Suche löschen...
02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 05.05.1902
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1902-05-05
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19020505023
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1902050502
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1902050502
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1902
- Monat1902-05
- Tag1902-05-05
- Monat1902-05
- Jahr1902
- Links
-
Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
Bezugs »Preis I» der Hauptexpedition oder den im Stadt' bezirk und den Vororten errichteten Aus- gaoestellen abgeholt: vierteljährlich 4.50, — zweimaliger täglicher Zustellung in« HauS ./r 5.S0. Durch die Post bezogen für Deutschland u. Oesterreich vierteljährlich ^6, für die übrigen Länder laut Zeitung-preiSliste. Nedaction und Erpedition: Johannisgasse 8. Fernsprecher 1SL und 232. F1Ual«»p»dtti»»r« r Alfred Hahn, Buchhandlg., Universitätsstr. 3, 8. Lösche, Katharioenstr. 14, u. Köntgspl. 7. — Haupt-Filiale Dresden: Strehlenerstraße S. Fernsprecher Amt I Nr. 171S. Haupt-Filiale Serlin: Königgrätzerstraße 116. Fernsprecher Amt VI Nr. 3SSS. Abend-Ausgabe. KipMer... Tagcblall Anzeiger. Ämtsvkatt -es Königlichen Land- und Amtsgerichtes Leipzig, des Nathes und Nolizei-Ämtes der Ltadt Leipzig. Montag den 5. Mai 1902. Anzeigen PrekS die 6 gespaltene Petitzeile SS H. Reklamen unter dem RedactionSstrich («gespalten) 7b L,, vor den Familieunach- richten («gespalten) KO H. Tabellarischer und Ziffernsatz entsprechend höher. — Gebühren sür Nachweisungen und Offertenannahme 2S H (excl. Porto). Extra-Beilagen (gesalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Poftbesörderung SO.—, mit Postbefärderuug 70.—. Annahmrschluß für Anzeigen: Ab end-Ausgabe: Vormittag« 10 Uhr. Morgen-AuSgabe: Nachmittags 4 Uhr, Anzeige« sind stets an die Expedition zu richten. Die Erpedition ist Wochentag« ununterbrochen geöffnet von früh 8 bi« Abends 7 Uhr- Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. 98. Jahrgang. Der Lrieg in Südafrika. Recht und Unrecht im Boerenkrieg. Während der Krieg in Südafrika sich dem Ende zu» neigt, sind die beiden streitenden Theilc noch immer be müht, ihre Sache auch mittelst der Feder zu verfechten und die öffentliche Meinung für sich zu gewinnen. Beide haben es dabei vornehmlich auf Deutschland abgesehen, dem damit gleichsam die Rolle eines Tribunals zugetheilt wird, vor dem jeder der Streitenden bestehen möchte. Recht eigentlich, um das Urtheil der Deutschen richtig zu stellen und ihm die wirklichen Thatsachen zu unterbreiten, wird eine Schrift von A. Conan Doyle verbreitet: „Der Krieg in Südafrtkka, seine Ursache und Führung. AuS dem Englischen." (London, Smith, Elder L Co.) Es ist eine englische BcrthcidigungS- schrift; die Schuld für den Krieg wird auf die Boeren ge wälzt, sie haben die Uitländer auf jede Weise mißhandelt und unterdrückt, die Mitglieder des Raads waren „zum Theil bigotte Ignoranten, zum Theil Hanswürste, fast alle aber schamlose und charakterlose Menschen". Die Em pörung der Boeren gegen die britische Souveränität ist nicht mit der Erhebung der Amerikaner gegen die Eng länder, sondern mit der Empörung der Südstaaten gegen die Union zu vergleichen. Der Krieg selbst ist von den Engländern auf die humanste Weise geführt worden, sie sind nnr viel zu nachsichtig gewesen,- dagegen haben die Boeren, wofür eine große Reihe von Zeugenaussagen bei gebracht wird, sich zahlreiche Unmenschlichkciten und große Mißachtung des Völkerrechts zu Schulden kommen lassen. Andererseits werden von Seiten der Boeren jetzt „Amt liche