Suche löschen...
01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 25.04.1902
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1902-04-25
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19020425019
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1902042501
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1902042501
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1902
- Monat1902-04
- Tag1902-04-25
- Monat1902-04
- Jahr1902
- Links
-
Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
Bezug--Prei- i» der Hauptexpeditto» oder deu tm Stadt- bezhck and de» Vororte» errichtete» A»s- gaoeftelle» abgeholt: vierteljöhrlick 4.50, — »wetmaltger täglicher Zu Kell»»- iss Hau» 5.50. Durch die Poft bezöge» für Deutschland ». Oesterreich vierteljährlich ^ss S, für die übrige» Länder laut Arttuugr-rriSliste. Leöartio« vad Erve-Mo«: Äohamcks-ass« 8. Fernsprecher 158 und 000. FUiatevp»-iti»«e« r Alfred Huh», v»chha»dlg„ üatversität»str.S, «. Lösche, Kathartuellstr. Ich ». «Sutgäpl. 7. Haupt-Filiale Vrerdeu: Ktrehlenerstraß« 0. Ferusprecher Lmt I Nr. INS. Haupt-Filiale Serliu: KSniggrährrstraß« US. Fernsprecher Amt VI Nr. SÜSS» Morgen-Ausgabe. UeipIgerTagcklatt Anzeiger. Amtsblatt -es Königlichen Land- ««- Amtsgerichtes Leipzig, -es Mathes un- Nolizei-Ämtes -er Lta-t Leipzig. Anzeigen-Preis die sigespaltene Petitzeiie 25 L,. Reklame» unter dem RrdacttonSslrich (ä gespalten) 7S vor den Familieauach« richte» («gespalten) SO L,. Tabellarischer und Ziffernsatz entsprechend Häher. — Gebühren für Nachweisungen und Osferteuaanahme LS Ls (ezcl. Porto). Ertra-Beilagen (gesalzt), nur mit der Morgea-Au-gabe, ohne Postbesärderung 60.—, mit Postbrsärderuag ^5 70.—. Aunahmeschluß für Anzeigen: Abeud-Au-gabe: vormittag» lO Uhr. Morgeu-AuSgabe: NachmNtag» 4 Uhr. Anzeige» stad stet» a» die Expedition zu richte». Die Expeditton ist Wochentag- ununterbrochen geöffnet von früh 8 bt- Abend- 7 Uhr. Druck uud Verlag vo» E. Pol- tu Leipzig. Nr. M. Freitag den 25. April 1902. 96. Jahrgang. Gras Montalembert über die römischen Jesuiten. Man schreibt un«: Leipzig, deu 24. April 1902. Zu Ihrer Mit- theilung in Nummer 198 Ihre- Blatte« über die in den „Grenzboien" eotbaltene Zuschrift de« Herrn ReichS- gerichtSratbS vr. Spahn, welche sich gegen einen von Herrn Prof. Kammel in demselben Blatte veröffentlichten Artikel über den Jesuitenorden richtet, sei e« mir. in der Hoff nung, daß der Letztere eine Erwiderung nickt schuldig bleiben wird, gestattet, vorläufig -inen kleinen Beitrag zu liefern, der zugleich ein Beitrag zur Beurtheilung de« sogenannten Toleranzantrage- ist. Aehnlich wie neuerdings Professor Krau« in Frei burg i. Br. eine Art Testament über seine Stellung zu der neueren Entwicklung der katholischen Kirche hinter- laffen bat, so hat e« auch der bekannte streng katholische französische Graf von Montalembert in einem Artikel. „Spanien und die Freiheit" (I/Lspugns ot l» libsrt«) g,tban. Die Arbeit, die letzte seine« Leben«, sollte nach seinem Tove in Frankreich erscheinen, allein die« wurde verhindert, und so erschien sie in der Lidliotdöguo uoivsr- 8slls vt rsvue guisss 1876, Bv. I,V fg. Leider »st sie de« halb weniger bekannt geworden und nicht leicht zugänglich. E« sei deSbalb vergönnt, einige Stellen daraus in lieber- setzung mitzutheilen. Nachdem er entwickelt hat, daß und warum er für die Religion weniger von der Demokratie fürchte al- von der stillschweigenden und entehrenden Unter drückung durch die absolute Monarchie, sagt er von den Jesuiten Folgende«: „Und diese Jesuiten, denen die Krone schon vor einem Jahrhundert Alle« gestohlen hatte, die Jesuiten, deren Besitz und Macht man immer