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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 09.06.1892
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1892-06-09
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18920609027
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1892060902
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1892060902
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1892
- Monat1892-06
- Tag1892-06-09
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ES liegt unS zwar noch keine directc Aeußcrung eines Pariser Blattes über das kleine Ercigniß vor, aber daraus, daß man sich in Paris krampfhaft bemüht, den Besuch de» Großfürsten Constantin i» Nancy aus einen directen Befehl des Zaren zurückzusührcn, kann man schließen, welches Bcdürfniß unsere westlichen Nachbarn haben, dir von unserem Kaiser dem Zaren erwiesene Auf merksamkeit entweder als einen Wcttlauf mit Frankreich um die russische Gunst, oder gar als eine Schlappe der deutschen Diplomatie, die von der wahren Natur jenes großfürstlichen Besuche» in Nancy keine Ahnung gehabt habe, erscheinen zu lassen. Durch da- Hirsch'sche Tcl.-Bureau wird nämlich von Pari« aus folgende Depesche verbreitet: Der gor soll an den Großfürsten mSrtltch telegraphirt haben: „Sie begeben sich zum Präsidenten Larnot nach Nancy, »m dem« selben die Gciühlc aufrichtiger Freundschaft za bestätigen, welche ich sür die Person des Präsidenten der Republik hege. Sie wollen ihm seruer die Versicherung der Solidarität zwischen beiden Staaten und der Soitdarttit der bestehenden Interessen beider befreundeten Völker bestätigen." Ob dir russischen Officiösen eS für zweckmäßig erachten, diese Ausstreuung zu dementiren, muß dahin gestellt bleiben; aber auch wenn die» nicht geschieht, wird man in Deutschland dem Zaren eine derartige Doppelzüngigkeit nicht znlrauen. Man wird deshalb auch die ihm von unserm Kaiser erwiesene Aufmerksamkeit weder für einen Wettlanf mit Frankreich um die russische Gunst, noch für eine Schlappe der deutschen Diplomatie halten. Man wird die Tragweite der Aufinerk- ämkeit allerdings nicht überschätzen, aber auch nicht nnter- ckätzen. Wenn die Franzosen da» Letztere thun, so ist dies chwerlich zu ihrem Bortheil. Während unser Kaiser in Kiel bemüht gewesen ist, seine FritdraSlicbe zu unzweideutigem Ausdruck zu bringen, haben die „deutschen* Ultramontancn in großen Bersammlungen, in denen tue Treue zu dem Haupte des Reiches in demon strativer Weise betont wurde, gegen unseren italienischen Verbündeten in einer Weise gehetzt, die ihre Friedensliebe und ihre nationale Gesinnung in das wundersamste Licht setzen. Darüber kann man sick ja nicht wundern, wenn die ultramontanenHeißsporne au-rufen: „Lieber gar keuic»NeligionS- unterricht, als einen vom Staate überwachten." Religion be deutet bei diesen Leuten eben nicht» Anderes, als Hetze gegen Andersgläubige. Wie aber diese Herren eS fertig bringen, in einem Athen» mit ihrer deutschen Gesinnung und ihrer Treue zu Kaiser und Reich zu kokcttiren und eine Agitation zu schüren, deren Erfolg Deutschland nm einen Verbündeten ärmer machen und in einen äußerst gefährlichen Krieg verwickeln müßte: da» begreife wer kannl Ob Graf Caprivi, der auch dem Ecntrum da« Zeugniß der nationalen Gesinnung ausgestellt bat, e« begreift, wird Niemand zu behaupten wagen. Wahrscheinlich steht er selbst vor einem Rätbsel. Jedenfalls sieht er vor sich eine neue Blüthe jene- ConfessionaliSmuS, dem der von ihm so leidenschaftlich vertheidigtr