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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 09.12.1897
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1897-12-09
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18971209014
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1897120901
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1897120901
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1897
- Monat1897-12
- Tag1897-12-09
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Größere Schriften laut unserem Preis- verzeichniß. Tabellarischer und Zisfrrnsatz nach höherem Tarif. (krtra-Beilagen (gesalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbeförderung 60.—, mit Postbesörderung .4 70.—. Iiunahmeschluß für Anzeigen: Abend-Ausgabe: Bormittags 10 Uhr. Morgen-Ausgab«: Nachmittags 4Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Druck und Verlag von L. Polz in Leipzig. 827 Donnerstag den 9. December 1897. Sl. Jahrgang. Deutsche uu- Tschechen. tt. Der in Oesterreich entbrannte Kampf zeigt daß Germanen und Slawen heute erbitterter al» seit langer Zeit um die Vorherrschaft ringen. Die österreichische Regierung versuchte schon im Zähre 1880, den Ge brauch der Landessprachen im Verkehr der Behörden und Gerichte mit den Parteien zu regeln, verzichtete aber darauf infolge starker Opposition. Graf Badeni hat die Sache wieder ausgenommen. Die am 5. April d. ZrS. von ihm erlassenen Verordnungen setzen fest, daß jeder Bewohner der Länder Böhmen und Mähren bei den Gerichten sein Recht in seiner Muttersprache finden solle und daß darum jeder deutsche Beamte verpflichtet sei, die tschechische Sprache zu erlernen. Daria erblicken die deutschnationalen und deutsch fortschrittlichen Abgeordneten den Versuch, vaS Deutsch - thum immer mehr zurückzudrängen, einen Schritt weiter zu dem der slawischen Propaganda vor schwebenden Ziele, aus dem Oesterreich, wie eS heute ist, all dem deutschen centralistischen Staate einen slawischen Föderativstaat zu machen. Sie brachten alsbald die Ministeranklage rin und erneuerten sie in der jetzigen Session. Auch forderten die Parteitage von Reichenberg und Teplitz (2. Mai dS. 2».) die Wiederaushebung jener Ver ordnungen. Ueberrascht von diesem einmüthigen Widerstand, lud Graf Badeni die Deutschen zu Ausgleichsverhandlungen ein, welche im August in Wien stattfinden sollte». Aber die vorgenaunten Parteitage und der VolkStag in Eger verboten den Abgeordneten, sich in Verhandlungen mit einem Grafen Badeni einzulafsen, von dem man sich eines ehrlichen PactirenS nicht versehen konnte. WaS sich weiter an das zähe Fest halten jener Verordnungen geknüpft hat, ist noch frisch in Aller Erinnerung. Betrachten wir einmal die Verhältnisse. Nach der Volks zählung von 18S0 wohnen in Böhmen 2 159 011 Deutsche und 8 844 188 Tschechen. Die» Land ist aber nicht in dem Sinne ein gemischtsprachiges, daß Deutsche und Tschechen Zu sammenleben, sondern es bestehen dort zwei in der Hauptsache vollständig geschiedene Sprachgebiete. Das deutsche umfaßt 80 Gerichtsbezirke, und von diesen haben 75 eine rein deutsche, 15 eine gemischte Bevölkerung mit deutscher Mehrheit. Das tschechische Sprachgebiet umfaßt 129 Gerichtsbezirke, und von diesen sind 104 rein tschechische und 25 tschechisch ge mischte. Von den 219 GerichtSbezirken des Landes sind also 40 gemischtsprachig. Zn 75 Bezirken giebt eS aber nicht ein einziges tschechische» Dorf, und die wenigen Tschechen, welche dort Vorkommen, sind Arbeitsuchende. Dort von dem deutschen Beamten verlangen, daß er einzelner Arbeiter oder