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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 22.08.1894
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1894-08-22
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18940822016
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1894082201
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1894082201
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1894
- Monat1894-08
- Tag1894-08-22
- Monat1894-08
- Jahr1894
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sy-zugs-Preis d> d« Hanptexpcdttion oder d«» Im Gtodt. tcztrk «ud den Borortin rrrichtrt»« Bnd- aabrstellnt «»geholt: vierteljährlich^ 4.SH »ei twetninltoer täglicher Anstellung «ns Ha,«>> S.öT Durch »ie Post »epo-en i«, Mutschtand nutz Oesterreich: v,erte>j»driich -I . Direkt» täglich« KrrnpbMidincknai in« Nullend: monatlich ^l 7.SV. «.Nrorge^Nnlga»« erscheint täglich die «beud.»n«ga»e «ochen,,,« d Uh» Lü<utio« n«d Lr»rditi<«: Johanne-,affe 8. Die klveditt-n, ist Wochentags unnalertroche» »eifsnet »v» irlih 8 bi« Abend« 7 Uh«. /iltalen: Otto Kl«mn« Gort»«. (Alfred HatznX Uviverliiäk-stmh« I. Loni« Lösch», ffchhortnenstr. 14, poot. uub K«nlW«»latz 7. Morgen-Ausgabe. ÄMerTagtlilatt Anzeiger. Organ für Politik, Localgeschichte, Handels- «nd Geschäftsverkehr. ««zei-en^yrrrr die 6 gespaltene Petitzeile LO Pfg. Neciamen unter demvtedaction-ftrich («>», spalten) 50-4, vor den Familteunnchrichto» (6 gespalten) 40-4. Gröber« Schriften laut unserem Preiä« verzeichniß. Tabellarischer und Zlffernsatz »ach höherem Tarif. Extra »Beilage« (gefalzt), nur mit der Morgen« Ausgabe, ohne Voftbeförderung ^l 60—, mit Post desordernag 7V.—. A«»ahmeschl»ß fir Aasige«: Lbead-Ansgab«: vormittag« 10 Uhr. Diorge»-Lu«gabe: Nachmittag« -Uhr. Gönn« und Festtag- früh Uhr. Bei den Filialen und «naahmeftelle, je «tu« halb« Stund« srüher. Nuretge« find stet- an dir Expedition »» richte». Druck »ud Verlag von G. Pol» kn Leipzlg ^?427. Mittwoch den 22. August 1894. ss 88. Jahrgang. Amtliche Bekanntmachungen. Bekanntmachung, betreffen» dir Ar« de« H«n»«>« »tt Nahrung«» ««d Grnntz«ttteln. Im Interesse de» laufenden Publicum« haben wir «ach Gehör der Herren Stadtverordneten beschlossen, bah vom 1. Oktober 1894 ab olle nicht slüsfianl Nahrung-« und Genutzmitiel im Marli- «ud Handelsverkehr nur nach dem Gewicht, nach Stück« »der Vundzahl veesanst ««»den dürsen. Zuwiderhandlungen werden mit Geldstrafe bl- »u SO oder mit Hast bi« zu 8 Tagen geahndet werde». Leipzig, den IS. August 18V4. Der N«ttz der Et«dt Leipzig. IX. 8596. vr. Georgi. Stahl. Diebstahls -Sekannttnachung. Gestohlen wnrd« laut hier erstatteter Anzeige: 1) eine goldene Herren-Nemontotr-Ntzr ohne Eecund», mit geriester Rückseite und goldener zweistriingiger Kette mit Haken, am lö. d. M.; 2) rin, gottzene Damen-Nemontoir-Utzr mit mehreren Sin« drücken am Rand« und unechter Kette mit Quaste, vom 16. bi- 18. d. M.; 3) «ine filberne Ttzlinder-Ne»ont«tr-Udr mit Goldrand. Ctahlketle. Kapsel und Fabrik» umwer 33,200, am 15. d. M.; 4) eine silbern« Nlnker-Aemoototr-Uhr mit Goldrand und eingravirtem Namen „kvncdwnnn", sowie stark »ergoldeter Kette, au» großen und kleinen Gliedern bestehend, mit Väreukrall« und einer Münze mit der Bezeichnung: „8. 