Berichte der Generale Delarey, Smuts und Liebenberg, sowie andere Urkunden über den südafrikanischen Krieg, in deutscher Ueberseyung hcrausgcgcben durch A. Schowal ter", veröffentlicht (München, I. F. Lehmann), worin, gleichfalls auf die An gaben von Augenzeugen gestützt, ein Sündenregister der englischen Kriegführung zusammengestcllt ist: die Ver wüstung des Landes, das Niedcrbrenncn der Farmen, die Mißhandlung von Frauen und Kindern, Ermordung von Verwundeten u. s. w. In London haben diese amtlichen Berichte, die an den Präsidenten Krüger gerichtet sind, natürlich sehr unangenehm berührt, und man sucht den Eindruck durch die Behauptung abzuschwächen, daß sic ge fälscht, durch die Boercnvertreter in Europa überarbeitet seien. Wie dem sein mag, cs ist kaum anzunehmen, daß diese Streitschriften ans beiden Lagern einen starken Ein fluß auf die öffentliche Meinung haben werden. Ucberall hat sich ein Urtheil über den Krieg, über seine Ursachen, wie über seine Führung gebildet, das sich nicht so leicht umstoßcn lassen wird. Daß im Laufe eines solchen Kriegs, der jetzt schon in das dritte Jahr sich zieht, Unregelmäßig- ketten, Grausamkeiten vorkommen, wird ohne Weiteres glaubhaft erscheinen,- ans beiden Seiten wird gesündigt worden sein. Daß aber das Recht in diesem Kriege auf Seite der für ihre Unabhängigkeit kämpfenden Boeren war, daß cs von Seiten der Engländer ein Raub- und Eroberungskrieg war, veranlaßt durch den Goldrcichthum Transvaals, darüber dürfte das Urtheil der Zeitgenossen, wie das der Geschichte für alle Zetten fcststchcn. Die Boeren werden, nicht ohne eigene Schuld, unterliegen, ihre Republiken werden im unersättlichen britischen Weltreich aufgehen, und es kommt die Zeit, da die Farmen wieder aufgebaut, die Tobten vergessen, die Milliarden verschmerzt sein werden. Aber nicht kommen wird die Zeit, da der Ehrenschtld Großbritanniens von dem Makel dieser un geheuren Blutschuld rein gewaschen sein wird. („Schwäb. Mercur".) * New Uork. k. Mai. (Telegramm.) Nach einer Depesche aus B u e n o « A i r e s ist ein Decret erlassen worden, durch das Delegirten derBoerenim Thale von C.hubut Län dereien zum Zwecke der Ansiedelung überlassen werden. Politische Tagesschau. * Leipzig, 5. Mai. WaS der leidenschaftlichste ParlamentSberichtSlcser nicht zu hoffen gewagt, wird Thatsache. Der Reichstag kehrt nach Pfingsten, im Juni, wieder, die Vertagung in den October hinein ist vertagt, bis der Reichstag äiugeMiam prästirt und der Brüsseler Zuckerconvention zugestimml hat. DaS hat Graf Bülorb, wie gemeldet, am Sonnabend Vertretern der Conservativen, des Centrum« und der National liberalen eröffnet. Diese Wendung kommt sür Jeder mann überraschend, nicht am wenigsten für den Reichs tagspräsidenten, der noch wenige Tage vorher im Senioren convent die Vertagung bi« zum Spätherbst als nahezu gewiß in Aussicht stellte. Graf Ballestrem hat da jedenfalls nicht auS der hohlen Tonne gesprochen, sondern auf Grund von AbsichtSkundgebungen der berufenen Stelle, das beißt de« Reichskanzlers. Da die Situation sich thalsächlich nicht geändert, insbesondere in keinem anderen der ZuckerconventionSstaalen die parlamentarische Erledigung der Brüsseler Convention in nahe Aussicht gestellt worden ist, so muß man annehmen, daß Graf Bülow anderen Sinne« gemacht worden sei. E« scheint wieder einmal Einem was „gezeigt" werden zu sollen — ohne praktischen Zweck. Die Erwartung, daß die Rechte, da« Centrum und die Nativnalliberalen — also die Mehrheit — die zu einer com- miffarischen Berathung der Convention und de« Zucker- struergesetzeS entschlossen waren, durch die Androhung der