sein, daß am Abend, an kcni die Lessingseier veranstaltet wurde, auch der hiesige „Czcchisch. stavifche Verein" eine stark besuchte Sitzung hielt, in de, unter Andern, allen Ernstes dieDlavisirung Wien« erörtert wurde. Bia» wies daraus hin, daß in Wien über 35,tun» Czecken und ebenso viele Slavcn anderer Stämme wohnen, eine Ge- sammtzahl, die schon cm beachten«,verthe« Gegengewicht gegen da» deutsche Element Liften« bilde, welche« sich „im Lause der Zeit naturgemäß mehr und mehr verringern müsse." — „Sorgen wir"', ries unter Ändert» ei» czechischer Redner, „daß die czochische Einwanderung in Wien in dem Maße de, jüngsten Jahre sortdaucre, das Endresultat kann kein ziveise! hafte« sein. Wir werden e» sreftich kann, erleben, aber unsere Nachkommen werken es un« danken, daß Wien e.ne völlig slavische Stadl geworden." — Wenn wir wahr und mil offenen Augen urtheilen wollen, so müssen wir allerdings bekennen, daß die letztere Ansicht jenes czechjschen Redners leider keine ganz unrichtige scheint. Es ist vielmehr Tliat- sachc, daß der SlaviSmu« in Wien große For!- schritle gemacht und das slavische Element, zumal in den Kreisen der Intelligenz, der Studenten und Arbeilerbevötkcrnng, von Jahr zu Jahr in großer Zunahme begriffen ist. G>,'bl eS koch hier in gewissen Slabllheilcn, beispielsweise Wicken, Landstraße w., vcrcil» vssenlliche Locale, wo man kein deutsches Wort mehr, sondern nur czcchisch, polnisch, flovenitck, serbisch und andere slavische Idiome hört. Auch deutsche Zeilungcn sind dort nur »och spärlich vorhanden, dageaen liegen slavische Journale sämmtlicher Zungen au« Die slavische» Vereine verschiedener Richtung, aber alle gegen das Drutschthum gekehrt, sind hier Legion, sa in Dreber'S Bier- Halle. Landstraße, hat bereit« die czechisch-dramaltsche Mille ihren Sitz ausgcschlagen. Da» scheinen uns lauter Aiiteichon, die wohl der Beachtung werth, weil sie die deutsche ZukunstWien« in ziemlich bedenklichem Lichte erscheinen tasten. Die eigentlich „urwüchsige" Wiener Bevölkerung, deren Denfvermögen bekanntlich kein sehr scharfe« ist, verhall sich dem geräuschlosen Eindringen des SlaviSmu« gegenüber mehr oder minder völlig passiv. Lasten Tie Sich nickt durch schöne deukschgesinnte Kammerreden oder Kundgebungen, wie die jüngste vessing« seier, täuschen. An letzleren yaben die eigentlichen Wiener nur eiiwn verschwindend tleinön Anthcil. Und wenn sie sich solchen Kundgebungen auch anschließen, so thun sie e« weniger
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