11". am 11. d. M.; 5) eia graut,ralm melirler 2a«t-A»iug. am 1b. d. M.; 6) ein Havelock» dunkelblau, ziemlich neu, mit schwarzen Hornknöpfrn und Etoffhenkel, am 14. b. M.; 7) «in Wintkr-Ueberrteher von grünlich-grauem, glatten Stoff, mit grauen, gestretsten Futter, Perlmutterknöpsen. Sammetkragen und Kettchenhenkel, »in Ninter-Iackct von schwarzem Plüsch mit schwarz überzogenen Knöpfen, ohne Futter, vom 1. Ivii bi« 18. d. M.: 8) ein schwarzer neuer Cheviotrock und eine graue Hose, am lg. d. M.; 9) ein amrrikanische» Atschottersei und r vrarderfele. am 10. bezw. 14. d. M.: 10) S wasserdichte ,roste Te^Ituchplaueq,, »tt Aufschrift: Julius.lit^er, lxriprig", am 13. d. M. Etwaige Wahrnehmungen über den verblieb der gestohlenen Segens,änve oder ilk,» b«, LH«,«» find ungesäumt bei unserer Lriuiinal.Rbiytiluvg zur Anzeige zu bringen. Leipzig, Len 20. August 1894. Da« Polizeiamt der Etadt Leipzig. -In Stellvertretung: > vr. Schmtd. Ml. Verdingung von Erd-, Maurer- und Zimmer-, sowie DleinseUer-Arbette« im Kasernement L^Mickcru tu zwei Loosen. Eröffnung der Angebote SV. August ev„ vorMtttag» 1V Uhr öez». 11 Uhr, in dem Geschöst-ztmtnet de» Garnison«Baubeamten, Lkipzig, Alexanberftraste Ist) I. Beddiagung-unterlagen können dajeibst eingesehen, Berdingung-auschltg« gegen Erstattung der Selbstkosten entnommen werden. Leipzig, den 20. Ndgllst1894. Der Varntson-Vaubeamte. Sonnabend, den ÄS. August von Bormittag» 10 Uhr an soll im GeschSst-zimmer de« Proviontamte- zu Leipzig, Pleihenburg, Thurmhau-, 2. Stock, eine Parti« NoggenUete und Allst mehl, sowie Heu- und Strohabfiil« öffentlich an den Meistbietenden gegen sofortige Baarzahlung versteigert werden. Leipzig, den 22. Angnst 1804. Königliche« Proviantamt, Ausschreibung für den Centralschulueubau zu Trebseu. Die Herstellung: I. der Erd« und Maurerarbeiten, eingeschloffe» der »tlthige» Isolirungs« «nd Asphaltiruna-arbeiten, II. der Granit« »nd Eandstetnarbetlen, III. der Zimmerarbeiten, IV. der Klempnerorbeiten, V. der Zlegeldeckerarbetten, VI. der Glaserarbeiten, VII. der Tischlerarbeiten, VIII. der Tchlofferarbeiien, IX. der Blidableitung-anlage, sowie endlich X. die Lieferung und Fertigstellung der Koch« und Heizöfen, Herde und Waschkesfel -um Neubau der Lentraifchule zu Trebsin soll im Weg« der Unter bietung unter Borbeholt der Auswahl unter den Bewerbern ent weder getrennt oder eventuell auch an «tuen zusammen (jedoch in beiden Fällen nur leistungsfähig« Unternehmer) vergeben werden Die hierauf bezüglichen Bauzeichnungen, Acrord« Verträge, all gemeinen und Aussührung-bedinaangrn liegen an Rath-sielle zu Trrbsen während der gewöhnlichen Ezveditiontzeit zur Einsicht »ahme ans. Die Formulare zu den rlnzorrichendru Offerten und Kosten anschlägen sind gegen vorherige Entrichtung von Ichtl^l für je beide (kinzeisormulare Herstellungskosten, welche auch in Briefmarken ein, gesendet werden können, dajeibst entgegen zu nehmen. Die allgemeinen bezw.Au-sührung-bebingnngen, sowie der Akkord« Vertrags-Entwnrf können gleichsakw gegen vorherige Lntrichtnnx bezw, Einsendung von zusammen je 2 ^l oder einzeln je 1 > herstellnng-koste» von hier an« bezogen werden. Die Wiebrreiörrichung der au»a«süllttN Kostenanschläge und unter schrieben«« Offerte» hat spätesten» tt< zum 81. August