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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 24.02.1903
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1903-02-24
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19030224015
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1903022401
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1903022401
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1903
- Monat1903-02
- Tag1903-02-24
- Monat1903-02
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Annahmeschluß für Annigan 0ld«»d.el»1^«r I» Nh» »»,-«»->»«»»«» 4 Nh» «u, eigen find stet» « N» EfipaNttm» Pi richt» Di« Expedition tfi »och«llog« «nmtrchrpch«, gküffuet uou früh > bi« abaud« 7 Uh». Druck uud ««lag von G, P»l> l» Letpzi». 97. Jahrgang. Frankreich und Rbesfinien. Die gefallsüchtige Danre Frankreich hat einen ihrer treuesten Verehrer verloren und das zu einer Zett, wo sie vor aller Gelt mit ihrem Seladon Aussehen erregen wollte. Der Negus Meneltk von Abessinien hatte schon sein Erscheinen bet dein Feste der Einweihung der fran. zvstschen Bahn Dttbuti-Harrar bestimmt in Aussicht ge stellt und französische Kriegsschiffe sollten -en neuen Gefolgsmann der Republik feierlich begrüßen. Man freute sich schon in Paris, die hagere englische und die schwarz- äugige italienische Nebenbuhlerin vor Neid fast sterben zu sehen. Und nun ist aller Aufwand umsonst gewesen. Der Kaiser von Aethtopten, der König der Könige, der „siegreiche Löwe von Juda" wendet seine Gunst der alt jüngferlichen Britannia zu, sagt feinen Besuch ab und verschärft diese Enttäuschung durch beleidigenden Abbruch -er persönlichen Beziehungen zum französischen Geschäfts- träger. Und alle diese Kränkungen widerfahren Frau Marianne unter den Augen deS starken Freundes von der Nmva, -er neuerdings seine Beziehungen zu dem ein zigen christlichen Herrscher Afrikas wieder so eng gestaltet hat — natürlich nur zur höheren Ehre der Kirche, von deren Glaubenssätzen freilich die dunkelfarbigen Genossen im Hochland von Habefch recht abenteuerliche und jeden falls keine orthodoxen Anschauungen haben. In England jubelt man über das Zerwürfnis zwischen dem NeguS und Herrn Lagarde und rechnet über den persönlichen Bruch hinaus mit einer allgemeinen poli tischen Verfeindung zwischen dem Abefsinierretch und der Republik. Die französische Opposittonspresie stößt in das selbe Horn: sie sieht auf eimnal alles schwarz in schwarz. Der ganze Erfolg in Ostafrtka sei durch die ungeschickten Agenten der Republik in Frage gestellt, wo nicht schon ganz zerstört. Italien, das eben noch so heiß umworbene, wirb auf einmal zu den Zöllnern und Tündern geworfen, zu den „Feinden" deS armen, gutmütigen Frankreich, zu den Genossen Englands, des obersten der Teufel. Nun. ganz so schlimm liegt die Sache nicht und Herr Delcasss wirb bei der Ungnade deS „Löwen von Juda" nicht gleich Reißaus nehmen. Aber etwas nachdenklich mögen die Vorgänge in Abessinien die verantwortlichen Herren am Ouat d'Orsay doch stimmen. In dem Schrei ben, das Taitu, die Kaiserin von Aethiopien in Pariser Blättern veröffentlicht, wird mitRecht darauf htngewtesen, daß Frankreich schon seit den Tagen Salasalafsies, des Großvaters MenelikS, die bevorzugte Macht in Habesch gowcsen sei und wenn jetzt in diesem guten Verhältnis ein einschneidender Wandel eingetreten ist, so kann sich Frankreich nicht von jeder Schuld frctfpirechen. Die Gallier haben noch immer von ihren slawischen Bundes genossen das ABE der Diplomatie gelernt, die Kunst des Abwartenkünnens. Herrn Lagarde träumte bereits sehr lebhaft von der Aufteilung Aethtopiens und er musterte das Beutestück, -aS Frankreich zufallen sollte, -as Land um Harrar, mit so ungeniertem