gar Landstreicher wegen die tschechische Sprache erlerne, ist ent schieden unbillig. Zwar könnte geltend gemacht werden, der deutsche Beamte müsse auch in tschechischen Bezirken ver wendbar sein, doch kommt hier in Betracht, daß da» Tschechische, welche» er lernen soll, nämlich die Schriftsprache, von den wenigsten Tschechen verstanden wird. Sie ist ein Kunstprovuct. Die meisten Tschechen reden nur sogenannte- „Küchenböbmisch" (dem ober schlesischen Wafserpolackisch vergleichbar). Wie unvoll kommen selbst gebildete Tschechen ihre Schriftsprache be herrschen, ist durch die bekannte Tbatsache erwiesen, daß die Prager „Politik", diese» weitverbreitete und von Ver höhnung de- Deutschthums strotzende Tschechenblatt, nur in deutscher Sprache erscheint. Wenn es aber geborenen Tschechen solche Mühe macht, da- moderne Tschechisch zu verstehen, dann darf man sich nicht wundern, wenn die Deutschen keine Neigung zeigen, e» zu lernen. Obendrein ist die tschechische Sprache keine Cultursprache, sondern die Sprache eine- minderwerthigen Volke«, bas Alles, was es von Cultur besitzt, nur den Deutschen zu danken hat. Wenn der Tscheche Deutsch lernt, so erschließt er sich dadurch die Schätze der deutschen Cultur. Der Deutsche hat oagegen von der Erlernung der tschechischen Sprache gar nichts, nicht einmal — WaS hier den Ausschlag giebt — die Möglichkeit, sich mit der nur „Küchenböhmisch" redenden großen Maste deS Volkes zu verständigen. Die Opposition der Deutschen gegen die Sprachenverordnungen ist also schon unter diesem Gesichtspunkt sehr begreiflich.*) ES kommt aber noch Folgendes hinzu. Die Deutschen sehen in Anbetracht des Umstandes, daß die akademische Berufswahl in einem Alter erfolgt, Wo eS mit der Erlernung fremder Sprachen nicht mehr so leicht geht und auch die Zeit dazu fehlt, in der Verfügung, daß künftig nur der tschechischen Sprache vollständig kundige Beamte angestellt werden dürfen, den Versuch, die Deutschen von den Staats ämtern auszuschließen. Das wäre die Verletzung eines in den Staatsgrundgesetzen gewährleisteten und nicht von der Kenntniß einer anderen als der deutschen Sprache abhängig gemachten Rechtes. Zu der Zeit, als die Staatsgrundgesetze entstanden, schien es selbstverständlich, daß Deutsch die Amts sprache war, weil Jedermann in Oesterreich Deutsch verstand. Dann kam die Zeit des Nationalitätenstreites, wo wüste Agita tion in den slawischen Theilen der Monarchie dahin wirkte, daß die Leute nicht mehr Deutsch lernten. Der Staat ließ die Dinge gehen, anstatt in der Schule den deutschen Sprachunterricht obligatorisch zu machen. Jetzt zieht die slawische Agitation die Consequenzen und fordert von österreichischen Beamten die Kenntniß der slawischen Sprachen, weil Millionen Slawen nicht mehr Deutsch verstehen. Slowenen und Serbokroaten erheben bereits ähnliche Ansprüche wie die Tschechen. So arbeitet man planmäßig auf die Zerstörung des centralistischen Staates, des deutschen Culturstaates hin. Tas ist auch der tiefere Grund, warum die Badenischen Sprachenverordnungen die deutsche Bevölkerung in ganz Oesterreich so gewaltig aufregen. Die Befürchtung der Deutschen, von den Staats ämtern ausgeschlossen zu werden, so daß künftig z. B. in Böhmen nur tschechische Richter Recht sprechen würden, muß durch Thatsachen, welche unverkennbar slawisirende Ten denzen erkennen lassen, noch erhöht werden. So waren bei dem obersten Gerichtshof in Wien schon im Jahre 1890 unter 44 Hofräthen nur 10 deutsche, und in Böhmen, wo das Verhältniß der Tschechen zu den Deutschen wie 3,6 : 2,2 ist, in demselben Jahre unter 