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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 11.10.1898
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1898-10-11
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18981011029
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1898101102
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1898101102
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1898
- Monat1898-10
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Größere Schriften laut unserem Preis» verzeichniß. Tabellarischer und Ziffernjatz nach höherem Tarif. Extra-Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen - Ausgabe, ohne Postbesörderuna 60.—, mit Postbeförderung 70.—. Annahmeschluß für Anzeigen: Abend-Ausgabe: Vormittags 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittags 4 Uhr. Lei den Filialen und Annahmestellen je ein« halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Druck und Verlag vou E. Polz in Leipzig, Dienstag den 11. October 1898. 92. Jahrgang. Klar Schiff. Vor Monatsfrist — am 3. September — waren 23 Jahre vergangen, seitdem Kaiser Wilhelm I. sich genöthigt ge sehen hatte, päpstl iche A n m a ß u n g in die Schranken zurück- zuweisen. An jenem Erinnerungstage wurde von mancher Seite darauf hingewiesen, daß die Zeiten ähnlicher päpstlicher An maßung wohl wiederkehren könnten, da das deutsche Kaiserhaus ein erträgliches Verhältniß mit Rom stets nur als einen Waffen stillstand, niemals als einen dauernden und sicheren Friedens zustand ansehen könne. Wie richtig diese Auffassung, der Fürst Bismarck in den siebziger Jahren wiederholt Ausdruck verliehen hat, ist, hat man rascher, als man an dem denkwürdigen 3. Sep tember wohl hätte annehmen mögen, erfahren müssen. Die An sprache des Papstes andiefranzösischenPilger.inder das französische Protektorat über die Katho liken desheiligenLandes anerkannt und betont wurde, muß im Augenblick der Abreise des deutschen Kaisers nach dem Orient als eine directe Herausforderung Deutschlands angesehen werden und die Mittheilung, daß der preußische Gesandte beim päpstlichen Stuhle auf seinen Posten nicht mehr zurückkehren werde, spricht dafür, daß man in den Kreisen der deutschen Regierung die Ansprache auch als eine Herausforderung an gesehen hat. Es sei nur kurz erwähnt, daß die deutsche Re gierung nicht so ganz schuldlos daran ist, daß es so weit kommen konnte. Wenn diejenigen, die sich darüber aufhielten, daß bei dem gelegentlich des Geburtstages des deutschen Kaisers von den deutschen Katholiken Roms gegebenen Festmahle, an dem auch der Gesandte beim päpstlichen Stuhle theilnahm, des ita lienischen Königs nicht gedacht wurde, zumDank für ihre Beschwerde über diese Ungehörigkeit von der deutschen Regierung einen gehörigen Wischer bekamen, so wird man zugeben müssen, daß der Papst oder vielmehr die ihn leitenden französischen Elemente annehmen konnten, man dürfe Deutschland Alles bieten. Dazu kommt die in vaticanischen Kreisen traditionelle Hinneigung zu Frankreich, die gerade in kritischen Zeiten stets scharf hervorgetreten ist. Hat doch auch im Jahre 1870 das Papstthum nicht nur für Frank reich Partei genommen, sondern direct dazu beigetragen, daß es zum Kriege kam. Am 6. December 1874 hat Fürst Bismarck, sicherlich der beste Kenner der Verhältnisse, erklärt: „Daß der Krieg im Einverständnisse mit der römischen Politik gegen uns begonnen worden ist; daß an dem französischen Kaiserhofe gerade die katholischen Einflüsse den