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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 10.06.1902
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1902-06-10
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19020610028
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1902061002
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1902061002
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1902
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Reclamen unter dem Redactionsstrich (4 gespalten) 75 vor den Familiennach» richten (6 gespalten) 50 Tabellarischer und Ziffernsatz entsprechend höher. — Gebühren für 'Nachweisungen und Offerteuannahme 25 H (excl. Porto). Eitra-Beilagen (gesalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbesörderung 80.—, mit Postbesörderung 70.—. Ännahmeschluß für Anzeigen: Ab end-Ausgabe: Bormittags 10 Uhr. Morgeu-AnSgabe: Nachmittag- 4 Uhr: Anzeige« sind stets an die Ex-edition zu richten. Die Expedition ist Wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis Abends 7 Uhr. Druck und Berlag von T. Polz in Leipzig. Nr. 28«. Dienstag den 10. Juni 1902. Sk. Jahrgang. Der Friedensschluß. Nicderholnng der Transvaalflagge van dem PalaiS Krnger'S. Auch der greise Transvaalpräsident Krüger scheint sick jetzt in das Unvermeidliche gefügt und durch den symbolischen Act der Nicderholnng der Transvaalflagge, die bislang von seinem Palais in Utrecht wehte, die Oberherrschaft Englands anerkannt zn haben. Dem „B. L.-A." wird darüber gemeldet: * Rotterdam, 9. Juni. Präsident Krüger ließ die Flagge der TranSvaal-Freistaates vor Oranjelust in Utrecht niederholen, er kannte somit äußerlich die englische Souveränität über die südafri- konische Republik an. Schalk Burger forderte, wie aus Durban depeschirt wird, die Boeren in den ConcentrationSlagern auf, zu vergessen und zu ver geben und mitzuarbeiten unter dem freien und glorreichen Union Jack. * London, 9. Juni. Nach einer Depesche Kitchener'S wurden gestern und Sonnabend Nachmittag im Ganzen 2500 Gewehre übergeben, von denen 448 Capausständischen und die übrigen bauptjächlich Leuten Dewet'S gehörten. * London, 10. Juni. (Telegramm.) Nach den amtlichen Verlustlisten ist am 4. Juni bei Nitnengt in der Nähe von Ber- ceniging ein Officier gefallen und einer verwundet worden. Bei Athole wurde am 4. Juni ein Mann verwundet. Politische Tagesschau. * Leipzig, 10. Juni. Im Reichstage ist gestern über die grundsätzlich wich tigste der zur zweiten Bcrathung stehenden Zuckervvr- lagen die vorläufige Entscheidung gefallen. Die Brüs seler Convention ist angenommen worden, und zwar sogar mit einer bemerkenswert!) großen Majorität, was freilich noch keinen Rückschluß auf den Gang der Dinge bei der endgtltig entscheidenden dritten Lesung zu läßt. Denn wenn auch gestern nach einer überaus lang wierigen Debatte mit der antisemitischen Fraktion, die als einzige geschlossen gegen die Convention stimmte, nur ein größerer Bruchtheil der Deutschconservativen und ein kleinerer Bruchtheil des Centrums votirtcn, so wurde doch vcinahc von allen größeren Parteien die definitive Stel lungnahme zur Convention von der Gestaltung des Zucker- steuergesetzes abhängig gemacht, sogar von der Social demokratie, in deren Namen der seine parlamentarische Jungfernrede haltende I)r. Bernstein die Commissions beschlüsse — Wiederherstellung der durch die Vorlage be seitigten Contingenttrung, sowie außerdem Festlegung des Ucbcrzolles von 6 Frcs. als