Zcdlitz'sche Schulgesctzentwurf die Herrschaft über dir prenßssche Schule ausgeliefert habe» würde, wenn nicht der Kaiser nock rechtzeitig eingegrisfcn hätte. Hoffentlich dient ihm diese Blüthe zur Lehre, wenn in Preußen die Volksschulgesetzfrage wieder „angeschnitten" werden soll. Die komödienhaften, von den czechischen Turnern ver anstalteten slawischenBorstöße in Nancy und Lemberg werden in Wiener ernsten Kreisen nur beläckelt. Denn eS hieße diesen Radaubrüdern zu viel Ehre erweisen, wenn man sick mit ihnen unter politischen GcsichtSpuncten ernsthaft be fassen wollte. Allein die Frechheit der Acußerungen, zu denen ich der Führer der Sokolistcn in Nancy, vr. Podlivny, verflieg, indem er Frankreich förmlich für künftige Timten die Mitwirkung der „czechiscken Nation" antrug, sowie seine gegen Deutschland gericktele Auslassung über die „Grenzscheide, vie nur durch die unglückliche Fügung einer brutalen Macht ent standen" sei, hat gerechte Entrüstung hervorgcrnfen, die nur dadurch gemildert wird, daß inan cü eben mit gedankenlosen Fanatikern zu thun hat. Ob der erwähnte czcchische Slimm- führcr seiner „Nation" und ihren Bestrebungen bezüglich ihrer Stellung in Oesterreich mit solche» Kundgebniigen eine» Dienst erwiesen hat, möge» Tie, welche eS angchl, mit ihm »nd sich selber auSinachen. Sehr derb weist die „Neue Freie Presse" da» anniaßendc Anstreten der czechischen Sokolisten in einem treffliche» Artikel zurück, an dessen Schluß sie sagt: „Auch diel« Begeisterung ist uiuvahr und durch »nd durch ver logen. Die Lzecheu sind durch die Versühnung geliätschelt und ver wöhnt, und da nicht Alle» nach ihrem Willen geht, werden sie vrr- »itssen und scheuen selbst vor dem Skandal in der Fremd« nicht mehr zurück. Ta- Fest in Nancy beleuchtet mit tauiend Fackel» da» Reiultat einer SlaatSkunst, welche Wünsche erregt, ohne sie jemals voll befriedigen zu können, Aspirationen »ährt, denen Niemand gerecht zu werden vermag, weil sie mit dem Reiche nicht verträglich sind. Die nationale Gerechtigkeit war der AuögangSpunct und der nationale Dünkel, der alle veriinstlge» Schranleu bricht und den Laus der Reich-Politik eigenmächtig beherrschen möchte, ist da» Ende. Be scheiden und fast kleinmiithig sind die Ezechen in den ReichSrath gekommen, und jetzt schlagen sie um sich, als wären sie die Herren von Oesterreich, greisen in die Sphäre der Weltpoliltk und comvro- mittiren die Monarchie. Die Politik, welche solche Früchte gezeitigt, lebt heute noch, wir sehen da» Bemühen, durch sorlwährende Ton- cessiouen die unersättliche Begehrlichkeit zu stille», und so muß auch bei anderen Nationen eintreten, was sich bet Len Ezechen mit Noch- Wendigkeit vollzogen hat. Es ist in gewissem Li»»e »och ein Glück, wenn die äußcksien Eonsequenzen so rasch in- Bewußtsein dringe», und man mußte eigentlich den Ezechen, welche sich vor einem russischen Großsürslcn in den Ctnub werfen, dankbar sei», weil sie alle Kräfte Le- Widerstandes ausrüttel» und durch da« Gefühl der Entrüstung, welche» t» ganz Oesterreich erwacht, di« Umkehr beschleunigen. Tie Ezechen werden alle Ursache habe», sich de» Festes von Nancy »och lange zu erinnern. Ter Tag, an welchem sie ohne jede politische Scham um die Gunst eine» Großfürsten gebettelt haben, wird traurige Spuren für die ganze Nation zurück- lassen. Die Monarchie kann nicht dulden, daß ungestraft au ihren Grundveslen gerüttelt werde." Die russische Negierung bat allem Anschein nach den Entschluß gefaßt, die Organisation der evangelisch- lutherischen