eigentlichen Ausschlag für den kriegerischen Entschluß gaben; daß der friedliche Wille des Kaisers Napoleon durch Einflüsse umgeworfen wurde, deren Zusammenhang mit den jesuitischen Principien nachgewiesen ist: über das Alles bin ich vollständig in 'der Lage, Zeugniß ablegen zu können." Es soll nicht gesagt werden, daß die Lage zwischen Deutschland und Frankreich gegenwärtig ganz so ge spannt sei, wie sie dor dem Ausbruche des Krieges von 1870 war, aber kritisch ist sie immerhin, und der Dünkel der Franzosen kann durch eine Betonung der Bedeutung Frankreichs, wie sie in der päpstlichen Ansprache liegt, nur gesteigert werden. Auch dadurch hat der Papst den auf die Erhaltung des Friedens gerichteten Bestrebungen Deutschlands entgegengearbeitet. Der Papst hatte zu wählen zwischen dem friedlich gesinnten Deutsch land und dem stets unruhigen Frankreich — er hat für Frank reich optirt. Ob diese Wahl dem Papstthum zum Segen ge reichen wird, ist angesichts der Behandlung, die wiederholt Päpsten von dem französischen Monarchismus und die gar erst der katholischen Kirche von der ersten französischen Republik zu Theil geworden ist, sehr fraglich. Dies indessen ist Sache des Papstes selbst. Für Deutschland ist es von Interesse, festzu stellen, warum der Papst für Frankreich optirt hat. Es dürfte ihn die Erwägung geleitet haben, daß Rom der deutschen Katho liken, oder wenigstens ihrer großen Mehrheit, immer sicher ist, auch dann sicher, wenn es den deutschen Interessen zuwider handelt, daß es aber die französischen Katholiken nur gewinnen kann, wenn die vaticanische Politik in Einklang mit den Inter essen der französischen Politik gebracht wird. Dem deutschen Katholiken, soweit er sich im Banne des Klerikalismus befindet, geht die Abhäncgigkeit vom Papstthume über das Gefühl der staatlichen Zugehörigkeit, der französische Katholik stellt sein nationales Gefühl voran. Eine Frankreichs Interessen schädi gende vaticanische Politik würde noch nicht 10 000 Franzosen auf der Seite des Vatikans finden, in Deutschland kann dec Papst, einerlei wie seine Politik ist, auf mehr als die hundertfache Zahl von Anhängern rechnen. Dieser Unterschied ist weder für die deutschen Katholiken, noch auch für das deutsche Reich sehr ehrenvoll, aber es ist eine Thatsache, mit der man rechnen muß. Deshalb muß auch die deutsche Regierung vorsichtig vorgehen, und sie wird schwerlich die Beziehungen zum Vatikan abbrechen, sondern sich voraussichtlich damit begnügen, für Herrn v. Bülow in Rom einen ener gischeren Vertreter der deutschen Interessen zu finden, der zu verhindern weiß, daß Deutschland in der Weise brüstirt wird, wie es durch die Ansprache des Papstes geschehen ist. Es mag aber sein, daß der Papst schon die Abberufung Bülow's und die Präsentation eines energischeren Nachfolgers zum Anlaß nimmt, das deutsche Centrum in die Oppositionsstellung ein schwenken zu lassen. Auf diese Möglichkeit muß man sich vor bereiten und darum in jedem Falle „Klar Schiff zum Gefecht" machen. Rückt das Centrum in die Opposition ein, so wird den linksliberalen Kreisen, die immer über die Zurücksetzung des Liberalismus klagen, die Gelegenheit geboten — vielleicht wird sie zum letzten Mal geboten —, den Einfluß des Liberalismus in Deutschland zu verstärken. Denn nur wenn der linke Flügel der Liberalen seine grundsätzlich« Opposition gegen die Re gierung, insbesondere in nationalen Fragen, aufgiebt, ist es möglich, ohne und gegen das Centrum zu regieren. Bleibt die Linke bei ihrer blinden