Suche löschen...
02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 20.12.1905
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1905-12-20
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19051220021
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1905122002
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1905122002
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Handelszeitung
- Jahr1905
- Monat1905-12
- Tag1905-12-20
- Monat1905-12
- Jahr1905
- Links
-
Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
dazu komme, ist im Interesse Oesterreich-Ungarns dringend zu hoffen und zu wünschen. Die Abberufung des Gouverneurs v. Puttkamer. Aus gut unterrichteten Kolonialkreisen wird uns ge schrieben: „Wie bekannt, ist der bisherige Gouverneur von Kamerun, Jesko v. Puttkamer, zur mündlichen Be richterstattung nach Berlin befohlen worden. Bekannt lich haben die Duallaneger gegen den Gouverneur von Kamerun und das von ihm beliebte Regierungssystem Beschwerde bei der deutschen Regierung eingelegt und ihre Rädelsführer sind dafür von Herrn v. Puttkamer ohne viel Federlesens ins Gefängnis gesteckt worden. Anfragen betreffs seines Vorgehens seitens der vorge setzten Behörde hat der Gouverneur bisher unbeant wortet gelassen, obwohl er diese Anfragen telegraphisch längst hätte beantworten können. In maßgebenden Kreisen der Kolonialverwaltung ist man über dies — milde ausgedrückt — sonderbare Verhalten des Gouver neurs sehr aufgebracht. Sind doch Anfragen, die Dr. Stübel nach Kamerun gerichtet, heute noch unbeant wortet. Es scheint beinahe, es poche der Gouverneur auf seine landesherrlichen Rechte und kümmere sich um die Anordnungen seiner vorgesetzten Behörde wenig. Diese hat ihn deshalb auch sofort abberufen, denn weiter ist die Reise nichts. Die Kolonialbehörde hat bereits ein umfangreiches Material von Beschwerden gegen Puttkamer gesammelt und scheint zur Ueberzeugung ge kommen zu sein, daß die erhobenen Beschwerden be rechtigt sind. Danach ist ein kleiner Kolonialskandal im Entstehen begriffen und der Leiter unserer Kolonial politik, Erbprinz Hohenlohe-Langenburg, wird im Januar Veranlassung nehmen, über das Regierungs system des ehemaligen Gouverneurs dem Reichstage Rede und Antwort zu stehen. Bewahrheiten sich die zahlreichen erhobenen Vorwürfe, so kann sich en die Fälle Peters, Leist, Wehlau, Besser würdevoll der Fall Puttkamer an schließen, der diesen „Fällen" in nichts nachstehen wird. Wir wollen keine Einzelheiten des Puttkamerschen Regie- rungssystems anführen, sie sind zum Teil bekannt und stehen dem Kongosystem nicht nach, entschuldbar und zu verstehen sind sie nur, wenn man den „Tropenkoller" als mildernden Umstand heranzieht. Es ist zu hoffen, daß der neue Kolonialleiter in diesen Fragen die starke Hand nicht vermissen läßt und versucht, solche Sünden der bis herigen, jahrzehntelang bestehenden Kolonialpolitik wieder gutzumachen. Hoffentlich wird er auch endlich mit der kolonialen Protcktionswirtschaft aufräumen, sonst werden die Kolonien niemals gedeihen. Ein Puttkamer war Gift für Kamerun und vordem für Togo. Wäre in Kamerun ein Aufstand ausgebrochen, so würde man sich nicht zu wundern gebraucht haben. Der Zauberer, der hier die Eingeborenen aufgehetzt hätte, wäre der Gouver neur selber gewesen." Deutsches Keich. Leipzig, 20. Dezember. * Neue Kämpfe in Oftafrika. Immer wieder versuchen die Aufständischen deutsche Stationen anzugreisen, aber er freulicherweise werden diese Angriffe regelmäßig und ohne Verluste auf unserer Seite zurückgeschlagen. L>o berichtet jetzt wieder der „L.