Kirche des Reiche» vollständig z» zer trümmern und die an-einandrrgrsprenglcn Tbeile zn den Füßen der Bnreankratie »icberziilegcn. In den nächsten Tagen wird, einer Meldung der „Nnssksta Wjedoinosti" zufolge, im ReichSrath eia Gesetzentwurf folgenden IuhaltS durchgesehcn werden: Die Synoden der lutherischen Geistlichkeit sind der Regte- rungScontrol« zu unterstellen. Die Abhängigkeit der Kirchspiele von den Privaten Patronen ist anfzuheden, das PaironalSrecht der Regierung zu übertragen Tie Ernennung der Pastoren ist dem Minister de« Innern ankeimzustelle». Dies die wesentlichen Grundzüge de» Entwurfs. Auster den schweren Ketten für Haupt und Glieder enthält derselbe »och eine Anzahl kleiner Klammern, so daß die evangelisch- lutherische Kirche Rußlands nach Annahme de» Entwurfs sich in keiner Weise mehr rühren kann. Nach einer anS Athen vorliegenden Mittbeilung soll die Constituirung eines neuen griechischen CabinetS mit TrikupiS an der Spitze gegen Ende der nächsten Woche, bis wohin der König zuriickgckchrt sein wird, erfolge». Aller Wahrscheinlichkeit nach dürfte TrikupiS entgegen einer früher gebegten Absicht mit dem Ministerpräsidiui» auch das Porte feuille tcS Acußern verbinden. Als durchaus unrichtig stellt sich die Annahme heran», daß bei der CabinetSbildnug der bisherige Ministerpräsident EonstantopnloS in die Eombination gezogen werden solle. Es kann vielmehr als sicher betrachtet werden, daß EonstantopnloS an Stelle des völlig unmöglich gewordenen DclyanniS die Führung der sich allerdings einer erdrückenden Mehrheit gegenüber befindenden, durchaus macht losen Opposition übernehmen werde. Je mrbr mit der großen Wahrscheinlichkeit zu rechnen ist, daß der bisherige Leiter der auswärtigen Angelegenheiten der nordamerikanischen Union, Mr. Blaine, von der dortigen republikanische» Partei als PräsidcntschastS-Eandidat ausgestellt werden wird, um so mehr ist es geboten, die Per sönlichkeit diese» klngen und verschmitzten Staatsmannes in da» Auge zu fasse» und insbesondere die Stellung, welche er Deutschland gegenüber bisher eingcnomnien hat, in welcher Beziehung nicht viel Erfreuliches zu melken ist. Mr. Blaiue übernahm die Leitung des Auswärtigen Amts zu Washing ton im Frühjahr 188», als gerade die Vorbereitungen zur Berliner Samoa-Eonferenz getroffen worden. Sein Vorgänger aus dem Washingtoner Posten, Bayard, halte die von Deutschland 1887 zurBerubigung von Samoa gcmachtcu Vorschläge kurz abgelehnt, die betreffenden Verhandlungen waren daher zwei volle Jahre abgebrochen; nunmehr sollte in neue Bcrathnnge» ohne eine bestimmte Grundlage eingctrcten werden, und die Person de» neuen StaatSsecrclairS kam dabei hauptsächlich in Frage. Da meldeten amerikanische Blätter, z. B. die New-Uorker „Evening Post", wir. Blaine wolle den Bruch mit Deuischlaud noch erweitern. Dafür, daß er den deutschen wohlberechligten Ansprüchen entgegen war, kamen mehrere recht deutliche Anzeichen zum Vorschein. Ein Mr. G. . BateS hatte unter dem Titel „Einige Streiflichter zur amoafrage" eine Broschüre veröffentlicht, in welcher er die Monroe-Doctrin aus die Südsce-Inscln, insbesondere auf den Samoa-Archipel, auSdehntc; amerikanische Zeitungen bckanp- tetcn, daß die Broschüre mit Wissen und auf Veranlasiuug Blaine's geschrieben sei. Eine gewisse Bestätigung erhielt diese Angabe dadurch, daß dieser Mr. BateS zum Delegirten der Bereinigten Staaten auf der Berliner Samoa-Eonscrenz er nannt wurde. In Nordamerika hielt man eS sür anSgemacht, daß Fürst Bismarck die Ernennung