Wiedereinberufung für den Sommer von ihrem Vorhaben ab zubringen seien, wird für die Regierung nicht bestimmenv ge wesen sein. Der Verzicht auf Vorverhandlungen in einem Ausschüsse wäre in einem solchen Fall« etwa« Unerhörte«. Es haudelt sich hier nicht nur um einen internationalen Vertrag, dessen gründliche Erörterung übrigens auch nicht von Uebel ist, sondern auch um die heimische Zuckerbesteuerung, bei der eine Modifikation der Regierungsvorlage nicht ohne Weiteres als ausgeschlossen betrachtet werden darf. In diesem Puncte wird sich die Mehrheit nicht fügen, die Berathung vor dem Herbst kann sie jedoch nicht ablehnen. Der deutsche Reichstag muß also den Anfang machen mit der öffent lichen — thatsächlich auch in der Commission öffentlichen — Besprechung eines UcbereinkommeoS delicatester Natur, da«, wie eS ist» nicht von Deutschland, sondern von England angeregt worden ist. Warum die« ge schehen muß, fragen nicht nur landbündlerische und con- servative Zeitungen. Ein freihändlerischeS Hofblatt ant wortet, der Deutsche Hannemann müsse vorangehen, nicht weil er die größten, sondern weil er die knappesten Stiefel anhabe, weil Deutschland am meisten an der Beseitigung de« jetzigen Zuckerhandel-zustandeS interessirt sei. DaS bedeutet natürlich da« liebenswürdige Zustecken eine« Trumpfes an fremde Parlamente, die etwa eine Revision des Brüsseler Abkommens vor der Genehmigung fordern, und an fremde Regierungen, die ein derartige« von ihren Volksvertretungen geschaffenes Hinderniß nicht mit ungünstigen Augen betrachten würden. Ratificiren für sich allein kann bekanntlich nur die russische Regierung. Außerdem ist die Behauptung von dem nirgend« erreichten Interesse Deutschland« materiell falsch. Oesterreich z. B. leidet mehr als wir unter der Zuckerüberproduction, und Frankreich, Belgien, Holland jedenfalls nicht weniger al« wir. England macht eine Aus nahme, und vielleicht perfider Weise, jedenfalls aber nicht unwirksam fragt die „Deutsche Tageszeitung", ob man etwa in Bezug auf die Zuckerconvention England Versprechungen gemacht und ihm einen Liebesdienst zugesagt habe. Das extremagrarische Organ ist gewohnter Weise auch gleich mit Berschleppungsaufmunterungen zur Hand. Die Reichstags mehrheit wird sich aber, sobald sie an die Angelegenheit geht, ihrer Aufgabe gegenüber einem internationalen Vertrags entwürfe bewußt zeigen. Uebermäßige Eile wird man aller dings kaum an den Tag legen; die Angabe der „Freis.Zig.", die «inzusetzende Zuckercommission werde auch während der Pfingstferien arbeiten, aber zum Unterschiede von der Zoll- commission ohne Diäten, ist nur gemacht, um sür den Witz Raum zu schaffen, jetzt entstände jdie Frage, ob die Diäten, die die freisinnigen Mitglieder der Tariscommission abzulehnen erklärt hatten, nicht den Mit gliedern der Zuckercommission zuzuwenden wären. Diesen Spaß reproducirt ein bei Hofe gelesenes Blatt als Ernst, vielleicht um für die Führer der gesammten bürgerlichen Zollopposition Hosstimmung zu machen. Wir glauben, wenn Herr Richter mit einem solchen Antrag im Reichs tag käme, so würde man ihm rathen, lieber die von den einzelnen Commissionsmitgliedern zurückgewiesenen Gelder zur Unterhaltung einer Erziehungsanstalt für verwahrloste freisinnige Parlamentarier zu verwenden. Die bewegliche Bitte, den Ton nicht allzusehr verrohen zu lassen, die der Reichstagspräsident während und nach freisinnigen Reden ergehen ließ, werde für sich allein noch nichts fruchten. Schon am Sonnabend stand das „hohe Hans" be reits wieder unter dem Zeichen der Debattenmüdigkeit. Eine ganze Reihe von Gegenständen wurde ohne Debatte erledigt, sowohl