-A." über Kämpfe bei Liwale und am Kitope-Bera. In der nacht vom 27. zum 28. November griffen Aufständische die Etappenstation Liwale an. Der Angriff wurde aber mit starken Verlusten für die Angreifer zurückgeschlagen. Am 14. und 15. d. M. wurden zwei Stunden von Samauga bereits unterworfene Eingeborene von Kitope-Leuten unter den Aufrührern Munda und Kijomojomo überfallen. Oberleutnant Wagner, der mit zwanzig Askari und zehn Irregulären gegen die Auf- ständischen ausgesandt war, erreichte diese «ach sechsstündigem Nachtmarsch am Kitope-Berg, erstürmte dort nach drei Salven die feindliche Borna und vertrieb den mit Vorder ladern feuernden Feind. Die Verfolgung und Feststellung der Verluste war wegen des dichten Busches nicht möglich. Dies seits keine Verluste. Das Mariae-Jnfanterie-Detachement unter Leutnant Engelbrecht ist mit einem Offizier, drei Unteroffizieren und zwanzig Mann am 10. d. M. wohl behalten in Mpuapua eingetroffen. * Sützwestafrtka. Englische Meldungen über von Linke- quist' Vorgehen besagen: Nach Berichten aus Swakopmund habe der Gouverneur von Lindequist die Herero-Chei- Om- buuro und Otgiheiuena aufgefordcrt, ihre Waffen zu strecken. Falls sie die Feindseligkeiten bis zum 2V. d. M. eingestellt baden würden, sollten ihnen und ihren Frauen und Kindern Lebensmittel geliefert werden. * Trothas Verteidigung. Der bisherige Oberkom mandierende in Südwestafrika, Generalleutnant v. Trotha, wird Mitte Januar bei der Beratung des 4. Nachtragse^lts für Südwestafrika im Reichstage zu den gegen ihn gerichteten Angriffen über seine Kriegs führung Stellung nehmen. Der General ist der Mei nung, daß alle Angriffe ungerechtfertigt sind, und wird dies im einzelnen nachweisen. Er hat nach Lage der Dinge nicht anders handeln können und seine Kriegs führung hat von maßgebender Seite auch nachträglich im allgemeinen Billigung gefunden. — Ledebour, rüste dich! Kaue im Januar wieder, was du am 15. Dezember und vorher schon zum Ueberdruß gesagt hast! * ReichstagS-Diäten. Wie die „Rhein.-Westf. Ztg." wissen will, habe es sich bei der Unterredung zwischen dem Reichskanzler und dem Zentrumsführer Spahn um die Diätenfrage gehandelt. Bülow soll des Kaisers Be denken zerstreut haben und im Reichstage soll demnächst eine Vorlage zu erwarten sein. * Staatsminister v. Metzsch soll seine Entlassung vom König erbeten, sich dann aber auf die Vorstellungen der anderen Minister, der Rücktritt könne jetzt als Schwäche gedeutet werden, doch entschlossen haben, im Amte zu bleiben. Ferner sollen, wie aus Dresden ver lautet, die Straßendemonstrationen den Minister von Metzsch veranlaßt haben, seine Familie von Dresden fort zubringen. Frau und Sohn seien auf die Besitzung des Ministers im Vogtland' gegangen. — Beide Nachrichten sind unbestätigte Gerüchte. Die letztere erscheint schon deswegen unglaubwürdig, weil eine Flucht auch nur der Familie Metzsch ein offenes Selbstbekenntnis sein würde, wie — gelinde gesagt — unbeliebt der Minister sich in Sachsen fühlt und wie wenig Schutz er der Dresdener Polizei zutraut. Der Schluß des Landtages in Sachsen-Altenburg. In der Schlußsitzung des Landtages, über die schon kurz berichtet wurde, brachte der sozialdemokratische Abgeord- nete Buchwald den Antrag ein, den 8 28 der Geschäfts ordnung des Landtages, wonach auf eine Interpellation nicht weiter eingegangen werden darf, wenn sie von