Mindest-Ueberzoll — der schärfsten Kritik unterzog. Genau dieselbe Kritik wurde auch von den Rednern der beiden freisinnigen Gruppen geübt, von ihnen jedoch ohne Hinzufügen der Drohung, eventuell die Convention abzulehnen. Obwohl es sich um eine zweite Lesung handelte, wuchs sich die Erörterung über den zunächst zur Berathung gestellten Artikel I der Convention zn einer förmlichen Generaldebatte über beide Zuckcrvorlagcn, Convention und Steucrgesctz, aus, wenn auch stets im Mittelpuncte die Frage blieb, ob der Conven tion die Zustimmung zu ertheilen oder zu versagen sei. Von den Consernativen verneinten diese Frage Graf Kanitz und Graf Limburg, während der der confer- vativen Partei als Hospitant angchörcndc Abgeordnete v. Maltzan sie bejahte. Ausfallen mußte es dabei, daß schließlich bei der Abstimmung auch Graf Limburg sich für die Genehmigung der Convention erhob. Von den beiden Vertretern des Bundes der Landwirthc, die das Wort nahmen, den Abgeordneten Nösickc - Kaiserslautern und Diederich Hahn, wurde, wie man das nicht anders er wartet hatte, schärfster Protest gegen die Convention ein gelegt. Ihrer Ansicht nach muß die Landwirthschost, bezw. der Rübenbau nebst Znckerindustrie im Falle der Annahme der Convention zu Grunde gehen und die Fortdauer des bestehenden Zustandes somit das „kleinere Uebel" sein. Die Herren haben sich wohl nicht recht überlegt, was un weigerlich geschehen muß, wenn die Convention abgelehnt und der deutsche Zucker, auf dem Weltmärkte distanzirt, mit hohen Zuschlagszöllcn belegt wird. Mit einer berech tigtes Aufsehen erregenden Schärfe sprach sich das einzige Mitglied ans, welches vom Centrum vorgeschickt wurde, Herr Müller- Fulda. Er sprach, als ob cs im Reichs tage weiter nichts wahrzunehmen gäbe, als das ein seitigste Interesse der Zuckerindustriellen. Daß sonst Niemand vom Centrum sprach, war um so verwunder licher, als hinterher ein großer Theil des Centrnms der Convention zustimmte. Die Gefahr, die Convention vielleicht doch zu guterlctzt scheitern zu sehen, veranlaßte den Staatssekretär Grafen Posadowsky zu einer bei ihm ungewöhnlich entschieden klingenden Entgegnung auf die gegnerischen Auslassungen. Namentlich richteten sich seine Worte gegen den Grafen Limburg, der über die deutschen Unterhändler in Brüssel sehr abfällig geurtheilt hatte. Graf Posadowsky richtete an das Haus die Frage — die der Rechten des Hauses sichtbares Mißbehagen ver ursachte —, ob cs wohl richtig sei, dergestalt gerade in einem Augenblicke, wo neue (Handelsvertrags-)Verhand- lungen mit dem Auslande schon in Sicht seien, der eigenen Regierung hier so öffentlich nachzusagen, daß sic selbst und ihre Unterhändler sich schwach und nicht auf der Höhe ihrer Aufgabe zeigten?! Weiter protcstirtc der Staats sekretär namentlich gegen eine zu scharfe Herabsetzung der Verbrauchsabgabe, wie die Commission sie beschlossen. Allenfalls werde die Regierung mit einer Mindeststeucr von 14 — es lag ein dahingehender freisinniger An ¬ trag vor — sich zufrieden geben, aber unter diesen Satz heruntcrzugehen, sei unmöglich. Bemerkt sei schließlich noch, daß Namcnö -er Nationalliberalen Herr Paasche, der den Zucker-Agrariern bekanntlich sonst jederzeit das Wort geredet hat, sehr entschieden für Annahme der Con vention eintrat und namentlich die Befürchtung wider legte, als könne bei Inkrafttreten der Convention die Concurrenz deS colonialen Rohrzuckers auf dem deutschen Inlandsmarkte ins Angemessene wachsen. Nach An nahme der