st. A. »erschloffe« und gebührenfrei mit der Aufschrift: „Eentralfchiil. »enbau zu Trebsen betreffend" «Utrr der Adresse de- Schul« Vorstandes z» Trrbsen z» erfolgen. Eingefchtckte Kostenanschläge «hnr unterlchrlebevk Offerte finden keine Berücksichtigung. An demselben Tag« Nachmittag» 2 Uhr findet tm Rathssitzungszimmer dir Eröffnung der «tugegangeue» Kostenanschläge t« Gegen neori der etwa erschienenen Bewerber statt. Latere bleiben an ihre Angebot« bis zum IS. September 1884 gebunden. BI» »ach Ablanf leptgedachten Termine» «Acht denach« rtchttgte Bewerbrr haben ihre Angebot« als abgelehnt z» betrachten Trebsr», am IS. Angnst 1894. Der Schukporstau» Bürgermeister Berger, Bors. Knmmrr, Elfi Das Deutschthum i« Oesterreich. vr. O. In einem Thesis der russischen Presse, einem nicht unbedeutenden, wird immer und immer wieder mit mehr Bebazen, al« in überzeugender Weise auf die Germanisirung der österreichischen Slawen hinaewiesen. Man liebt e«, bei jeder sich darbietenden Gelegenheit die Stimme für die »unterdrückten slawischen Brüder in Oester reich" zu erbeben und Protest gegen eine vermeintliche Entnalionalisirung derselben einzulegen. Und doch kann man, wie allgemein — auch der russischen Presse — bekannt ist, von einer Germanisirung der Slawen in Oesterreich ganz unmöglich reden, im Gegcntheil, da- Deutschtbum ist aller Orten in der österreichisch-ungarischen Monarchie im Rückgänge begriffen und muß unter slusbietung aller geistigen und moralischen Kräfte um seine Existenz ringen. Unter solchen Umstanden ist eS hockst be- achtenswerlh, wenn eine russische Monatsschrift, der „Wjestnik Iewrozy" — „Der Europäische Bote" —» eS sich angelegen ein lägt, der Wahrheit die Ehre zu geben. Die genannte Zeitschrift, eine rübmenSwerlhr Ausnahme unter den Schreiern gegen den „faulen Westen", läßt rs ich ganz besondkr» angelegen sein, „Halbasien" mit Europa gekannt zu machen und für die europäische Eullur in die Schranken zu treten. So behandelt in einem hoch wichtigen und interessanten Aufsatze aus der Feder von P. Struve, dem auch die „St. Petersburger Zeitung" ihre Auf merksamkeit schenkt, in durchaus objectiver und gerechter Weise, rioe irn st stuäio, die genannte russische Monatsschrift die Zrage über das Deutschthum in Oesterreich; in einem Artikel, der sowohl in sachlicher Beziehung, wie wegen der Anschau ungen, die der Verfasser vertritt, die weiteste Beachtung und Würdigung auch in Deutschland verdient. Seitdem Oesterreich, so beißt e» in dem Aussatze, aus dem deutschen Bunde auSskheiden mußte, hat hier das Deutschthum seine formale Vorherrschaft ringebüßt, alle Nationalitäten dieses vielsprachigen Staate» sind seitdem gleichberechtigt, ihre Kraft macht sich fast ausschließlich in Momenten kulturellen und socialen Charakter- geltend und nur im Heer und in der Cenlralregieruog hat sich die deutsche Sprache als officielle erhalten. « Im Uebrigen ist das Deutschthum in EiSleithariien seit 1866 auf der ganzen Linie im Rückgänge. Nicht nur chiißt eS diejenigen Positionen ein, die e« erringen und behaupten konnte, so langt der Absolutismus in Kraft war; auch in seinen Kernlanden wird e» durch da« Slawcnthum zurück gedrängt. Ganz besonders deutlich tritt diese Erscheinung in Böhmen, Mähren und Schlesien zu Tage. Mit nur