der Regierung beantwortet worden ist, dahin abzuändern, daß die Angelegenheit unter jeder Bedingung auf An regung auch nur eines Abgeordneten weiter verfolgt werden müsse. Die Beratung des Antrages wird erst in der nächsten Tagung geschehen. Auf ein Gesuch des Gutsbesitzers Leithold in Dreußen, die Pleiße zu regu lieren, bemerkte Geh. Staatsrat Dr. Stöhr, daß der Staat eine Verpflichtung zur Pleißenregulierung zwar nicht habe, daß er jedoch eine namhafte Summe hierzu bewilligen werde. Bereits liegen zwei Pläne vor; der eine stammt vom Baurat Schicrholz in Roda und würde 90 000 Kosten verursachen, der andere ist vom In genieur Pctermann in Crimmitschau ausgearbeitet worden und verlangt nur 65 000 «^. Ein dritter sei noch in Bearbeitung. Zur Beratung stand gestern auch das Gesetz über die Parochialbezirke, dessen Erscheinen der Landtag im vorigen Jahre gewünscht hatte. Damit folgt die Regierung dem Vorgehen von Sachsen und Preußen, die beide die Einziehung, sowie Zusammenlegung allzu kleiner Parochien durch Gesetze bereits geregelt haben. Abend-Ausgabe Nr. «47 Mittwoch 20. Dezember 1905. vre-dner Redaktion--Bureau: D«Sdv>-Ä^ Lüunerttzstr. 25, Tel. 1, dir. -588. erneute Uebergrifse bureaukratischen Machtbegehrs deS Moskowitertums für kommende Zeiten aufzurichten. Unter anderen Auspizien als der vorjährige tritt der heutige Landtag zusammen. Jener sollte nur den Zweck haben, den durch Bobrikoffs Willkür zielbewußt ge- schaffenen ungesetzlichen Zustand in legale Form zu kleiden und mit dem Damoklesschwert der russischen Gen darmerie über sich die letzten Hoffnungen und Möglich- keiten einer Wendung der Dinge zu Grabe zu tragen. Dennoch schlug Germanenmut und Finnentrotz vereint dem Slawismus hier an dieser Stelle wohlverdiente Scharten in die Klinge. Heute berrscht nicht von vorn- herein Pessimismus, der im vorigen Jahre noch durch eine Thronrede verstärkt wurde, die den Harrenden Steine statt Brot bot. Immerhin wird es darauf an kommen, daß beim finnländischen Landtage in den Fragen, die das Große und Ganze betreffen, Einig keit herrscht, und es nicht sarmatischer Doppelzüngig- keit gelingt, den Dualismus zu verschärfen, der Finn- land in der überstandenen Schreckensära so geschadet hat und dessen lebte Folgerungen wir in dem unseligen dema- gogischen und Rassenkampf erblicken müssen, der in dem alten deutschen Ordenslande diesseits der finnischen Bucht wütet. Mag der akute Charakter der Lage ohne Parteihader zum Wohle dieses weitest vorgeschobenen abendländischen Kulturpostens überstanden werden. t» txr Hwlptexp-dttto» otxr deren ««S-nbe- stelle» abgeholt: vierteljährlich ^ssLLO, bei täglich zweimaliger Zustellung ist Hau vierteljährlich 8.—» Durch unser» aus wärtigen Ausgabestellen und durch di« Poft bezogen für Deutschlaud und Oesterreich vierteljährlich 4.50, für die übrig«, Länder laut Zeitung-prei-liste. Die Vertagung des ungarischen Reichstages. Der ungarische Reichstag ist, kaum nach dem er zusammengetreten, aufs neue von der Regierung nach Hause geschickt worden. Das war schon vorher den Ungarn bekannt, hat sie aber ziemlich kalt gelassen, und auch der Vertagungsakt selbst ist ganz ruhig verlaufen. Sowohl im Abgeordnetenhaus wie im Magnatenhaus hat man allerdings nicht unterlassen, gegen die angeblich verfassungswidrigen, „zum System erhobenen Vertagungen" Protest zu erheben, aber es wurde im Namen der Koalition durch den Grafen Appouyi zugleich auffällig stark die Geneigtheit der Par teien zu einem