Convention vertagte man sich. Heute kommt nur die Zuckersteuer (ebenfalls zweite Lesung) an die Reihe. Während das Centrnm auf dem eigentlichen Kampf platz, im Parlament, die Polen bei der Entscheidung der Polen-Vorlage ziemlich im Stich ließ und nicht einmal ge nügend SuccurS für die von den Polen verlangte nament liche Abstimmung leistete, sucht nun hinterdrein die Cen trumspresse durch vermehrte Verbeugungen vor den Polen und durch verschärfte Anwürfe gegen den „Hakatismus" n. s. w. die gute Meinung)der polnischen Schützlinge wieder zu gewinnen. Voran natürlich die „Köln. Volksztg.". Die gröbsten polnischen Fußtritte hat sie schon geduldig ertragen. Nun zieht sie direct gegen den Kaiser los. Sie bringt nämlich zu der auf die Polen bezüglichen Stelle der Marien burger Kaiser-Rede zwei Artikel, einen eigenen und einen einer Centrumscorrespondenz entstammenden. Dabei ist es charakteristisch, daß der, auch in bayerische, also gewiß nicht preußenfrcundliche, klerikale Blätter übergegangene Correspvndenzarttkel bei Weitem nicht so gehässig ist, als das eigene Hvchgewächs des rheinischen Blattes, das schon durch diesen Unterschied den ihm verliehenen Namen „das Polenblatt am Rhein" vollkommen rechtfertigt. Die kaiser- lichen Worte haben dies deutschgeschriebene Polenblatt in solche Wuty versetzt, daß es die Hilfe des Auslandes gegen Preußen anruft. Mit bitterem Hohn wird aus geführt, daß der Kaiser mit seinen Reden schon sehr oft keinen Erfolg gehabt habe Nlmsturzgcsctz, Canalvorlage u. v. A.). Dies beweise, -aß auch die Macht des Kaisers ihre Grenzen habe, und damit werde kein günstiges Omen für die neue kaiserliche Polcnpolttik erweckt. Wenn die „Köln. Volksztg." sagen will, daß kaiserliche Reden allein noch nicht die Politik Deutschlands und Preußens entscheiden könnten, so rennt sic damit nur offene Thüren ein. Darauf kommt eS aber auch gar nicht an, sondern wesentlich ist, daß das deutsche Volk durch die kaiserliche Rede eine gewiße Sicherheit dafür erlangt, daß die Zeiten der Verhätschelung der Polen, wie von 1891 bis 1894, endgtltig vorüber sind. Daß der Kaiser an der Spitze des deutschgesinnten Theilcs der Bevölkerung für die Erhaltung des Deutschthums kämpfen will, ist denn doch kein so ganz gleichgiltigcs Fac tum,' davon wird sich die „Köln. Volksztg." schon über zeugen. Der Entschluß des Kaisers kann aber nur gefestet werden, wenn das Ausland gegen unsere Polenpolitik zu Hilfe gerufen wird. Das rheinische Blatt droht damit, daß die Völker Englands und Oesterreich-Ungarns durch die kaiserliche Rede veranlaßt werden würden, sich noch mehr, als bisher, in ungünstigem Sinne mit unserer Polenpolitik zu befassen) die englische Presse habe ein stimmig die preußische Polenpolitik verurtheilt. Nicht nur die englische Presse, sondern sogar das offtcielle Eng land hat im Jahre 1808 einstimmig dierusstsche Polen politik verurtheilt und mahnende Noten an die russische Re gierung gerichtet, aber Rußland hat sich dadurch nicht daran hindern lassen, zu thun, was ihm richtig schien. Wünscht die „Köln. Volksztg.", baß Preußen-Deutschland weniger Selbstständigkeit fremden Einmischnngsverfnchen gegenüber beweise, als Rußland damals bewiesen hat? Zubctzi meinen wir, daß England gerade jetzt allen Grund habe, sich nicht als den Hort fremder Völkerschaften gegen angebliche Unterdrückungen aufzuspiclen. Die „Köln. Volksztg." nimmt zwar keinen Anstand, unsere Polenpolitik mit der englischen Südafrika-Politik auf einen Standpunkt