Opposition, so muß, wenn das Centrum in die Opposition einrllckt, die Gesetzgebunqsmaschine stillstehen, und damit wird die Regierung gezwungen, früher oder später sich unter das vom Centrum und dem Papstthum aufgerichtete kaudinische Joch zu beugen. Ist also die Linke, und man kann dies bereits aus den Äeußerungen einiger ihrer Organe ent nehmen, oamit einverstanden, daß das deutsche Reich sich nicht Alles vom Papstthum bieten lassen darf, so muß sie daran denken, daß sie dadurch mit die Verantwortung übernimmt, wenn „Klar Schiff zum Gefecht" gemacht wird. Deshalb würde sie, falls sie in kritischer Lage versagen und die Regierung dadurch zur Unterwerfung unter das Centrum zwingen sollte, die Schmach auf sich laden, die den Soldaten trifft, der im Gefechte davon läuft. - Politische Tagesschau. * Leipzig, 11. October. Die Beflissenheit, mit der officiöse Federn versichert haben, daß die Abkürzung der Lrtentreise des Kaisers weder mit den Sitzungen des preußischen MinisterratheS noch mit der letzten Sitzung des KronratheS in irgend welche Verbindung zu bringen sei, hat nicht nur unS, sondern auch Andere un angenehm berührt. Aus Berlin wird uns über den Eindruck, den dort diese Versicherung gemacht hat, geschrieben: „Der Entschluß des Kaisers, auf die Reise nach Egypten zu ver zichten, wird in mehreren Blättern von zweifellos inspirirler Seite in einer Weise commentirt, die den günstigen Eindruck beeinträchtigen muß, welchen die erste Bekanntgabe des Ent schlusses durch das Wolff'sche Bureau gemacht hat. Selbst- verständlich rechnen wir hierzu nicht Bemerkungen über die allgemeine internationale Lage. Im Gegentheil, wir finden den Hinweis durchaus begreiflich, daß die Aenderung des Reiseplanö nicht als ein Sympton für den nahen Ausbruch bedrohlicher Verwickelungen angesehen werden dürfe. Was uns bedenklich stimmt, ist der Eifer, mit welchem überein stimmend die „Köln. Zeitg.", der „Hamburger Corre- spondent", die „Weserztg." und andere versichern, daß die wiederholten Berathungen der Minister und der Kronrath mit dem Entschlüsse des Kaisers nicht in Zusammenhang zu bringen seien, daß er vielmehr auf die eigenste Initiative des Kaisers zurückzuführeu sei. Man erhält aus den officiösen Verlautbarungen den Eindruck, als solle der Gedanke nickt auskommen, daß die Berathungen des Staatsministeriums und des Kronraths auf Neisepläne des Kaisers von Einfluß sein könnten. Wir möchten dem gegenüber betonen, daß uns nichts natür licher erscheint, als wenn das Staatsministerium auch bezüg lich der Reisen des Kaisers daS volle Gewicht seiner Stimme in die Waagschale wirft, und daß eine Entscheidung des Kaisers auf Grund der Berathung durch das Staatsministerium weder an Bedeutung, noch gegebenen Falls an Werthschätzung verliert." — Es ist wohl auch nicht bloßer Zufall, daß die Herren Officiösen es heute verabsäumen, zu versichern, auch die in der Abreise des preußischen Gesandten beim päpst lichen Stuhle liegende Kundgebung gegen den „Gefangenen im Vatican" sei lediglich auf die Initiative des Kaisers zurückzuführen und stehe in keiner Beziehung zu den Be rathungen der preußischen Minister unter sich und unter dem Vorsitze des Monarchen. Jedenfalls liegt die Annahme nahe, daß von berufener Seite den Herren von der dienenden Feder klar gemacht worden sei, wie sehr sie durch ihren Byzantinis mus das Ansehen und die Würde der berufenen Rathgeber der Krone schädigen und zugleich daS Vertrauen auf die gründliche Vorbereitung der kaiserlichen Entschlüsse