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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 30.05.1893
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1893-05-30
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18930530022
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1893053002
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1893053002
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1893
- Monat1893-05
- Tag1893-05-30
- Monat1893-05
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Dieser hervor ragende Sachverständige lhal öffentlich seine Ueberzeugung luud, daß wir stark genug für einen Vertherdi- guug-krieg seien und daß dies genüge. Regierungs seitig wolle man unS aber für einen Offensivkrieg stark machen, und dies liegt nach des Redners Erachten nicht in den Grenzen einer zulässigen Politik. Dieser Aus lassung rcS politisircnben Gelcbrlen, der Dank der deutsch- freisinnigen Rcclanie im AuSlanke vielfach als ein in jedem Betracht großer Mann, gewissermaßen als „der große Deutsche" gilt, wird selbstverständlich von Franzosen und Russen die Bedeutung eine« unwiderleglicben Beweises für die Existenz finsterer deutscher Pläne bcigclcgt werten. Und dies um so mehr, als die Herrn Birchow am nächsten stehende „Freist Ztg^" diesen Thcil der militairpolitischen Be trachtungen ihres Freundes unterdrückt. Man wird dafür die Erklärung baden, daß selbst der deutsche RadicaliSmuS durch die Enthüllung der fricdcnSfeindlichcn Absichten unserer Regierung in Verlegenheit gesetzt worden sei. Wir glauben ja zu wissen, was Herr Birchow ungefähr sagen wollte. Er sprach nicht als Politiker, sondern als mililairischer Sachverständiger — welche gleich den diplomatischen Sachverständigen im Deutschfreisinn wild wachsen — und als solcher hält er cS für den Fall eine« von Feinden Deutschlands hcrausbeschworene» Kriegs nicht für nolhwendig, daß die deutschen Heere, nach dem Satze .der Hieb ist die beste Deckung", die Offensive ergreifen. Da» mag der Alles verstehende Herr mit den Stratogen aus- machen. Der ganzen Nation aber verantwortlich ist er für die, gelinde ausgedrückt, zweideutige Form, in welche er seine militairtechnischc» Maximen gekleidet hat. Nicht als ob viel Gewicht daraus zu legen wäre, daß dem französischen und russischen Chauvinismus durch ihn die Handhabe zu neuerlichen Verdächtigungen Deutschlands gegeben ist — in diesem Puncte kommt auf ein Mehr oder Minder nicht kiel an. Herr Birchow hat aber seine deutschen Zuhö rer irrcgeführt, indem er ihnen die Vorstellung erweckte, die deutsche Regierung denke an einen Friedensbruch und die geforderte HeereSverstärkung, überflüssig für die Vcrtbcidigung, sei dazu bestimmt, diesen Gedanken zu verwirklichen. Diese Vorstellung ist erweckt und damit ist ein Erfolg er zielt, der, wenn er beabsichtigt gewesen wäre, auf eine Frivolität zurückweisen würde, wie sie bislang keinem dcutschsrcisinnigen Demagogen zum Vorwurf gemacht werden konnte. Selbst im Jabre 1887, unter dem ver- baßien Regiment des Fürsten Bismarck, bat eS der Ra ticaliSmuS vermieden, die Meinung entstehen zu lassen, Deutschland gedenke Frankreich zu überfallen. Und der — bekanntlich erst nachträglich — von Liebknecht unternommene Versuch, dem norddeutschen Bundeskanzler die Schuld für den Ausbruch des 1870er Krieges auszubürden, bat nicht einmal im socialdemokralischen Lager ungetheilte Billigung gesunden. Wenn, WaS nicht auSblciben kann, Berliner und andere deutsche Wähler nach der durch die unpräcise AuSdruck-weise des Herrn Birchow in ihnen hervorgerusencn Uebcrzeuguag wählen, so wählen sic als Betrogene, wenn auch nicht ge flissentlich Betrogene. Ein Mann, wie Birchow, kann ein solche« Ergehniß un möglich mit