zu stellen, indem sic wörtlich schreibt: „DicPolenpolitik hatunsebcnsounbeliebtgemacht,wieEng- l a n d d u r ch s e i n e s ü d a f r i k a n i s ch c P o l t t i k ge rn o r d c n i st." Wer nicht ganz so in die Polenbegcisterung verrannt ist, wie das rheinische Blatt, wird vielleicht zu geben, daß wir den Kampf gegen die Polen nicht führen, um Goldbcrgwcrke zn plündern oder sonstigen materiellen Gewinn davonzutragen, sondern daß wir im Gegentheil große materielle Opfer bringen um eines rein ideellen Zweckes willen, nämlich zur Erhaltung des Deutschthums in einem seit vier Menschenaltern zu einem deutschen Staate gehörenden und seit noch längerer Zeit von Deutschen be siedeltem Gebiete. Wir rufen das Ausland nicht an, aber wir vertrauen seinem gerechten Empfinden immer noch mehr, als dem der „Köln. Volksztg.". Der Terrorismus gegen alles Deutsche, den Magyaren und Magyaronen üben, hat abermals eine saftige Frucht zur Reife gebracht. Wir lesen in der „Neuen Freien Presse": Der hundertste Geburtstag Lenau's. Am 13. August 1902 wird der hundertste Geburtstag Nikolaus Lenau's gefeiert. Aus diesem Anlasse hat sich, wie wir bereits mitgetheilt haben, in seinem Geburtsorte Csatad im Banat ein Comitö gebildet, welches vor einiger Zeit Sammelbogen versendete, um Beiträge für ein bescheidenes Denkmal des Dichters in seinem Geburtsorte zu erlangen. Das Denkmal sollte aus einem einfachen Obelisk mit einem Neliefporträt Lenau's in Bronze bestehen. Die neuestens eröffnete Discussion über die alldeutsche Bewegung in Ungarn und einige Acußcc- ungen der reichsdeutschen Presse über diese Denkmalfeier erweckten in einem Theil der ungarischen Presse den Verdacht, daß die Feier zu einer alldeutschen Kundgebung auf ungar ischem Boden benützt werden solle, und es wurden in diesem Zusammenhänge gegen das Denkmal-Comite schwerwiegende Anklagen erhoben. Das Comite veröffentlicht infolgedessen eine Erklärung, aus welcher hervorgeht, daß es vom Ministerium des Innern die Erlaubniß zur Veranstaltung von Samm lungen auf ungarischem Gebiete erhalten habe; daß es niemals daran gedacht habe, Beträge aus dem Auslande anzunehmen, dieselben sogar zurückweisen würde und strenge darauf achten wolle, daß die Feier zu keinerlei Demonstration mißbraucht werde. Wenn sich irgend eine Störung ergeben sollte, werde das Comite so viel Energie bekunden, um dieselben, von welcher Seite immer sie kommen, zwar höflich, aber mit Entschiedenheit hintanzuhalten. In bescheidenem Rahmen sei eine durchaus patriotische ungarische Feier geplant, zu welcher die literarischen Notabilitäten als Mitwirkende werden geladen werden. Es wird bei der Denkmals-Enthüllung auch an deutschen Reden nicht fehlen können, nachdem die schwäbischen Bewohner von Csatad nur der deutschen Sprache mächtig sind. Allerdings sind die Bemühungen des Comites, Beiträge zu erlangen, bei nahe vergeblich gewesen. Die Beiträge laufen nur sehr spärlich ein. Wenn die Mittel nicht aufgebracht werden, würde die Feier dennoch unter allen Umständen stattfinden und darauf beschränkt werden, die durch die Munificenz eines Csatader Bürgers vor Jahren gestiftete Gedenktafel zu bekränzen. „Budapests Hirlap" fordert angesichts dieser Sachlage das Publicum auf, dem Comite in Csatad möglichst viele Beiträge zuzuwendcn. Diese magyarisch-polizeiliche Behandlung eines seit Langem tobten großen Dichters, der deutsch, und nur deutsch gedichtet hat, erinnert an die schönste Zett der öster reichischen Reaction und