geringen Ausnahmen hatte hier das Deutschthum überall in den letzten Jahrzehnten nur Verluste aufzuweisen; Ortschaften, die früher rein deutsch waren, sind jetzt tschechisch, deutsche Sprachinseln in tschechischem Gebiete sind fast völlig verschwunden und so an sehnliche wie Olmütz, Iglau und BudweiS dürften sich kaum lange halten; in fast allen Städten ändert sich das numerische Berhältniß der Deutschen und Tschechen zu Gunsten der letzteren. Prag besaß bei der Zählung von 1856 73 000 Deutsche und 50 000 Tschechen, heute hat seine deutsche Be völkerung weder im Stadtrath, noch im Abgeordneten Hause einen Vertreter. Ja selbst in den deutschen Kernlandrn, wie Niederösterreich mit Wien, bildet sich eine starke tschechische Bevölkerung. Wäre unter den Slawe« da« NatioualitLtSgefllhl nicht angeregt, würden diese Borposten einer niederen Culiur schn einem GermanisirungSprocesse zum Opfer fallen, so aber gestalten sie sich zu Keilen, die das Slawenthum in- deutsche Gebiet schlägt. Allerding« ist ja eigentlich nur der tschechische Arbeiter im Vordringen, aber die demokratisch nationale Agitation der jungtschechischcn Partei macht gerade dieses Element zu einem ganz besonder- gefährlichen ES läßt sich ja nicht leugnen, daß die „Versöhnungs- Aera" Taaffe'S dem Deutschthum auf allen gefährdeten Puncten empfindlichen Schaden gebracht hat. Die wesent lichste Ursache aber für den Rückgang de- Deutsch thum« liegt in der schwachen Vermehrung der deutschen Be völkerung; diese Erscheinung ist aber von einer Reihe social ökonomischer Momente abhängig, die von Struve an der Hand zweier volkSwirthschaftlicher, die „Zukunft dcS Deutsch- OesterreicherS" behandelnder Studien von M. Hämisch und H. Herkner eingehend behandelt werden. Mit ganz erstaunlicher Anschaulichkeit offenbart das Berhältniß zwischen Geburt»- und Sterbeziffer in den deutschen Gebieten die populationistische Grundlage der deutschen Frage in Oesterreich. Während in der Periode von 1881 bis 1885 der jährliche Zuwachs in den nord slawischen Gebieten 10,09 Procent, in den slowenischen 7,73, im italienischen Tirol 5.92, im Küstenlande 8,34 in Galizien 9,88, in der Bukowina 11,89 und in Dalmatien 15 Procent betrug, erreichte er in den deutschen Bezirken nur 5,17 Procent, und zwar in Deutsch-Böhmen, Deutsch-Mähren und Schlesien 8.61, in Niedrrösterreich 6,24 und in Inner- österrcich, d. h. in den Alpenländern, 2,84 (in Deutsch-Tirol sogar nur 0,31). Al« nächste Ursache dieser eigenartigen Er scheinung ist der Umstand anzusehrn, daß in deutschen Ge biete» da« numerische Berhältniß zwischen den verheiratheten und unvrrheirathrten Frauen ein sür die rrsteren weit un günstigere» ist, »l« bei den slawischen Stämmen Oesterreichs Während sich für die deutschen Gebiete ungefähr die Pro portion 40:60 heranSstellt, rrgiebt sich sür die slawischen fast eine solche von 60:40. Wenn nun diese niedrige HeirathS- ziffer und da« spätere Heirath«alter der deutschen Bevölkerung darauf Hinweisen, daß die Leben»bedürfnifse de« Deutschen im Durchschnitt weit höhere sind, al- diejenigen de- Slawen, so muß man andrrrrseit« die starke Differenz in der HeirathS ziffer deie einzeln«« deutschen Gebiete auf Verschiedenheiten in den herrschenden s-cialrn Verhältnissen zurllckfübren. Die