Ausgleich erklärt, dem man durch Ver zicht auf schärfere Stellungnahme keine Hindernisse be reiten wolle. Damit wird die Annahme gestärkt, daß die Vertagung eigentlich nur zu dem Zwecke ertolgt ist, uni die schwebendes! Verhandlungen zwischen Wien und Pest nicht durch unvorhergesehene Zwischenfälle, wie sie bei einer Tagung des Parlaments in jetziger aufgeregter Stimmung kaum zu vermeiden gewesen wären, zu er schweren. Die Neigung zu einein Friedensschluß ist un verkennbar auf Seite der Ungarn in letzter Zeit stetig gewachsen. Selbst die wildesten und eingefleischtesten Männer der Opposition zeigen sich nunmehr milder und nachgiebiger, nachdem sie zu der Einsicht gelaugt zu sein scheinen, daß die bisher verfolgte Taktik nach jeder Rich tung hin verfehlt gewesen ist. Die Koalition hat tatsäch lich nichts von all dem erreicht, was sie angestrebt, und scheint auch wenig Aussicht zu haben, es jemals zu er reichen. Es handelt sich demnach nur noch um den Preis des Friedens, und dieser dürfte aller Voraussicht nach Redaktion und Expedition, JohauntSgasj« 8. Telephon Nr. 15H Sir. 222, Nr. 1173 Berliner RedakttonS-Bureau: Berltu dlVV 7, Dorotheenstraß« SS. Tel. 1, Sir. 2275. fslitirche csgesrchsu. Leipzig, 20. Dezember. Ter finnländische Landtag. Während im Innern des russischen Reiches der Kampf gegen die Allmacht des Staates wütete und in den ^.Grenzmarken" sich separatistische Regungen bemerkbar machten, ist der Verfassungskampf def^ konstitutionellen Finnlands von vornherein auf gesetzlichem Boden in gesetzlichen Formen erwachsen, nur aus die Wiedererlangung des entrissenen Rech- t e S der Nation gerichtet gewesen, was diesen Kampf in seinen Ursachen und seinen Endzielen als gänzlich außerhalb der r u s s i s ch e n W i r r e n stehend erscheinen läßt. An Sympathiebewcisen aus der Mitte der euro päischen Nationen hat es dem kleinen nordischen Kultur volk nicht gemangelt, und auch die Masse der russischen Bevölkerung billigte nicht den von slawophilen Heiß- spornen betriebenen Vernichtungskampf. Das Gefühl aber, trotz aller Hilflosigkeit nicht unbemerkt und unbe wundert ums Dasein zu ringen, gab dem ohnedies stark cipMer TaMaü Handelszeitung. Amtsblatt des Äönigl. Land- «nd des ÄSnigl. Amtsgerichtes Leipzig, -es Nates und des Nolizeiamtes der Ltadt Leipzig. Var WMjgrle vom Lage. * Nachdem sich gestern bereit- die Erste Kammer deS Landtag« bi- »um S. Januar vertagt hatte, hat heute auch die Zweite Kammer ihre bis zum 8. Januar dauernden WerhnachtSferien »«getreten. (S. ParlamentSbericht.) * Der Landesausschuß der nationalliberalen Partei SachsenS ist heute mittag 12 Uhr in Dresden zusammeugetreten. * Im ostafrikanischen Schutzgebiet wurde ein An griff der Aufständischen auf Liwale abgewieseu, rin Streif. korpS schlug die Rebellen beim Kitope-Berg. (S. Deut- scheS Reich.) * Zu Gunsten des allgemeinen, gleichen und direkten Wahlrecht- sollen am 26. Dezember auch im Großherzog- tum Oldenburg Kundgebungen der Sozialdemokratie stattsinven. * Im Laufe de- gestrigen Tage- haben drei englische, heute nacht zwei sranzösische Kriegsschiffe Kuxhaven, den Kaiser Wilhelm-Kanal passiert, um den Staats angehörigen in Riga, Dorpat und Petersburg ihren Schutz anzedeihen zu lasten. * Dem Bundesrat wird nach Neujahr ein Haft- pflichtgesetz fürAutomobilschadeu zugeheu. (S. letzte Nachrichten.) * Die internationale Demonstrationsflotte ist im PiraeuS wieder eingetroffen. * In Schanghai ist e- erneut zu Unruhen gekommen. Man befürchtet