seinem geachteten Namen verknüpft sehen wollen. Einer Klarstellung aus seinem Munde, zu der noch hinreichende Zeit ist, darf deshalb mit Sicherheit entgegensetzen werden. Selbstverständlich darf sie »ur gefordert werden, insoweit eine Verleumdung der deutschen Politik auS den Worte» Birchow'S berauSgehön werden muß. Was der Gelehrte sonst Ungeheuerliches über die militairisch-politischeLage vorbrachte — z. B. daß das (zum größten Theil vom Meere umgebene!) italienische Gebiet den Franzosen viel mebr Angriffspunkte als Deutschland biete —, war vorzubringcn sein gutes Recht, um nicht zu sagen Privilegium. Seit Herr Professor Birchow — kaum zwei Jahre vor AuSbruch des deutsch-französischen Krieges — ohne Schaden anzurichten, seinen Abrustungsantrag ein- gcbracht, gilt er in dieser Beziehung sür ausgezeichnet harmlos. Politische Tagesschau. ' Lcipzig. 30. Mal. Im Leitartikel de- heutigen MorgenblaltcS haben wir auf die Gesahr bingewiescn, die infolge der unberechenbaren Haltung der „Freisinnigen" Richter'scher Art in solchen Wahlkreisen droht, in denen, trotz einer starken socialdemo- kralischcn Wählermasse und trotz eines freisinnigen Candidaten Richter'scher Observanz, die Freunde einer hinreichenden Ver stärkung unserer Wehrkraft nicht aus einen einzigen gemeinsamen Candidaten sich zu einigen vermögen und eine Einigung bis aus die Stichwahlen verschieben. Zur selbcnZcit hat die conscrvatwe „Leipziger Zeitung" mit besonderer Berück sichtigung der Verhältnisse in den sächsischen Wahlkreisen diese Gefahr betont, die besonders durch antiscmitischenEigcn- sinn herausbeschworen wird. DaS conscrvalive Blatt schließt auS den Resultaten der letzten NeickStagSwahlen, daß die Ausstellung autisemitischcr Sondercandidaturcn den Verlust einer Anzahl von Kreisen an die Socialdemo- kratcn mit Sicherheit zur Folge haben werde. Wörtlich heißt eS in dem Artikel: „Am Fernsten läge diese Gefahr noch im 2., 3., 8., 11. und 2l. Kreise (Löbau, Bautzen, Pirna, Oschatz, Borna und Annaberg), weniger-fern schon bei der stark anti semitischen Strömung Vieser Districte im 7. und lO. Kreise (Meißen und Döbeln). Größer noch wäre die Wahr scheinlichkeit des Verlustes im 4., 6. und 12. Kreise (Dresden-Neustadt, Dippoldiswalde und Leipzig-Stadt), zumal in den beiden zuletzt genannten. Schon bisher .socialdemokratisch vertreten endlich sind der 13. und 16. Kreis (Leipzig-Land und Chemnitz); hier würben also die antisemi tischen Sondercandidaturen nur den Erfolg haben, die große Unwahrscheinlichkeit der Wiedergewin nung dieser Kreise noch zu steigern. DaS anti semitische Experiment, es auf die Stichwahlen ankommcn zu lassen, ist für die Sache der staat lichen Ordnung und für die Heeresvorlage sonach keineswegs ohne Gefahr, in einigen Fällen sogar, soweit man nach den früheren Wahlen schließen darf, gleichbedeutend mit der Auslieferung der betreffenden Kreise an die Socialdemokratie oder an den „deutschen" Freisinn." Den gleichen Vorwurf, die WablauSsichten der Freunde der Militairvorlagc in der Huene schcn Fassung zu ver schlechtern, macht die „Leipz. Ztg." fenen sächsischen Frei sinnigen. die trotz ihres principiellen Einverständnisses mit dieser Vorlage den Luxus von Sondercandidaturen sich ge statten, und fährt dann fort: „Alles in Allem haben sich hiernach die Wahlaussichten, wenn man lediglich das Stimmcnverhältniß von 1890 zu Grunde legt und auf einen StimmunzSumschwung nicht hofft, erheblick verschlechtert. Nur wenn Anti semiten und Freisinnige dem Balerlande das Opfer bringen, wenigstens in den gefährdctsten Bezirken auf ihre aussichtslosen Sondercandi daturcn zu verzichten, könnten sich die Aus sichten noch im letzten Augenblicke günstiger gestalten." Hoffentlich wirkt dieser Appell