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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 07.09.1897
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1897-09-07
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18970907023
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1897090702
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1897090702
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1897
- Monat1897-09
- Tag1897-09-07
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Reklamen unter dem RedactiouSstrich (4gm spalten) 50>4, vor den Familleunachrtcht« (6 gespalten) 40/H. Größere Schriften laut ouseremPreiS- verzeichniß. Tabellarischer und Zkffernsatz nach höherem Tarif. Extra-Beilagen (gefalzt), nur mit de» Morgen - Au-gabe, ohne Postbeförderunzl 60—, mit Postbeförderuug ^tl 70.—^ TinnahmeschluK für Änzeige«: Abeud-Ausgabe: Vormittag» 10 Uhr. -borgen- Ausgabe: Nachmittag» 4 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestelle» je ein« halb« Stund« früher. Anzeige« find stets an die Gxpeditt»» zu richten. Druck und Verlag von E. P olz tu Leipzig Sl. Jahrgang: Politische Tagesschau. * Leipzig, 7. September. Die „Kreuzztg." weiß zu gut, welche» Gewicht in weiten Dolkskreisen auf da» Urtheil des Fürsten Bismarck gelegt wird, al» daß sie sich nicht gedrängt fühlen müßte, wenigstens den Versuch zu machen, ferne abfälligen Auslassungen über die konservative Partei als von dieser und ihren Führern nickt verdient erscheinen zu lassen. Das Blatt, daS sich zweifellos bewußt ist, daS Meiste von dem mitverschuldet zu haben, was der Fürst an der ganzen Partei tadelt, setzt daher seine Recht fertigungsversuche fort; diese fallen aber so unglücklich aus, daß sie beweisen, waS sie leugnen. So behauptet die „Kreuz zeitung", Fürst Bismarck irre, wenn er sage, die Conser- vativen verwechselten häufig die Begriffe conservaliv und gonvernemental, und sucht diese Bebauptung mit der anderen zu begründen, die Conservativen hätten in der Opposition, zu der sie nicht selten gedrängt worden seien, lediglich gewisse Grenzen in der Form innegebalten: „Hierbei sind sie lediglich durch ihre bewährtenTraditionen geleitet worden, nicht etwa durch den Wunsch, gouvernemental zu erscheinen. Vom Fürsten Bismarck haben sie gelernt, den König als den obersten Leiter der gejammten preußischen Poltitik und die peinliche Wahrung der königlichen Rechte alS eine ihrer vornehmsten Pflichten zu betrachten. Weil sie in den Ministern die Vertrauensmänner des Königs, nicht die« jenigen einer parlamentarischen Mehrheit erblicken, so haben sie auch da, wo sie die Haltung der Minister nicht für richtig hielten, ihrer Opposition die Form gegeben, die sie gegenüber den ersten Rathgebern des Monarchen für die gebotene erachten mußten." Für wen diese Versicherung abgegeben wird, liegt auf der Hand. Daß sie im gröbsten Widerspruche zu der Sprache steht, die z. B. Graf Limburg-Slirum gegenüber dem Staatösecretair von Marschall und „Vater" Plötz gegen den Landwirthschaftsminister von Hammerstein-Loxten wer weiß wie oft geführt haben, wird die „Kreuzzeitung" selbst nicht abzuleugnen wagen. Aber gerade deshalb wird von ibr und ihren Hintermännern der Versuch gemacht, den Monarchen zu umschmeicheln und ihn glauben zu machen, eigentlich müßte eine noch viel schärfere Sprache geführt werden und nur die Rücksicht auf den König leg milde Worte in den Mund. Und gerade diese Umschmeichelung des Monarchen, gerade das Entgegenkommen gegen seine persönlichen Wünsche, um ihn für Parteiwünsche zu captiviren, meint Fürst Bismarck, der ganz genau weiß, wie der