so sehr übertrieben bat, selbst zu einer Zeit, wo sie am reichsten und mächtigsten waren, sie, die nur den freiwilligsten Gaben lebten, die r« auf der Welt giebt, wa« ist denn ihr Ver brechen? Wa« ist denn »hr gegenwärtige« ernste« Unrecht, da- man ihnen vorwirfl? Nicht«, absolut nicht« al- ihr Name." Dann fährt er aber fort: Die Väter der OiviltL (der jesuitischen bekannten Zeitschrift in Rom) nöihigen mich, hier eine sehr wesentliche Parenthese zu macken, um festzustellen, daß, wenn ich noch der Abvocat der Jesuiten bin, wie ich e« immer gewesen bin, das nicht heißen soll, daß ich sie alle gleich vorwurfsfrei finde. Ohne ihr Zögling oder Asfilurter gewesen zu sein, bin ich immer, während meine ganzen kämpfenden Leben«, ihr Freund und ibr Vertheidiger gewesen, und ich bin stolz daiauf. Aber im Augenblicke, wo ick ohne Zweifel zum letzten Male einen Schrei auSstoße wie vor 25 Jahren, um ihr Recht zu fordern und ihre Unschuld zu vertdeidigen, bin ich genötdigt, meinen Vorbehalt zu machen. Wenn ich gern plaidire für die Jesuiten Frank reich« und Spaniens, Opfer einer ebenso tbörichten al« verkehrten Verfolgung, so ist e« nicht dasselbe mit denen von Rom, welche jeden Taz e« sich zur Aufgabe machen, indem sie die Kirche und den heiligen Stuhl vertheidigen, zu be schimpfen die Vernunft, die Gerechtigkeit, die Ehre (ä'outrazer I» raison, la justros, I'donuour). Ich kann und will nickt schweigen über die monströsen Artikel der viviltü oattoliea, in diesem Jahre 1868 publicirt, gegen die Freiheit im Allgemeinen und insbesondere gegen die liberalen Katholiken, die, wie ich, dre Naivetät gehabt haben, auf der parlamen tarischen Tribüne da- öffentliche Recht der Jesuiten zur Geltung und zum Triumphe zu bringen im Namen der Freiheit. Denn nach dem Treiben der Oiviltü oatto- lica kann mit der Kirche keine moderne Freiheit bestehen. Nach ihnen ist e« M. RSnan unter den zeit genössischen Publicisten, der zuerst und am besten die Wahr heit erkannt hat, wenu er seit 1848 proelamirt bat, daß die Kirche niemals tolerant gewesen ist und e-niemals sein wird, und daß ein katholischer Liberaler oder eia liberaler Katholik nicht- sei», könne al- ein Heuchler oder ein Dummkops (un d^pooritv ou un sot). Wir Andern, die wir in denselben Jabren 1848 und 1849 da- Recht de- Unterrichte« für die Jesuiten wie für alle andern Franzosen im Namen der Freiheit und der Toleranz reclamirten und erhielten, wir verstanden nicht- davon oder, nm e- besser zu sagen, wir waren nicht guten Glauben-, denn rin liberale» Katholik kann nickt guten Glauben- sein. Wir sind der reckte Gegenstand der Verlachung sowohl seilen- der Katholiken, die nicht liberal, wie der Liberalen, die nicht Katholiken sind. Um der katholischen Sache in der zweiten Hälfte de« 19. Jahrhundert- wohl zu dienen, giebt e- (nach jenen Artikeln der Olviltü) nickt» Bessere-, al- den Augen Europa- der Gegenwart alle jene Theorien und Beispiele der Ver folgung zu entwickeln, welche man im Mittelalter ent decken kann, und sie zu rechtfertigen, indem man sie unter „die Etiqueite" eine- Papste» oder eine» Heiligen stellt. Al- allgemeinen Satz maß man laut und »eti e, klären, daß e« keine moderne Freiheit giebt, die nicht in sich rin« regel widrige, verderbliche und in ihren Wirkungen tövtliche Sache sei; daß die Freiheit» nicht blo» die absolute und schranken lose, sondern jede Freiheit in sich eine Pest ist, eine geistige Pest, vielleicht trauriger al- die körperliche. Da» Ganze, gewürzt mit Eitaten, Definitionen und theologischen Differiatioaen, sagt Folgend«»: ,E» giebt keine gesunde Freiheit, jede Freiheit ist eine Krankheit, e» giebt keine weise Freiheit, jede