auS conservativem Munde wenigstens auf die Antisemiten, die jedenfalls ihren so energisch betonten deutschen Eharakter aus das Schwerste compromittircn würden, wenn sie dcn^Vcrlust auch nur eine- Wahlkreises, welcher der nationalen Sache erhalten oder genommen werden könnte, an die vatlcrlandSlose Social- demokratie verschuldeten. — UebrigenS können wir eS unS nickt versagen, auch den Schlußpassus keS Artikels der „Leipziger Ztg." hier milzutbeile». Er lautet: „Im klebrigen zeigen Wahlliste und Wahlbewegung an mehr als einer Stelle denselben Charakterzug, der daS öffentliche Leben Deutschlands nun schon beinahe seit Jahresfrist beherrscht: die Jugend hat'S Wort. Wer in Parlament und Presse auf längere politische Erfahrung zurückblicken kann, wird bei Seite geschoben oder von den jungen Herren nur noch im Tone mitleidiger Ueberlegenheit behandelt. Jugend liche Schreier, die zur Zeit der Reichs» gründung nocb in den Kinderschuhen staken und als politische Arbeit vorläufig noch nichts auf- zuweisen haben, als eine Anzabl „volkSthüm licker" Leitartikel oder VersammlungSreden, sind jetzt die Macher. Der größere Theil der Männer, die im langjährigen parlamentarischen Kampfe erprobt sind, haben sich freiwillig zurückgezogen, weil sie zu ehr lich sind, um dem Volke die goldenen Berge zu ver sprechen» die die Jugend (ordert. DaS kann, wenn eS safortgcht, eine gute Kinderstube geben." Luch das müssen wir leider unterschreiben, können aber doch die Bemerkung nicht unterdrücken, daß nicht unsere GesmnungSgenossc» die Schuld daran tragen, wenn un- ersayrene jugendliche Schreier jetzt das große Wort führen. Nicht unsere Gesinnungsgenossen habe» in Tivoli-Versamm lungen Wasser aus die Mühle jener Großsprecher geliefert, die Arch unerfüllbare Verheißungen die Masse anlocken und mögiWikweisc demnächst zum Kummer ihrer Begünstiger den neuen Reichstag zur Kinderstube machen. Wir haben schon gemeldet, daß der Londoner „Daily Telegraph" in einem Leitartikel die Aussichten einer Aus söhnung zwischen dem Kaiser und dem Fürsten Bis marck bespricht und dringend befürwortet: der erste Schritt dazu möge vom Kaiser getban werden. „Wir sagen dies", so betont daS genannte englische Blatt, „in dem aufrichtigsten Wohlwollen gegen Deutschland und den deutschen Herrscher", und cS fährt daraus fort: „Denn Tcmscklandö CurS auf der politischen Karte ist nicht so klar vorgczeicknct, daß BiSmarck'S Erfahrungen und Ruf gegenwärtig und künftighin nicht ohne sehr großen Werth sein durften. ES ist nicht gut sür Deutsch land, es schädigt und entehrt cS in den Augen der zeitgenös fischen Menschheit, daß der größte Staatsmann dcS Jahrhunderts wie eine edle, aber vernachlässigte Klinge in der Zurückgezogenheit verroste. Wie die Außenwelt die mißliche Lage versteht, scheint eS nicht ganz klar, wie der Altkanzler die Initiative zur Wiederannäherung, die in FrirdrichSruh erwartet zu werden scheint, ergreifen kann. Doch sollte die Wiederannäherung sicherlich stattfinden. Selbst wenn sie rein persönlick wäre, selbst wenn sie zu keiner unverzüglichen oder unmittelbaren politischen Tbätigkcit dcS Fürsten führen sollte, würde deren Veranlassung ruhmreich und gewinnvoll für Kaiser Wilbclm und eine Gcnuatbuung für daS historische Gefühl Europas und ein Trost sür Deutsch land sein." Genau so denken und fühlen Millionen Deutsche, und selbst in den höchsten Kreisen sind, wie erst jüngst wieder der bekannte Brief des Prinz-Regenten von Braunschwcig gezeigt hat, solcke Anschauungen lebendig. Werden ihre Kundgebungen von Erfolg sein? Den deutschen Schwärmern für ein BolkSheer nack Schweizer Muster kann nicht genug folgendes fachmännische- Unheil teS „Berner TagblatteS" zum eingcbendcn Studium empfohlen werden. Da