niedrigste Heirath«»iffer weisen die Alpenländer au und in der Tbat herrschen hier social-ökvnomische Verhältnisse, welche diese Erscheinung vollkommen erklären. Während in ver Monarchie sonst die großen Güter in gesundem Ber- hältniß mit den kleinen Bauernhöfen abwechseln, wir in Böhmen und Mähren, oder aber der gesammte Grund besitz au« Neinen Parcrllen besteht, wie in den übrigen slawischen Landern, ist für die deutschen Alpenländer der ! große, von Vater auf Sohn sich vererbende untheilbarr Bauernhof charakteristisch. Diese Form deS Grund besitze« hat zur Folge, daß einerseits die Ehe de- Erben möglichst bi» zur Uebernabme de- Hose» binau-zeschoben wird, andererseits der Bauernwirtb überall danach strebt, nur un- verbeiralbete Knechte und Mägde auf dem Hofe zu halten. Diese erzwunaene Ehelosigkeit, durch di» bei der herrschenden Naturalwirlhschaft daS Gleichgewicht zwischen Bevölkerung und Exislenzmilteln erkalten wird, hat in mehreren Alpen- länkern sogar ihren Ausdruck im sogenannten EbeconsenS der Gemeinde gefunden, der in diesen Gebieten ein notbwendigeS Correlat der bestehenden Agrarverfassung ist. Solche Umstände verursachen die niedrige HeiralbS- ziffer, diese aber bedingt naturgemäß wieder eine niedrige GeburlSziffer; die unehelichen Geburten vermögen nickt den Ausfall zu decken, wenngleich eS Tbalsache ist, daß ohne sie die Bevölkerung von Kärntben und Deutsch-Tirol zurückgehen würde. So ist eS verständlich, daß in Tirol bei den Italienern und in Steiermark bei den Slawen, bei denen Geldwirthschast herrscht und der Grundbesitz sebr zerstückelt ist, der Zuwachs der Bevölkerung fast doppelt so stark ist, al« bei ihren deutschen Nachbarn. Bei solchen Verhältnissen kann unmöglich eine Stärkung de« Deutschthum« erwartet werden. Der österreichische Bauernstand, zumal in den Alpen- ländern, durchlebt eben eine schwere Krisis, die durch den Ucdergang von der Natural- zur Geldwirthschast bedingt ist. Bei ersterer ist ja die Wirthschast auf Production für den häuslichen Bedarf eingerichtet; nur der Ueber- chuß wird in Geld umgesetzt und zur Bezahlung der Steuern, wie zum Erwerbe von Gegenständen verwandt, die nur von außen bezogen werden können. Die Naturalwirthschast erhält den konservativen Geist und macht damit die Landwirlbschast zu einer nahezu stationären; wo aber weder Organisation, noch Technik der Wirthschast sich entwickelt, da bleibt auch der Durch- schnitl-ertrag stabil. Nun ist eS aber Thatsache, daß überall die Lebensbedürfnisse de« deutschen Bauern in starkem Steigen begriffen sind, andererseits wachsen die Ansprüche de» Staate« mit jedem Jahre. Je weniger nun die Naturalwirthschast diesen gesteigerten Anforderungen zu entsprechen vermag, desto mehr kommt die Existenz des LandmannS in« Schwanken. Daher beginnt überall in den Alpenländern die Geldwirth- schafl Boden zu gewinnen, und in ihrem Gefolge zeigen sich schon die ersten Anzeichen einer Umwälzung der agraren Ber- hältniss«. Der Großgrundbesitz wächst, gleichzeitig geht eine Zerstückelung de« Bauernlandes vor sich. Dieser Proceß ist eine historische Nothwendigkeit. Alle Reformen, welche die Erhaltung der bisherigen ökonomischen "ormen zum Ziele haben, sind machtlos gegen den Geist de« Kapitalismus, der unsere Zeit beberrscht und langsam