Freiheit ist ein Wahnsinn (na äSUro): e» giebt keme gute und schlechte Freiheit der Press«, jede Freiheit der Presse ist schlecht in sich; e« giebt keine gare oder schlechte Freiheit de- Gewissen-, e» ist die Freiheit de- Gewisse»-, die ihr« eigne vervammaiß ia sich trägt; «- giebt keine gut« oder schlecht« Freiheit der Eulte, e« ist dir Freiheit der Eulte, welche absolut zurück- gewiesen werdrn muß (rapronr-s ä'aao ouuüdr» ndaolu») uud so weiter für all, Freiheiten, »it denen »au di« uwdenw Gesellschaft gl-rist-irt (wauw 1« Udart-a, iontw 4» krancdisss, toutss les Lwanoipatioas, clout ou gloriüs la sociöi« moderns)." So spricht ein Katholik, ein begeisterter Katholik, der stolz darauf ist, ein Vertheidiger der Jesuiten zeitlebens gewesen zu sein, von den römischen Jesuiten, und um diele bandelt e» sich für un«. Sind sie seit 1868 bei der Stellung, die sie ia der katholischen Kirche gewonnen haben, seil Lyllabu« und Proclamation der Unfehlbarkeit, gegen die Montalembert prolestirt bat, andere geworden? Man be hauptet eS, wer glaubt es? llzpocrits ou sot — Heuchler oder Dummkopf, eS ist eine schlimme-Alternative, die die Jesuiten selbst gestellt haben. Die magyarische Nationalitätenpolitik un- -er Dreibun-. Man schreibt uns: Mit Recht hat der Ar tikel, -en der verfloßene ungarische Minister präsident Banffy in einer magyarischen Zeit schrift über dies Thema in diesen Tagen veröffentlichte, auch in reichsdeutschen politischen Kreisen nicht geringes Aufsehen erregt. Wird doch hier endlich einmal ehrlich ausgesprochen, was das eigentliche Ziel der magyarischen Politik ist, die Baron Banffy mit scrupellosester Brutalität zur Geltung zu bringen suchte, während der feinere SzLll mit Künsten friedlicherer Art vorlieb nimmt. Das Ziel also bezeichnet Banffy mit -er rücksichtslosesten Magyarisirung aller Nichtmagyaren in Ungarn, also auch -er 2 Millionen Deutschen, und er mottvirt dies dem Auslände gegenüber mir -em kühnen Say, daß „für den Dreibund ein polyglottes Ungarn nicht von Werth sein könne". Dabei beruft er sich auf „den großen deutschen Staatsmann", -er ihm (Banffy) gegen über geäußert habe, „er opfere lieber die ohnedies Tag für Tag abnehmenden Siebenbürger Sachsen im Interesse der Schöpfung des einheitlich-magyarischen Nationalstaates, als daß im Vereine mit Len Sachsen durch üte Be friedigung der berechtigten und unberechtigten Ansprüche -er übrigen nach auswärts gravitirenden Nationalitäten der Bildung -es einheitlichen magyarischen Staate- ein Damm gesetzt werde." Es ist höchst bemerkenswerth, daß dieser Satz, -en an geblich der „große deutsche Staatsmann" gesprochen, ans Ende des ganzen Banffy'schen Artikels gesetzt ist: als Hauptargument und als Knalleffect. Man legt also offen bar auch als verbohrtester magyarischer Rafscnpmititcr ein großes Gewicht auf das Urtheil des deutschen Volkes in dieser Sache. Sehr natürlich! Denn ohne die deutsche Freundschaft wüßte Ungarn wirklich unmög lich, wohin es sich um Sympathien wenden sollte, die für diesen Staat auch von realpolitischem Werth wären. Erfreulicherweise ist bekanntlich von Berlin schon „von autoritativer Seite" nach Pest telegraphirt worben, -aß Reichskanzler Graf Bülow, bei aller beson deren Werthschätzung der Magyaren als wesentlichster Stütze deS Dreibundes in Ungarn, die Bemerkung über die Preisgabe der Siebenbürger Sachsen nicht gemacht habe. DaS ist wichtig! Denn nicht immer hat man eS in Berlin für opportun befunden, zu declariren, daß man sich in Pest nicht auf dieBilligung der führenden deutschenPolitiker berufen dürfe, wenn man dem Deutschthum in Ungarn ans Leben wolle, ja, cs hat sich in Ungarn gar oft sehr deutlich