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02-Abendausgabe Dresdner Nachrichten : 20.04.1907
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1907-04-20
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id501434038-19070420021
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id501434038-1907042002
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-501434038-19070420
- oai:de:slub-dresden:db:id-501434038-1907042002
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungDresdner Nachrichten
- Jahr1907
- Monat1907-04
- Tag1907-04-20
- Monat1907-04
- Jahr1907
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Annabme von A»tini»t,u>>,e» b>» «achmitttrab r Udr. Sann- und fteiertaar nur Marienltrabe ss von N bis '/,r Mir. Die > »valtiae Ktrundzeile >ca. S Silben» Sb Pia. Kamilrennachrichten so Pka > Äe schüitsanreiaen aul der PrtvaNeNe Zeile Sv Pi».: di« sivaltiae Zeue auk Teils eile so Pi«.: als Li»iie!an!'t sivailiae Zeile von Dresdner Au> traaaedern 7b Pia., von ausivlirliaen I MI Hn Rummeru noch s»»n- auSwarliaen i.bo Mk. Familien nachrichlen Arundreilc s« Via. — Die Preli« der s'iterale lind iin Morsen und Abendblatt« dicielben. Au- württge Auttwse nnr aeae» k°> mrSbeialilun,. — Beleablirller lojien U> Wenn-ac. Fernsprecher: Rr. 11 und LVOtt. Heinrich klier; »ir L 81» r: n 2 kr»ger 8tras»e 2. Lcko Vslsovd»ll8Str«uv. Vrörrler Lperislkrmr kür elsjsnle Svrrsn- uvä XvkbviL-LekIeiäiiiiz. 5lv«I>vitvn kiii' «liv ^rübjubi'8- mul 8«mim r-^rü^nnr I» «I^von-^ NLÜ«« nsriosts Fassons, nollioico bluslor blir. 18,-. 2H,—, 38,—, 42,— sie. 11 «I, olsgento oloekontuiw bllc. IS.-'. 24,-. 28.—. 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Die B n d g e t k o m mi s l io n des Reichstags letzte die Beratung des Id o l onta le ta ts fort und geiirbniigte n a den Titel der kolonialen Attaches und zwar in der weitere» Fassung .,»»» Studium der koloniale» Rechts verhältnisse". Abgeordneter Lemle, stellte richtig, daß sich seine vor gestrige Erklärung über die Millionen, die m Hamburg bereit läge», nicht auf die Errichtung eines kolonialen Lehrstuhles be zogen habe. Er bnbe eiklärt, es seien Mittel für Universitäten und sonstige wissenichaflliche Zwecke Vorhände», die vielleicht »ach Verhandlungen i»it de» Hanibnraische» Instanzen auch für kolnlalwisienichafiltche Ausgaben Verwendung finden tünnlcn Eingegangeir iil eine Denkschrift über die Eisenbahnen OstastikaS, Grundlagen und Grsichlsvunkte für eine koloniale Etieirbalm- pvlitlk i» Ostnfrlka Bei der Beratung der kkoloiilalschnlen wnlde festgrstellt, daß die Koloiiialschnle in Hnnfeld, f»r die ein Betrag eingestellt ist, gar nicht existiert, sonder» mir eine MiisioirSanitalt, die die Schüler auch in koloirial-wirlschaflitcheir Fragen uiilcrrichlet. Erdbeben. London. <Priv.-Tel.) Die bekannte Erdbeben-Auto rität Professor Milnc telegraphierte während der Nacht, datz nach seinem Seismographen aus der Insel White ein neues, sehr heftiges Erdbeben stattgesunden habe. Er glaubt, dieses Erdbeben sei ebenfalls in Mexiko oder in den angrenzenden Ländern gewesen. Professor Bclar telegra phierte gleichzeitig ans Laibach, daß Lr dieselben Beobach tungen gemacht habe. Er glaubt ebenfalls, datz das Erd beben in Mexiko stattsand. Newpork. Nach einer Meldung des „Sun" aus Lima ist der Brrlkan Prrrgehne in Chile in leb hafter Ailsbruchstätigkeit. Nene Ärater haben sich ge öffnet. Der Schaden tn der umliegenden Landschaft ist un geheuer. F-ortdnuernd geht Heister Aschenregen nieder. ES erfolgen immer wieder Erdstöste, die von ExplvsionSvor- gängcn unter der Oberfläche begleitet zu sein scheinen. Mehrere Bäche, die Trinkivosscr führten, sind trocken ge worden. Manila. Heute früh wurden hier zwei heftige Erdstöste verspürt. Soweit Nachrichten vorliegcn, ist kein Schaden entstanden. Lohnbewegungen. Hamburg. Eine heute vormittag