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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 08.08.1904
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1904-08-08
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19040808016
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1904080801
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1904080801
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1904
- Monat1904-08
- Tag1904-08-08
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Anzeigen-PreiS die 6gespaltcne Petitzeile 25 Reklamen unter dem Redaktionsslrich (4gespalten) 75 nach den Familiennach- richten (6 gespalten) 50 Tabellarischer und Ziffernsatz entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisungen und Ossertenannahme 25 />Z. Annahmrschlutz für Anzeigen: Abend-Ausgabe: vormittags 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: nachmittags 4 Uhr. Extra-Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbeförderung 60.—, mit Postbeförderung 70.—. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Tie Expedition ist wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis abends 7 Uhr. Truck und Verlag von E. Pol; in Leipzig (Inh. 0r. V.,R. L W. Klinkhardt).^ Montag den 8. August 1904. 98. Jahrgang. Var wichtigste vom Lage. * König Georg vollendet heute sein zwei undsiebzigstes Lebensjahr. * KaiserWilhelm ist gestern gegen Mittag von Bergen nach Odde abgereist. * Man wird, wie offiziös verlautet, damit zu rechnen haben, daß im Reichshaushaltsetat für 1905 die Forderungen für den Reichszuschuß zur In- Validenversicherung wiederum eine Steige rung in einer Höhe erfahren wird, die den Mehr forderungen der letzten Jahre entspricht. * Unweit Bahnhof Bertsdorf stießen gestern nachmittag 2 Uhr zwei Personenzüge zu- sammen, wobei eine Person getötet, 14 ver letzt und viel Materialschaden angerichtet wurde. * Das Prisengericht in Wladiwostok hat dahin entschieden, daß der englische Dampfer „Knight Commander" rechtmäßig beschlagnahmt und versenkt worden ist. * Das europäische Geschwader der Per- einigten Staaten ist gestern früh von Villafrance nach Smyrna abgegangen. kr lebe üer siönig! In dieser Zeit der Standesverschiebungen und -Bil dungen ist manchmal ein leidiger Mangel an Konsequenz zu beobachten. Häufig genug ertönt die Forderung des bewußten Bürgertums um größere Berücksichtigung und Würdigung nach seiner Bedeutung und seinen Leistungen für den Staat und die Gesellschaft. Es fordert Gleichbe rechtigung auf allen Gebieten, in der Verwaltung wie im Heere. Und dies Verlangen ist begründet, seine Erfül lung sogar eine Notwendigkeit, um die fähigsten Köpfe — fähig in jedem Sinne — zur Leitung der staatlichen Ge schäfte heranziehen zu können, um am letzten Ende ein in seinen Zielen einiges Volk von Individualitäten heranzu bilden. Jeder Mann an seinen Platz, ruft das Volk, und nie ist ein berechtigterer Wunsch laut geworden. Denn in ihn: offenbart sich die unbegrenzte und unbeschädigt ge bliebene Achtung des Volkes vor der Gerechtigkeit und die Sehnsucht nach ihr. Absolute Gerechtigkeit ist ein Ideal, nie erreicht und nie erreichbar. Deshalb ist es zwar verständlich, aber falsch, dem Staate aus jedem Kontrast zwischen diesem Ideal und der Wirklichkeit einen Vorwurf zu machen. Was zu verlangen und zu erreichen ist, das ist der feste gute Wille der Negierenden, „ohne Ansehen der Person", d. h. richtig, ohne Ansehen der Abstammung, des Werde ganges und der materiellen Güter, zu sichten und zu wäh len ,wobei sich das Moralische auch hier immer von selbst versteht. Daß dies heute noch lange nicht in dem wün schenswerten und erreichbaren Maße geschieht, ist richtig. Die auf dem Papier gestrichenen Vorrechte des Adels z. B. blühen in der Praxis mit verblüffender