gezeigt, daß man unter dem Schutze des Bündnisses mit Deutschland seine Magyaristrungsgeschäfte besorgte, ohne daß man diese systematische EntnationalisirungSarbeit von „maßgebender" Seite in Berlin auch nur bemerken wollte. Dann folgte sogar die kühne Berufung eines magyarischen OfftciosuS, darauf, „der germanische Kaiser habe jenseits der Leitha alle- Deutschthum aufgegeben, nun könnten die Magyaren Alle- thun", und die Behauptung wurde immer dreister wiederholt, bi- nun endlich Baron Banffy gerat zu und in wörtlich angeführter Rede die „Opferung der Siebenbürger Sachsen" — durch den „großen deutschen Staatsmann" behauptete, — da kam dann der officivse Wasserstrahl von Berlin ganz sebr L propos und eS ist doch zu hoffen, daß er, so direkt auf die Hitzköpfe der Magyari- sicrungSfanatiker gezielt, seine Wirkung nicht verfehlen wirb.*) Was die Sache selbst anlangt, so muß doch zunächst test gehalten werden, baß die Siebenbürger Sachsen an Zahl nicht „von Tag U Tag abnehmen". Wie gerade die letzten statistischen Ausweise bestätigen, nehmen sie im Gegcntheil, wenn auch langsam, so doch stetig an Zahl zu; obendrein geben sie eine relativ ganz erhebliche Kopfzahl nach Bukarest, nach Wien und Pest und leider sogar auch nach Amerika ab. Bon einem Rückgang des zähen V chenS kann absolut keine Rede sein, und dasselbe würde sich selbst von einem deutschen GtaatSmanne ganz unmög lich „opfern" lasten. Wie sich vollends die Banater Schwaben „von Tag zu Tag" vermehren, kann jeder Besucher -es Landes mit eigenen Augen sehen. WaS endlich die Tendenz -eS ganzen, höchst sympto matischen Artikels de- Baron» Banffy anlangt, so ist diese vollständig irreführend. Gerade die unsinnigen MagyaristrungSbestre-ungen schwächen Ungarn tm Innern, weil da» vertrauen in die Ttaatsregierung bet den Nichtmaqyaren immer allgemeiner schwindet, dabei aber an eine wirkliche Einschmelzung dieser großen Volks- masten in den Körper des Magyarenthums immer weniger -u denken ist, je mehr die nationale Leidenschaft der magy arischen Ultras bas nationale Bewußtsein der Nichimagy- aren weckt. Also gerade umgekehrt steht die Sache: nicht die Magyarisirung ist eine Borbedingung sür die er höhte Bündnttzfähtgkett Ungarn», sondern der magnarische Fanatismus wirkt aus die tunerpolitischen Verhältnis^ des Landes sichtlich zersetzend, indem er alle centrtfugalen Kräfte systematisch rege macht, dadurch das Land schwächt und die Mehrzahl der Bevölkerung auch -em Bündntste *) Anmerkung der Redaction: Baron Banffy scheint, da er von dem, nicht von „einem", großen deutschen Staat»- mann, spricht, den Fürsten Bismarck gemeint zu haben. Die Ml^li^it, da^dieser sich ähnlich ausg«sp»ch«n hab«, ist mit Deutschland und dem Dreibund entfremdet, unter dessen angeblichem Schutze die Sisyphusarbeit am Ausbau des utoptstischen „magyarischen Nationalstaates" betrieben wird. Es liegt demnach, bei richtiger Erwägung der thatsächlichen Verhältnisse, auf der Hand, womit Len Interessen des deutschen Reiches mehr gedient wird: dnrch stillschweigende Ermuthigung der magyarischen Poli tiker im Stile Banffy's, oder durch eine Politik, die mit der Empfindlichkeit der Magyaren, soweit sie berechtigt ist, wohl auch rechnet, dabei aber ebenso genau zu verstehen giebt, daß auch der Deutsche, selbst wenn er ein Staats mann ist, — empfindlich zu sein versteht. Graf Bülow hat, wie cs scheint, mit dem Dementi der verwegenen Behauptung -cs Freiherrn von Banffy in dieser Richtung einen guten Anfang gemacht; alle Deutschen können ihm dafür nur dankbar sein, und nicht minder die Magyaren, wenn sie eingesehen haben werden, vor welchen Thorheiten sie die deutsche Diplomatie zu