die Vorlage zur Beseitigung des flie genden Gerichtsstandes der Presse, wie der Servistarif, die beide in dritter Lesung angenommen wurden. Bon dem Gesetzentwürfe wegen Abänderung des Gesetzes, betr. die kaiserlichen Schutztruppcn in den afrikanischen Schutzgebieten und die Wehrpflicht da selbst, wurden gleich die erste und die zweite Lesung erledigt. Abg. I>r. Hasse bat, man möchte doch die Beschränkung streichen, daß nur solche Deutsche, die im Auslande ständig lebten, das Recht haben sollten, bei der Schutztruppe ihre Wehrpflicht zu erfüllen, und das Recht auf Jedermann ausdehnen; indessen wurde -er Entwurf in beiden Lesungen unverändert angenommen. Erst die Fortsetzung der zweiten Bccachung des „T o l er a n z a n t r a g c s" des Centrums brachte etwas Leben und Bewegung in die Bc- rathung. Zunächst handelte es sich um die Paragraphen 2 und 2a. Nach 8 2 soll für die Bestimmung des religiösen Bekenntnisses, in welchem ein Kind^zogen werden soll, die Vereinbarung der Eltern maßgebend sein.. 8 2a besagt, was zu geschehen hat in Ermangelung einer Verein barung der Eltern hierüber. Die Commission hatte be schlossen, daß in solchem Falle die Vorschriften des Bürger lichen Gesetzbuches maßgebend sein sollten. Ein Antrag des konservativen Abg. Oertel widersprach einer solchen Regelung und wollte die unsprünglich in dem Liebcr'schen Anträge enthalten gewesene Bestimmung wicdcrhcrstellen, -atz in solchem Falle mangelnder elterlicher Vereinbarung die landesgcsetzlichen Vorschriften in Geltung zu treten hätten. Der Appell an das Centrum half indeß Herrn Oertel nichts, vielmehr hielt das Centrum an den Vor schlägen der Commission fest. Es lagen außerdem noch zwei AbändcrungSanträge vor. Der eine, vom Abg. Schrader cingebracht, wollte sogar die elterliche Ver einbarung in diesem Zusammenhänge streichen und ganz allgemein und ohne Vorbehalt lediglich die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches zur Richtschnur für die religiöse Erziehung der Kinder machen. Daneben wollte der Reichsparteller Graf B e r n st o rf f - L a n e n b u r g die gesammten Paragraphen 2 bis 4 des Entwurfs streichen, diesen Entwurf also auf den schon am Tage zuvor an genommenen 8 l rcduciren. Die Debatte über alle diese Anträge brachte sehr lebhafte konfessionell gefärbte AuS- cinandcrscüungen zwischen Centrums- und national liberalen Rednern, denen sich Herr Stockmann von der Reichspartei anschloß, endete aber schließlich damit, daß unter Ablehnung sämmtlicher AbändcrungSanträge die Paragraphen 2 und 2a in der Commissionsfassung ange nommen wurden. Zuguterletzt wurde noch 8 2b in An griff genommen. Nach demselben soll gegen den Willen der Erziehungsberechtigten (Eltern u. s. w.) kein Kind zur Theilnahmc an Religionsunterricht oder Gottesdienst einer anderen Religionsgemeinschaft, als dies den eben erledigten 88 2 und 2a entspricht, angehalten werden dürfen. Im Interesse namentlich der Dissidenten beantragte hier der Abg. Schrader die jeden Zweifel noch mehr ausschlicßcnde Fassung, daß gegen den Willen der Eltern ein Kind überhaupt nicht zur Theilnahmc an irgend einem Religionsunterricht angchalten werden dürfe. Ein polnischer Antrag ferner wollte den Zwang zur Theilnahmc an einem nicht in der Muttersprache statt findenden Religionsunterricht aus dem Wege räumen. Und ein socialdem akratischer Antrag endlich lief darauf hinaus, den Neligonsunterricht schlechthin aus allen Schulen des Reiches als Unterrichtsgcgcnstand zu ver bannen. Die Debatte über alle diese Anträge kam nicht zum Abschluß, cs sprachen nur ein Pole und ein Social demokrat für ihre Partcianträge, sowie Herr Oertel gegen den ? 