desselben beanstanden werde. Das sollte Blaine gerade beabsichtigt haben; in diesem Falle hätte das Washingtoner Cabinct wieder einen formellen Grund gehabt, auch die neue Eonfcrenz abzulehnen und den alte» Wirrwarr auf Samoa, der allen Wühlereien so günstig war, fortbestebcn zu lassen. Indessen der neue, mit Zustimmung Blaine's zu Stande gekommene Vertrag von I88S hat auch keine rechte Besserung gebracht; die alte» Hetzereien dauern auch heute nock fort. Scho» diese kurzen Darlegungen kennzeichnen den PrästdentschaftS-Eandidaicn Blaiue. Noch deutlicher trete» die von ihm und seinen Anhängern vertretenen politischen Pläne in der genannten Broschüre von Mr. BateS hervor, in denen sich nament lich gegen Deutschland eine recht nnsreundliche Stimmung ausspricht. Den Deutschen werden Uebcrgriffe gegen amerika nische Bürger vorgeworfen, während die Berichte au» Samoa gerade da» Gcgentheil darthun. Dann heißt eS, man müsse die Monroe-Lehre von 1823 den Verhältnissen so anpasscn, daß die nationalen Interessen der Union gegen die Absichten TcntschlandS und Großbritanniens geschützt würden. Deuisch- land dürfe dort keine VormachtSslcüung erhalten. Nach alledem können wir nur wünschen» daß Mr. Blaine seine ehrgeizigen Pläne nicht zu verwirklichen vermag. Da» würde der Fall sein, wenn cö der demokratischen Partei in den Bereinigten Staaten gelänge, bei den bevorstehenden Präsident schaft-Wahlen de» Sieg zu erringen. Deutsches Reich. 88 Berlin, 8. Juni. Die Meldungen über den Zcit- punct der Abreise des italienischen KönigSpaareö nach Potsdam waren keineswegs, wie eS jetzt mebrsach dargestellt wird, willkürlicke Eombinationen, vielmehr ist nicht nur der Besuch des Königs Hlimbert und seiner hoben Gemahlin für die ersten Tage des Juni seit langer Zeit in Aussicht genommen gewesen, sondern der 8. Juni war, wie wir zu verlässig erfahren, durch den italienischen Botschafter in Berlin dem kaiserlichen Hosinarschallamt als der wahrscheinliche Tag der Ankunst bezeichnet worden. Dem entsprechend wurde» auch hier alle Anordnungen getroffen und besonder- im königlichen Stadtschlosse zu Potsdam die Wohnräunie für den König und die Königin von Italien vorbereitet. Daß die parlamentarische Krisis in Italien sich so lange binzichcn würde, war nicht angenommen worden, und eS ist klar, das; bei der gegenwärtigen Unsicherbeit der inneren Verhältnisse die Reise verschoben werden mußte. In dieser Weise sind das Auswärtige Amt und das Hofmarschallamt verständigt worden. Sobald eine „Klärung" der inneren Lage erfolgt ist, wird auch sofort die Abreise von Rom erfolge». rä Berlin, 8. Juni. Seiten» der Anwaltschaft der deutschen GewerkschaftSvereine ist eine „ArbcitSstatistik" sür das Jahr 189 l unternommen worden, deren Ergebnisse zur Zeit in der Presse »ntgctbeilt und zu den verschiedenste» ^chlußsolgeruuaen vcrwcrtyct werden. Da» Verdienstliche eine» solchen Versuches, durch Erhebungen nützliche Licht strahlen auf die thalsächliche Lage und den LebenShall der arbeitenden Elassc zu werfen, soll unumwunden anerkannt werden. Die Regierung hat dem auch durch nationalliberale Anträge (Antrag Buhl von >887, Antrag Siegle von l890) wicdcrbolt im Reichstag bekundeten Verlangen nach solchen Erhebungen leider erst in diesem Jahre »achgegeben. So war man bislang aus die Berichte der Fabrikinjpectoren einerseits und andererseits auf die privaten statistischen Er hebungen angewiesen, die vorher schon vom Verein sür Arbeiiswohl, vom Verein sür Socialpolitik, vom Verein Eoncordia ic. auch von Herrn