ehemalige KreuzzeitungS-Ncdacteur v. Hammerstein den Rath Stöcker o befolgt hat, den Monarchen gegen seinen ersten Rathgeber einzunehmen. Und wenn man trotz dieser bekannten Vor gänge noch im Zweifel über die Taktik der „Kreuzztg." und ihrer Hintermänner dem Monarchen gegenüber sein könnte, so würde sie klar hervorgehen daraus, daß das Blatt in seinem SelbstvertheidigungSvcrsuche dem Fürsten Bismarck einen Vorwurf daraus macht, daß er nicht dem Kaiser zu Gefallen die politische Thätigkeit der Kaiserin Augusta mit einem Schleier bedeckt: „ES kann nicht angenehm berühren, daß er gerade jetzt, wo Seine Majestät der Kail er in Coblenz der Kaiserin Augusta pietätvoll gedacht hat, die Erinnerungen an die Schwierigkeiten auf frischt, die die hohe Frau seiner Politik hier und da entgegengestellr hat. Gewiß hatte er alS zielbewußter Staatsmann das Recht und die Pflicht, jenen Schwierigkeiten rntgcgenznarbeiten. Aber im gegenwärtigen Augenblicke durfte ihm die Kaiserin Augusta nur als die geliebte und geehrte Gemahlin seine- verewigten kaiserlichen Herrn vor Augen stehen." Schärfer konnte die „Kreuzztg." sich selbst und ihre Taktik der höchsten Stelle gegenüber nicht ckarakterisiren und schlagen der die Berechtigung des von ihr bekämpften Vorwurfs nicht beweisen. Jeder ehrliche Politiker, welcher Richtung er auch angehören mag, wird rS dem Fürsten Bismarck Dank wissen, daß er eine solche Taktik als seiner unwürdig zurückweist. Als vor wenigen Monaten der Versuch gemacht wurde, die historische Bedeutung deS Fürsten herabzudrücken, konnte dieser wohl schweigen, da er der richtigen Würdigung seiner Verdienste bei der großen Mehrheit deS deutschen Volkes sich wohl bewußt ist und außerdem weiß, daß diese Würdigung sich nicht durch Auslassungen, mögen sie von welcher Stelle auch immer kommen, beeinflussen läßt. Auch daß der Versuch gemacht wurde und wird, die Bedeutung des verstorbenen Kaisers Wilhelm in einer Weise zu überhöben, gegen die vor allen Dingen der bescheidene Monarch selbst bei seinen Lebzeiten Einspruch er hoben hätte, brauchte den Fürsten wenig zu berühren, da die Thätigkeit des verstorbenen Herrschers so klar vor den Augen der Welt liegt, daß man es ruhig der Geschichte überlassen kann, dermaleinst diese Bedeutung objectiv richtig zu stellen. Ganz anders indessen stellt sich die Sache, wenn der Versuch gemacht wird, die Kaiserin Augusta als eine „große" Kaiserin binzustellen und solchermaßen ihre Bedeutung zu überhöben. Die politische Thätigkeit der Gemahlin eines Monarchen vollzieht sich schon darum im Süllen, gewissermaßen im Dunkeln, weil sie eine illegitime Thätigkeit ist. Denn die Politik eines Staates soll von dem Herrscher, von seinen verantwortlichen Rathgebern und von den anderen verfassungs mäßigen politischen Factoren gemacht werden, nickt aber von Fürstinnen, die selbst bei der besten Absicht schon darum Verwirrung stiften müssen, weil für ihre politische Thätigkeit officiell kein freier Raum gelassen ist. Daß die Politik der Kaiserin Augusta Verwirrung gestiftet hat, daß sie schädlich gewesen ist, ist nunmehr durch die Aeußerungen des Fürsten Bismarck unwiderleglich festgestellt. Niemand wird leugnen wollen, daß man das Empfinden davon im Volke schon bei ihren Lebzeiten gehabt hat. Auslassungen des Fürsten Bismarck aber sind darum wichtig und wertbvvll, weil sie bestimmte Beweise enthalten. Diese Auslassungen werden deshalb von dem Historiker benutzt werden müssen. Sie werden aber nicht nur von dem Manne der Wissenschaft, sondern von dem ganzen Volke dankbar empfunden werden, weil eS dem Wunsche eines gesunden und selbstbewußten