statigehabtc sehr stark besuchte Versammlung der Sckauerlcute nahm Vereinbarungen an, die gestern zwischen Vertretern des Hasenbetricbovcrcins, der Lchauerlcute und des Hascn- arbcitervcrbaiiücs getroffen wurden, und beschloß die Wiederaufnahme der Arbeit am Montag. London. Der „Daily Telegraph" meldet ans Kairo von gestern: In der ganzen Stadt war heute keine Droschke zu mieten infolge des Ausstandes der Droschken kutscher. Morgens kam cs zu erregten Szenen zwischen Trupps Ausständiger »nd einige» Arbeitswilligen. Die Ausständigen zerschnitten die Geschirre der Pferde, bc- schädigten die Wagen und schlugen die Kutscher und Pferde. Zn ähnlichen Zusammenstößen kam cs gegen Abend, als etwa tOilü Araber lärmend durch die Straßen zvgen und Omnibusse anhiclten: doch sind ernste Beschädigungen nicht vorgekvmmcn. Berittene Polizcipatrouillen halten die Ruhe aufrecht. Zahlreiche Verhaftungen wurden vvrge- nömmen. . ' Zur Lage in Rußland. Petersburg. In Pcterhof nimmt die Polizei seit einigen Tagen zahlreiche Verhaltungen vor und trifft allerlei Vorsichtsmaßregeln, z. B. strengste Ueberwachung aller in Petcrhvs eiiitrcsscnden Personen. Wie verlautet, beabsichtigt der Hof, die Zeit des Osterfestes in Petcr- l, os zu verbringen und in nächster Zeit dorthin zu tibcr- siedcln. Petersburg. In Scbastopol ist eine große Niederlage von Massen und Patronen entdeckt morden: 13 Personen wurden verhaftet. Den Blättern der Linken, die ein eigenes Nachrichtenbureau eingerichtet haben, wird ans Baku telegraphiert: Kapitäne und Mechaniker werden von der Polizei gewaltsam aus die Dampfer gebracht, damit sie über die aus Matrosen der Kriegsflotte bestehenden Besatzung das Kom mando übernehme». Wenn sie sich weigern, werden sic ver haftet. Ans jedem abgehenden Dampfer, der von einem Kriegsschisse begleitet wird, befinden sich sieben Kosaken. Ans Odessa wird gemeldet: Die Arbeiter beschlossen, falls ihre Forderung, die Mitglieder des Berbandcs echt russischer Leute zu ciitwassncn, nicht erfüllt werde, in den allgc- m einen AuSstand zu treten. Der Hasen gleicht einem Kriegslage!. In der Stabt herrscht gedrückte Stimmung. Petersburg. Nach Blättcrmcldiingcn ist hier eine weitverzweigte, Organisation zur Agitation unter dem Militär mit dem Namen „M i l t t ä r v e r b a n d" entdeckt worden. Etiva gl> Personen, darunter mehrere Frauen, wurde-»« verhaftet. Man forscht nach Zweigabtctlungcn des Verbandes Ist allen Hauptplätzcn Rußlands. Petersburg. In einein Petersburger Gefängnis stellten gestern die Sträflinge von 12 Werkstätten ans Sympathie für die im Gefängnis befindlichen politi schen Gefangenen, die den Hungerstreik begonnen haben, die Arbeiten ein, verzichtete» auf Speise und Trank »nd schlugen die Fenster ein. Da sich eine große Menschen menge auf den Straßen ansammelte, wurde Infanterie hcrbeigchvlt, woraus der Lärm verstummte. Znr Lage in Frankreich. Paris. Der Bischof von Orleans erklärte einem Berichterstatter, er habe bezüglich der Teilnahme der Geist lichkeit an der Icanne L'Arc-Feier noch keinen Entschluß gefaßt. Er werde trachten, den Glanz der Feier nicht zu beeinträchtigen, aber er müsse gleichzeitig dafür Sorge tragen, daß die Würde der Geistlichkeit und die Achtung vor den Vorschriften der Kirche gewahrt werden. Paris. Ter Ausschuß des Syndikats der Lehrer nahm einstimmig eine Tagcsvrdnung an, Lurch die der Verband sich mit dein Sekretär des Verbandes, Ncgre, solidarisch erklärt, gegen den das Disziplinarvcr- sahrcy cingclcitet worden ist, iveil er den offenen Brief an Elempnccau mit unterzeichnet hatte, in dem die feindliche Haltung der Regierung gegen die Bildung von Bcamten- »crbandcn in scharfen Ausdrücken verurteilt worden war. Die Mitglieder deS Ausschusses sagen in ihrer Erklärung, wenn die Regierung der Ansicht sei, daß die dem Verbände angchörtgcn Lehrer tadelnswerte