aber unaufhaltsam in alle Poren der Gesellschaft eiodrmgt. So befindet sich denn der deutsche Bauernstand der Alpen länder zwischen Scylla und CharybdiS. Die Naturalwirth schast kann er nicht mehr» wie die Conservativen ihm rathen, aufrecht erhalten, da seine stet« wachsenden materiellen und geistigen Bedürfnisse kategorisch eine Steigerung seine« Einkommen- sordern; zur Geldwirthschast aber, die ihm die Liberalen anempfehlen, zeigt er keine Neigung, da er instinktiv fühlt, daß er bei einer kapitalistischen Organisation der Land wirthschast zu einem nicht geringen Bruchtheil seine Selbst ständigkeit einbllßcn wird. Eine gesunde Socialpolitik in Oesterreich müßte daraus gerichtet sein, einen möglichst schnellen und schmerzlosen Uebergang von der Natural- zur Geldwirth- schaft anzvvahnen. DaS ökonomische Programm der sogenannten deutsch nationalen Partei hat aber die Erkaltung der bisherigen Agrarverfassung der Alpenländer auf ihr Banner gesetzt und wirkt damit gerade einer Entwickelung des Deutschthuni- entgegen. Erst wenn diese Agrarverfassung durch die Geld- wirthschaft durchbrochen ist, wird die Heiratbsziffer und damit auch die GeburtSziffer der deutschen Alpen bevölkerung ins Steigen kommen; gleichzeitig wird ihr Wohlstand sich hebe» und sich breiteren Kreisen mit theilen, und al« nächste Consequenz dieser Erscheinung wird die Bildung de« Bauernstandes einen Aufschwung nehmen. Alle diese Umstände sind aber gerade dazu a» getban, eine starke Wehr gegen die stet« vordringende slawische Bölkerwelle zu errichten. So lange die Last der Natural wirthschast mit ihren kchweren Consequenzcn auf den Deutschen ruht, wird da« Slawcnthum nicht verhindert werden können, alljährlich neue Posten dem Deutschthum abzu gewinnen. Liegt in den Alpenländern Oesterreichs die Schwäche deS Deutschthum« in der niedrigen GeburtSziffer, so ist sie in Böhmen, wo die Geldwirthschast schon überall den Sieg errungen hat, auf die hohe Sterbeziffer zurUckzuführen. Im deutschen Böhmen hat sich die In dustrie zu einer imposanten Höhe emporgeschwungen. Mit dieser Entwickelung hält aber die Fürsorge für die Arbeiter bevölkerung keineswegs Schritt. Die Industrie Nord-Böh- menS zeigt alle den CapitaliSmuS in seiner ersten Periode kennzeichnenden Erscheinungen: die ökonomischen und sanitären Verhältnisse, unter denen die Arbeiterbevölkerung zu leben hat, sind äußerst ungünstige und zehren stark an ihrem Mark Da» verursacht die starke Sterblichkeit in den Industrie bezirken NordböhmenS. Während der Zuwachs der deutschen Bevölkerung westlich der Elbe fast demjenigen der Tschechen entspricht, vermehren sich die Deutschen in den östlichen, von der Industrie lebenden Bezirken ganz bedeutend langsamer, al« ihre slawischen Nachbarn. Dazu kommt, daß der Deutsche viel höhere Ansprüche an» Leben stellt, als der bedürfnißlose Tscheche. Da« führt zu dem unaufhaltsamen Eindringen der tschechischen Arbeiterbevölkerung in die deutschen Fabrik stabte. Hier können nur sociale Reformen da- Deutschthum retten; nur eine vernünftige Arveiterschutzgesehgebung ver mag ihm Widerstandskraft gegen da« unaufhaltsame Vor dringen der Tschechen zu verleihen. So sehr sich auch der Deutsche Schulverein um daS Deutschthum in Oesterreich verdient macht, so sind eS doch