Eifer, daß Herr Jlg, der einflußreichste Ratgeber Meneltks, argwöhnisch wurde. Der Engländer, der noch vor kurzer Zeit vergeblich be müht gwoesen war, das französische Bahnprojekt Addis- Abeba-Harrar-Djibutt zu hintertreiben oder ihm wenig stens das britische Zatla als Küstenendpunkt geben wollte, erhielt vor drei Monaten die Konzession zum Bau einer neuen Bahn zur Verbindung des Sudans durch Abessinien nach Uganda. Das französische Vorgehen wurde auf Schritt und Tritt verdächtigt und der unvorsichtige Herr Lagarde, der sich so voreilig schon die besten Zimmer in dem zurVersteigerung kommenden Hause deS Menelik aus gesucht und belegt hatte, sah sich plötzlich unsanft vor die Türe gesetzt und zu dem Aerger kommt nun noch der Spott der Engländer und Italiener, die doch selbst keines wegs die Unantastbarkeit Aethtopiens als Sakrament an sehen, die aber ihre Wünsche noch zurückzustellen wissen. Herr Lagarde ist in Abessinien unmöglich geworden. Er ist aber nicht der alleinige Schuldige. Schon seit vier Jahren ist der französsische Geschäftsträger dem Negus persönlich sehr unsympathisch. Schon 1899 soll Menelik vergeblich um Abberufung Lagardes gebeten haben. AIS der Franzose 1901 auf einige Zeit nach Europa auf Ur laub ging, soll sogar der äthiopische Kaiser mit liebens würdiger Offenheit beim Abschied persönlich den Wunsch ausgesprochen haben, Lagarde nicht wiederzufehen. Da ist es doch eine unbegreifliche Torheit, daß man diesen Mann wieder an einen Hof schickte, wo die gerie bensten Diplomaten sich gegenseitig in ihren Intrigen zu fangen suchen. Durch die Zwangsregulierungsverträge mit England und Italien gewinnt England die Nilquellen und Italien erhält die gewünschte Arrondierung im Kaflala-Tigregebiet. Die alte französische Eisenbahnkon- zeffiou-fft aber anderseits direkt gefährdet, da der Neguck willens zu sein scheint, ihren Wetterbau zu verhindern. DaS sind die unerfreulichen Ergebnisse der kurzsichtigen französischen Politik. Diese unfaßbaren Fehler Frankreichs Hat England mit Geschick und mit der ihm eigenen Unverfrorenheit auS- genutzt. Man flüsterte dem Kaiser zu, die Bahn Djtbutt- Harrar sei kein Privatunternehmer,, sondern die Republik wolle sich damit politisch im Reich deS Königs der Könige festsetzen. Die Hoheit des Löwen von Juda in den Bergen und Schluchten von Habesch sei durch den frechen Franken bedroht. Herr Jlg sorgte dafür, daß man am Hofe des NeguS diese Ausstreuungen glaubte. Man suchte Ma terial gegen Frankreich, wo man es finden konnte, be- sonderst als der franzofenfreundliche Ras Makonnen längere Zeit in Paris abwesend war. Den Schlußknoten in dem listigen Gewebe bildeten Erinnerungen an den Krieg Italiens gegen den Negus. Frankreich sollte Aethiopien verraten haben. An sich täten nun gerade England und Italien im Interesse ihrer angeblichen tra ditionellen Freundschaft am besten, die „ollen Kamellen", die sich an die Tage der Schlacht vdn Adua attknüpfen, nicht wieder aufzuwärmcn. Nach der jetzt ausgegrabenen Darstellung soll Menelik am Tage vor der Schlacht den Franzosen von seinem ganzen strategischen Aufmarsch und seinem Schlachtplan Kenntnis gegeben, Lagarde aber den ganzen Inhalt dieser vertraulichen Mitteilung brühwarm an den italienischen General Baratieri weiter gegeben haben. Das Geschichtchen klingt gerade nicht sehr glaub haft und ist eigentlich, im Falle seiner Wahrheit, am beschämendsten für Italien, daS trotz dieses angeblichen Verrates keine Lorbeern zu ernten vermochte. Es ist aber bezeichnend, daß solche Sachen in Umlauf gesetzt wer ben können und das Ohr des äthiopischen Kaisers für sich gewinnen. Frankreich wird viel zu tun haben, um diese politische Schlappe wieder gut zu machen. Wir haben keine unmittelbaren