unter graben. - Di« Klerikalen in Oesterdeich, die eben erst durch die Er nennung ihres Führers zum Handelsminister erfreut wurden, haben ein neues Geschenk erhalten. Die Regierung legte letzter Tage dem Abgeordnetenhaus« eine Vorlage über die Aufhebung der Religionsfondsbeiträge vor. Dieses in der liberalen Aera Auersperg geschaffene Gesetz belegte die reich dotirtsn Bisthümer, Stifte, kirchlichen Pfründen mit einer Abgabe, die zur Aus besserung der kargen Bezüge der niederen Geistlichkeit be stimmt wurde. Ungeachtet dieses guten Zweckes der Steuer thaten die davon betroffenen reichen Herren sehr gekränkt. Sie jammerten über Druck und Beraubung, weil ihnen durch die Steuer die Mittel zur Unterstützung der klerikalen Zwecke geschmälert wurden. Die Steuer lieferte im Jahre 1875 ein Erträgniß von 775 000 fl. und mau rechnete auf eine Steigerung bis auf 1 Million. Unter dem Ministerium Taafse, das auf die Stimmen der Klerikalen angewiesen war, sank aber infolge der vielen Recurse der geistlichen Herren der Ertrag von Jahr zu Jahr, so daß er im Jahre 1896 nur mehr 267 000 fl. betrug. Nun soll diese Steuer ganz aufgehoben und der Ausfall vom Staats schatz getragen werden. Handelt es sich dabei auch nur um eine verhältnißmäßig kleine Summe, so berührt es doch eigenthümlich, daß die Regierung mit der Steuerentlastung gerade bei einer Stelle beginnt, die es am wenigsten bedarf und dies in einem Augenblick, wo die von ihr selbst als dringlich anerkannte Aufbesserung der Staatsdienerbezüge mangels vorhandener Mittel an die Bewilligung neuer Steuern geknüpft wird. Die Erklärung für den ru:- vermutheten Steuerverzicht liegt Wohl darin, daß die Stimmen der Klerikalen für den Ausgleich mit Ungarn gewonnen werden sollen. Im Verlaufe des Pariser Streiks sind zum Schutze der Arbeitswilligen, da die Schutzmannschaft und die Municipal garde hierzu nicht mehr ausreichten, Linientruppen zugezogcn worden, und als die Pariser Garnison selber die Aufgabe nicht mehr bewältigen konnte, begann der Einmarsch der Provinzialtruppen. Nicht nur aus den nächstliegenden Städten Versailles, St.-Germain, Fontainebleau und SenUö wurden Regimenter herangezogen; bald mußte man noch weitcr greifen. Jetzt lagern in Paris Truppen von Chartres, Ram bouillet, Beauvais, Amiens, Arras, Compiögne, Le ManS und Bourges. Ganz Paris ist in ein Feldlager verwandelt. Jede Bürgermeisterei ist ein Hauptquartier. Und unter wessen Leitung steht diese riesige Militairmacht, der gleichen man seit dem Todeskampfe der Commune im Jahre 1871 nicht wieder in Paris gesehen hat? Unter der Leitung des MilitairgouverneurS Zurlinden und des Platzcomman- danten de Pellieux, die seit den letzten Ereignissen der DreyfuSsache im offenen Gegensatz zur Civilregierung stehen und als die Führer der Militairpartei gelten. Die Gefahr, die sich daraus erzieht, ist klar. Wollte die Militair- partei jetzt einen Handstreich unternehmen, so hätte sie alle Mittel beisammen. Mit bitteren Vorwürfen überhäuft daher die „Aurore" den Ministerpräsidenten, daß er nicht zur rechten Zeit völlig durchgegriffen und die widerspänstigen Häupter der Militairpartei beseitigt habe. Hätte Brisson nach Cavaignac's Rücktritt keinen General wieder zum Kriegsminister ernannt, sondern daS Kriegsministerium selber übernommen und dort reine Bahn geschafft, so schwebte die Republik jetzt nicht in der äußersten Gefahr. Charakte ristisch für die Lage ist es im Uebrigen, daß das leitende Dreysusblatt den Präsidenten Faure direct als Theilnehmer