Bebel in einem besonderen Falle veranstaltet waren und die jetzt durch die Anwaltschaft der Gewcrkvereinc um «in wesentliches Stück bereichert wurden. Während nun aber dir erwähnten gemeinnützigen Vereine seiner Zeit bei Erstattung ihrer Berichte sogleich voraus bemerkten, daß ihre Ergebnisse nur lehrreiche Bei träge zur Kcnntniß der Arbeiterverhältnisse sein sollte» und sein tönnlcn, was von der Arbeit der GewerkvereinSlcitung gewiß ebenfalls zutrifft, wird dieser doch in der Presse ein darüber hinauSgchender Werth zugeschrieben, als habe man eS hier mit Ergebnissen zu thun, die zu all gemeinen Schlüssen berechtigten, also gewissermaßen die im RcichSamt des Inneren gegenwärtig vorbereitete ArbeilS- statistik entbehrlich machen könnten. Das ist aber am aller wenigsten bei Berichten der Fall, die einseitig nur von Mit gliedern der Gcwcrkvercine, also von Arbeitnehmern erstattet sind, denen weder seitens der Arbeitgeber noch seitens der Gewerbeaufsicht oder der Verwaltungsbehörde erläuternde und ergänzende Berichte gegenübergestcllt werden konnten. Zudem hat die Presse, soweit sie abso lute Schlüsse daraus zieht, nicht einmal beachten mögen, daß die Anwaltschaft der Gewerkvereine unbefangen genug war, die ihr zugegangcnen Berichte tel guvl — so widerspruchsvoll sie osl lauten — an die Oesfcntlichkeit zu stellen. So begegnen wir unmittelbar nebeneinander einem gelernten Berliner Arbeiter (Maschinenbauer) mit Fra» und sünf Kindern, der jährlich 1403 ^ 48 „notbdürflig" ge braucht »nd 1V7 ,4t Steuern und Cassenbeiträge zahlt, und einem anderen gelernten Arbeiter (Bauhandivcrkcr), der mit Frau und sieben Kindern seinen nöthigstcn UntcrhaltSbedarf auf 1250 >F schätzt »nd sür Steuern und Beiträge nur 49 ^ bcnölhigl. Solche Widersprüche regen gewiß zu weiteren! Forschen an, sollten aber jedenfalls nicht zu Schlüssen über einen „ziffermäßig nachgewiesenen Nothsiand" den Anreiz geben. — Staatsminister v. Boetticher wird in den nächsten Wochen den Nord-Ostsee-Eanal bereisen. — Wie bestimmt versichert wird, wird die ReickSregierung in der nächsten Session de» Reichstage- keine Militair- Vorlage einbringen. - — Die indirecten ReichScinnahmen im Maid. I. überstiege» den Voranschlag nm 17 Millionen und die Ein nahmen des Mai 1891 um 22 Millionen. Die Zoll- einnahmen ergaben gegen den Budqetvoranschlag 9>„ Millionen mehr und 15 Millionen mehr als im gleichen Monat des Vorjahres. — Der BundcSratbSanSschnß für Handel und Ver kehr bat die Aussiihrungsbestimmnngen zu dem Gesetz, be treffend die Prüfung der Läufe und Verschlüsse der Handfeuerwaffen, einer Durchsicht unterzogen und mehr fach Abänderungen sestgcstcllt und dem Bundeörath zur Zu stimmung unterbreitet. Die Abänderungen beziehen sich hinsichtlich der PrüsnngSbestininiungcn auf Ladung, auf Ver änderungen, die mit Schußwaffen vvrgenommcn werden, aus den Zustand der Läuse vor den Bcschußproden, auf Kaliber, Pulver, Blei, Psropsen, Patronenhülsen und Gebrauchsgeschosse, sowie aus Prüfung»- und VorralhSzeichen. /««illeton. Lonrad Gesner. Lebensbild eine» Naturforscher» dev 10. Jahr hundert». Lou William Mar-Hall. N,«rn>a »errett». (Fortsetzung.) Groß war die Trauer der Stadt Zürich um ihren be deutendsten Sohn. Mit allen Ehren, nächtlicher Weile mit Fackeliicht wurde er neben seinen, ihm in die Ewigkeit voran- aegangenem Hrrund, Studiengenossen und Iugendgesäbrten Johannes FrießiuS im Kreuzgana de» großen Münsters be stattet. Nickt weniger als zwanzig Geleorte, meist Züricher, aber auch andere Schweizer, Deutsche und Italiener dichteten TrauergesänHt auf das Abscheiden ihres großen Genossen. Schon ein Jahr nach dem Tode GeSnerS erschien sein« erste von IosiaS Simler von Zürich verfaßte Biographie in der Druckerei und in dem Verlag von Froschauer ln Zürich, wo die meisten seiner eignen Werke herauSaekommrn waren.