ihre Ausdehnung auf die ganze Provinz. ^S. Ausland.) entwickelteil finnländischen Patriotismus stets neue Glut, die sich nun in den letzten Wochen zu einer Begeiste- rung steigerte, die mit der Losung: „Alles fürs Vater land" alle Getreuen mit fortrrß. Der große Streik bald recht billig sein. Unleugbar sind die gegenwärtig in Ungarn vorherrschenden Dispositionen weit besser als man noch vor ganz kurzer Zeit zu denken gewagt hat. Den Höhepunkt hatte der passive Widerstand in den entwand den Machthabern wertvolle Zugeständnisse für bas Einlenken in die alte Bahn der gesetzlichen Ordnung, wie sic wie Licht und Luft notwendig ist für ein Volk, das nie Sklaverei kannte, und mit dem Ab banken fremder, ungesetzlich eingeführter oder verräte- rischer Elemente aus dem Staatsdienste sehen wir in Finnland an Stelle des bisherigen würdelosen einen neuen Senat, mit dem wackeren Leo Mechelin darinnen, seines Amtes walten und nun einen außer ordentlichen Landtag zusammentreten, dessen hohe und bedeutungsvolle Aufgabe darin besteht, für das Groß- iürstentum einen sicheren legalen Schutz gegen etwaige diversen Komitats-Affären erreicht. Allein, wider Er warten riefen diese weder in Ungarn, noch in Wien bei der Regierung einen tieferen Eindruck hervor, und man sehnt sich nun in der Tat danach, aus dem ewigen Trotz winkel hinaus und wieder in geordnete und gesicherte Bahnen zu gelangen. Der Friede ist offenbar nahe be vorstehend. Für seine Wiederherstellung ist natürlich die Sistierung der offenen aktiven Resistenz die unerschütter liche Vorbedingung. Solange diese gegen das Gesetz und die Verfassung gerichtete Stellungnahme der Komitate nicht aufgegeben wird, kann die Krone sich auf bindende Friedensanträge kaum einlassen. Daß es aber recht bald Urttseiflen-Prett Pt, S gespaltene Petitzeil« AS Pf. Famtlte»> Wohnung-- und Stellen- Auzeigea 20 Pf. Finanzielle Anzeigen, Geschäjt-anzeigen unter Text sder au besonderer Stelle nach Tarts. Für da- Erscheinen au bestimmten Tagen u. Plätzen wird keine Garantie übernommen. AuzeigewÄuuahme: Lugustu-pla- 8, Eck« JohanniSgass«. Die Expedition ist Wochentag- ummterbrochen geöffnet von jrüh 8 bi- abend- 7 Uhr. Filial-Expedition: Berlin, Lützowstr. 10 - - vre-de», Marienftr. 34. Druck und Verlag von E- Polz in Leipzig Herausgeber: Or. Viktor Kltnkhardt. 99. Jahrgang. , Feuilleton. Durch einen solchen Deweis von cker üüaccht cker Vernunft susgemuntert, sieht cierlried xur Erweiterung keine Qrenxen. Die leichte laude, tnckeni sie im freien stluge ckie Duft tellt, cleren Wicterstanci sie fühlt, könnte che Vorstellung fasten, ctast es ihr im luftleeren kaum noch viel bester gelingen werkte. Os ist aber ein gewöhnliches Tchictcsal cier menschlichen Vernunft in cker Spekulation, ihr Lebäucke so früh wie möglich fertig ru machen, uncl hintennach allererst ru unter suchen, ob auch cier Orunck ciaru gut gelegt sei. Sani. Mansn lke»ca«t. „Manon dottzel st«, — - Ward <ieft«rn sechzehn Zahl' " Oft standen wir besiegt vor ihrem Rätsel . . . Zierlich entstieg sie auf der Bühne der großen Postkutsche, zierlich iang der kleine rote Mund all die geistreich-koketlen Noten köpfchen, die Jules Massenet für ihre halb verschollene Grazie in eine virtuose Partitur gesteckt, zierlich dankte sie ür die Komplimente des edlen Chevalier Des Grieux, dem das junge Herz — kaum, daß er Manon sah, — so heftig unter dem stolzen Maltbesermantel pochte, daß er ihn ab nehmen mußte und als Teppich vor die zarten Füßchen breitete. Und Manon hatte ganz vergessen, daß Cousin ?escaut die schöne Cousine ins Kloster hatte bringen sollen, ^onnt sie ihren leichtfertigen, unerfahrenen Gedanken ent- !