Censur, von denen man ja auch in Ungarn hübsche Pröbchen kennen gelernt hat. Die Bach husaren, die man um das Denkmal eines Deutschen in Csatad, wenn es zu Stande kommen sollte, aufstellen wird, damit ja nichts Deutsches passirt, werben sich komisch aus nehmen. Ernst ist nur die furchtsame Bereitwilligkeit der betheiligten Deutschen, den Dichter ihres Volksthums magyarisch aichen zu lassen. Besonders charakteristisch dabei ist die Wendung, daß „es auch an deutschen Ideen nicht" werde „fehlen können , sowie die sozusagen um Ver zeihung bittende Erklärung dieser Nothwendigkeit. Daß die Denkmalsinschrift in magyarischer Sprache abgefaßr sein wird, darf man ohne Weiteres annehmen: Lenan Miklos! Was die in Ungarn herrschende Minderheit be wegt, ihre Pvlizeiapparate aufzubieten, um das Dcutscki- thum -cs Dichters zu confisciren, liegt auf -er Hand. Lenau war ein Deutscher, aber zugleich ein ungarischer Poet. Er zeigt sich in seinen besten Schöpfungen, so z. B. in Frililletsn. 8i Verfehlte Liebe. Roman von E. Hein. Nachdruck »erboten. Im Comptoir gab es einen kleinen Conflict zwischen den beiden Rivalen. Der Oberkellner erlaubte sich eine anzügliche Bemer kung über die Menschenkenntniß des Directors und dieser er widerte grob. Aber darüber war „mau" einig, „man" wußte noch nicht, wo man die beiden Ankömmlinge „Hinthun" sollte. Der Director sprach von einem weltscheuen Commerzienrath, der Oberkellner von einem Baron. Aber die Frau? „Das werden wir gleich sehen. Fritz, das Fremdenbuch hinauf." Fritz klopfte an Friedrich's Thur. Der war gerade am Begriff, sich zu waschen. Auf die Frage, was «s gäbe, ant wortete Fritz schnippisch, er bitte um Eintragung. Da kam wieder einmal das alte Bauernblut und der Bauernstolz ans Tageslicht. Ein kräftiger Fluch und man solle ihn ungeschoren lassen, ließ Fritz verschwinden. „Ich glaube, es ist «in alter Soldat, so flucht nur ein General" setzte er seiner Erzählung im Comptoir hinzu. Während Friedrich sich selbst bediente, klingelte Minna das Stubenmädchen und mit ihrer Hilf« machte sie sich zum Mittag- essen fertig. Es dauert« auch nicht lange, da läutete es zur Tafel. Vater und Tochter gingen nabeneinander die Treppe hinunter, der Oberkellner huschte gerade vorüber. Er lugte kurz hinauf. „Ein General kann es nicht sein, seine Haltung ist nicht gerade, auch nicht ritterlich. Etwas ganz Feines ist es auch nicht, aber etwas Solides, Hausbackenes, wenn ich nur wüßte, wer sie wäre, sie hat Schick." Als Vater und Tochter «intraten, war die Tafel erst mäßig besetzt. Man wie« den Beiden zwei Plätze am Fenster an, ziemlich günstig, um di« Tafel zu übersehen, noch günstiger, um gesehen zu werden. In ihrer Nachbarschaft saß ein älterer Herr, der auch währed des LssenS, so oft er konnte, in dir Zeityng sah, und rin jüngerer Herr mit etwa» kränklichem Aussehen, der gelang weilt vor sich hinblickte. Minna ließ ruhig ihre Blicke über die Rund« schweifen, Friedrich lehnt« mit den Armen auf dem Tisch«, hatte drc Hände gefaltet und wirbelte die Daumen umeinander. ES kam di« Suppe, «S kam Li« RindSlende, der Fisch, das Ge flügel, der Stangensparael, Fürst Pückler, ohne daH Vater und Tochter mit andern Gästen «In Wort gewechselt hätten. Nach dem Eis sah sich Mina nach einem Glas Wasser um, dir junge Mann reichte ihr di« Flascht. „Gutes Wasser, gnädige Frau", sagte er, um etwas zu sagen. „Ich danke Ihnen." Damit war die Unterhaltung erschöpft. Endlich begann der junge Mann von Neuem: „Haben Sie sich schon