257 Gericvtsauscultanten nur 31 deutsche, und unter 46 staatsanwaltschaftlichen Beamten sogar nur 2 deutsche. Bei einem deutschen KreiSgcricht in Böhmen besteht die ganze Staatsanwaltschaft (einschließ lich Kanzlisten und Schreibern) aus Tschechen. Die Be günstigung der Slawen auf Kosten der Deutschen verbittert die deutsche Bevölkerung um so mehr, als diese noch immer das produktivere und leistungsfähigere Element in Oesterreich ist. In Procenten ausgerechnet und auf Köpfe vertheilt, zahlt der Deutsche 27,7, der Italiener 21,4, der Tscheche 20,4, der Slowene 16,2, der Serbokroate 12,5 und der in Oesterreich in Alles sich einmischende Pole gar nur 9,4 fl. Steuern jährlich. Daß die österreichischen Slawen ein slawisches Staats wesen auf föderalistischer Grundlage an die Stelle des deutschen und centralistischen setzen möchten, kann wohl als ausgemacht gelten, und der Umstanv, daß in dem verflossenen Cabinet Badeni nicht weniger als vier Ministerposten, darunter die wichtigsten (Auswärtiges, Inneres und Finanzen) von Polen besetzt waren, mußte Bestrebungen dieser Art förderlich sein. Es ist selbstverständlich, baß die vier polnischen Minister der Weiterentwickelung der großpolnischen Ideen in Galizien mindestens nichts in den Weg legten, und ebenso begreiflich *) Immerhin verdient auch der andere Gesichtspunkt Berücksich tigung, wonach Diejenigen, die Deutsch und Tschechisch verstehen — und das gilt jetzt von den meisten tschechischen Beamten — zweifel los über größeren Einfluß und über größere Macht verfügen, als die nur einer Sprache Prächtigen. Das dürste wenigstens für die gemischtsprachigen Theile Böhmen» gelten. D. Red. ist es, warum sie die Tschechen durch Concessionen wie die Sprachenverordnungen zu gewinnen suchten. Wer das Reich der Jagellonen wieder ersteben sehen möchte, kann wohl auch den Tschechen das Königreich Bödmen gönnen. So wenig wir alle Mittel billigen, welche die Deutschen Oesterreichs in ihrem Kampf gegen die Sprachvergewaltigung angewandt haben, ebenso wenig sympathisch könnte uns eine slawische Hochfluth in diesem Staate sein, denn diese würde — abgesehen von der unerwünschten Schwächung des Deutscktbums in Oesterreich — ihrer Natur nach nicht an den österreichischen Grenzpfählen Halt machen, sondern auf das ehemals polnische Gebiet des deutschen Reiches (bezw. Preußens) übergreifen. Es kann keinem Zweifel unter liegen, daß im Falle des Obsiegens jener slawischen Ten denzen die Stellung der preußischen Regierung in ihren polnischen Landestheilen noch viel schwieriger werden würde, als sie seit dem Anschwellen des österreichischen Polonismus ohnehin schon geworden ist. Mit der Begünstigung jener Tendenzen würde sich auch die innere österreichische Politik in Widerspruch setzen zu dem Geiste des deutsch-österreichischen Bündnisses. Wir setzen volles Vertrauen in die Absichten des Kaisers von Oesterreich, begreifen aber das ausgesprochene Mißtrauen, das sich gegenüber dem wesentlich polnischen Charakter des österreichischen Ministeriums in Oesterreich und in Reichsdeutschland geregt hat. Jetzt ist durch die Entlassung Badeni's und seines Cabinets Gelegenheit gegeben, einen An fang zum Bessern zu machen. Daß die neue Negierung die Kraft besitzen werde, die Gegensätze auf einer nnttlcren Linie zum Ausgleich zu bringen, ist freilich durch den Verlauf der Vergleichsverbandlungen zwischen der Majorität und der Minorität des österreichischen Abgeordnetenhauses mehr als zweifelhaft geworden. Deutsche- Reich. * Leipzig, 8. December. Man schreibt unS auö dem 9. sächsischen Reichstagswahlkreise: Eine am Sonn abend, den 4. ds. Mts., nach Freiberg einberufene Ver sammlung von Vertrauensmännern der Ordnungs parteien, in der die Candidatcnfrage für dir bevor stehende Reichstagswahl erörtert wurde, ist zu bestimmten Ergebnissen nicht gelangt, weil die anwesenden Mit glieder des Bundes der Landwirthe und der in Freiberg wohnende Geschäftsführer des Bundes in Sachsen, Herr Oswin Schmidt, völlig überraschend mit einer Canbidatur des Leiters der „Deutschen Tageszeitung", Redakteur vr.G Oertel,hcrvortraten und von der Versammlung ver langten, dieser fertiger Canbidatur schlankweg beizu treten. Wer dieselbe nicht unterstütze, trage die Schuld, wenn der Kreis an die Socialdcmokratie verloren gehe. Gegen dieses Vorgehen und diese Auffassung erhob sich denn doch gewichtiger Einspruch, und es wurde mit vollem Rechte geltend gemacht, daß allein schon die Aufstellung einer der artigen extremen Canbidatur den Verlust des Wahlkreises an die Socialdemokratie zur Gewißheit mache. Man könne einem sehr großen Theile der Wähler nickt znmuthen für einen Mann einzulreten, der als Verfechter des An trages Kanitz, der Grenzsperre gegen ausländisches Getreide und anderer einseitiger agrarischer Forderungen an erster Stelle stehe und politische Ansckauungen verfechte, die zum Widerspruch herauSforberten. Wenn die Mitglieder des Bundes der Landwirthe nichts Lestoweniger er klärten, an einer Canbidatur Oertel sestbalten zu wollen, so ist da» ihre Sache. Sie mögen sich dann aber auch über einen Aus gang nicht wundern, für den die volle Verantwortung nicht anderen, sondern lediglich ihnen allein überbürdet werden müßte, WaS hiermit schon vorbeugend für die Zukunft festzestellt werben muß. Herrn Oswin Schmidt scheinen seine zum ersten Male in Plauen gepflückten Lorbeeren nicht ruhen zu lassen; er scheint es sehr eilig zu haben, dem dortigen socialdemckratischen Erfolge einen weiteren in Freiberg anzureihen. Dringend zu wünschen wäre eine baldige klare Stellungnahme der Conscrva tiven im Wahlkreise. Falls dieselben für einen Mann eintreteu werden, der als Leiter der „Deutschen Tageszeitung" trotz seiner angeblich konservativen Gesinnung die erbitterstcu Gegner der Conservativen, die Antisemiten, unter seinem Schutz nimmt, so müßte daS im Lande den alleruugünstigsteu Eindruck machen und die Vermuthung erwecken, daß sie im Bann und unter der Botmäßigkeit extremster Elemente stehen. Da hier nicht allein konservative, sondern weitergehende allgememeine Interessen in Frage kommen, wäre zu wünschen, daß in der in 14 Tagen erneut statt findenden Vertrauensmännerversammlung eine Klärung und eine Verständigung über eine anderweitige, gemäßigte Canbidatur erfolgt. Wir möchten denn doch unser» Wahl kreis nicht zum Gegenstand eines Experiments macken, daS in den Augen aller nüchtern urtheilenden Leute einen unhei! vollen Ausgang nehmen muß. A Berlin, 8. December. Die Ausgaben,, welche das R e i ch als Arbeitgeber für die staatliche A r.b e i t e r v e r- sicherung zu machen hat, werden zum ersten Male im Rechnungsjahre 1898 keine starke Steigerung gegenüber dem Vorjahre aufweisen. Bei der M i l i t a i r v e r w a l t u n g, welche auf diesem Gebiete die meisten Aufwendungen zu machen hat, ist in dem Etat für 1898 eine Summe für Kranken-, Unfall sowie Jnvaliditäts- und Altersversicherung eingestellt, die so gut wie keine Erhöhung gegen die des laufenden Etatsjahres aufweist. Lediglich bei der w ü r t t e m b e r g i s ch e n Verwaltung hat sich eine Erhöhung um einige Hundert Mark als notwendig herausge stellt. Für dasprenßische