*) Für die Beurthrilung de» Charakter« rme» Menschen, den *) Dt» Hauplquellen für die Ledeu»besckr»ibuug G,«ner» sind: 1) Dtmler, Jos., Vita ol»r!«>mi IRiloeopbi et K«-Iiei (Tmrueti <i«»«rt. Dhxun I58S L) Sin Bu-zug hieraus tu drolligem Kauder welsch de» weltberühmten Neckim, 17>/»ioi und Kolzckiaton» Oovnul! Oeeveri Leben und Schrille«, Leipzig und Zittau 1711 jvon einem Anonym»« , werchlo«). S> Ge»ner« Leben von L. Th Schmiedel in „6oai»4i Oeaueri «per» totaolc»", bioeioiderUU« I7ül. Hieraus stüUt« sich wesentlich 4) Handakt, I., Lonrad Se-uer, Winterthur 1824, bereichert um «tu« «n»ohl neuer Brief« und ü) Hamilton Smtth, Lhal., »lewoir ok 0«y«r, tu: llor»« tu U>« uaturallat » Lbrurzc. Val. Lll. Edi-gturgh. 1«»41. persönlich kennen zu lernen unmöglich ist, dürfte kaum etwa» so werthvoll sei» al- der Bestv zahlreicher, von ihm an intime Freunde oder Verwandte geschriebener Briefe. Glücklicher Weise war da» >ft. Jahrhundert, sowie später wieder das t8. besonder» schreibsclig, so daß, wenn auch viele Briefe ver loren gegangen sind, wir dock von nickt wenigen bedeutenden Menschen damaliger Zeit einen genügenden Borralh davon besitze», »m uns über ihr Fühlen und Denken, ihre Welt- und Leben-anschauungen rin einigermaßen klares Bild machen zu können. So geht c» un« auch mit GcSner. Wenn man die Zahl seiner Schriften, eS sind über 70, darunter allein in den zwanzig Iabren von 1538 bis 1558 zwölf Folianten, und die An sprüche. wclckc seine BerusSthatigkeit an ihn machte, sowie zahlreiche Reisen in Betracht zieht, so ist r» geradezu er staunlich, wo er die Zeit zu einer so ausgedehnten Eorre- spondenz und zum Schreiben so umfangreicher 'Briese her« iiakin. Freilich — jene alten Herren wurden durch viele» nicyt abgezogen, dem wir »»« in unserer raschlebenden, luxuriösen Zeit znwenden müssen und freiwillig nur gar zu gern znwenden. Concerte waren ganz, Theater fast ganz unbekannte Dinge, zu Tanze lauf den Ball) ging nur da» junge Volk, die alteren Leute allerdings desto häufiger in die Kirche, Zeitungen und Journale verschlangen noch nicht so manche gute Stunde, — Politik trieben nur Fürsten mrt ihren geillticken und weltlichen Berathrr», ehrgeizige Kauf herren, wie die FuggerS, unruhige Ritter, wie der Berlickingen, Ulrich von Hutten oder Franz von Sickingen, allenfalls noch Bürgermeister und Rätbc mächiger Städte. Eer Unterricht der Gelehrten begann sehr früh und war höchst einseitig. Studenten von lSIahren waren nicht»Seltene», Professoren von tk Jahren kamen vor. Die Ueberbürdunz war »och nicht erfunden, anhaltende» tägliche« Studirrn während zwölf Stunden und mehr ohne Ferien war die Regel für daß, wa< man jetzt als Gymnasiasten bezeichnen würde. Freilich war da« Leben dieser jungen Leut« sehr eintönig: sie standen unter strenger Zucht, und Allotria, wie sie bei den jetzigen jungen Herrchen beliebt sind, würde man ihnen bald und gründlich auSgetrieben haben. Waren sie gar fahrende Schüler und Schützen, d. h. jnnge, kleine Kerlchen, so fanden ste in den Bacchanten, de» bemoosten Häuptern dieser Zunft stet» rauhe, oft wüste und gemeine Tyrannen. Aber von Ueberbürdnng, wie gesagt, und von Nervosität war nirgends die Rede und doch gab eS auch damals nervöse