heißt cS: „Wir müssen uns die Frage vorlcgen, ob nicht der Zeitpunct gekommen sei, unser reines Milizheer etwas mebr den bester auSgebildetcn Heeren unserer Nachbarn anzupassen. DaS könnte allein geschehen durch eine allgemein durchgcsührte Dienstzeit von einem ganzen Jahre sür alle Truppen und entsprechend tüchtiger Vorbildung für die Ossicicre DaS schweizerische Heer besteht nickt zum Spiel, sondern sür den Ernst. Auck für die „neutrale Schweiz" wie für jeden Staat werden, müssen einst Tage kommen, da Freiheit und Unabhängigkeit der Eid genossenschaft einzig bedingt sind von der phnsiscken Wehr kraft dcS Landes" Weiter schreibt der Verfasser dcS Artikels, daS schweizerische Volk gebe sich in Bezug auf die Wehrfähigkeit einer Selbst täuschung hin, die gerade zu verbängnißvoll werden könne. „Die obersten Spitzen unseres HccrcS kennen den Zustand und auch der BundeSrath kann nicht ohne klare Einsicht in die Vcrbältnissc sein; aber wer wagt eS, offen auf die Schäden binzuwcisen? Und wenn cS auch etwa einmal in vertrautem Kreise geschieht, wer wagt eS, dann auch öffentlich daS allein helfende Heilmittel vorzu schlagen'? Die gegenwärtige Armee Organisation stammt auS dem Jahr 1875. Damals ein Fortschritt, ist sie beute nack Versicherung der Fachmänner ungeeignet, eine im Feuer lenkbare, in schwieriger Lage fest beharrende Armee zu schaffen. Seit niil dem absolut sicheren ShrapneUschuß und dem klcin- kalibrigcn Gewehre gekämpft wird, baden die Verhältnisse sich gänzlich verändert Hier heißt cS: Entweder — oder. Entweder höre man überhaupt aus, Militair u spielen und gebe das Geld sür die beliebten Postgebäude und andere schöne Sachen auS, oder man stelle mit kräftiger Hand die Armee auf den Fuß, auf dem sie sich allein noch Anerkennung ver- schasfcn kann." , ---wtM In Alaltrn ckrHt vskemerkk htei^a, was der „Standard" über die Entsendung russischcrJiAtructionS- osficicre nach Abessynicn mittbeilt, zumal gleichzeitig bekannt wird, daß auch Frankreich eifrig die Fortsetzung freundschaftlicher Beziehungen zu jenem afrikanischen Reiche pflegt, wclckeS sür die italienische Nachbarschaft biöbcr immer nur Feindseligkeit bewiesen hat. Am 23. April traf der Gouverneur der abessynischen Provinz Harrar, Ra« Makonnen, mit größerem Gefolge in der französischen Colonie Obok ein, wo er sich acht Tage aufhielt, um mit dem fran zösischen Gouverneur Lagardc die beiderseitigen handels politischen Verhältnisse zu regeln. NaS Makonnen übcr- brackte außerdem »och die Grüße des Kaisers Mcnclik sür den Präsidenten Earnot nebst dem Wunsche, daß die ange- ncbmcn beiderseitigen Grenzbcziehungcn stets sortdaucrn möchtcn. ES wird jetzt im Gegensatz zu trüberen Meldungen von mehreren Seiten bestätigt, daß die Unterlassung des Be suches dcS Fürsten Ferdinand von Bulgarien in Konstantinopel auf einen politischen Schritt der deutschen Diplomatie im Orient zurückzusübrcn ist. Als Fürst Ferdinand seine Hochzeitsreise antrat, glaubte man in Konstantinopel bestimmt auf seinen Besuch rechnen zu dürfen und war dader nicht wenig erstaunt, als daS Schiff, welche« daS ncuoermäblle Paar trug, alsbald eine» anderen CurS einschlug. Wie man sich c» Konstantinopel erzählt, war der Sultan nickt abgeneigt, de» Fürsten Ferdinand zu empfangen, er soll in diesem Vorhaben auch durch gewisse diplomatische Einflüsse bestärkt worden sein. Sicher ist, daß Fürst Ferdinand Konstantinopel in seinen Rciseplan nicht auf- Fauilletsn. Lady Sibylle. Roman von T. Schroeder. Nachdruck »ertöte». 