Selbstverständ lichkeit weiter — jeder Blick in die Rang- und Quartier- listen bestätigt das. Und diese betrübende Wahrnehmung stützt sich nicht auf difficile Berechnungen, nicht auf Bruchteile von Prozenten, nicht auf üble Paritätssucht und Verehrung der Schablone, sondern auf augenfällige, krasse und verletzende Bevorzugung gewisser Dolksele- mente. Auch ist sie nicht das Produkt instinktiver Aus wahl, sondrn systematische Hebung, natürlich nicht so zu verstehen, daß irgendwo geheime Erlasse mit der Rand bemerkung „streng vertraulich" existierten. Aber daß es so ist, kann nicht bestritten werden, und es ist ebenso tvahr, daß cs schädigend wirkt, nicht zum mindesten auch auf die den Gründen unzugängliche Seele des Volkes, auf sein Verhältnis zum Staat. Ter Ruf nach Gerechtigkeit im Sinne einer unpartei ischen Berücksichtigung der Begabungen ist oft ertönt und beinahe ebenso oft ungehört verhallt. Nur schneckengleich ist das Tempo des Fortschritts auf dem Gebiete, und noch immer sehen wir mit Schmerzen die Talente verkümmern oder in die Opposition gedrängt, weil ihnen kein Platz zum positiven Sänften gegeben wird. Aber bei den Klagen über diese fast unabänderlich scheinenden Zu stände wird eins in der Regel vergessen: daß eine Voraussetzung für die Gewährung der geforderten Gleich berechtigung die freiwillige Uebernahme von Pflichten ist, daß die Versagung auch eine Folgeerscheinung und zwar iin Wesentlichen eine Folge der Sünden des Bürger tums. Unter solchen Sünden ist zu verstehen die immer noch zu sehr geübte Zurückhaltung von der Arbeit für die Gesamtheit. Nickst als Lasten, sondern als Ehre muß empfunden werden, was vom einzelnen für das Ganze gefordert wird, und gefordert wird vor allem von jedem das volle Einsetzen seiner Person für die Aufgaben der Oeffentlichkeit, auch wenn kein uniformierter Diener des Staates mit seinem Zwang dahinterstcht. Der Staat muß zur Anerkennung der Bedeutung des Bürgertums noch viel mehr gezwungen werden, das Bürgertum muß bewußt und machtvoll in die Reihen der Lenker eindringen und dort seine Anschauungen zur Wirkung kommen lassen. Eine zweite Verfehlung dieser Art, und gewiß nicht weniger bedeutungsvoll, ist die lange nicht energisch ge nug betonte Stellung zum Monarchismus und zum Mo narchen. Gewiß — das Bürgertum ist königstreu, aber nicht überall in der intensiv persönlich gefärbten Weise, welche mit der Selbstverständlichkeit die „pupillarische Sicherheit" verleiht. Die Selbstverständlichkeit ist kein gängiger Begriff mehr, aber deshalb sind die argen Ver stöße und Torheiten, die auf der Tagesordnung stehen, noch lange nicht zu entschuldigen. Wie kann man vom Staate Gleichberechtigung verlangen, wenn man unter Umständen bereit ist, die Erfordernisse dieses Staates zu verpassen? Einen Umstürzler wählen und zu gleicher Zeit den Anspruch auf Ministerposten proklamieren, ist ein Unding, das mit der Logik nichts zu tun hat. Und mit dem Royalismus ist es ebenso. Ans der Ueberzeugung von seiner Notwendigkeit muß das Gefühl freudiger Be jahung auch dort erwachsen, wo nicht die Tradition in gleicher Richtung und Stärke wirkt. Auch in unserer Zeit hat das Volksheer noch die Nebenbestimmung einer Leib- »vache, und gerade dieser Charakter trägt wesentlich zu seiner Gliederung bei. In unserer kritischen und aufgeregten Periode ist der Wert der poesievollen Gedankenlosigkeit recht gering. Um so notwendiger ist die klare Erkenntnis der Zusammen hänge und ihre Benutzung. Wir brauchen Klarheit und freudiges Bekenntnis zu ihrer Lehre. Und deshalb ist dem Bürgertum ein volleres Erfassen des Königsgedan kens zu wünschen, deshalb ist dies Erfassen eine Voraus setzung für die Erfüllung seiner eigenen Hoffnungen. Manchen Orts niag das offene Bekenntnis zum Roya- lismus erschwert sein