schützen vermag. Der Krieg in Südafrika. Spion Kap-Nachklänge. Die unliebsame Spion Kop-Affaire läßt sich durch nicht« au« der Welt schaffen. Sie lebt immer wieber auf und nachdem durch die wenig schöne briefliche Campagne zwischen dem Minister Balfour und dem Helven Buller veranlaß!, die Regierung die gesummten Dokumente über die militärisckeu Operationen vom Januar 1900 an der Tugela veröffent licht bat und man allgemein glaubte, die Fehve sei beigrlegt, meldet sich plötzlich Sir Cbarle« Warren, der so arg getavelte Unterführer jener Tage selbst und enthüllt die wunversame Tbatsache, daß da« jüngst herausgegebrne Weißbuch der Regierung auch wieder nicht vollständig ist, sondern daß wicktige Corresponbenzen weggelass.n worden find und vei- langt zu seiner Rehabilitirung nunmehr seinerie>t« die Ver- Lljentlickung der complrte» Schriftstücke über die Spion Kop- Begebnisse. Der in England zurückgezogen lebende er-General richtet ein Rundschreiben an die gesammte Londoner Presse, welche« «r mit einem Hinweis darauf, daß er volle zwei Jadie geschwiegen und sich alle« Abkauzeln ruhig habe gefallen laffen, emleitet. Er erklärt dann aber die geradezu erstaunliche Tbatsache, daß auch diese« anscheinend alle Corresponvenzen enthaltende Weißbuch nicht complet sei und verlangt zu seiner und seiner damaligen Untergebenen Rechtfertigung, vaß die Regierung alle Einzelheiten veiöffenllicke und e« werbe sick bann zeigen, daß er doch nicht so anscheinend unbegreiflich fahrlässig die Schuld an dem Fehlschlägen der Operaiionen trage. Er läßt durckblicken, daß, fall« die« nicht ge schehen, er seinerseits nicht länger schweigen werde, um seine und seiner Leute militärische Reputation zu wahren. Wahrscheinlich hatte die Regierung nicht erwartet, vaß Warren selbst auch noch unbequem werden würbe, und im Vertrauen auf fein Schweigen sind einfach wichtige Depeschen weggelassen worden, ohne daß da« Fehlen derselben auch nur angedeuiel würbe. Wenn e« schon unrecht war, daß ein Minister sich mit einem verabschiedeten General auf eine Kontro verse rinließ, so war e« geradezu verwerflich, den Namen eine« anderen ia den Staub zu treten, nur um Buller eine» Streich zu spielen. Brobrick wirb nunmehr darauf zu antworten baben, WaS auSgelaffen worben ist, unv die unliebsame Affaire ist durch Vie Unklugheit und kindliche Vertrauensseligkeit de« Ministerium« in ein Stadium ge treten, in welchem die Erbitterung auf allen Seiten schonungslos Dinge an« Licht bringt, die langst der Vergangenheit an- gehören könnirn und sollten. Man schreibt uns hierzu noch aus Lon don, 22. April: General Sir Charles Warren ist dem Herrn Brodrick mit seinem an die englische Presse gerichteten Rundschreiben, Las eine scharfe Anklage gegen die Regierung enthält, recht un bequem geworden, und der Krtegsminister hat ihm daher auch ohne Verzug mittheilen laffen, daß er, der General, unter keinen Umständen jenes ergänzende Schriftstück auf eigene Faust veröffentlichen dürfe, welches er nach seiner Entfernung auS der bis August 1900 innegehabten Com- mandostellung in Rechtfertigung seines Verhaltens am Spion-Kop an den Lor- Roberts richtete, und welches das Kriegsamt sich jetzt bekannt zu geben weigert. Da Mr. Brodrick mit der Veröffentlichung der Spion-Kop- Depeschen bereit» so weit gegangen ist, so bleibt cs un verständlich, warum er gerade die Rechtfertigung des am schwersten angeklagten und belasteten Generals nicht be kannt geben will, und die Bermuthung liegt daher nahe, daß wieder -er eine Mann geopfert wird, um einen an deren, bester angeschriebenen, vor weiterer Blamage zu be wahren, wer immer dies auch sein mag. Jedenfalls räumt der jugendliche