°g« und stieg wieder in die große Postkutsche vor dem Gast Hofe zu Amiens, damit der galante Chevalier sie nach Paris entführe. Manon war sechzehn Jahre und von einer An mut, die auch Bretigny betörte. Sie liebte den guten Chevalier, der hundert Pistolen besaß und feinem Vater schreiben wollte, daß er Manon zur Frau begehre. Und sie liebte die duftigen Spitzen und knisternde Seide, sie liebte die lachende Fahrt im Bois de Boulogne, das blitzende Ge schmeide und die Dienerschaft, der sie gebot. Nichts lag ihr am Segen der Kirche, «seinem Vater sollte der Chevalier gar nicht schreiben . . . Und als die hundert Pistolen zu Ende waren, ging Manon zu Bretigny, der ein reicher Pächter war und ihr Seide und Spitzen, Geschmeide und Blumen und Dienerschaft gab. Ein süßes Spielzeug war dies alles nur: Manon aber war ein Kind und mußte spielen . . . Sie weinte bittere Tränen, da sie den Chevalier selbst an den Vater verriet: mit Gewalt holte der ibn heim . . . Dann wurde der Chevalier Des Grieux ein Abbe, der der Welt entsagt. Ein frommer, französischer Abbe, der der Jugend nachging, indes vor seiner Sehnsucht das Bildnis der Ge liebten stand. In Saint Sulpice bewunderten seine Demut die frommen Schönen von ganz Paris, bewunderte ihn Manon, die Bretigny verabscheute. Und in Saint Sulpice trat sie wieder vor ihn bin: Ich liebte ihn nicht. Aber ich liebe den Luxus. Die Armut ist der Tod. Ich liebe dich allein, Chevalier . . . Verzeih' es mir! Dies eine Mal . . . Der Chevalier verachtete sie. Sah ihre Schönheit und zitterte. „Llanan, spüinx ötonnant, vöritnbls 8irön«, ooeur trois kois keminin — qus js h'aiin« et 1« bals!" Und floh mit ihr aus Saint Sulpice ... In ihrer Armut wußte Herr Lescaut schnell guten Rat, Cousin Lescaut, der bei den Gardes du Corps stand und weit mehr Geld verbrauchte, als der königliche Sold betrug. So wurde Abbö Des Grieur ein Falschspieler, den die Polizei einsperrte. Als ihn der Vater und Freunde befreiten, erfuhr er, daß man Manon iust vom Zuchthause in das man sic gesteckt, nach Havre schicke, damit ne kort zur Deportation eingeschisft werde. Manon hatte keine Freunde.... In Sträffingskleidern zog sie die Landstraßen hin und der treue Chevalier folgte ihr zu Fuße. Mitunter konnte er den Soldaten noch Geld geben, daß er sie eine Weile sprechen durfte. Sie wankte noch in dem groben Linnen einher, das man ihr im Zuchthaus ge geben hatte, und Ketten schnürten ihre zarten Gelenke. Aus > der Landstraße starb sie in den Armen des Chevaliers. Manon hatte den Luxus geliebt: die Armut war der Tod. Sie hatte nur den Chevalier geliebt, den sie unzählige Male verraten halte, wiewohl er ein Betrüger geworden war, um sie in Seide zu hüllen. Ein süßes Spielzeug war die Welt: Manon war ein Kind und mußte spielen. . . . Und versagte dies Spiel, versagte die Welt. Und das ist die Geschichte von Manon Lescaut. . . . Sie fand zuletzt den glänzendsten Interpreten in JuleS Massenet, dessen Textbuch ich erzählte, weil Meilhac und Gille. die beiden Verfertiger, die alte Geschichte trotz ober flächlichster Technik doch so Wiedergaben, daß sie ein völlig geändertes Zeitempfinden noch ergreifen kann. Biele ver führte der Stoff: fast gleichzeitig mit Massenet komponierte ihn der Italiener Puccini, schon 1852 hatte sich Barriere mit seinem Kollegen