durch Umstände und Persönlich keiten. Aber selten lxit es ein Volk leichter gehabt, in seinem Könige seine eigene Zukunft zu lieben, als bei uns in Sachsen. Nach der langen Negierung eines Königs Albert, dieses Gentleman auf dem Thron, König Georg, der in den wenigen Jahren seit seiner Berufung gezeigt hat, wie man aufrecht und gerade auch schwierige Wege zu gehen hat, und wie das Regieren so ost im Opfern der eigenen Person besteht. In Wirrnissen bösester Art hat er mit sicherer Hand die allein möglichen Lösungen gefunden, auf ihn ist der Wille zur Reformierung des Wahlrechts zurückzuführen, und ihm soll nicht vergessen werden, was er dem Glauben seines Volkes zu Liebe ge tan, als in anderen Landen die Berufenen im Kampf um die Jesuiten müde geworden waren. ' Heute ist des Königs Geburtstag. Zweiundsiebzig Jahre seines Lebens sind verflossen. Heute ist wieder eine Gelegenheit für das sächsische Volk, seinen Ruf der Ver ständigkeit und der Zuverlässigkeit zu wahren. Wer für den Staat ist ,ist für den König, und wer für den König, ist für das Volk. Durch ganz Sachsen schalle der Ruf gleich einem Schwur: Es lebe der König! vrr lurzirch-japanirche Isrieg. Vie deutsche Regierung und da» Seekrieg-recht. Die Angelegenheit des von den Russen versenkten Dampfers „Thea" rst noch nicht geklärt. Borläufig kann man die Schwierigkeiten annähernd übersehen, die mit der Entscheidung dieses Falles verbunden sind. Es hat sich herausgestellt, daß die „Thea" zweimal gechartert wurde, sie ist nach dem ersten Ab- tommendurch einen neuen Bertragin andereHände übergegangen. Außerdem scheint nach den bisherigen Ermittelungen die Ladung weder amerikanischen noch^ englischen Ursprungs zu sein, sondern japanischer Besitz. Sie bestand zudem nur m kleinerem Umfange auS Fischen, zum größten Teil aus Schwellen für Eisenbahnen. (!) Nach dem vorläufigen Re sultat dieser Ermittelungen steht der Fall nicht einfach und man wird mit dem Urteil zurllckhalten müssen, bis die Details vorliegen. Eine Kundgebung des Berliner Auswärtigen Amtes hat man wohl in der folgenden Auslassung der „Südd. Reichs- Korr." zu erblicken: Es ist sehr natürlich, daß durch die jüngsten Maßregeln von Schiffen einer kriegführenden Macht gegen neutrale Handelsfahr zeuge der Wunsch nach neuer grundsätzlicher Regelung des inter nationalen Seerechts hervorgerufen wird. Weshalb aber, wie in der liberalen Presse verlangt worden ist, gerade Deutschland zur Ein- berufung einer Konferenz über diese Fragen die Initiative ergreifen sollte, möchte nicht leicht zu begründen sein. Die Belästigungen unserer Schiffahrt während drS gegenwärtigen Krieges zwischen Ruß- land und Japan werden nach den Umständen der einzelnen Fälle diplo matisch verfolgt; wir sind aber vorläufig weniger in Mitleidenschaft gezogen, als andere Staaten. Daß cs gerade auf deutscher Seite an grundsätzlicher Bereitwilligkeit zur Fortbildung des Seerechts nicht fehlt, ist aus den Erklärungen zu entnehmen, die am 1V. Januar 1900 Graf Bülow vor dem Reichstage abgegeben hat. Ter Reichskanzler formulierte damals die deutsche Auffassung der betreffenden seerechtlichen Fragen mit aller Bestimmtheit, die nach der in Einzelpunkten unsicheren Lage des Völkerrechts möglich ist. Die Forderung einer dem neutralen Handel günstigen Reform der geltenden Theorie und Praxis war damit öffentlich auf- gestellt. Einen nennenswerten Widerhall haben aber, nach Er ledigung der zu jener Zeit vorliegenden Etnzelfälle, diese An- regungen nicht gefunden, und auch gegenwärtig ist die Neigung zur Einführung grundsätzlicher Verbesserungen im Seekriegsrecht zu gunsten der Neutralen überall nicht sehr groß; im letzten Grunde wohl deshalb, weil, wie der britische Premierminister am 28. Juli im Untcrhause bemerkte, der heutige Kriegführende