Kriegsminister, der nie Pulver gerochen, noch ein Schwert getragen hat, tüchtig unter den alten TronpierS der britischen Armee auf, und hat mit Buller, Warren und General Colville, von weniger bekannten Größen abgesehen, drei der volkSthümltchsten un- be liebtesten alten Soldaten „abgeschlachtet", an die früher der „Mann in der Straße" glaubte, wie man nur an unbesieg bare Kriegshelden glauben kann. Herr Brodrick wird da bet natürlich im Publicum und erst recht in -er Armee nicht gerade beliebter. Sir Charles Warren soll übrigens entschlossen sein, wie man in den Militär-Clubs wissen will, -en Kampf mit Mr. Brodrick und -er Regierung aufzunchmen, da er durch die Veröffentlichung nur eines Theiles der Spion- Kop-Depeschen und durch die willkürliche Unterdrückung seiner eigenen betreffende» dienstlichen Meldungen und AuSlassungen, sowie seiner Verteidigung sich dtrect brüskirt und herunteraesetzt fühlt. Wahrscheinlich wird sich also in der nächsten Zeit da» jämmerliche und so wenig würdige Schauspiel wiederholen, daß ein alter General, der immerhin in verschiedenen Feldzügen und Dienst stellungen sich ausgezeichnet hat, eine persönliche Campagne gegen seine höchste vorgesetzte Behörde und gegen die Re gierung selbst eröffnet, weil er nicht Lust hat, sich -um un brauchbare» Rarren vo« vrodrtck's Gnaden stempel« zu lassen, desselben Mr. Brodrick, der für seinen so ungeheuer wichtigen und verantwortungsreichcn Posten als Kriegs- u.inister keine anderen Qualifikationen aufzumeisen hatte, als seinen persönlichen Fleiß und guten Willen uud . . . seine nahe Verwandtschaft zum Chef des Familieneabiuets, Lord Salisbury. Die Londoner Presse verurtheilt einstimmig dieses fort währende in die Oeffentlichkeit zerren intimer militärischer Angelegenheiten, deren Kenntniß dem Volke keinen Nutzen bringt, und deren Breittreten die ohnehin auf schwachen Füßen stehende Disciplin im britischen Heere erst recht ins Schwanken zu bringen geeignet ist. Die „Morning Post", dos Organ der Konservativen, verurtheilt die Veröffent lichung von amtlichen Depeschen, welche tadelnde Kritiken über gewisse Generale enthalten, im Princip nnd durchaus, und bemerkt dazu: „Ein commandireuder General mutz natürlich das Recht haben, seine Unterführer nach Gut dünken und Belieben im Felde anzustellen und bann nach her über die Leistungen und Mißerfolge derselben nach London rückhaltlos zu berichten, — aber andererseits sollten unsere Officiere vor dem Schicksal bewahrt und be schützt werden, daß derartige ihnen nach Verdienst zu fallende Kritiken nicht veröffentlicht werden, es sei denn, ein gerichiliches Verfahren von allgemeinem Interesse verlange dies." DaS Regierungsorgan „Standard" sagt: „Wir haben thatsächlich schon mehr wie genug gehabt von dem Waschen unserer schmutzigen Wäsche eornm publioo, und die ganze Nation wird dem Wunsch der Regierung zustimmen, von jenen Zänkereien nichts mehr zu hören, die aus einer der am wenigsten gloriosen Episoden des ganzen Krieges rcsultiren. * London, 24. April. (Telegramm.) Die Minister Wnn dH am und Lonq hielten gestern ia der Provinz Reden, in Lenen sie be. tonten, daß der Herstellung Les Friedens in Südafrika noch große Hindernisse im Wege ständen. Die Boeren müßten erst ihre Niederlage anerkennen und alle Versuche aufgeben, England um die recktmSßlgrn Früchte de« Sieges bringen zu wollen. Wenn sie die neue Lage frrimüthig und ehrlich annebmen, so würden sie finden, daß sie nickt« verloren haben. — Eine Durbaner Depesche meldet, Botha habe bereit« seinen Abteilungen im Bezirk Bry» Heid den Bericht über die Beratung mit Milner und Aachener in Pretoria zur Begutachtung unterbreitet. * Balmoral (Südafrika), 23. April. «Reuter.) Reitz und Jacobs, die Luca« Meyer nach Silberminenwald begleitet hatten, wo er am Sonnabend mit den dort stetenden Boeren zu- sammentrcffen wollte, kehrten gestern nach Balmoral zurück und reisten soiort nach Pielersborg weiter, um mit dem Borrenführer Beyer« daselbst zusammenzutrrffen. Deutsches Neich. /j. Berlin, 24. April. (Die Entschädigung der Mitglieder der Zolltarife om Mission.) Nachdem der „Gesetzentwurf, betreffend die geschäftliche Be handlung des Entwurfes eines Zolltarifgeseyes" im Reichs tage eingegangen ist, beeilt sich das socialdemokraiische Centralorgan, über „W u ch er d i ä t e n" zu zetern, weil diesem Gesetzentwurf zufolge die Miiglieder der Zolltarif- Commission für die außergewöhnliche Inanspruchnahme während der Unterbrechung der Plenarverhandlungen des Reichstages eine Entschädigung von je 2400 erhalten sollen. Der „Vorwärts" thut dabei so, als ob die „Zoll arbeit" als solche entschädigt werden soll und als ob alle übrige Thötigkeit des Reichstages vom Bundesrathe für zu unbedeutend erachtet werde, um eine Entschädigung an gezeigt erscheinen zu laffen. Eine derartige Beweisführung setzt sich über den Hauptpunkt vollkommen hinweg, darüber nämlich, daß die Zolltarifcommission während der Unter brechung der Plenarverhandlungen deS Reichstages zu arbeiten haben wird. Der „Vorwärts" macht des Weiteren Artikel 82 derRcichSverfassung gegen die Ent schädigung der Commissionsmitglieder geltend: im Hinblick auf ihn sei es verfassungswidrig, die Eom- missionSmitglieder zu entschädigen. Der ungezogene Artikel bestimmt allerdings: Die Mitglieder des Reichstages dürfen als solche keine Besoldung oder Entschädigung be ziehen." — Aber Artikel 78 der Verfassung setzt fest: „Ver änderungen der Verfassung erfolgen im Wege der G.jey- gebung. Sie gelten als abgelehnt, wenn sie im Bundcs- rathe 14 Stimmen gegen sich haben ..." Da nun der Bundesrath, wie in dem fraglichen Gesetzentwürfe üblicher weise bemerkt ist, den Gesetzentwurf über die geschäftliche Behandlung des Zolltarifgesctzes beschlossen hat, liegt auf der Hand, daß die erforderlichen 14 Stimmen dagegen nicht abgegeben worden sind. Ist damit das Berfassungc,- bedenken des „Vorwärts" erledigt, so erscheint der weitere Versuch deS socialdemokratischen Centralorgans, das Centrum gegen die P a u s ch a l - Entschädigung der Zolliarif-ConnnissionSmitglieder scharf zu machen, aus sichtslos. Freilich hat die CentrumSprefse eine Zeit lang lebhaft die Forderung erhoben, daß bet dieser Gelegenheit allgemein die Gewährung von Diäten durchgeseyt werden müsse; und Graf Ballcstrem soll sich, wie unwidersprochen berichtet wurde, geweigert haben, bei der Veriheilung des Pauschale, auf die einzelnen Mitglieder der Commission, die zu Zeiten wechseln, mitzuwirken. Inzwischen jedoch ist eS in der CentrnmSpreffe betreffs der Forderung nach allgemeinen Diäten ganz still geworden; und auch die Frage der Berthetlung deS Pauschales auf die einzelnen Com- Missionsmitglieder ist jedenfalls unter Zustimmung des Grafen Ballcstrem gelöst worden. Diese Frage wurde bet der Borberathung der RetchSjustizgesctze, die, ähnlich wie beute, in den Jahren 1874 und 1876 zur Entschädigung der JustizcommissionSmitglieber durch ein Pauschale von je 2400 führte, ebenfalls berührt. Wie W i n d t h o r st sich dazu stellte, hat er in -er R e ich stag S s t tzu n g vom 18. December1874 ausgestirochen, indem er nach dem stenographischen Berichte u. A. sagte: „Ob ein Pausch- quantum oder ob Tagesdiät««, ist für »ich kein« f«hr
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder
Erste Seite
10 Seiten zurück
Vorherige Seite