u. s. w. Contingent, sowie für das s ä ch si s ch e ist es bei den früheren Ansätzen geblieben. Jnsge sammt braucht die Militairverwaltung für diesen Zweck jetzt jähr lich rund I Millionen Mark. Bei den beiden anderen, hier noch mit größeren Summen in Betracht kommenden Reichsverwal tungen, der Marine- und der Postverwaltung, hat sich im Etat eine Erhöhung der ausgeworfenen Summen nothwendig gemacht, sie ist jedoch nicht bedeutend und beträgt für jede der beiden Ver waltungen rund 20 000 Mark. Die Marineverwaltung braucht danach auf 1898 für die Arbeiterversicherung rund 425 000 Mark, die Postverwaltung rund 284 000 Mark. Rechnet man noch die kleinen Verwaltungen, wie Reichsdruckerei u. s. w. hinzu, so kommt man auf eine Summe von 11 Millionen Mark, welche das Reich als Arbeitgeber jährlich für die Versicherung der von ihm beschäf tigten Arbeiter auszugeben hat. * Berlin, 8. December. Die „Freis. Ztg." giebt den Eindruck der gestrigen Li eher'sch en Rede auf sie wie folgt wieder: „Die Entscheidung über das nächste Schicksal des Gesetzes im Reichstage kann nach dem Ergebniß Les zweiten Tages nicht mehr zweifelhaft sein. Nach den Erklärungen des Redners der Centrumspartci, des Abg. Lieber, wird demnächst in der Budget commission eine sehr langwierige Verhandlung stattfinden behufs Umgestaltung des Gesetzes zur Gewinnung einer Mehrheit für dasselbe. Da außer den Freiconservativen und National-Liberalen das GroS der Conservativen und außerdem die Mehrzahl der Mitglieder der freisinnigen Vereinigung unter Führung Les Abg. Rickert gewillt ist, sich auf den Boden des Gesetzes zu stellen, so entscheidet über das Zustandekommen der rechte Flügel der Centrumspartei. Nach den Erklärungen des Abg. Lieber ist dieser Flügel nicht abgeneigt, unter gewissen Modifi kationen das Gesetz anzunehmen. Abg. Lieber lehnt eine gesetzliche Bindung des Marineetais nicht grundsätzlich ab und hat nur ver schiedene Bedenken in Bezug auf den Grad und den Umfang dieser Bindung. Obwohl die Borlage veranlaßt ist durch die Entscheidung des Reichstags bei dem letzten Marineetat, wie sie durch die Centrumspartei herbeigeführt ist, erblickte Abg. Lieber in der Vorlage an sich ein Vertrauensvotum für das Centrum. Es müssen schon gewisse Verständigungen außerhalb des Reichstages vorher stattgesunden haben, wenn dieselben auch der Centrumspartci im Ganzen unbekannt geblieben sein mögen. Bemerkenswerlh war aus den Ausführungen des Abg. Lieber die Forderung, die Mehrkosten Les Mariurschutzes für die FerriHetsir. Etwas über -en Eisbaren. Nachdruck verbotrn. Der Nordpol ist ein höflicher Mann. Das Interesse, das man allenthalben an den ihm zu Theil gewordenen und zu Theil werdenden Besuchen nimmt, veranlaßen ihn zu kleinen, erwidern den Aufmerksamkeiten. Dantbesuche persönlich abzustatten ver mag er nicht gut, hat er doch an Ort und Stelle viel zu viel zu thun, als daß er abkommen könnte. So sendet er denn seine Beauftragten. Am Freitag hatten wir fünf Grad Kälte und einen niedlichen Schnee. Daß der Westwind mit diesen arktischen Sendlingen unhöflich umspringt, ist nicht Schuld des Nordpols, und thut seiner Aufmerksamkeit weiter keinen Abbruch. Er hat es dabei auch nicht bewenden lassen. Durch Vermittelung des Herrn Pinkert hat er uns noch einige Auserlesene aus seiner Gletschergarde in Gestalt etlicher Eisbären zugesandt, die sich nicht so leicht wir die Kälte und der Schnee von einem (wie die See leute sagen) „Mütze voll" Westwind werden in das Bockshorn jagen lassen. Dafür stehe ich. Der Eisbär (l)rsi» oder Tkalagg arctos mnritinnm) ist daS charakteristischste