morgen Neu traler, der heutige Neutrale morgen Kriegführender ist. Tie Aus gabe der Diplomatie bleibt darum nicht minder, Sorge dafür zu tragen, daß die Einzelfälle ex justo et aeguo beigelegt werden, und dies ist bisher durch Fernhaltung prinzipieller Streitigkeiten erleichtert worden. Vie „Malakka",Affäre. ist nun endgültig erledigt. Der Dampfer „Malakka" hat den Hafen von Algier mit der Bestimmung nach Port Said wieder verlassen Deutsches Keich. Berlin, 7. August. * Znm neuen Mirbach-Falle geht dem „Reichsboten" folgende anonyme „Information" zu: „Tie Veröffentlichung des „Leipziger Tageblatts" wird den Feinden Mirbachs keine Freude machen; wie wir aus zuverlässiger Quelle erfahren, ist man an maßgebender Stelle über den Anariff des Leipziger Blattes sehr entrüstet. Die Herren in Leipzig, welche dem Oberhofmeister etwas am Zeuge flicken wollten, hätten die Sache etwas geschickter anfangen und nicht die Herren Staats minister Heutig und Generalmajor Huene mit der Angelegenheit in Verbindung bringen sollen. Der dreifache Angriff auf diese Ehrenmänner hat dem Fasse den Bode» eingeschlagen, ganz selbst verständlich teilt man an maßgebender Stelle die Ansicht des Frei herrn von Mirbach, daß er gegen das Leipziger Blatt, das mit seiner Veröffentlichung sich nur selbst geschadet hat, nicht zu klagen hat." Das schlägt allerdings dem Fasse den Boden aus! Wir fragen öffentlich den „Reichsboten", wie die ihm sekun dierenden Blätter: wo und wann ist von uns gesagt worden, daß die Herren Staatsminister Heutig und General major Huene auch nur das Geringste zu tun hätten mit dem vom Prinzen Sayn-Wittgenstein behaupteten Versprechen des Frhrn. v. Mirbach, seiner bürgerlichen Braut den Prin zessinnentitel zu verschaffen? Niemals und nirgends, denn die beiden Herren haben mit dem Mirbachschen Versprechen nicht das Geringste zu tun. Für die Kampfesweise der „Reichsboten"-Männer ist diese offenkundige Fälschung des Tatbestandes aber sehr charakteristisch! * Wirrnis und Widerspruch im sozialdemokratischen Lager. Unter der Uebcrschrift „Wirrnis" wettert der „Vor wärts" gegen den Berliner sozialdemokratischen Führer Dr. Friede berg, der in einer Riesenversammlung an der ganzen gegenwärtigen Parteileitung, die ihm viel zu zahm ist, kein gutes Haar gelassen hat. Es hat ja allerdings etwas höchst Humoristisches, wenn in demselben Augenblicke, wo der „Vorw." eine „Verschwörung gegen das allgemeine Wahlrecht" entdeckt und eine ungeheuere Erregung über diese Niederträchtigkeit der Reaktion markiert, ein Sozialdemokrat unter dem Beifall von Tausenden erklärt: „wir werden dem allgemeinen Wahlrecht keine Träne nach weinen". Wenn innerhalb der Sozialdemokratie ein der artiger Widerspruch über das allgemeine Wahlrecht besteht, dann ist sie an letzter Stelle berufen, sich als Hüterin dieses Volksrechts anfzuspielen. Nicht genug aber, daß der „Vorw." den Widerspruch zwischen ihm und dem Vr. Friedeberg feststeUt, so befindet er sich in dieser Frage auch im Widerspruche mit sich selbst. Er sagt nämlich in der Polemik gegen Friedeberg: „Wenn einmal, was wir für ausgeschlossen halten, es der Reaktion gelingen sollte, in Deutschland das Wahlrecht zu stürzen . . ." Als neulich der „Vorw." jene Verschwörung gegen das Wahlrecht „entdeckte", da forderte er die deutsche Arbeiter schaft zur Verteidigung auf, und tat so, als ob seiteus der bürgerlichen Parteien dieses Wahlrecht außerordentlich gefährdet wäre. Heute ist seiner Ansicht nach die Beseitigung und Kürzung des allgemeinen Wahlrechts in Deutschland angeschlossen. Dies ist ja unsere Ansicht auch, aber wir fragen den „Vorw." ergebens! an, durch wen das Wahlrecht geschützt und seine Beseitigung verhindert wird. Es ist ihm ja doch bekannt, daß die Sozialdemokraten im Deutschen Reichstage noch