Volkes, das sich seiner Geschichte nickt zu schämen bat, entspreckcn muß, daß eine streng gereckte Geschichte geschrieben werde. Als dieGemahlin des ersten deutschenKaiserS, als eineFrau von edler und vornehmer Gesinnung, von Herzensgüte und mildthätigem Sinne wird die verewigte Kaiserin Augusta dem deutschen Volke stets werth sein; nach der Festlegung des Wesens und der Wirkung ihrer politischen Thätigkeit aber wird sie nickt im Sinne der Geschichte als eine „große" Kaiserin zu bezeichnen sein. Man erweist dem monarchischen Gedanken einen üblen Dienst und enthüllt einen nichts weniger als edlen Charakter, wenn man, wie eS die „Kreuzzeitung" thut, aus eigensüchtigen Rücksichten über die Thätigkeit verstorbener oder lebender Fürstlickkeiten einen „Schleier" zu breiten sucht. Wenn es verwehrt sein sollte, daS Tadelnswerthe zu tadeln, so müßte man auch aufhören, Gefühlen freudiger Anerkennung Ausdruck zu geben. Die Kriegserklärung, die aus dem „Katholikentag" in Lands Hut die Führer des Eentrnms gegen den Bauernbund gerichtet haben, ist diesen Herren augen- scheinlick schon leid geworden, als sie die Wirkung ihrer Worte auf einen Theil ihrer Zuhörer beim „gemüthlichen" Beisammensein nach den Hauptversammlungen zu beobachten Gelegenheit gehabt hatten. In dem ausführlichen Be- rickte, der über den Tag in der „Germania" erstattet wird, sind nämlich alle die heftigen Ausfälle, welche die Herren Trimborn, Pichler, Gröber, Orterer und vr. Lieber gegen die BLndlcr gemacht haben, entweder ganz unterdrückt oder doch ganz erbeblick abgemilkert. Aber die Reue, die aus dieser nachträglichen Corrcctur spricht, kommt zu spät; die im officiellcn Berichte unterdrückten und ab gemilderten Redewendungen sind von in den Versammlungen anwesenden Bündlern gehört worden und haben einen Ein druck gemacht, dessen Tiefe auS der folgenden Auslassung der niederbayerischen BundeSzeitung vom 4. d. M. klar hervorgeht: „Die Würfel sind gefallen. Auf Anregung des schwadro- nirenden Prcußenadvocaten Trimborn hin hielten die drei Centrumsfanatiker: Dr. Pichler, Gröber und Dr. Orterer eine Pauke gegen den Bauernbund und forderten zum Kampfe gegen denselben im Namen des Katholicismus als zu einem heiligen Kampfe auf.... Damit sind dann alle Brücken zu einer Verständigung abgebrochen und die Fahne des Propbeten wird aufgevflanzt. Dem Bauernbund ist im Namen der Religion der Fehdehandschuh hingeworfen .... Damit werden alle wohlmeinenden Versländigunasversuche von Seite edeldenkender, volkssreundlichcr Männer eintach über den Hansen geworfen — ein lich terloher, wüster Kampf, der bisher in Altbayern seinesgleichen noch nicht gesehen hat, wird entbrennen in den bayerischen Landen! ... Aber durch diesen wüsten Kampf ohne Gleichen wird auch alles religiöse Empfinden allmählich aus den Herzen der Bauernbündler mit allerGewalt mitStumpf und Stiel herausgerissen werden — denn dieser Kampf wurde ja im Namen der Religion proclamirtl Schon heute klagen wir die drei Centrnms- fanatiker vor Gott und der Welt an, den Gottessrieden gebrochen und zu einem entsetzlichen Kampfe, dessen Tragweite sie gar nicht übersehen, frevelnd herausgefordert zu haben. Und beute schon stellen wir im Angesichte der Geschichte fest, daß Centrumsfanatiker die Schuld tragen, wenn in den gut katholischen altbayerischen Gegenden die Religion zum Theil verwüstet wird. Heute schon stellen wir fest, daß es Selbst sucht und Eigennutz von Seite der drei Fanatiker ist, die fürchten, als Opfer einer Verständigung über Bord geworfen zu werden, welche eine solche Verständigung durch einen schauder haften Kampf unmöglich