nur versprengte Posten, denen er seinen Schutz angedeihen laßt: für die Kräftigung der deutschen Kernlande hat er keine Mittel. Hier können nur social-okonomische Reformen Heilung schaffen Deutsches Reich« LH verlin, 2l. August. In der gestrigen Abendausgabe der „Nordd. Allg. Ztg." ist an leitender Stelle ein der Redaction zugegangrne« Stimmungsbild abgedruckt, in den, behauptet wird, die Socialdemokratie sei durch da» Versammlung-recht und da« allgemeine Wahlrecht zroß gezogen worden. Der Verfasser fragt mit Recht: „Was in aller Welt haben in solchen Versammlungen Minder- äbrige, Burschen bi« zu 15 Jahren zu thun?" Von den versammlungSbrsuchrrn seien noch nicht 20 Procent über 25> Jahre alt und wahlberechligt. Auch da« ist leider der Fall. Und zwar führen diese jungen Burschen nicht selten da» große Wort in den Versammlungen. Jede socialvemo- kratische und jede anarchistische Versammlung, da« kann man dreist behaupten, ist daraus gerichtet, die staatlichen unv cesellschaftlichen Einrichtungen verächtlich zu machen und die Nulorilät der Behörden zu untergraben, sowie den Classen- haß zu schüren. Für diese« Gift sind gerade die jugendlichen, unwissenden und unerfahrenen Köpfe am empfänglichsten, unv wenn solche Jünglinge auch nur einige socialdemokratische oder GewerkschajlSversammlungen, in denen gleichermaßen gehetzt wird, besucht haben, dann sind sie nicht selten schon genügend präparirt, um in da« anarchistische Lager übertreten u können. Wir betonen ausdrücklich, daß die gewerkschast- iche Agitation und die Gewerkschaftsversammlungen die Unzufriedenheit und den revolutionairen Geist ebenso ent- achen wie die socialdemokratischen Verein«- und Volks versammlungen, und da« muß bei den geplanten Unler- druckungSmaßregeln vornehmlich beachtet werden. Der Artikelschreiber in der „Nordd. Allg. Zig " macht folgende Vorschläge: l) „Wer eine politische, eine Wahlversammlung besuchen will, muß wahlberechtigt sein. Legitimation erfolgt durch eine auf Grund der Wählerliste auSzustcllende Karte. Wer 25 Jahre alt geworden, hat da» Recht, in die Liste eingetragen zu werden". 2) „DaS allgemeine Wahlrecht muß auf Diejenigen eingeschränkt werden, welche 25 Jahre alt und wirthschaftlich selbstständig sind." Mit dem zweiten Bor chlage könne sie sich, so bemerkt dazu die Redaclion des citirlen ossiciösen Organ«, nicht schlechtweg identificiren Der AlterSvorschlag wäre wohl diScutabel, schwieriger ist die Prüfung der wirthschastlichen Selbstständigkeit, für die als Belage veigebracht werden sollen der Nachweis de- Lohnes oder SalairS, de« Familienstandes, der Dienstdaucr, An- Lssiakcit und Steuerlcistung — rin zu complicirter Apparat, der yier in Vorschlag gebracht wird. Q verlin, 2l. August. Die Vorlegung eine» die brennende Frage der Auswanderung regelnden Gesetze» wird zweifel los von vielen Seilen mit Befriedigung begrüßt werden. ES ist zwar jüngst die Ansicht ausgesprochen worden, daß der Reichstag in dieser Session Wichtigere« zu thun haben werde, al- über derartige Dinge zu bcrathcn, man wird aber nur wünschen können, daß der Reichstag auch sür diese wichtige Angelegenheit Zeit behält. Man muß nur bedenken, daß eine ver nünftige Regelung und Förderung der Auswanderung ebenso in nationaler, wir in wirthschafllicher