2b in jeder Fassung. Dann mußte Vertagung cintrctcn. Es kann nicht mehr geleugnet werden, daß der völlig mißglückte Versuch der belgischen Socialdemo krat i c durch das Hervorrufen von Ruhestörungen und durch die Veranstaltung des allgemeinen Ausstandes die Regierung cinznschüchtcrn, die Einführung des allgemeinen und gleichen Stimmrechts in Belgien auf Jahre hinaus unmöglich gemacht hat. Hätten, so wird der „Schles. Ztg." aus Brüssel geschrieben die socialdemokratischen Partei führer, statt ihre Macht zn überschätze», sich zu einer lang samen, aber friedlichen Agitation im Bunde mit den Burgerpartcien entschlossen, so hätten sie vielleicht schon ziemlich bald ihr Ziel erreicht. Aber die Anwendung von Gewaltmitteln hat blos der Regierung die Gelegenheit gegeben, ohne viele Mühe die Bewegung zu ersticken, und dabei hat die Socialdcmokratie selbst den schlagenden Beweis liefern müssen, daß sic trotz des vielen Ckschrcis doch nichts auszurichten vermag. Selbstverständlich denkt jetzt das Ministerium Dsmet de Nacyer weniger als jemals daran, durch Gewährung des allgemeinen und gleichen Stimmrechts die eigene Haltung zu schwächen. Auch die auf die Initiative des Königs gesetzten Hoffnungen er wiesen sich als eitel, da König Leopold II., der von den socialdemokratischen Abgeordneten im Parlamente fort während in gemeinster Weise verunglimpft wird, natürlich nicht geneigt ist, ihnen zu Willen zu sein. So ist denn der Ansturm der Socialdemokratic auf der ganzen Linie zurückgcschlagcn worden, und der einzige, noch dazu recht schwache Trost, der ihr blieb, liegt noch in den bevor stehenden K a m m c r w a h l c n. Am 25. Mai muß die Hälfte der Kammermandate zur Neubesetzung gelangen, Feuilleton. § Der Militärcurat. Nomon von Arthur Achleitner. Na»truck v-rbet,». „Na, -aS wäre doch dcS Guten zu viel! Ich bin zwar noch nicht oben gewesen, was man aber so Höri, läßt eine Strapaze erwarten, wie sie eine bewaffnete Hochtour in nördlichen Alpen auch nicht ärger mit sich bringt." „Gewiß, Sternburg! Die Berge im Süden sind weit unangenehmere Herren. Aber hoffen wir das Beste. Ich gehe jetzt, -en Major mit Negenaussichten -u beglücken. Servus!" „Willst Du nicht mithelfcn, einer Flasche Teraldigo den HalS zu brechen?" „Danke, nein! Bei dieser Schwüle und starken Wein trinken, das legt sich mir doch zu arg auf die p. t. Nerven. Und wittert der Alte Wolken, so läßt er uns morgen zur Hahnenzeit aus den Federn trommeln. Da heißt eS also flink schlafen und in der Frühe mit klarem Kopfe und ge» schmierten Füßen antreten. ServuS!" Bis die Officiere ihre Heimstätten erreicht hatten, waren die Seeberge hinter dichten Wolkenwänden verschwunden, über dem Wasser lag eine dicke Dunstmaffe, die alsbald der Südwind gleich den Wellen in Bewegung setzte und an Land trieb. Ein Brodeln und Wogen Hub an, in das dumpfe« Donnergrollen sich mengte. Dann zuckten fahle Blitze hernieder, für Moment« die aufgeregten, schwarzen Wogen grell beleuchtend, der Wind jagt frühwelke« Laub auS Hainen und Weinbergen, Bäume ächzen unter der Gewalt des wildentsachtcn Sturme« und beugen sich hilf los. Doch der ersehnte Regen will nicht kommen und keine ausgiebige Abkühlung. Schon um 5 Uhr Morgens stand das Bataillon zum Abmarsch bereit im Casernenhofc und wenige Minuten später erschien der Major, scelcnvergnügt über da« Marsch wetter: bedeckter Himmel. Freilich ist noch immer südliche Schwüle fühlbar, doch man kann wenigsten« ohne Hitz- schlagggefahr auörückcn. Die Di»posttion war rasch ge geben, die Truppe rückte compagnieweise, ohne Signale, an«. Ts gilt einen UebungSmarsch ins