an dem militairischen Complott anschuldigt. So hängen die Gewitterwolken wieder einmal tief über dem unglücklichen Paris. Für Frankreich sowohl, als im Interesse der europäischen Ruhe ist zu wünschen, daß sie sich verziehen, ohne das äußerste Unheil anzurichten. Möglich ist das noa> immer, da in der Militairpartei vielleicht mehr Neigung zum Gewaltstreich als Wagemuth und centralisirte Leitung zu finden ist. Daß auch Italien große Interessen in China hat, beweisen zwei von der „Tribuna" gebrachte Mittheilungen: ein Bericht über die Lage der Italiener in Shanghai und ein Resunw der Zugeständnisse, die dem im Vorjahr gebildeten anglo- italienischen Syn dicat zur AusbeutungchinesischerKohlen- gruben gemacht worden sind. Der Bericht aus Shanghai constatirt zunächst, daß sich dort eine italienische Colonie von 100 Köpfen befindet, die in steigendem Wohlstände lebt. Diesen Wohlstand selbst verdankt sie ihrer Thätigkeit in der Seidenspinnerei; eine erhebliche Concurrenz von anderer Seite hat sie kaum zu besorgen, da sich dort nur Leute halten können, die in der in Rede stehenden Branche wirklich zu arbeiten verstehen. Die Entwicklung der italienischen Seidenspinnerei in China ist unbedingt als sehr bemerkenSwerth zu bezeichnen; bat doch der Export der gesponnenen Seide sich seit dem Eingreifen der italie- Feirrlletsn. Die kleine Lulu. 8j Seeroman von Clark Russell. Nachdruck verboten. Es tonnte kein Zweifel darüber herrschen, daß es ihm herzlich verhaßt war, sie auf Deck zu sehen, da sie nicht nur seinem un- ceremoniösen Gefluche und Geschimpfe Schranken aufleate, sondern ihn auch oft in die Verlegenheit brachte, sich mit ihr unterhalten zu müssen. Als er sie auf dem Oberlicht erblickte, machte er ihr unter einem verbindlich aussehen sollenden Grinsen eine sehr linkische Verbeugung, hob aber darauf sofort die Augen mit finsterer Miene in die Höhe nach dem Stell der Segel, um vielleicht irgend etwas dort nicht in Ordnung zu finden. Zu seinem Aerger waren aber alle Segel vollgerundet und steif; wir steuerten richtigen Curs, keine Brasse bedurfte einer Berührung und nirgends war «in Müßiggänger anzuschreien. „Was macht mein Bruder, Mr. Sloe?" fragte Miß Franklin. „Ich denke, er hat sich hingelegt, Ma'am", antwortete der Maat mit einer Stimme, welche bei ein«m Befehl in Wind und Wetter ivohl angebracht gewesen sein würde, hier aber neben der des Mädchens wie daS Knarren einer Thür klang. Sie sah in ihr Buch, und der alte Windwärts schlich sich fort, sie rief ihm aber nach: „Wann werden wir denn mal einen Sturm haben, Mr. Sloe?" „Das läßt sich nicht sagen." „Ich möchte so gerne sehen, wie die Wogenberge hochgehen. Werden Wogen wirklich so hoch wie Berge?" „Na, in Büchern hab' ich solch' Zeug wohl gelesen, mit meinen eigenen Augen hab' ich aber noch nie solche Wogen gesehen", antwortete er mit schlecht verhehlter Ungeduld über solche Fragen. Er war wieder im Begriff, sich zurückzuziehen, aber sie hielt ihn noch einmal auf: „Ach, Mr. Sloe, ich habe Sie schon so oft fragen wollen, ob Sie verheirathet sind?" Bei dieser Frage leuchtete rin so lustiges Blitzen in den braunen Augen der kleinen Hexe auf, daß mir der Gedanke kam, es sei ihr besonder» amüsant, den alten Windwärts mit Fragen zu quälen. Er sah mich an. Der Ausdruck, welchen das starke Schielen seinem Gesicht gab, und die Vorstellung, diese Mißgestalt mit irgend einem Gefühl in Verbindung bringen zu sollen, welches auch nur annähernd dem glich, was man Liebe nennt, brachte mich zum