Fournier daraus ein Drama zurecht geschrieben. Und zwei Dezennien zuvor hatte Halövy die Fabel in ein Ballett gedrängt. Manon Lescaut hatte eine Schwester. Dumas der Jüngere stellte — wiederum 1852 — Marguerite Gautier auf die Bühne, die fortan dem fran- zösischen Realismus geöffnet blieb. Natürlich bemächtigte sich die Musik auch der geänderten Manon: als Traviäta stirbt sie bei Verdi. Zwei Jahrhunderte fast liegt das Ur bild der Manon zurück, das der geistreiche Abbö Prövost der Mitwelt zeigte, um sie — wie er sagte — zu erschrecken. An dere sagen freilich, daß diese „bistoirs cku odevallvr cka» Orieux st 6a blanon I^cnut" bloß ein Abenteuer märe, das dem berühmten Schriftsteller in jungen Tagen selbst be gegnet sei. Gleichviel, das Buch bedeutete — schon an der Literatur froh zugreifender Erben gewesten — mehr als ein aristokratisches Erlebnis oder ein bloßer Roman: ein scharfer Spiegel erhellt es unS das Paris des 17. Jahrhunderts, das sich so vergnüglich vor allem an dem Werk ergötzte. Denn eS fand „in Herrn Des Grieux ein schreckliches Beispiel der ' Macht der Leidenschaften. Ich male einen jungen Ver blendeten, der sich weigert, glücklich zu leben, um sich freiwillig ins bitterste Unglück zu stürzen. Mit allen Eigenschaften ausgestattet, die den glänzendsten Ruf erwerben können, zieht er ein vagabundierendes, das Tageslicht scheuendes Leben allen Vorteilen der Natur und des Vermögens vor. Er sieht sein Unglück vorher, ohne ihm aus dem Wege zu gehen: er empfindet -s bitter, ächzt unter seiner Bürde, greift aber nicht zu den Mitteln, die ihn retten können, ihm wiederholt an geboten werden und demselben jeden Augenblick ein Ende machen würden: kurz, er ist ein zweideutiger Charakter, eine Mischung von Tugenden und Lastern, ein fortwährender lebendiger Gegensatz edler Empfindungen und schlechter Taten, — das ist der Vorwurf meines Gemäldes." Des Grieur bei Massenet ist nicht Abbö Prövosts „zweideutiger Charakter": Tort kommt ein schüchtern ent flammter Liebhaber, der eine Entführung und vielleicht, wenn Not drängt, noch ein Spiel mit falschen Karten wagt. In der ersten Begierde indes Mt alle Moral bei Prövost: ein Chevatier, der mordet, im Spie! betrügt, die Geliebte durch Lescaut — bei Prövost ist er Manons Bruder — ver kaufen läßt, daß alle aus den Einkünften ihres Körpers leben können . . . Des Grieux bei Prövost d'Exiles ist ein deutig genug: was besagt dies aber viel in Louis' XV. Resi denz? Er ist des Buches Held, der geläutert werden soll, dem Manons Tod eine Sühne wird, die ihn wieder empor steigen läßt zur Karriere seines Standes. So läuft Manon fast nebenher Sic ist unverbesserlich: der Hang zur unge- messenen Verschwendung ruft schließlich ein gerechtes Schick- sal. Dreimal betrog sie den Abbö, dreimal betrog sie auch die Liebhaber. Nur den Abbö liebte sie und betrog doch alle. Einmal büßte sie im Hospital, darin sie mit anderen Dirnen lernen sollte, wie noch der verwöhnteste Körper ost mit ein- fachem Zeug sich begnügen müsse. Beireit sann sie sogleich, wie sie abermals betrügen könne, dann sperrte man sic ein und verschickte sie nach Amerika. Abbö Prövost zerbricht sich nicht lange den aristokratisch gepuderten Kopf. Warum man Manon einsperrt? Warum Des Grieux nicht? Da sie doch beide gleichen Betrug verübten? Abb« Prövost beklagt die schöne Manon, die keine Freunde hat, di« zugrunde gehe«
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder
Erste Seite
10 Seiten zurück
Vorherige Seite