Gebirge hinauf bis Chicno und Rendezvous wird im Dorfe Valdo sein. Leutnant Hiller mit seinem Ztzge bewährte den Ruf, baß seine Abtheilung die besten Kraxler hatte, echte „Stau denschliefer", kleine Leute von erstaunlicher Agilität, brillante Steiger, Sühne der deutschen Berge, eine junge Mannschaft, die mit den Gemsen um die Wette klettert. Ohnehin an der Töte befindlich, konnte es nicht anders sein, al« -aß dieser Zug Kaiserjäger einen bedeutenden Borsprung erhielt und bedeutend früher im Mittelgebirge erschien, denn die übrigen Abtheilungen. Daß die braven Burschen schwitzten, genirte sie selbst nicht im Mindesten; Hiller hatte vorschriftsmäßig das Oeffnen -er Halsbinden angeordnet zur Erleichterung, Blousen trug die Mannschaft ohnehin. Weniger gefiel den Leuten allerdings bas schwarzbräuende Gewölk und die unheimliche Karbe der sonst gelbglänzenben Kelsen. Dazu brummte es verdächtig, eS ist ein schwere« Gewitter im Anzuge, und ein Naß werden sehr wahrscheinlich. Wacker marschirte ber Zug auf dem schlechten, steinigen Strählein einem Dorfe zu, an dessen Eingang eine elegante Billa sehr gegen die arm seligen, verwahrlosten Häuschen der Dörfler contraftirtc. Hier mochte wohl ein welscher Signor seine Sommerfrisch stätte aufgeschlagen haben, wozu die großartige Aelsum- rahmung und pittoreske Lage ihn verlockt haben mochten. Hiller ließ seinen Zug halten und warnte vor schäb- sichern Wassergenuß, auch dürfe nicht eine einzige Frucht weggenommen werden, e« wäre denn, sie würde baar be zahlt. Roch hatte der Leutnant nicht au«gesprochen, fuhr ein Blitz hernieder, schlug knatternd in Dorfnähe ein und al«bald flammte e« schaurig auf. „Brinna thuat's!" schrie ein Jäger auf. Alles wandte den Blick zum Dorfe, dessen Thurmglocken zu wimmern begannen. Augenblicklich entschlösse»» hier Hilfe zu leisten, glcick- gütig, wem sie wirb, befahl Siller der Hälfte seine« Zuges, die Gewehre der HilfSmannfchaft zu übernehmen und am Dorfeingange Bereitschaft zu halten, worauf ber Leutnant mit den Jägern im Laufschriit der brennenden Villa zu eilte. Hier thut Hilfe wirklich noth, e« schlagen die Klammen schier an« allen Fenstern, im Vekonomietraet rennt bas Ge sinde toll vor Schreck nnb Angst ziellos umher, baS Vieh blökt und brüllt in den Ställen und sucht die Ketten zu sprengen. Die Dörfler aber stehen kreischend in der Nähe, ohne eine Hand zu rühren. Ihre Thätigkeit beschränkt sich darauf, „Jener" zu schreien. Vom Sturmwinde gejagt, ist Fluafeuer auf da« Stroh- bssOFsK-Stallnng-geväudc« ttbergesprung;», und im Sdr flammt cs auch hier auf und gierig frißt das Feuer sich inS Dachgespärr. Die braven Jäger greifen unerschrocken, freudig erregt, Hilfe bringen zu dürfen, ein. Spritzen, Schläuche und so weiter giebt es nicht, man muß brennen lassen, was brenne», kann und will. Aber auStragcn kann man, »nd das besorgen die Jäger mit Eifer und bewundcrnswcrther Schnelligkeit. Hiller kehrt sich nicht daran, daß der verstörte Villa besitzer die Mannschaft zurückweisen wollte. Offenbar ein „Patriot", der selbst in größter Noth vom österreichischen Militär nichts wissen will. Die Jäger sprangen ins Haus, wie in die Stallungen, trugen Möbel heraus, ließen da« brüllende Vieh inS Freie und jagten cs von der Brandstätte weg. Prasselnd stürzte das Dach ein und schlug die Plafonds deS obersten Stockwerkes durch. Jetzt ccterte der Signor und schrie nm Hilfe. „Mehr Mannschaft!" rief er dem Leutnant auf welsch zu, der sich bemühte, eine vor Schreck ohnmächtig gewordene junge Dame in Sicherheit z» bringen und vor dem Hause auf einen Divan, den die Jäger eben herau-gebracht, zu legen. Die