machen will . . . Wenn die Orterer, Pichler und Consorten in frevelndem Unverstände schreien: „Sein Blut komme über uns und unsere Kinder!" nun dann — budeunt sibi! Wir haben unsere Pflicht gethan und gewarnt. Gebe Golt, daß wir keine Propheten sind und nicht das nächste Jahrhundert auf eine „verwüstete Religon" im Bayerlande herabschaut — ver wüstet durch den Fanatismus von C^ntrumsleuten! Mit diesem „heiligen Kampf" arbeiten die Centrumssanatiker nur den sub versiven Elementen, die sich dem Bauernbünde gerne aufdrängen wollen, in die Hände, statt eine Klärung herbeizuführen." Der ZorneSausbruch ist zu unmittelbar, als daß die Worte sorgsam überlegt sein könnten. Eben deswegen ist anzunehmen, daß thatsächlick eine „Verständigung" im Wege war, zu der sich die Führer deS Bauernbundes aber nur um den Preis bereit sinken lassen wollten, daß die meist angeseindeten Per sonen Pichler, Orterer und Sckädler geopfert werden sollten. Für den historischen Einblick in die Vorgänge der letzten Monate ist letzteres, für die aktuelle Beurtheilung der modernen Bundsckubbewegung hingegen ist die Sprache an fick von be sonderem Wertste. Es kann jetzt keinem Zweifel mehr unter liegen, daß die nachdem GesprächedeSMinislerpräsidentenFrhrn. v. Crailsheim mit dem Centrumsabgeordnelen Staatsanwalt Söldner zuerst aufgetauchte Idee einer bayerischen Volks partei Gegenstand von Verhandlungen zwischen CentrumS- und Bauernbundövertretern gewesen ist. Ebensowenig scheint uns zweifelhaft, daß die nunmehr sich entfesselnde Bundes bewegung in der That darauf angelegt sein wird, die Autorität der Kirche überhaupt niederzutreten und daS religiöse Gefühl mit aller Gewalt auszureißen, weil eben die Macht des Klerus anders nicht gebrochen werden kann. Die Kriegs erklärung kam gerade noch reckt, um den von Landshut heim kehrenden Centrumsleuten behändigt werden zu können. Die Erwägung, an all' dem Unheil lediglich selbst die Schuld zu tragen, muß ein recht angenehmer Begleiter auf der Heim reise gewesen sein. Man durfte gespannt darauf sein, wie die Homburger Trinksprüche in den Organen trS italienischen Minister präsidenten Rudini commentirt werden würden, und er warten, daß der CabinetSchef, nachdem König Humbert wider seinen Willen die Reise nach Deutschland angetreten und dort ohne Rücksicht auf Frankreich auS seiner unerschütterlichen BundeSirene kein Hehl gemacht, wenigstens die Gelegenheit benutzen würde, durch Betonung seiner nach wie vor drei bundfreundlichen Politik den in einem Theile der italienischen Presse erhobenen Verbackt zu zerstreuen, es sei auf ihn kein rechter Verlaß mehr. Nun höre man den Epilog der dem Ministerpräsidenten ergebenen Presse zu den Homburger Toasten. Man meldet uns aus Rom, 6. September: Die „Opinione" bemerkt zu den Homburger Toasten, es sei schwer zu entscheiden, ob der Trinkspruch deS Kaiser- oder die Antwort des Königs edler sei. Beide Kundgebungen seien sehr klar und gefällig. Der Toast deS Kaiser- sei ganz das, was man von einem Herrscher erwarten konnte und mußte, der stolz aus seine Autorität und der Größe seines, durch die Tüchtigkeit des Heeres starken Volkes sich bewußt sei. Der Trinkspruch König Humbert s sei einfacher in der Form, sein Inhalt verrathe aber einen von dem gleichen Ideal erfüllten und den gleichen Grund sätzen unerschütterlich zugethanrn Geist. Die „Italia Militare" schreibt: Ter Trinkspruch des Kaiser- Wilhelm hat un- begeistert. Seine Worte an die Königin Margherita als das Ebenbild des Sterns Italiens sind zugleich eine Huldigung für die anmuthsvolle Herrin und Wünsche für unser Glück. Mehr also wußten die „Opinione" und die „Italia Mili tare" zu den bedeutungsvollen Homburger Kundgebungen nicht zu sagen? Kaiser Wilhelm sowohl, wie König Humbert haben dort als die Grundlage deS europäischen Frieden- auf das feste Band deS Dreibundes hingewiesen, und unser ita lienischer Verbündeter hat gewiß nicht nur zufällig sich der Worte Freundschaft und Alliance bedient, die in den Peterhofer Trinksprüchen eine so große Rolle spielen. Statt dessen ergeht die „Opinione" sich in Vergleichen, ob der Trinkspruch des Kaisers oder der des Königs edler und ge fälliger gewesen sei, und die „Italia Militare" in einem Hymnus auf die Anmuth der Königin Margherita! Von dem Drei bund auch nicht eine Silbe! Nun, wir meinen, wenn man in ossiciösrn italienischen Organen die Rücksicht auf Frankreich s o weit treibt, daß man die alten Beziehungen zu seinen Bundes genossen nickt einmal anzukeulen wagt, so giebl man damit zu er kennen, daß man dem Wohlmeinen deS neuen Freundes größere Bedeutung beilegt, als dem Fortbestand deS alten Verhältnisses. Allerdings sucht der „Corriere della Sera" zu beschwichtigen, indem er versichert, daß Italien nicht zu haben sein werde, wenn ein besseres Verhältniß zu Frankreich nur auf Grund des Austrittes aus dem Dreibund, des Bruches mit Deutsch land möglich sei, aber das Rudini sehr nahe stehende Blatt verrätst seine innersten Gedanken selbst, indem eS hinzufügt, freilich seien die Interessen Italiens unter dem „Status FerriHetori Götzendienst. 2s Roman in zwei Theilen von Wotdemar Urban. Nachdruck verboten. Der Mann der Frau CourcelleS, der vor etwa fünf Jahren gestorben war, hatte ein kleines Epiceriegeschäst in Paris auf dem Boulevard de Strasbourg besessen, fallirte jedoch darin und ließ nach seinem Ableben die Familie in ziemlich derangirten, geradezu dürftigen Verhältnissen zurück. Es ist erklärlich, daß unter solchen Umständen Frau CourcelleS den Boden unter ibren Füßen in Pari- zu heiß und unerträg lich fand und daß sie eS vorgezogen, nach Monaco über zusiedeln, wo nach ihrer nicht ganz unrichtigen Meinung da- Geld nur so auf der Straße liegen müsse. Ihre Töckter, sie besaß deren außer Camilla noch zwei, Waren ohne Frage hübsche und interessante Mädchen, und in dieser Beziehung kann daS Calcul der Mutter nicht etwa unberechtigt und grundlos genannt werden, ein Calcul nämlich, daS dahin ging, für eine oder alle eine recht reiche Partie zu finden. Die beiden Nettesten Georgette und Manon CourcelleS malten; weniger der Kunst zu Liebe, als einzig der Erwägung halber, daß ihnen als „Malerinnen" Kreise offen standen, die den „Handschuhmacherinnen" notb- gedrungen auf ewig verschlossen bleiben mußten. Camilla, die jüngste und eigentlich auch die anziehendste der drei Schwestern, zog eS vor, die Mutter im Geschäft zu unter stützen und ibr den Vcrkebr mit den zahlreichen Kunden zu erleichtern. Berechnung war dabei ebensowohl im Spiel; denn nicht die Dualität der Handschuhe, die Frau CourcelleS zum Verkauf ausstellte, war es, welche die zahlreichen Käufer, namentlich Herren, anlockte, wohl aber der außergewöhnliche Liebreiz und die heitere Schönheit Camilla'-, die ihnen diese Handschuhe anpaßte und verkaufte. In diesem Augenblick schweiften die lebhaften Augen de- hübschen, temperamentvollen Mädchen- suchend durch die Säle und endlich schien sie auch den Gegenstand ihrer heim lichen Nachforschung entdeckt zu haben. Mit einer un auffälligen Geschicklichkeit und gewollten Naivetät, al- ob sie mit ihrem Thun nicht die geringste Absichtlichkeit ver knüpfe, dirigirte sie die kleine Gruppe in zwangloser Weise an einen der Spieltische, an dem ihr