die Burg angesehen?" „Nein, wir sind erst vor einer Stund« gekommen." „Sie waren noch nicht hier?" „Nein." „Oh, es ist sehr schön hier, rin« wunderbare Luft, viele ruhige Plätzchen, eine schöne Natur." „Es soll schön hier sein, ich habe bis jetzt noch nicht viel bemerkt." „Gedenken Sie lange hier zu bleiben? Sind Sie zur Cur hier?" „Nein, wie lange wir bleiben, ist noch ganz ungewiß, so lange es uns gefällt. Nicht wahr, Vater?" „Ja, ja", antwortete Friedrich, der Li» jetzt zum Fenster hinauSgeguckt hatte, theilnahmlos. In diesem Augenblick ging ber Oberkellner vorüber. Also Vater und Tochter, nun wußte «r es. „Erlauben Sie, daß ich mich Ihnen vorstelle! Wilhelm Merkel, Referendar." „Wir heißen Friedrich" — das kam kokett einfach heraus. „Wenn Sie gestatten, biete ich mich Ihnen zur Führung an. Ich kenne das Nest ein wenig . . „Sehr freundlich. Wir werden wohl von Ihrer Liebens würdigkeit Gebrauch machen.» „Um vier Uhr?" „Um vier Uhr!" Die Tafel wurde aufgehoben. Der Herr mit der Zeitung warf noch einen schnellen durchdringenden Blick auf Friedrich. Der Oberkellner Lat um Aufzeichnung der Namen, Friedrich ver wies ihn an seine Tochter und diese schrieb nichts weiter als: Friedrich mit Tochter aus M. Der Oberkellner bat um die Bezeichnung des Standes. „Das dürfte doch genügen. Ich könnte als Stand ja jede Bezeichnung wählen, was that's?" Der Oberkellner blickte ein wenig verwundert drein. Schließ lich fragte er: „Rentier?" Friedlich nickte. Damit war di« polizeiliche Vorschrift erfüllt und Rentier Friedrich nebst Tochter konnte nun im DadeblaU und in der Curliste sich sehen lassen. Gegen 4 Uhr stand der Herr Referendar MerkA im Hausflur des Hotels und sah oft nach der großen Freitreppe im Hinter gründe. Da schlugdie Uhr vier, und «in leises Knistern verrieth daS Hinabsteigen Minna's. Der Vater folgte. Mit höflichem Gruß« ging Merkel auf sie zu: „Mit der Pünktlichkeit einer Königin", sagte er verbindlich. Die Drei wandten ihre Schritte an dem Curgarten vorbei nach der Lichtenthaler Allee. Die Hoch saison hatte noch nicht begonnen, doch war bas Bad schon sehr belebt. Immer neue Menschen begegneten ihnen. Merkel unter hielt sich mit Minna aufs Ausgezeichnetste, während Friedrich nebenher trabte und im Stillen seine Beobachtungen machte. Wenn hin und wieder Minna in ein gedämpftes Lachen aus brach, so drehte er sich um und fragte nach der Ursache. Immer war es eine witzig« Bemerkung gewesen, die Merkel über ein vorübergehendes Paar gemacht hatte. Und er ließ seinem Witz freien Lauf. Der alte General, der zum zehnten Mal« nach Baden-Baden kam, wurde von ihm ebenso bespöttelt, wie der junge Gigerl, der der Schule kaum entwachsen war, die ehr würdige Matrone mit der Brille, die überall zu Hause ist und doch kein Heim hat, reizte seinen Witz ebenso, wie die elegante Dame in auffallender Kleidung, die nirgendwo zuständig und doch überall ein Heim hat. So spazierten die Drei bald zwei Stunden, bis sie sich in einem der CaföS niederließen und dann zurücktehrten. Nach dem Abendessen plauderten Merkel und Minna zusammen. Sie svrachen nur von gleichgiltigen Sachen. Merkel war in der Unterhaltung ganz vorzüglich; er war «in Weltmann und be trachtete die Dinge von oben herab. Er hatte an Minna Ge fallen gefunden, an ihrer Art, sich zu geben, an ihren Be merkungen und an ihrer Schönheit. Er war aber durchaus nicht verliebt. Dazu hatte er wohl schon zu viel durchgekostet. Sie sprachen von Politik im Allgemeinen und von der