Dienerschaft schrie sich heiser, that aber keinen Griff. Hiller erkannte, daß hier noch mehr hilfsbereite Hände notywenbig sind, und ließ auch noch die Bereitschaft bis auf wentae Mann, die bei den zusammengestellten Gewehren al« Wache verblieben, anrücken und eingreifen. Die Herrschaft, der ältliche Herr und seine Gemahlin, schienen völlig kopflos geworden zu sein und wollten das dem Einsturz nahe und von den Jägern schier vollends aus- geräumte HauS nicht verlassen. Hiller sprach vergeblich ans die Leute ein, sie weigerten sich und jammerten mit welschem Massenaufgebot von Worten und Gebärden. Wenn vom Hause wenigstens die Grundmauern gerettet werden sollen, muß alle« Brennbare cingertsscn, auf einen Alammenherd beschränkt und dieser, wenn möglich, gelöscht werben. Selbstverständlich darf aber bei der Einrciß- arbett Niemand mehr im Hanle sein. Der resolute Leutnant machte kurzen Proccb und ließ -en Signor und dessen Ge mahlin einfach von den Jägern mit Gewalt hcrauStragen und festhalten. Inzwischen hatten einige Mann, voll der Hcimath her mit solchen Arbeiten vertrant, auS dem Dorfe Enterhaken und Lbscheimer herbeigeschafft, und unter Anleitung de- Leutnant« wurde gethan, was in menschlicher Kraft lag. Eine Stunde später war der Brand gelöscht, die Billa nebst Dcpcndcnzcn zur qualmenden Schnttstätte geworden. Aber gerettet ist das ganze Mobiliar, alles Biest und die gesammten Fahrnisse durch die braven Jäger. Signor de Marzari, der Abbrändler, erkannte nun selbst, welchen Dienst ihm das verhaßte Militär geleistet, und dankte dem Officicr für das thatkräftige Eingreifen. Höflich, doch kühl lautete die Antwort: „Bitte sehr, cs ist gern geschehen! Habe die Ehre!" Ans Befehl Siller's blies der Hornist das Signal znm Sammeln, und flink kamen die rußgeschwärzten Jäger her bei, ergriffen die Gewehre und stellten sich in Reih' und Glied. Der Leutnant sprach den Dank auS für daS wackere Verhalten und commandirte zum Abmarsch. Die Vcr- »pätung muß durch forschen Marsch nach Möglichkeit ein geholt werden, cs heißt also flink dem Rendezvous zueilen. Nach Baldo waren die übrigen Truppenthcile auf anderen Wegen und Steigen marschirt und schneller an s Ziel gelangt. Hiller hätte immerhin gleichzeitig eintrcffcn können. Dank des Vorsprunges beim Aufstieg, allein die Hilfsaction mußte eine Verspätung bringen. Beim Rapport entschuldigte der Leutnant sich unter der Meldung des Er eignisses und erzielte volle Anerkennung. Nur wollte der Major wissen, ob für die Mannschaft irgend ein Geschenk oder Wein angenommen worden sei. Hiller konnte diese Frage verneinen, und nun war der Major vollauf befriedigt, er belobte auch die Jäger des Htller'schen Zuges. Das „trockene" Gewitter verwandelte sich um die Mittagszeit nun -och in einen Regenschauer, der die braven Jäger zwar bis auf die Haut durchnäßte, doch allenthalben erwünschte Abkühlung brachte. Das Bataillon rückte daher wieder ein, ein Marsch im lange entbehrten Regen, welcher die Soldaten fröhlich stimmte. Die wolkenvcrhangcnen, triefenden, welschen Berge mußten deutsche Jodler aus frischen Jägcrkchlen im Echo wicdergeben. Die Officiere wehrten solcher Saugcsfreudigkeit nicht, so lange man durch daS Mittelgebirge marschirte. In der Ebene vor San Giorgio angelangt, wurde aber das Siugen in hei- mathlich deutschen Weisen untersagt; man wollte vcrmcidcn, daß die „Patrioten" sich provoctrt fänden, wen»» deutsch- österreichische Soldaten in deutscher Sprache Marschltcdcr singen. Dafür glaubten herumstehenbe „Patrioten^ -atz
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder
Erste Seite
10 Seiten zurück
Vorherige Seite