301 (Fortsetzung.) „Na, wenn man nicht weiß, wohin damit", begütigte Frau NcgierungSralh Scharf. „Gicht eS nickt Arme?" fragte Martba vorwurfsvoll. „Für die Armen und Kranken von ESdors und Neuland soll die junge Frau sich sehr inlercssircn", bemerkte Frau von Stablborn „Wabrbaftig?" rief daS StistSfräulein, „dann hat sie am Ende auch sür die Suppcnkückc in B. etwas übrig. Morgen am Tage gebe ich zu ihr mit meiner Sammelbüchse — bei der Gelegenheit bekomme ich dann hoffentlich den Zauberpalast zu seben." „Ein Zauberpalast", bestätigte die Frau Hauplmann mit schwärmerischem Augenausscklaz, „das ist daS rechte Wort. Ich glaubte mick in einem Märchen von Tausend und einer Nacht. Da war z. B am Ende der glänzenden Flucht der GescllschastS- räume ein seenbaslcS Boudoir — Frau von Feldheim, Sie werden sich erinnern?" Die Angcrcdcte, die soeben die answartende Jungfer mit einem zärtlichen „Liebste Marianne, ick boffe doch, Sie haben begriffen, daß Sie den Damen aus der linken Seite präsentiren müssen!" zum Ziilcrn gekrackt hatte, fuhr mit einem rolben Fleck aus jeder Wange bcrum und flötete: „Lutzcken, mein trautester Engel, ick bin untröstlich, aber ich habe nicht recht verstanden, um was eS sick handelt!" „Um daS entzückende Boudoir in Neuland." „In der Tbat entzückend — unvergleichlich! Blaßblau mit Silber und —" alt! Da babcn Sie den kleinen Salon im Sinn!" .. her Luychen, ich werde doch einen Salon von einem Boudoir unterscheiden können!" „Mama, da« Boudoir haben wir gar nicht gesehen", ließ hier Fräulein Josefa schüchtern einfließen, worauf die Schwester sie mit spitzem Ellbogen in die Seite stieß und die rothen Flecke auf der Mutter Wange sich vertieften. „Nicht geseben? Nun, dann will ick versuchen, eS zu schildern", fuhr Frau Hauptmann Lutz begeistert fort. „Stellen sich die Herrschaften einen kleinen Raum mit der herrlichsten Aussicht auf die Berge vor. Die Decke gleicht in Form und Farbe einer offenen Muschel, die Wände sind perlmutler- schimmcrnde Seide: daS Ruhebett, die Sessel, Alles ist mit demselben zarten Stoff überzogen, der Teppich scheint ein sanfter Rcfler von Decke und Wand, der zierliche Kronleuchter besteht aus Muscheln, au« denen mattglänzende Perlen quellen. Etwa« Geschmackvollere« läßt sich nicht denken!" „Aber auch wohl nicht« Unpraktischere«", meinte Martba, die Lippen spöttisch verziehend. „Sollte sich einmal ein Hund in dieses Allcrbeiligste verlieren und seine schmutzigen Pfoten auf die zarte Seide setzen —" „O, einige kräftige Sonnenstrahlen genügen schon, die Herrlichkeit zu vernichten, aber dann ist ja der volle Geld beutel da, den Schaden wieder gut zu machen. Ack! ich sage cS ja immer, reich sein ist und bleibt doch da» Beste!" „Hm!" machte Frau von Fcldheim, „und gewisse Leute hätten jetzt so hübsch reich sein können, wenn sie ihr Glück nicht mit Füßen von sich gestoßen hätten." „Ja, freilich, diese Irene!" nickte die StiflSdame. „Irene?" wiederholte ganz verwundert Frau Regierung«- rath Scharf, deren Gatte Nachfolger de« Herrn von Hatzlebcn aus Annaberg geworden war. „Mein Gott, Sie meinen doch nicht —" „Ja, ja, ich meine Ihre Nachbarin, meine Gnädigste. DaS Mädchen batte den Mann in der Tasche. Sic brauchte nur Geduld zu haben und sich ein bischen zusammenzunebmen, und er beiralhcte sie, statt dieser ausländischen Prinzessin." „Ob dabei für uns viel gewonnen gewesen wäre?" gab Martha zu bedenken. Josesa schüttelte stumm verneinend den Kopf. „Ich mag sic trotz ihrer vielgerühmten Liebenswürdigkeit nicht leiden — die Ander« freilich auch nickt —" Ans diese Bemerkung ihrer Schwester entgegnetc Josefa so leist, daß eS Niemand horte: „Die Andere ist ein Engel." „Also AllSsicht, seine Frau zu'werden, hat sic doch ge habt?" kopfschüttcltc die RegierungSräthin, „ich glaubte, auf seiner Seite wäre e» nur Spielerei gewesen." „Na, da» Duell war wenigsten» keine Spielerei", versicherte daS StistSfräulein, „der arme Northeim kam nur eben mit dem Leben