Landwirth- schaft. Während Merkel zum ersten Thema Minna sehr rin- aehmde Leitartikel vortrug, konnte Minna ihm zum zweiten Thema Auskunft über Viehzucht und Landbestellung, Obstbau und Gemüsezucht geben; sie that daS mit ruhiger Natürlichkeit, und Merkel hörte aufmerksam zu, so daß er mehr als einmal meinte, daß Minna ihm völlig Neues sage, ihm erst!das Ver ständnis! für Agrarpolitik im Kleinen eröffne. Es war selbst verständlich, daß Merk«! fragte, woher Minna dies« Kenntnisse habe, und daß sie darauf sehr freimüthig von ihrem Land leben erzählte, wobei freilich das Gut zum Rittergut avancirte. Merkel war in seinen persönlichen Angaben etwas zurückhalten der, doch erzählt« er, daß sein Vater ein sehr reicher Mann in einer Provmzialstadt sei, daß er Jura studirt habe, um einmal als Director in eine Bank oder ein« Fabrik «inzutreten, — „Andere verstehen so etwas nicht", setzte er, sich selbst persiflirend, hinzu —, daß er jetzt leidend s«i und Erholung in diesem Bade suche. Daß er nicht gesund war, daS sah man ihm freilich an. Er war nicht groß, kaum so groß wir Minna, von Gestalt war er noch verhältnißmäßig breit, aber etwas eingefallen, sein Gesicht hatte ein« blaßgelbe, kränkliche Farbe, die blauen Augen blickten oft müde, und der kleine blonde Schnurrbart war so spärlich wi« das Haupthaar. Vor einigen Jahren mußte Wil helm Merkel ein kräftiger junger Mann gewesen sein, bis irgend sine schlimme Krankheit ihn faßte, die ihn noch in ihren Krallen festhielt. Friedrich hatte sich in das Rauchzimmer gesetzt und rauchte mißmuthig seine Cigarre. Es war ihm sehr langweilig. Er dachte an seinen großen Garten, an seine Aecker und Wiesen, an die Frühjahrsbestellung, er dachte an seinen Sohn Mar, der ihm nie schrieb, und über dessen Befinden nur Minna Bericht erstattete. Dann dacht« er an sein« Tochter. Da glänzten seine Augen, und mit Genugthuung sah er das schöne Mädchen im Geiste vor sich. Sic gefiel ihm zu gut, was es eigentlich war, darüber konnte er sich keine Rechenschaft geben. So saß cr ziem lich ein« halbe Stunde allein in dem behaglichen Zimmer, von den Zeitungen und Zeitschriften, die Herumlagen, nahm er keine Notiz. Da trat der ältere Herr, der während des Mittagessens in seiner Nähe gesessen hatte, auf ihn zu und setzte sich ihm gegen über. „Sie scheinen auch nicht gerade Kurzweil zu haben", sagte cr, indem «r sich leicht zu Friedrich hinüberbog und damit das Ge spräch in unauffälliger Weise begann. Friedrich bejahte,eS war nichts wahrer als das. „Kennen Sie denn unsere Stadt schon ein wenig?" fragte der Fremde weiter. Friedrich verneinte. „Na, dann muß es Ihnen ja fürchterlich langweilig hier Vor kommen. Ihr Fräulein Tochter freilich unterhält sich, wie es scheint, vortrefflich." Friedrich kam zwar dies« Redeweise etwas aufdringlich vor, allein er mochte wohl glauben, daß dies in der großen Welt so üblich sei. Er warf einen Blick auf die jungen Leute im Nebenzimmer und nickt«. „Trinken Sie gern Bier?" fragt« der Unbekannt« weiter. „Siebt es denn da» hier? Ich habe bemerkt, daß man nur Wein trinkt." „Na, hier nicht, aber in irgend einem Restaurant. Kommen Sie mit, ich habe Appetit." Friedrich war selbstverständlich dabei. Er benachrichtigte sein: Tochter, und dann gingen Beide fort. Unterwegs holte der Fremde seine Vorstellung nach. Er nannte sich Egon von Kattcnstein. Major a. D., und macht« damit auf Frirdrich rin«n gewissen Eindruck. Sie gingen durch «intg«
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