Interessen in Abessi nien, haben aber ganz sicher auch kein Interesse daran, England in Ostafrika zu stark werben zu sehen. In Lon- don betrachtet man mehr und mehr Deutsch-Ostafrika nur noch als störendes Einschiebsel, das dem Plan eines eng lischen Afrika vom Kap nach Kairo im Wege steht. Eine Einbeziehung von Abessinien in die englische Interessen sphäre räumt einen Bundesgenossen gegen britische Ueber- griffe fort. Wir beklagen daher den Mißerfolg Frank reichs und hoffen, daß Rußland, wie sonst schon, auch in Aethiopien die Fehler der französischen Schwabenstreiche wieder gut machen wird. ^V. Deutsches Reich. * Berlin, 23. Februar. (Die Flottentabelle de» Kaisers.) Der „Daily Graphic" bringt in seiner brütigen Nummer die Tabelle des deutschen Kaisers über die Flottenstärke England« und Deutschland« und be- yierkt dazu ir, einem einleitenden Artikel: „ES ist unmöglich, der Hartnäckigkeit di« Bewunderung zu der- sagen, mit der der deutsche Kaiser bemüht ist, sein Volk in der Doktrin der Seemacht zu erziehen, wenn wir auch noch so sehr be dauern müssen, daß der Wettbewerb in der Rüstung dadurch angespornt wird Im Vergleich zu der klaren Darlegung des Kaisers ist der Bericht unserer eigenen Admiralität über die Flotten der Mächte im Jahre 1902 rin verächtliche- Machwerk. Der englische Bericht ist lediglich «ine Zusammenstellung der Schiffsverzeichntsse der Mächte für den Monat April. Nicht» wird darin über Geschwindigkeit und Panzerung vermerkt, und der Bericht wirft Kreuzer aller Art, von dem veralteten un geschützten „Pylades" mit seinen Mosten und Segeln bis zu dem modern-gepanzerten „Good Hope" uud Linienschiffe von der kleinen „Hero" bis zur modernen „London" wild zusammen. Im Jahre 1888 führte man in der für das Parlament bestimmten Liste noch die Schiffe „Lord Warden" und „Repulje" auf, während man sie gleichzeitig zum Verkauf anbot. Fast genau so verfuhr man mit Len Schiffen „Herkules" und „Superb" in den Aufstellungen vom letzten Herbst. Wenn das Haus der Communs so mangelhaft in formiert wird, kann es unmöglich die wichtige Frage der Seeherrschaft in geeigneter Weise besprechen. Wir können dem Kaiser nur gratu lieren zu seiner doppelten Leistung als Marinestatistiker und als Zeichner. Sein Werk verdient, den Platz im Reichstage einzunehmen, wo Mitglieder der Volksvertretung di« Tabellen sehen und besprechen können. ES ist nicht unser Vorsatz, unsere Kritik auf dir Fehler hinter den Panzerplatten au-zudehnen oder auf Detail« aufmerksam zu machen, wie zum Beispiel darauf, daß fast 60 der englischen Schiffe den Belleville - Kessel haben, während von den deutschen Schiffen nur zwei damit ausgestattet sind." Nach der dem Reichstage vorliegenden Tabelle de» Kaiser« sind al« „geeignet sür die Front" in England in Dienst gestellt: 42 Linienschiffe, 14 Panzerkreuzer, 109 Panzerdeck- kreuzer; in Deutschland: 12 Linienschiffe, 2 Panzerkreuzer, 17 Panzerdeckkreurer; im Bau sind in England: 12 Linien schiffe, 20 Panzerkreuzer, 8 Panzerdeckkreuzer; in Deutsch- land: 6 Linienschiffe, 3 Panzerkreuzer, 6 Pauzerdeckkreuzer. Ucber den Zweck dieser Tafel wird iu deu „Greuzboten" auSgeführt: „Verstehen wir die Sache recht, so hat Kaiser Wilhelm deu Deutschen, die beständig gegen England mit der Faust auf den Tisch schlagen, einmal mit nüchternen, aber nur zu beredteu Zahlen klar machen wollen, was düse papiernen Feldzüge gegen England in der Praxis eigentlich bedeuten. Diese Zahlen wollen freilich nicht sagen, daß wir England unter allen Umständen au» der Hand zu fressen haben, wohl aber, daß e» keinen Sin« hat, einen Staat, dem gegenüber unsere Kräfte so inferiorer Natur sind, un nötig zu reizen und herauszusorderu. Anderseits hat der Kaiser zugleich den Engländern