suchende« Auge vorhin den Grafen zu Kreuz entdeckt hatte. Mit einer Unbefangen heit, die auch dem Seelenkundigsten die wahren Beziehungen Camilla'S zu Graf Victor nicht hätte errathen lassen, näherte sie sich ihm dann. „Sieh da, der Herr Graf!" rief sie überrascht auS, als wäre sie ungemein erstaunt, ihn hier anzutreffen. Graf Victor wandte sich halb nach ihr um und nickte zerstreut. Sein Gesicht war bleich, und in den feinen aristokratischen Zügen vibrirte die Aufregung des Spieles. Frau CourcelleS zupfte Camilla verstohlen am Aermel. „Laß ihn, Camilla", flüsterte sie dabei, „er sitzt auf dem Trockenen." „Und Sie haben unS wirklich nicht gesehen, Herr Graf?" fuhr Camilla unbekümmert darum fort; und ihre Augen leuchteten in einer naiven Innigkeit auf. „Ah, Fräulein Camilla!" antwortete noch immer etwa- zerstreut Graf Victor, und fuhr dann fort, als ob er sie seit Wochen nicht gesehen habe: „Wie geht e» Ihnen? Ma inacht Ihre Frau Mutter?" „Mama ist zugegen, Herr Graf, wo haben Sie denn Ihre Augen?" „Mama, sieh doch, da ist Graf Victor zu Kreuz!" wandte sich Camilla an ihre Mutter, indem sie den fremdländischen, ihr etwa- ungeläufigen Namen mit einer peinlichen Genauigkeit und Exaclheil auSsprach. Graf Victor schien heute durchaus kein Glück zu haben, wenigstens waS sein Spiel anging. Er verlor Schlag auf Schlag und, wie eS schien, ziemlich beträchtliche Summen. AuS diesem Grunde batte er wenig Acht auf die kleinen Aufmerksamkeiten der Damen; seine Augen folgten vielmehr mit nervöser Unruhe und Spannung dem Spiel, als wäre an den hin- und berflatternden Karten die Entscheidung über Leben und Tod geknüpft. «Es scheint, Herr Graf", sagte Camilla nach einer Pause, wabrend der sie aufmerksam dem Spiele gefolgt war, „Sie haben heute wenig Glück. Wollen Sie die Revanche nicht auf einen glücklicheren Tag aufschieben?" Ihre Stimme zitterte leise dabei und verrirth die ängst liche Aufregung, die ihr Inneres beherrschte. Aber dem jungen Manne schien ihre Theilnahme außerordentlich pein lich und unbequem zu sein; er fand ihre Einmischung und noch dazu, da er sich im Rechte befand, zudringlich, ja ver- letzend, so herzlich und theilnahmSvoll sie auch gemeint war. „Kien ne vu plus!" rief der Croupier, die Kugel rollte, aber der Graf antwortete nicht, seine Augen hingen mit fieberhafter Spannung am Spiel. Wenn die Kugel auf zwanzig fiel, konnte er in der nächsten Minute um ein kleines Vermögen reicher sein. „Dreizehn!" rief der Croupier und scharrte gleichzeitig mit der kleinen Geldharke Alles, waS sich auf dem Tische be fand, gleichgiltig zusammen: Banknoten, Gold und Silber in ganzen Mengen und Hausen. Nur auf der Nummer Dreizehn, die mit dem kleinen Betrage von hundert Francs gesetzt halte, ließ er für den glücklichen Gewinner dreitausend fünfhundert Francs zurück. „Verloren I Ah!" murmelte der Graf zwischen den Zähnen. „Komm, komm!" rief in diesem Augenblick Frau CourcelleS ihrer Tochter zu. Camilla seufzte tief auf; sie warf noch einen langen, sebnsuchisvollen Blick auf Victor, und eine sorgende Angst flog dabei über ihr hübsches Gesichtchen. Man sah ibr an, wie schwer ihr daS Weggehen siel und doch mußte sie. Auf keinen Fall aber durfte sie'sich verratben, am wenigsten in Gegenwart der Mutier, deren höhnende Bemerkungen sie um Victor'- willen fürchtete. „Schadet nichts, Herr Graf", sagte der Begleiter der Damen im Weggehen mit zudringlichem Lächeln, „Unglück im Spiel, Glück in der " Victor hörte ihn nicht mehr, denn der Herr war den Damen gefolgt. Graf Kreuz kannte ihn Wohl, Paul Girardet war sein Name, und auf seiner Visitenkarte nannte er sich ziemlich