Lachen. Ich erstickte beinahe unter der Anstrengung, die Explosion zu verhindern; aber es war zu spät, und als Miß Franklin sich umdrehte und in mein rothes Gesicht blickte, brach auch sie in ein heiteres Lachen aus. „Worüber lachst Du, — Du da?" schrie er mich an. „Du thätest besser, Dich um das zu kümmern, was Du zu thun hast. Wie ist die Fahrt?" Ich meldete. Er warf mir «inen bösen Blick zu, und war im Begriff wegzugehen, als die unverbesserliche Luise ihn noch einmal anrief: „Mr. Sloe, Sie haben ja meine Frage noch nicht beant wortet." „Was wünschen Sie, daß ich Ihnen sage, Ma'am?" knurrte er, kaum im Stande, ihr höflich zu antworten, und ohne Zweifel von Herzen wünschend, sie wäre ein Mann, um ihr seine Meinung sagen zu können. „Ich fragte, ob Sie verheirathet wären?" sagte sie mit be zauberndem Lächeln. „Ich denke, es muß rin wonniges Gefühl sein, wenn ein Seemann nach langer Fahrt sich der Heimath nähert und den Moment vergegenwärtigt, wo er Frau und Kin der Wiedersehen mrd umarmen wird." Der alte Windwärts starrte sie an und antwortete langsam: „Ich bin verheirathet, aber so viel ich weiß, ist es gerade kein so absonderliches Vergnügen, nach Hause zu kommen, wenn nicht etwa, weil man dann die ganze Nacht ungestört im Bett liegen und jederzeit das Fallen des Barometers ruhig mit an sehen kann." „Ach, thun Sie doch nicht so, Sie sind doch sicherlich immer glückselig, zu Ihrer Frau heimzukehren?" rief sie mit gut ge spielter Ueberraschung, aber mit solcher Schalkhaftigkeit im Ge sicht, daß ich auf die Vermuthung kam, sie müsse mehr von dem alten Windwärts wissen, als dieser ahnte; ihr Bruder war mil ihm schon früher Schiffsmaat gewesen. Der alte Windwärts glotzte sie wieder groß an, und ich machte noch einen Erstickungsanfall durch, um meine Heiterkeit zu unterdrücken. Er bewegte sein« Kinnladen, als ob er ein ge heimes Primchen, welches ihm an eine unrechte Stelle gerutscht Ivar, wieder zurecht rücken wolle, stieß ein verlegenes, polterndes Lachen aus und sagte: „Ich könnte nicht gerade behaupten, daß mein Weib sehr glücklich aussieht, wenn ich nach Hause komme, und schätze des halb, daß sie wohl kaum vor Freude deckenhoch springt, wenn sie den Brief erhält, in dem ich mich anmelde. Es giebt Frauen, die begleiten ihre Männer bei der Abreise bis zum Schiff; Andere kommen ihnen entgegen. Meine Frau thut das Letztere nie, ist dagegen stets sehr bereit, mich fortzubringen. Ich bin an die zwanzig Jahre verheirathet, Ma'am. Wie viel Stiefel habe ich in der Zeit wohl vertragen? Wenn eine Ehe besser aushält »ls Stiefel — Leder, dann muß sie doch wohl eine gute sein." Mit diesem sehr unklaren Gleichniß schritt er nach vorn und fiel wüthend über einen Schiffsjungen her, weil dieser mit einem Matrosen gesprochen hatte. Miß Franklin sah ihm lächelnd nach, als er wegging, dann kam sie an das Compaßhäuschen, auf welches sie einige Minuten schweigend blickte. „Jetzt", dachte ich, „komme ich dran!" „Ist das Steuern schwer?" fragte sie. „O, nicht sehr", antwortete ich. Mein Herz schlug doch ein wenig rascher, nachdem sie mich angeredet hatte. „Ich möchte es gern lernen", sagt« sie. „Ich würde glücklich sein, es Sie zu lehren, wenn der Capitain es erlaubte." Sie wandte sich um, um mich anzusehen, und ich war be troffen von ihrem Blick. Er war sicherlich kalt, hatte aber nichts Verletzendes oder Verächtliches an sich, nur ein gewisses Sinnen, etwas ernst Prüfendes lag darin. Ihre schönen Augen trieben mir das Blut ins Gesicht; habe ich nicht schon