davon." „Northeim? Duell? Davon weiß ich ja gar nicktS", stammelte die gute RegierungSräthin, von einem Erstaunen in daS andere fallend. ,,E» war ja auch Alle» vor Ihrer Zeit, meine Gnädigste. HatzlcbenS machten damals (mit kleinen Mitteln) ein großes Hau« aus Annaberg, und daS Fräulein batte an jedem Finger einen Bewerber. Einen Einzigen konnte sic nur heiratbcn, aber Allen wollte sie gefallen. Da« war ihre Dummbcit. denn der Waldstedt verstand keinen Spaß. Eins, zwei, drei halte er dem Northeim eine Kugel in die Brust geschossen und —" „Großer Gott!" „Und dann war er fort und — kcbrte nicht wieder!" „Hm!" machte Frau RcgicrungSrath Scharf. Daß dieser Naturlaut, von ibr kommend, etwas zu be deuten habe, fiel Niemand ein, bis nian auS der Unruhe in ihren guten, etwa» vorquellcnden Augen und aus dem langsam sich vertiefenden Roth aus ihren Wangen Verdacht zu schöpfen begann. „Liebste RegierungSräthin, Sie wissen etwa«!" rief Frau von Feldheim plötzlich mit Bestimmtheit. E« war Thatsache. Die RegierungSräthin wußte etwa-, wußte zum ersten Mal im Leben mebr al» andere Leute, batte e» zum ersten Male im Leben in ibrcr Macht, durch ein Wort ihre- Munde- eine ganze Tafelrunde zu elektrisiren Es prickelte ibr in der Zungenspitze, aber sie batte ein brave» Gewlssen, da« sich scheute, einen Klatsch in die Welt zu setzen. „Sollte er doch wieder mit ihr angeknllpft haben?" stieß das Stift-fräulein ahnungsvoll hervor. Die arme RegierungSräthin saß wie eine Märtyrerin, von neugierigen Blicken wie von Dolchen durchbohrt, denn im Kreise klapperte kein Kaffeelöffel, regte sich keine Häkelnadel mehr — Aller Augen warteten auf sie. „Sollte er doch wieder mit ihr angeknüpst haben?" ließ sich Fräulein von Bodcnbach, bebend vor Ungeduld, zum zweiten Male vcrnebnicn. „Ich — ich weiß nicht —", stammelte das Opfer — aber so leicht bekam sie den Kopf nicht auS der Schlinge. „O, daS ist nicht freundschaftlich", tadelte in gekränktem Ton die Dame des Hauses, „meine gute, liebe, gnädige Frau, daö ist wirklich nicht freundschaftlich an unS gehandelt!" „Mein Gott!" stöhnte die Gefolterte. „Wenn ihm oder ihr ein Wort davon zu Okren käme, cS wäre doch fürchterlich!" „Wie? Sic setze» kein Vertrauen in uns? Sie halten unS de« schwärzesten VcrratheS sähig?" „Ach nein, gewiß nicht, aher —" „AK so, ich verstehe", nickte Frau von Fcldheim mit einem Blick auf die answartende Jungfer. Marianne, seien Sie so gut und gehen Sic, den Sabnentops füllen zu lassen!" Nach einer Pause, als des Mädchens Schritte verkalkt waren: „Liebste RegierungSräthin, wir sind allein!" „Ja, ich sebe cS, aber — aber —" „Aber", vollendete die Wirtbin »ach sccundcnlangcm Warten, in ihrem zärtlichste» Ton, „Sie Hallen eS dennoch sür weiser, nn« nicht cinzmveiben? Nun, wir nehmen c» Ihnen nicht übel, nickt wahr, mein liehe» Botenhäckelchen'? —wir können unS die Dinge schon sclkst genügend zusaninicnrcinicn." „Versteht sich, das können wir", nickte da« SlistSfräulcin. „Er hat sich ibr wieder genähert, der Don Inan, jetzt, nun er vcrhciralhet ist —" „Um GolleS willen!" schrie die RegierungSräthin. „Ja, ja, da« hat er gethan und eS siebt ihm ähnlich! Neuland langweilt ihn, seine Frau hat er satt, er braucht Unterhaltung —" „Aber da« ist ja die schrecklichste Verleumdung!" „Meine beste RezierungSrälbin, wozu sich so ereifern! Sie brennen Mobren dock nicht weiß Ich kenne ibn — wir kennen ihn alle! Ein berückendesAciißcre, die lnbcnSwürdigslen Manieren, aber das Innere — da» Innere —" „Mich, für meine Person", unterbrach Fräulein Martba, „erinnern Männer seiner Art immer an die getünchten Gräber, von denen in der Schrift die Rede ist!" „Ich weiß nicht» von seinem Innern", stöhnte dir '
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