nicht ganz ein Fünftel der Mandate inne haben. Wenn also das allgemeine Wahlrecht, sei e« durch eine Vorlage der Regierung, sei es durch einen Initiativantrag angegriffen werden sollte, so müßten, um den Ansturm abzuwehren, zu den 78 Sozial demokraten noch 122 — also um mehr als die Hälfte mehr — Abgeordnete der bürgerlichen Parteien Hinz »tret en. Da der „Vorw." sagt, die Beseitigung des Wahlrechtes sei ausgeschlossen, so nimmt er selbst an, daß sich mindestens so viele bürgerliche Abgeordnete finden würden. Es verlohnt Wohl, dies gegenüber seinen Alarm rufen festzustellen. * Tie neuen Han-elSvertriigt. Die „Südd. Reichs- Corr." schreibt offiziös: „Mit Recht ist von mehreren Seiten darauf hinaewiesen worden, daß die in der Presse auf getauchte Anregung, den deutsch-russischen Handelsvertrag dem Reichstage isoliert in einer außerordentlichen Session zu unterbreiten, Wohl nicht den Absichten der Regierung ent spreche. Es sei daran erinnert, daß der Reichskanzler beim Festmahl des deutschen Landwirtschaftsrats am 11. Februar ds«. Js. gesagt hat: „Wann die neuen Handelsverträge dem Reichstage vorgelegt werden können, läßt sich heute noch nicht angeben. Die Handels verträge, wenigstens die wichtigsten, hängen untereinander auf das engste zusammen. ES ist deshalb nicht wahrscheinlich, daß einer der neuen Handelsverträge bekannt gegeben wird, bevor auch die anderen Verhandlungen wenigstens im wesentlichen zu Ende geführt sind. Die Gründe hierfür liegen so sehr auf der Hand, daß ich sie nicht näher darzulegen brauche." Diese Gründe gelten auch jetzt noch. Es ist in Aussicht genommen, die neuen Handelsverträge, wenigstens die wich tigeren, dem Reichstage möglichst vollzählig zn gleicher Zeit vorzulegen. Die bereits abgeschlossenen Verträge müssen einstweilen au« sachlichen Rücksichten^ aus die noch nicht er ledigten Verhandlungen mit anderen Staaten geheim gehalten I werden. Ueber die weitere Entwicklung der noch schwebenden > handelspolitischen Unterhandlungen lassen sich nur Mut-1 maßungen ausstellen. Falls die Arbeiten für den Handels vertrag zwischen Oesterreich-Ungarn und Italien noch längere Zeit in Anspruch nehmen sollten, käme vielleicht für Deutsch land zunächst eine Wiederaufnahme der Verhandlungen mit der Schwei; in Frage. Der Vertrag mit Rumänien könnte, wenn nicht unerwartete Zwischenfälle eintreten, wohl gegen Mitte August zum Abschluß reif werden. * Gesetzentwurf betr. Wohuungspftege. Der bereits er wähnte preußische Entwurf eines Gesetzes der Woh nungsverhältnisse nebst Begründung enthält 6 Artikel. Artikel 1 umfaßt die Bestimmungen über Baugelände und Straßenkvftenbeiträge, Artikel 2 Bebauung der Grundstücke, Artikel 3 Bau- und Grundabgaben und Besteuerung, Artikel 4 Benutzung der Gebäude, Artikel 5 Wohnungsaufsicht und Artikel 6 Schluß- und Uebergangsbestimmungen. * Aus Tentsch-Lstafrika. Der kaiserliche Gouverneur von Deutsch-Ostafrika, Graf v. Götzen, telegraphiert der Deutschen Kolonialgesellschaft, daß die am 3. und 4. d. M. in Dar-es-Salaam abgehaltene Landwirtschaftliche Ausstellung einen über Erwarten großen Erfolg erzielt hat. — Ter deutsche Botschafter in Madrid, Wirkliche Geheime Rat v. Radowitz, hat einen Urlaub angetreten. Tie Geschäfte der Botschaft werde» inzwischen von dein Botschaftsrat v. Hum- bracht geführt. — Der preußische Gesandte in Darmstadt Prinz zu Hohenlohe-Oehringen hat einen Urlaub angetreten. — Ter Ehcf der Landgendarmerie, General der Infanterie Frhr. v. Hammerstein-Loxten ist an Stelle des verstorbenen Frhrn. v. Schele zum Gouverneur des Jnvalidenhauses in Berlin ernannt worden. — Invaliden- und Unfallrente. Nach einer Entscheidung des Reichsversichcrungsamts kann nicht die Invalidenrente neben der Unfallrente gewährt werden, wenn die Erwerbsunfähigkeit durch die