Hinsicht wichtig ist. AuS der außerordentlichen und auffälligen Verminderung der Auswanderung in den ersten sieben Monaten des Jahre« folgt keine-wea», daß da« AuSwanderungSbedürfuiß sich vermindert bat. Im Gegentbeil: die Abnahme der Aus wanderung ist eine deutliche Mahnung, die Auswanderungs frage zu regeln, denn dadurch, daß der Abfluß nach dem AuSlande sich vermindert, wird da« Arbeitsangebot im Inland» wesentlich gesteigert. Noch ist aber der Aufschwung von Handel und Industrie nicht derartig, daß eine starke Vermehrung der Arbeitskräfte er forderlich wäre. Daher ist da- Resultat der ver ringerten Auswanderung eine Vermehrung der Arbeitslosigkeit und damit zugleich eine Steigerung der socialistischen und mehr noch der anarchistischen Gefahr. E« ist bedauerlich, daß die sociale Lage des Reiche« derart ist, daß nicht sür alle Arbeitskräfte volle Verwendung vorhanden ist, aber die Thatsache ist einmal da, und man darf sich ihr nicht ver schließen. Auch die nationale Bedeutung einer Regelung der Auswanderung springt sofort in- Auge. Bis jetzt sind die Deutschen in den fernen Erdlheilen lediglich Pioniere der Cullur gewesen, die sich »ach gelhancr Arbeit ohne viel Widerstreben von fremden Nationalitäten aufsaugen ließen. Da- würde anders werten, wenn unter Förderung der deutschen Reich-brHörden zusammenhängende deutsche Cclonien, besonder« in Südamerika, geschaffen würden. Der Vorschlag, diese Colonien unter deutschen Schutz zu stellen, erscheint als zu weitgehend. Damit würde nicht nur die Souverainilät der südamerikanischen Staaten in Frage gestellt werden, son dern e» würde auch die bekannte Monroe-Doctrin derart verletzt werden, daß Verwickelungen mit de» Ver einigten Staaten unausbleiblich wären. E« genügt durch aus, wenn durch da« fest« Zusammenhalten de» deutschen Element« ein politischer und wirthschafllicher Einfluß de« DeuIschthumS auf die einzelnen südamerikanischen Staaten aesichert wird, der auch dem Mutterland! zugute käme. Dieser Einfluß wäre um so eher zu ermöglichen, als die spanische Rasse in Amerika gezeigt Hai, daß sie nicht im Stande ist, lebensfähige StaatSgcbilde zu schaffen. E« kommt daraus an, durch thatkräftige Fürsorge des Deutschen Reichs für die Auswanderer da» national« Empfinden in ihnen rege zu erhallen, sic zum Zusammenhalten zu veranlassen und ihnen ein derartige- Gesühl der Sicherheit zu gewähren, daß sie nicht nur ihr Deutschthum bewahren, sondern im Bewußtsein ihrer Kraft einen Einfluß auf die Leitung der ein zelnen Staaten zu gewinnen suchen. Ein Gesetz, daS diese Möglichkeit in AuSjicht stellt, wird mit Freuden begrüßt werden. Selbstverständlich soll damit nicht gesagt werden, daß nicht die Einzelheiten de« Entwurf» auf das Genaueste auf ihre BerbesserungSsLhigkeit hin zu prüfen wären. Da noch nicht feststcht, inwieweit der neue Entwurf dem bereit« einmal vorgelegten Gesetze entsprechen wird, können wir hier auf eine Kritik verzichten. O. II. Berlin, 21. August. In einer öffentlichen Ver sammlung der Branereiarbeiter sind diese von dem „Genossen" Pfannkuch ausgefordrrt worden, den Leitern der boycotlsreien Brauereien jetzt keine Schwierigkeiten zu machen. Diese Mahnung war natürlich sehr am Platze. Denn e< ist
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