Handlungen begangen bätten, so solle sie sämtliche Mitglieder dafür strafen, da sie alle dafür verantwortlich seien. Nizza. Ein Belgier, namens van Loo, den man für einen Anarchisten hält, feuerte gestern auf den Kassierer des Bankiers Maistrc, der zugleich belgische, Konsul ist, s e ch s N e v o l v e r s ch ü s s e ab, weil ihm dieser eine Unterstützung verweigert hatte. Ter Kassierer wurde nicht verleyt. Ter Attentäter ist verhaftet wurde:- Hamburg. Der dänische Kohlendampscr „Urania", der gestern abend von hier ausgelaufen war, stieß bei Brunsbüttel mit dem deutschen Kohlendampscr „Borkum" zusammen. Letzterer wurde so schwer beschädigt, daß er in sinkendem Zustande ans den Strand gesetzt werden mußte. „Urania" kehrte nach Hamburg zurück. Wien. lPriv.-Tel.) Ter Minister »des Acußern Freiherr v. Achrenthal Lcgibt sich am 3V. Avril »ich Berlin, um i'ich Kaiser Wilhelm vvrznstcllen. Er wird dr.i Tage in Berlin bleiben und natürlich auch mit dem Fürst.u Vülow konscriercn. Wien. lPriv.-Tcl.s Die „Neue Freie Presse" meldet ans London, König Eduard von England beabsichtig--, sobald sich die innere» Verhältnisse von Rußland ruhiger gestalten, den Zar Nikolaus zu besuchen. Es sei in eng lischen Hvfkrciscn bekannt, daß König Eduard erwartungs voll dem Augenblick ciitgcgcnsche, in dem ihm -die rnssi scheu Verhältnisse gestatten würden» nach Rußland zu fahren. Paris. Der „Figaro" veröffentlicht Unterredungen mit Saint-Saöns und Masse net, die sich beide be geistert über ihren Berliner Aufenthalt, insbesondere über die ihnen seitens des Deutsche» Kaisers gewordenen Aufmerksamkeiten äußerten. Saint - Saöns erzählt unter anderem, der Kaiser habe seinen Gästen gegenüber sede Etikette gebannt. London. lPriv.-Tel.) „Daily Expreß" meldet aus Montreal, daß eine Fabrik durch Brand zerstört wurde, wobei 11 Personen u»ms Leben kamen und über 36 schwere Verletzungen davvntrugen. Die meisten Opscr waren Fabrikmädchen. Viele sprangen aus den Fenstern aus die Straße und kamen so ums Leben oder erlitten fürchterliche Verletzungen. OertlicheS und Sächsisches. Dresden, 19 April. —* Se. Majestät der König traf in vergangener Nach« 12 Uhr 22 Minuten aus dem Bahnhose in Zittau ein und begab sich zu Wagen nach Ionsdors ins Jagdrevier zur Ancrhahnjagd. In seiner Begleitung befand sich Major v. Eulitz. Infolge der Ungunst der Witterung war cs den, König nicht vergönnt, einen Auerhahn zu erlegen. Der Monarch begab sich daher nach dem Gasihvse „Zur Gondel fahrt" in Ionsdorf zurück, wo er bis um 11 Uhr vormittags verblieb, um alLdann nach Zittau zurückznkchren. — Auf Schluß Schvnseld bei Großenhain, das dem Kammcrherrn Frcihcrrn Max v. Burgk, dem bc. kannten Bergmagnaten des Plancnschen Grundes und er- folgrcichen, in der ganzen deutschen Sportwelt besonders in Ehren genannten Züchters edler Rcmontcn ungarische,: Blutes und vorzüglicher Ardcnner, gehört, fand am Mir» woch die Hochzeit der ältesten Tochter des Schloßherrn. Fräuleins A d c l e v. B u r g k, mit dem Grasen Sittich vom Hagen, Leutnant im König!. Preußische» Garde- Kürassier-Ncgiment, Bruders des Majoratshcrrn Grafen Rüdiger vom Hagen, König!. Preußischen Erbmundschenls des Herzogtums Magdeburg, statt. Ein Polterabend- Souper fand am Dienstag um 6 Uhr abends unter Bc tciligung einer illustrcn Gesellschaft statt. Es wurde um rahmt von zwei pocsievollen «ingspielcn „Aus tiefen Schacht" und „Der Schatz der Grafen vom Hagen", sinnige. Kunst und Wissenschuft. 