prahlerisch „Reckucteur en cstek cke lu kevus littorule". Man hatte eS in ihm Mit einem Nevolverliteraten schlimmster Sorte zu thun, der sein Journal fast ausnahmslos mit Klatsch und pikanten Geschichten zu füllen verstand. Die Bank subventionirte ihn mit sechstausend Franc-, wofür er sich verpflichtet hatte, weder die Mittheilung von den ziemlich häufigen Selbstmordafsairen, noch von sonstigen unangenehmen und bloßstellenden Vorfällen in die Spalten seine- Blatte- aufzunebmen. Er erhielt da- Geld in diesem Sinne von ver Bank nicht für DaS, was er schrieb, sondern für Da-, Wa rr nicht schrieb. Er war Einer von jenen bestechlichen charakterlosen Hallunken, denen Ehre und Gewissen durchan» unbekannte oder besser überflüssige Begriffe sind; zum Ueber- fluß machte er außerdem auch noch der hübschen Camilla in ziemlich unverblümter und zudringlicher Weise den Hof. Graf Kren; sah ihm einen Augenblick nach, und ein ver ächtliches Zucken flog rabei über sein vornehme- Gesicht. Suites votre jeu, messisurs! b'uites votrv jeu!" rief der Croupier und spielte gleichgiltig mit der langen Gold schlange, die er auf seinem Platze aus den zusammengerafften Zwanzig-Francs-Stückeu gebildet hatte. Gras Kreuz zog sein Portefeuille; ganz so „abgebrannt", wie eS Frau CourcelleS geglaubt, war er doch nickt; in den Fächern der Brieftasche lagen die Tausend-FrancS-Scheine in noch ziemlich dicken Packelchen. Es wäre doch jammerschade, wenn da- liebe, hübsche, Mädchen den abgebrühten Strolch heiratbcn müßte, backte er und pflasterte dabei die Tausend-FrancS-Sckeine hierhin und dorthin auf den grünen Tisch, um da-Spiel zu forciren. Einmal mußte ihm das Glück doch günstig sein, und wenn nicht, dann eben nicht, dann war er eben — verloren! Graf Victor hatte leichtsinnig gewirtbschaftet. Don Hause auS in einer Vornehmheit und Sorglosigkeit erzogen, die ihn das Geld verächtlich ansehen ließ, halte er in letzter Zeit mit der weitgehendsten Generosität und Gleichgiltigkeit mehrere Hunderttausend Franc- verspielt. Dazu waren noch etliche fehlgeschlagene Spekulationen gekommen und wenn auch seine überaus gute Mutter — der Vater war früh gestorben — immer und immer wieder geholfen, so fand dock dem unersättlichen Schlunde der Spielbank gegenüber selbst die weitgehendste Unterstützung ibre Grenzen und schließlich ihr Ende. Graf Victor war, wie man zu sagen pflegt, ziemlich „fertig". Je größer und empfindlicher nun aber die Verlust« in letzter Zeit geworden waren, desto toller und unsinniger hatte er immer wieder gespielt. Er hielt sich für ausnehmend klug und der Bank all da- schöne verlorene Geld unbestritten zu überlassen, schien ibm geradezu eine Beleidigung. Eine gewisse ungeduldige Wei-Heit hatte sich seiner bemächtigt, mit der er an der Bank seine Verluste nicht nur wieder einzuholen, sondern durch wo mögliche Gewinne wieder wett zu machen suchte. Und auch für Da», wa» er anderweitig verloren, sollte ihm die Bank bluten. Die Sache war kindereinfach, nur etwa- Glück war von Nöthen — weiter nicht-. Aber da- Glück, da- launische, blinde, batte ibn ver lassen, er hatte entschieden Peck, und al» er um die elfte Stunde in der Nackt den aufgehobenen Spieltisch verließ, war sein Portefeuille leer, ganz leer, und auch die letzten Reserven darausgegangen. Mit der größten Gemütb-rube verließ er den Saal, um sich nach der Garderobe zu begeben. Dem Garderobier, der ihm in den Mantel hineinhalj und devot den Hut reichte, gab er dann ein Zwanzig - FrancSstück — sem letzte-. Er faßte zugleich mit einer hastigen Bewegung an dir Hinter
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