Unfallfolgen und durch sonstige Schäden hcrbeigesührt worden ist, und diese bei der Unfallentschädigung berücksichtigt worden sind. — Zum Internationalen Kongreß in Amsterdam wurde von den Breslaner Genossen Bernstein und von den Leip ziger Genossen K au tsky und Pollender delegirt. Tie Dresdner Genossen wählten Kaden. * Lübeck, 6. August. Ter langjährige Bürgermeister Senator vr. Brehmer reichte, wie seinerzeit mitgeteilt, vor einigen Wochen aus Gesundheitsrücksichten sein Abschiedsgesuch ein. Tas Gesuch ist vom Senat genehmigt worden. Tie Neuwahl findet am 29. August statt. * Breslau, 6. August. Der 26. Verbaudstag des Zen- tral.verbandes der städtischen HauS- uud Grund besitzer-Vereine Deutschlands nahm heute zunächst eine Reihe von Mitteilungen über Pfandbriefe, städtische und provinziale Hypothekeuinstitute entgegen, be schloß, den im Oktober dieses Jahres in Frankfurt chM. in Aussicht genommenen ersten deutschen Wohnungs kongreß zu beschicken und erledigte verschiedene An träge von Einzelvereinen und vom Vorstand. Tie Rech nungsprüfung führte zur Entlastung des Schatzmeisters. Auf Vorschlag des Stadtrats Rudolph-Leipzig werden die aus scheidenden Vorstandsmitglieder wieder, Herr Stadtrat Fähndrich-Berlin neugcwählt. Zum Vcrbandsdirektor er wählte der ZentralverbandStag wiederum Herrn Baumeister Stadtrat Hartwig-Dresden und ernannte das frühere Vor standsmitglied Herrn Stadtrat GollaS-Berlin zum Ehren mitglied. Der vom Schatzmeister vorgelegte Haushaltplan wird in Höhe von 19 400 genehmigt. Hierauf hielt Herr Or. Großmann-Stettin einen Vortrag über: Die wirtschaft lichcn Einrichtungen der Vdrbandsvereine, und nach Er örterung einiger weniger wichtiger Anträge wird der Ver bandstag geschlossen. Der Breslauer Verein hatte einige festliche Veranstaltungen geboten, welche sich großer Teil nahme erfreuten. * München, 6. August. Der bayerische Landtag wird nächste Woche seine Königsdebatte haben, da die Fraktion der Freien Vereinigung trotz aller Bemühungen ihren Antrag auf Verfassungsänderung, dahingehend, daß die Nzegentschaft auch bei Lebzeiten eines dauernd willenlosen Königs ein Ende finden könne, nicht zurückziehen wollte. Alle Parteien schicken ihre besten Redner für den Antrag ins Treffen. Fluslanck. Großbritannien. * Tic Vereiiiigung der Verwaltung von Lagos und Süd-Nigeria wird seitens der Regierung vorbereitet. Ein wichtiger Schritt in dieser Richtung wurde soeben dadurch vollzogen, daß der König die Ernennung des Oberkommissärs von Süd-Nigeria, Herrn Walter Egerton, zum gleichzeitigen Gouverneur und Höchstkommandierenden von Lagos genehmigt hat. Letztere Stelle war durch die Ernennung des bisherigen Gouverneurs, Sir W. Mac Gregor, zum Gouverneur von Neufundland frei geworben. Herr Egerton wird die beiden Posten so lange bekleiden, bis die Vereinigung der Verwal tungen tatsächlich vollzogen sein wird. Türkei. * Tte Lage tn Makedonien. Nach den letzten Dynamit attentaten gegen die makedonischen Bahnen ist in den Ab sichten der inneren Organisation ein Wandel eingetreten, indem auf Betreiben der Sosianer Zentralleitung beschlossen wurde, von weiteren anarchistischen Anschlägen vor läufig abzusehen und den Bandenchefs insbesondere ein zuschärfen, daß Eisenbahnattentate bis auf weiteres nicht wiederholt werden dürfen. Die innere Organisation soll überhaupt gewillt sein, den Wünschen der Oberleitung in Bulgarien möglichst nachzukommcn und entsprechende Wei sungen an die Führer der Banden erteilt haben. Mehrere Bandenckefs sollen sich anfangs diesen Befehlen widersetzt haben; nunmehr wird es aber als sicher bezeichnet, daß auch dieser Widerstand gebrochen ist, so daß Attentate der mebr- erwähnten Art in der nächsten Zeit nicht zu besorgen wären.
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