gesagt, daß Jack ein schüchterner Mensch ist? Ich zweifle nicht, daß ich wie ein rechter Esel aussah in dem Wunsch, ihren mich ganz verwirren den Blicken ruhig zu begegnen. „Ich wundere mich, daß ein Mann wie Sie zum Vorder deck gehören kann", sagte sie. (Hierbei betonte sie „Vorderdeck" stark.) Mr. Sloe, als Officier, ist schon schlimm genug, wie müssen da seine Untergebenen, die Matrosen, sein?" Der alte Windwärts sah zufällig in diesem Augenblicke zu uns hin. Er runzelte zornig die Stirn, als er uns sprechen sah, konnte doch aber nichts sagen. Die Schwester des Capitains durfte sich unterhalten, mit wem sie Lust hatte, und es war nichr meine Schuld, daß sie mich angeredet hatte. „Sind Matrosen weniger Werth als er?" antwortete ich. „Er hat diesen Morgen einen Mann geprügelt, höre ich." „Mit einem Tauende", sagte ich, meinen Blick auf die Segel richtend. „So erzählte mir mein Bruder. Wie können Männer es nur ertragen, geschlagen zu werden! Ich möchte um alle Schätze der Welt nicht Seemann sein; und wenn ich dafür nach fünf Jahren Königin von England werden könnte. Ich dar? oar nicht daran denken, daß ich die schöne Sommerlandschaft, die Heu ernte, die Felder und Blumen aufgebe für — für die Möglichkeit, zu ertrinken." Ich wagte nicht zu fragen, warum sie denn bei solchem Wider willen gegen die See das Land verlassen hätte. „Was soll ich nur anfangen, wenn ich nach Sydney komme?" sagte sie. „Sind lauter Verbrecher da?" „Das glaube ich nicht", antwortete ich ernsthaft. „Gott gebe nur, daß ich glücklich wieder nach Hause komme. Ich würde niemals in einem Schiffe wie dieses gesegelt sein, wenn mein Bruder nicht gesagt hätte, es würde mir gut thun. — Ah, da ist er ja. — Nun, Pfefferbüchse, ich hoffe, Dein Scklaf hat Dich erfrischt." Augenscheinlich mißfiel ihm diese Form der Anrede in meiner Gegenwart, aber er hatte Tact genug, zu lächeln; dann sagte ec mit leiser Stimme: „Du solltest nicht mit dem Mann am Steuer sprechen." „Das ist-aber dumm. Es ist doch Niemand da, mit dem ich sprechen könnte außer —" und sie machte eine Grimasse in der Richtung nach dem alten Windwärts. Er nahm ihren Arm und führte sie weg. Es kam mir vor, als wenn er sie schalt, aber nicht unfreundlich. Jedenfalls glaubte ich zu erkennen, daß, aus welchem Stoff auch sein Herz bestand, es seiner Schwester gegenüber doch weich war. Gleich nachdem sie ihre Strafpredigt entgegengenommen. ging sie nach unten, und ich hatte eine Stunde ungestörten Nackdcnkcns für mich, die ich ihr widmete. Der Schluß, zu dem ich gelangte, war, daß sie ein frisches, ganz wunderbares Landkino wäre, wahrickreinlich «ine Waise, die ihr Bruder wie ein Kettenhund bewackre, da er es plötzlich nicht länger verantworten zu können glaubte, sie pnbeschützt und allein am Lande zu lassen. Vielleicht hatte er Recht, wenn nämlich meine Vermutbungen zutrafen; aber wollte er sie denn auf seinen Reisen mit sich herumschleppen, bis er selbst die See verließ? Sechstes Capitel. Bis jetzt habe ich es unterlassen, die Leser mit einem Manne bekannt zu machen, welcher eine hervorragende Rolle in dieser Erzählung spielt. Als ich Has erste Mal auf der Brigg war, hatte der Capitain spottend von einem neuen Matrosen gesprochen, welchen er in Bayport geheuert hatte. Er sagte von ihm, er brauche nur Tonsur und Brille, um ein leibhaftiger Caplan zu sein. Es war dieses derselbe Mann, der betrunken ins Wasser ge fallen war. Sein Name war Deacon, aber die Mannschaft hielt
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