und ihrer Presse zu erkennen gegeben, daß sie sich unnötig lächerlich mache», wenn sie fortgesetzt von deutschen Drohungen gegen England schreiben und reden. Ein Staat, der den 42 Linienschiffen England» 12, den 14 englischen Panzerkreuzern nur 2, den 109 Panzrrdeckkreuzern nur 17 entgegen, zustellen vermag, wird nie die Rolle de« Angreifer« für sich in An spruch nehmen können. Nun wird ja freilich nach der A»«führ»ng d«S deutschen FlottrngesetzeS im Jahr« 1916 — also tu drei zehn Jahren I — die deutsche Flotte ei« stattlichere» Schlachtenwerk, zeug mit 38 Linienschiffen in der Front und der Reserve situ. Aber erstens vergehen bis dahin noch 13 Jahre, zweiten« wird sich der englische KriegSschiffbau immer in aagemesseuem Verhältnis be wegen und seine Begrenzung nur in der MannschaftSf ag« finde», da- heißt iu der Möglichkeit, eine so iu» Bewältige wachsende Flotte mit Officieren und Mannschaften zu versorge». Auch wenn wir noch einen Schritt weiter ginge» uod bi« 1916 ein ganzes Liniengeschwader mit zwei AufklärungSdivisioneu für den AuslandSdünst herstellten — jedenfalls da- äußerste an Leistung, was bi- dahin zu ermöglichen wäre — so würde auch dieser Zu wachs von 16 Schiffen die militärische Lag« England» gegen Deutschland in keiner Weise verschlechtern." Man braucht nicht zu bezweifel», daß diese Interpretation der kaiserlichen Absichten richtig ist, aber man braucht trotzdem nicht mit den nur angedeuteten darin liegenden Winken für die Gestaltung der deutschen auswärtigen Politik überein zustimmen. * Berlin, 23. Februar. Mit -er Schaffung einer Reichsarzneitaxe beschäftigen sich bekanntlich die verbündeten Negierungen. Die einheitliche Regelung der Heilmittelpreise für das Deutsche Reich wird von verschie denen Jntereffentengruppen verlangt. Dem nächsten ordentlichen Aerztetage liegt ein einschlägiger Antrag des ärztlichen Bezirksvereins Leipzig-Stadt vor. Weiter haben Universitätslehrer der Heilmittellehre wiederholt auf die Unzuträglichkeiten hingewiesen, welche die Un gleichheit der Arzneiprcise in -en einzelnen Bundesstaaten für den Unterricht der Studierenden mit sich bringt. In Feuilleton. Fastnachtsgebrauche in alter Zeit. Von E. Glaser. Nachdruck »erboten. Fastnächten hat viele Erinnerungen eines alten heid nischen Festes übernommen, an welchem eine Vorfeier des Frühlings, das Ende des eigentlichen Winters, stattfand. In den Kastnachtogebräuchen mischen sich altgermanische Krühlingssitten, christliche Anschaumrgcn, Bolksaber- glaubc und zum Teil von den Römern herstanrmenbe ita lienische Karncvalssetcrltchkeitcn. Die FastnachtSfrenden bestanden in Tanz, Schmausereien, Trinkgelagen, Mum mereien, Aufzügen, und in manchen Orten in Abhalten eines NarrengerichtcS. Durch ganz Deutschland, Frank reich und Skandinavien war besonders der Umlauf Ver mummter zu Fastnacht gebräuchlich, und überall trug er wesentlich denselben Charakter. Aus Getiers von Kaisers berg Schilderung der Fastnachtsnarren geht hervor, daß im Elsaß die Teilnehmer vermummt und verdutzt waren, Schellen trugen, sich das Gesicht schwarz bebrämt, berußt oder besudelt hatten, sich unsinnig geberdeten, als sei der Teufel in sie gefahren, von einem Haufe zum andern liefen und in die Stuben, selbst in die Schlafzimmer drangen, nm, wie sie sagten, das Küchlein idie Kaftnachts- brezel) zu holen. Sebastian Frank, Weltbuch 1534, schitdert die Fast nacht der Franken folgendermaßen: „Etlich machen sich als die Teufel, etlich latsscn nackend, ohn' alle Scham, gar entblößt, durch die Stadt. Etlich, weil sie kein Scham haben, verputzen sie sich in Larven und Schönbart, daß nmn sic nicht kenne." Ferner von der Fastnacht der römischen Christen schreibt er: „Nachmals (nach Lichtmeß) kommt die