Säugethier des Nordpols, das man den EiSkönig mit demselben Rechte wie den Löwen den Wüstenkönig nennen könnte. Wer dieses Thier freilich ausschließlich nach den Individuen, die man in Menagerien und zoologischen Gärten zu schm be- bekommt, beurtheilen wollte, würde in starke Jrrthümer ver fallen. Ich habe, obwohl ich ein großer Liebhaber von zoologischen Gärten und trotz Palmgärten und Allem ein eifriger Verfechter ihrer Existenzberechtigung bin, mit den meisten gefangen gehal tenen Thieren, besonders Raubthieren, ein innige» Mitleid, aber mit keinem mehr, als mit einem gefangenen Eisbären. Ruhelos läuft er stunden- und tagelang in seinem engen Behälter, den Kopf schwingend von einer Ecke in die andere und macht auf mich dabei immer den Eindruck, als ob das schreckliche Schicksal trostloser Einzelhaft seinen Geist umnachtet habe. Und an einem heißen Sommertag erst! Was mag da so ein armer Teufel, der Niemandem seine Noth klagen kann, ausstehen! Gerade zu rührend für mich ist eine Geschichte, die der be rühmte Polarreisende Payer erzählt: „Die Eisfelder seiner Heimath sind dem Bären ein lieblicher Anblick, von denen er sich ungern trennt. — Die hohe Bordwand des Walfischfängers „Bienenkorb", den wir 1869 besuchten, verschloß einen solchen in einem auf Deck befindlichen Käfig eingeschlossenen Thiere die Aussicht auf die das Schiff umgebenden Packeismassen. Der Bär ertrug die Haft leicht..., nur wenn ihm stärkere Bewegungen des Schiffes gestatteten, über die Bordwand das Eis zu erblicken, begann er grimmig zu brummen. Ja, der Anblick von Treibeis regte das Thier so gewaltig auf, daß man genöthigt war, einen Schleier von Segeltuch vor dem Käfig anzubringen." Armer Kerl! Der „alte Herr in weißem Pelze", wie die Eskimo den Eis bären respektvoll nennen, ist schon lange in Mitteleuropa be kannt, merkwürdigerweise aber von Island und nicht von Nor wegen oder Nordrußland. Ein norwegischer König erhielt 880 einen von jener Insel zum Geschenk und gab als Gegengeschenk ein Fahrzeug mit Bauholz. Ein dänischer Fürst machte sich 1064 noch nobler und revanchirte sich mit einem völlig ausge rüsteten Handelsschiff, einer Summe Geldes und einer Anzahl Goldringe. König Heinrich III. von England (regierte von 1216—1272) hielt einen Eisbaren im Tower, den man ab und zu an ein langes starkes Tau gebunden in die Themse ließ, womit man ihm ohne Zweifel ein großes Vergnügen machte, wenn es auch unwahrscheinlich ist, daß er dabei, wie man glaubte, dem Fischfänge oblag. Der erste Eisbär, der noch Deutschland kam, mag jener gewesen sein, den 1670 Walfischfänger nach Lübeck brachten. Ein ausgewachsener Eisbär ist rin gewaltiges Thier, unter Umständen bis 3 Meter lang und bis 800 Kilogramm schwer. Sein weißer Pelz hat einen gelblichen Anflug, wodurch das Thier auf dem Schnee doch recht sichtbar sein soll. Nase, Lippen, Sohlen und Krallen sind schwarz. Vom braunen Bären, mit dem er übrigens Junge zeugt, unterscheidet er sich, abgesehen von der Farbe, namentlich dadurch, daß er im Verhältniß zu seiner Länge niedriger auf den Beinen ist, einen längeren Hals, gestreckteren und mehr abgeflachten Kopf, ein stärker gebogenes Profil und kürzere Ohren hat. Ueber seine Gefährlichkeit lauten die Nachrichten sehr wider sprechend. Nach Payer und dem Amerikaner Cope land steht er in deser Beziehung dem Löwen und Tiger nicht nach, aber der Engländer Brown, der längere Zeit an der Westküste Grönlands beobachtete und jagte, ist der Meinung, daß die Er zählungen von der Fllrchterlichkeit des Eisbären zum größten Theil stark übertrieben seien, er