Ge lehrte genug: Melanckthon war einer, mehr noch EraSmuS Rotterdam»« und auch unser GeSner. Aber welch' ein Eifer, welch' eine Inbrunst für ihre Wissenschaft besaßen die meisten der Gelehrten de» Mittel- alter» und der Renaissancezrit! Sie waren noch wirkliche Gelehrte; eine humanistische Bildung verstand sich von selbst, e» gab kaum, vielleicht nur in Italien noch, eine andere, seit dem die höfische au-gestorben war. Ein jeder Arzt, ein jeder Naturforscher war ein tüchtiger Philologe und soweit eS der Standpunkt der Zeit zulieh, auch Philosoph. Und sie waren da» wahrlich nicht zum Schaden ihrer Wissenschaft; sie fühlten noch, wie Hunderte von Jahren nach iyneii ei» Mose» Mendelsohn, rin Lessing, ein Goethe, oder Natur forscher wie Haller. Humboldt, Sömmering, Blumc»- bach, Johanne» Müller und viele andere mehr, daß unsere ganze Wissenschaft im Grunde eben dock auf den Schultern de« AlkerthnniS steht. Jene Männer satten noch Ideale und die Wissenschaft noch nicht zur bloßen, milchenden Kub entwürdigt I Mögen es unsere heutigen Aerzte und unsere heutigen Naturforscker hören, wa« Ge-ncr, ein Naturforscher und Arzt in einer al« roh und barbarisch verschrieenen Zeit dachte und schrieb: „Wahre Freibrit wohnt nur in einer mit Kenntnissen reich gesckmückten Seele. — Welch' rin Leben wäre ein Leben ohne Au«übnng brr Wissenschaft I — Eine gelehrte Bildung, ein mit dem edelsten Wissen aezirrtrr Gesst ist die schönst« Ausstattung auch für daß Hohe Grrisrualter, deren Werth di« Jugend oft »och nicht erkennt! Sie ist jene» Kraut des Homer, mit schwarzer herber Wurzel, aber mit strahlend- weißer Blüthe. Wenn wir sie besitzen, können wir mit Scipio sagen: wir seien niemals weniger allein, als wenn wir allein seien. Ohne 'Wissenschaft ist das Leben öd »nd schaal. Vergesst nie, daß es für jedes Lebensalter (und laßt mich hinzusügcn „sür jeden Beruf »nd Stand") schändlicher ist unwissend zu sei» als WissenSwerthcS »och zu lernen". — Da» war GeSnerS, des arme», von Schulden geplagten, von Elend »nd Ncth gedrückten GeSner'S Meinung. In jenen Tagen konnte noch kirchlicher Sinn und christ liche Frömmigkeit ohne Anfechtung »eben der Naturwiffcn- sckast in eine- ManneS Herzen wohnen. GcSner war eine tief religiöse Natur, ei» Protestant lauterster Art. Im Jahre 1515 wollte ihn der möchtigc Graf HanS Fugger als seinen Privatblibliotbekar und Lehrer seiner Söhne nach Augsburg ziehen. Das Anerbieten war glänzend »nd zugleich ib'öchst ehrenvoll. GeSucr aber schlug cS.auS, weil er von» katho lischen Grasen »nd seiner Umgebung für seinen evangelischen Glauben fürchtete. So handelte ei» armer Gelehrter de» „roden" U>. Jahrhundert-, der kaum das liebe Brod hatte. Jetzt »ock muss man GcSner gut sein und kann sich leicht denken, wie noch seine Freunde, und nicht bloS diese, sondern wer seiner Zeitgenossen nur von ihm wusste, einen solchen Mann schätzten. Kaiser Ferdinand selbst, bekanntlich ein kluger Menschenkenner und gewiss vorsichtig in seinem Unheil«, sagte, nachdem er sich eine Stunde lang mit GeSner unter halten halte, zn seiner Umgebung: „Glaubt mir, dieser GcSner ist die Bravheit selbst!" Betrachten wir nun unseren Freund, nachdem wir sein Leben und ihn al- Menschen ein wenig haben kennen gelernt, etwa» näher al» Gelehrten. Um da» in gerechter Weise Ibu» zu können, müssen wir freilich ganz absehen von dem Ttandpuncte, welchen die Wissenschaften in unseren Tage» erreicht haben, und un« ganz, oder doch soweit wir e« ver-
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