Fastnacht, der römischen Christen Bachanalta. An diesen: Feste pflegt man viel Kurzweil, Spektakel, Spiel zu halten mit Stechen, Turnieren, Tanzen, Reckenfahrt, Fastnachtsspiel. Da verkleiden sich die Leut, laufen wie Narren und Unsinnige in der Stadt mit mancherlei Aben teuer und Fantasie, was sie erdenken mögen; wer etwas närrisch erdenkt, ist Meister. Da sichet man in seltsamer Rüstung, seltsamer Mummerei, die Frauen in >MannS» l kleidern und die Männer in weiblicher Kleidung, und ist fürwahr Scham, Zucht, Ehrbarkeit, Frömmigkeit an diesem christlichen Fest teuer, und geschieht viel Büberei; doch verrichts gelt alles in der Beicht, all Bosheit und Unzucht ist ziemlich an diesem Fest, ja ein Wohlstand. Die Herren haben ihr Fastnacht an einem Sonntag, darnach auf den Aftermontag (— Tag nach -em Montag) die Leyen. In Summa, man sähet daran allen Mutwillen und Kurzweil an. Etliche lausen ohne alle Scham aller Ding nackend umher, etliche kriechen auf allen Vieren wie die Tiere, etliche brüllen Narren aus, etliche sind Mönche, Könige usw. auf dies Fest, das wohl Lachens wert ist. Etliche gehen auf hohen Stelzen und Flügeln und langen Schnäbeln, sind Störche, etliche Bären, etliche wilde Holzleut, etliche Teufel, etliche tragen einen frischen Menschenkot auf einem Kissen herum. Etliche sind Affen, etliche in Narrcnkleider verdutzt, und zwar diese gehen in der rechten Mummerei, und sind in Wahrheit das, was sie anzeigen. Wenn sie ein Anderer einen Narren schilt und Eselsohren zeigt, so wollen sie zürnen, hauen und stechen, nnd hier beichten sie willig und öffentlich vor jedermann selbst, wer sie sind. Die Jtalt oder Walsen in Italien stellen sich auch als wollten sie die Deutschen in diesem Fall überwinden, da sind a»rch Narren wohlfeil, doch etwas subtiler denn die Deutschen. In Ulm hat man einen Brauch an der Fastnacht, wer an diesem Tage in ein Haus geht und nicht sagt, er gehe mit Urlaub aus und ein, den fassen sie und binden ihm (es sei Frauen- ober Mannsbild) die Hände als einem Uebel- thäter auf den Rücken, klopfen mit einem Böcken (Becken) voran und führen ist» in der Stadt bernm. Auf diese kommt die Fast. Den nächsten Tag darauf, zur Eingang derselben, läuft daö Volk zur Kirchen, da streut der Pfaff einem jeden um einen Pfennig ein wenig Aschen auf den Kopf. Auf diesen Tag der bischerigen Mitt woch leiten sie das Fest ein mit großer Mummerei, halten Bankett und verkleiden sich in sonderlicher Manier. Etliche klagen und suchen die Fastnacht mit Fackeln und Laternen beim Hellen Tag und schreien kläglich, wohin die Fastnacht kommen sei. Etliche tragen einen Häring an einer Stange, etliche hängen einen Hausen Buben an sich und singen ihnen vor, etliche werfen Nüsse au-, etliche fassen einander und tragen einander aus Stangen in -en Vach. Den nächsten Sonntag danach gicbt man der Fastnacht Urlaub, vermummt und verhüllt sich, trinkt sich voll, spielt und rasselt zuletzt »Rassel — Schnarre). Alsdann folget die traurige Fast." Bei Beschreibung des Landes der Franken sagt Se bastian Frank weiter: „An dem Rhein, Frankenland und etlichen andern Orten sammeln die jungen Gesellen ihre Tanzjungfrauen, setzen sie in einen Pflug und ziehen ihren Spielmann, -er auf dem Pflug sitzt und pfeift, in das Wasser. An andern Orten ziehen sie einen feurigen Pflug, mit einem meisterhaft darauf gemachten Feuer an gezündet, bis er zu Trümmern fällt. Halten auch ihrer vier ein Leylach (Leintuch) bei den vier Zipfeln und einen strohern angemachten Butzen (Strohmann) in Hosen und Wams, mit einer Larve, wie einen toten Mann, schwingen ihn in die Höhe und fangen ihn wieder auf in das Leylach. Das treiben sie durch die ganze Stadt, und mit viel anderen Figuren gehen die römischen heidnischen