habe wenigstens ganz andere Er fahrungen gemacht. Sei das Thier gereizt oder gar verwundet, so werde es schließlich gefährlich, aber das sei bei Hausthieren doch auch der Fall. Er hat Eisbären auf den Gletscherfeldern von Ponds-Bay gejagt und gesehen, daß sie blos darauf bedacht waren, ihren Verfolgern zu entgehen. Ich denke mir, der Grad der Gefährlichkeit dieses Thieres wird sehr wesentlich von dem Füllungsgrad seines Magens abhängen — bekanntlich ist ein satter Mensch auch zahmer als ein hungriger. Es ist Thatsache, daß sich der Eisbär angegriffen tapfer zur Wehr setzt, wobei er sich nach Bärenart aufrecht auf die Hinterpranken erhebt. Er hat dieselbe Fertigkeit, gegen ihn gerichtete Lanzen stöße mit den Vordertatzen abzuwehren, wie sein brauner Vetter, aber nicht die unangenehme Gewohnheit, seinen Gegner zu um armen, an sich zu pressen und zu erwürgen — er verläßt sich auf sein allerdings höchst achtungswerthcs Gebiß. Es sind aber doch schon Menschen genug von Eisbären weggeschleppt worden, und sie machen keinen Unterschied, ob sie es mit einem simplen Thran- matrosen oder mit einem promovirten Menschenkinde zu thun haben, vr. Borgen von der Germania-Expedition kann ein Lied davon singen: er wurde auch von einem solchen Unhold weggeschnappt und am Kopfe übel zugerichtet, aber gleichwohl ge rettet. Die Eisbären pflegen den in ihre Gebiete eindringenden Menschen eine sehr unerwünschte Aufmerksamkeit zu schenken und den Besuchern ihrer Heimath schon an der Küste die Honneurs zu machen. Als die „Germania" an der Ostküste Grönlands überwinterte, wurde sie von einem Eisbärencorps gewissermaßen belagert, und die Bestien waren frech genug. Nachts bis auf das Verdeck zu kommen. Alles, was den Menschen betrifft, hat für sie Interesse, wahrscheinlich, weil sie voraussetzen, daß unter allen Umständen für sie etwas Freßbares dabei abfallen wird. Sie verschlingen von menschlichem Eigenthum, wessen sie nur immer habhaft werden können: alte Flanelllappen, Gummiflaschen, Papier, Konservenbüchsen, volle und leere, nautische Instrumente, Stearinlichte, Tabak und mit ganz besonderer Vorliebe ge mahlenen Kaffe und Segeltuch. Durch den brenzlichen Geruch geschmolzenen Fettes werden sie von weit her angelockt. Sie sind aber auch schon Nordpolfahrern von größtem Nutzen gewesen, so Wrangel und Hedenström, die ihnen die Möglichkeit, über die Eisdecke des sibirischen Eismeeres vorzudringen, ge radezu allein verdankten. Freilich mußten die guten Bären ihre Verdienste mit dem Leben bezahlen, oder besser, es war gerade ihr Verdienst, daß sie ihr Leben ließen, denn mit ihrem Fleische — Heden st röm allein erlegte ihrer 15 — wurden die Zughunde der Schlitten gefüttert. Bei den neusibirischen Inseln rechnen die Leute, die das fossile Elfenbein, die Stoßzähne vorweltlicher Mammuths graben, mit Sicherheit auf die Gegenwart von Eisbären, da deren Fleisch das einzige Mittel ist, ihre Schlitten hunde vor dem Verhungern zu bewahren. Eisbärenfleisch selbst soll auch für den Menschen recht wohl ge nießbar sein, nur darf es natürlich nicht von einem gar zu alten „Alten Herrn in weißem Pelze" hrrrühren, oder von einem, der sich kurz vorher den Leib mit Fleisch von einem faulen Seehund vollgeschlagen hat. Das Wildpret der jungen Thiere wird als weiß und feist gerühmt und soll im Geschmack zwischen Rind- rmd Schweinefleisch stehen. Merkwürdiger Weise soll die Leber giftig sein, und soll ihr Genuß gefährliche Krankheitserscheinungen Hervorrufen. Da ich diese Angaben in den Berichten mehrerer
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