Christen in der Fastnacht um, als unsinnig mit großer Leichtfertigkeit." Eine besondere Berühmtheit hatte der Nürnberger Fasching erlangt, an welchem das Schönbartlaufen den Hauptakt bildete. Schönbart hieß vor Zeiten jede Maske und Schönbartmacher ein MaSkenvcrleiher. Ueber -en Ursprung dieser Fastnachtslustbarkeit gibt eine Nürn berger Urkunde vom Jahre 1851 Aufschluß: Im Jahre 1849 erregten die Zünfte in Nürnberg einen großen Auf ruhr wider -en dortigen Rat, wollten ihn am dritten Pfingsttage überfallen und erschlagen. Dieser Anschlag wurde von einem Mönch verraten, worauf -ie RatSmit- glieber sich heimlich nach Heideck flüchteten. Die Zünfte setzten alsdann einen neuen Rat ein, indes der alte Rat fast IZH Jahr zu Heideck in einer Art von Verbannung blieb. Endlich kam Kaiser Karl IV. von Prag nach Nttrn- berg, ließ die Aufrührer gefangen setzen, einige enthaup ten und den alten Rat wieder Herstellen. Die Metzger waren -em alten Rate treu geblieben, deshalb bevorzugte sie der Kaiser mit der FastnachtSlustbarkeit, welche das Gchünbartlaufeu genannt wird. Was nun die Lustbarkeit des SchvnbartS selbst anbe trifft, so liefen allezeit, nach alter deutscher Titte, etliche Vermummte in Narrcnkleidern voraus, die mit Kolben i ober Pritschen Platz machten. AlSdann ritt oder lief auch I bisweilen einer im Narrenkleide mit einem großen Sack I voll Nüsse, welche er unter die sich raufenden Buben aus warf. Ihm folgte noch ein anderer, meistens zu Pferde, einen Korb mit Eiern tragend, -ie mit Rosenwaffer ge füllt waren. Ließen sich nun Frauenzimmer an Fenstern, Haustüren oder auf der Straße sehen, wurden sie mit diesen Eiern geworfen, was dann, nach der Bemerkung der Schönbartbücher, gar schön geschmecket (gerochen). Dann kamen die Schönbartsleute selchst mit ihren Haupt männern und Musikanten. Manchmal lief einer darunter in einer seltsamen und eigenen Kleidung, z. B. ein wilder Mann oder ein wildes Weib, ein Mann mit einem Wolfs topf, oder im grünen Kleide, mit lauter Spiegeln be hängt, ein indianisches Weib nnt lauter Kastanien be hängt, und im Jahre 1523, beim Anfänge der Reforma tion, erregte einer großes Aufsehen, der in einem Kleide lief, welches von lauter Ablaßbriefen mit daran hängen den Siegeln zusammengesetzt war, dergleichen Briefe er auch in der Hand trug. Zum Beschluß des ganzen Zuges führten sie fast immer, wenigstens vom Jahre 1475 an, eine sogenannte Hölle, die nach Beschaffenheit ihrer Größe entweder von Menschen oder Pferden auf einer Schleife (Schlitten) gezogen wurde. Diese Hölle war eine Maschine von verschiedener Art, sie enthielt ein künstliches Feuerwerk, das man zum Ende der ganzen Lustbarkeit vor dem Rathause anzündete, inanch- mal auch erstürmte und verbrannte. Die vornehmsten Metamorphosen dieser Hölle waren: ein Haus, ein Turm, ein Schloß, ein Schiff, eine Windmühle, ein Drache, ein Basilisk un- Krokodil, die Feuer spien, ein Elefant mit einem Turm und Mannschaft, ein Riese, der Kinder fraß, ein häßlicher alter Teufel, der die bösen Weiber ver schlang, ein Kram mit einer Krämerin, die allerhan- Narrenwerk feil hatte, ein Venusberg, ein Backofen, worin lauter Narren gebacken wurden, eine Kanone, aus der man zänkische Weiber schoß, ein Vogelherd, worauf man Narren und Närrinnen fing, eine Galeere mit Mönchen und Nonnen, ein Glücksrad, -aS lauter Narren herum drehte. Im Jahre 1539 verdarb die Hölle den ganzen Schön- bartShandel auf immer. Damals befand sich der berühmte Doktor Andreas ONander in Diensten der Stadt Nürn berg. Dieser Mann verband mit seiner natürlichen Hitze einen ganz besonderen geistlichen Eifer, der ihm daS Volk un- -en Pöbel zum Feinde machte. Die Schönbartt-esell-
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