7* Königl. Hofopcr. Neueinstuhiert: „Werther". Lnri- sches Drama in vier Bildern von I. Masse net. Das Werk sagt uns Deutschen weitaus besser zu als den Franzosen, für die cs geschrieben worden ist. Von ahn- lichcr Erkenntnis mag Masscnet selbst geleitet worden sein, denn nachdem er sein Werk längst beendet l1886), bestimmte ihn eine vortreffliche Vorstellung seiner „Manvn" in der Wiener Hvfoper, die Uraufführung seines „Werther" nicht in Paris, sondern in Wien stattfinden zu lasse». Der große, nachhaltige Wiener Erfolg NM2) war es denn auch, der „Werther" vielen deutschen Bühnen zugänglich machte. Wir Dresdner haben „Werther" zuerst vor sieben Jahren kennen und seinen hervorragenden Kunstiyert schätzen gelernt. Die Eindrücke waren echt und groß, und die Spanne Zeit von damals auf heute hat daran nichts verändern können. Mögen hierüber nun auch die Meinungen verschieden sein, in einem wird man sich im allgemeinen wohl begegnen, in der Zustimmung, daß man es mit einem Kunstwerke in des Wortes, schönster Bedeutung zn t»n hat. Was uns „Werther" zu einem solchen aber insbesondere stempelt, ist derselbe große Zng des Se l b st c r l c b t e n, der „WerthcrS Leiden" zpin Meisterwerke erhebt. Hier wie dort, poetisch wie musikalisch, ist nichts aus den Bedingungen der Wirk lichkeit herausgcnommen: Menschen. Gefühle und Taten wachsen natürlich vor uns auf: alles, was kommt, mußte kommen, nichts ist willkürlich. Diese Schlichtheit de- Aeußercn bildet den künstlerischen Reitchum des Werke». ES ist bewundernswert, wie echt und wahr Masscnet gerade nach der Seite des schlichten Natürltchschönen dem großen poeti schen Vorbtlde nachempfunden hat. Als ob er die Leiden selbst gefühlt, folgt er Zug um Zug dem seelischen Empfinden WerthcrS und Lottens: er steigt mit ihnen in die Tiefe der Seele, er ist allen Regungen des Herzens zugänglich: er bringt die ganze Skala der Freuden und Schmerzen zum Klingen und entläßt uns mit Eindrücken so tiefgehend, baß man darüber beinahe vergißt, dem Werke den Beifall zu »ollen, den es tn der Tat verdient. , Alle diese duftigen» unmittelbar ansprechenden Wir kungen sind mit den einfachsten Mitteln hcrvorgeriifen. Die Personen singen schlicht und natürlich, ohne bombasti schen Aufwand, unterstützt von einem meisterlich behandel ten Orchester, das nicht selten bis zur feinsinnigsten «eclen- malerer sich erhebt, aus dem heraus cs klagt und weint, das dem KraftauSbruch gleich vollkommen zugänglich ist. wie dem lautlosen Schmerze, dem Stöhnen gefolterter Herzen. Man hat Massenet den Vorwurf gemacht, daß er die lapidare Kunst Wagners aus das leichte, sorglose Emp finden seiner Landsleute übertrage, daß er die erschütternde Tragik Tristans sür die Charakterisierung seines „WerthcrS" durchgepaust, daß er ein Imitator, kein rechter und echter Schöpfer sei. Nun. es wäre wohl zu wünschen, daß wir viele solcher Imitatoren aufzuweisen hätten, mehr solcher Komponisten, wie er einer tn seinem „Werther" ist. Meister, die aus dem Herzen herausschreiben, die fähig sind, in einfachen Vorgängen so lebhaft zu fesseln, wie er. Daß er dabei die Errungenschaften der modernen Kunst in seine Dienste stellt, zeigt doch nur von Geist und Erkennt nis, und daß er dies ohne sklavische Nachahmung tut, macht ihn unS doppelt wert. Man beobachte, wie geistvoll er seine meist längeren, geschlossenen Leitmotive verwendet: wie meisterlich er. wo es nötig erscheint, die Singstimmcn nur neben dem Orchester hergcben läßt und sie diesem gleich sam nur anheftet: wie unfehlbar er mit den einfachsten Mitteln orchestrale Kombinationen erzielt, die in ihren Wirkungen wohl an Richard Wagner erinnern mögen, der Selbständigkeit seiner Erfindung aber nicht den geringsten Einhalt tun können. Auch Monotonie hat man seinem „Wcrsher" vorgeworfen. Man kann zugebcn, daß die zahl reichen Sätze von langsamem Tempo, von denen oft mehrere hintereinander folgen, auf manchen den Eindruck der Eintönigkeit machen können. Diese Monotonie der Poesie und Einfachheit schlichter Herzen, dieses resignierte In-Sich-Versenk«n edler, reiner Seelen, die erst im Moment zum realen Leben erwachen, wenn alles verloren ist, bildet aber doch gerade den Grün dzug deS ganzen Vorganges. Daß Mafsenrt hier in allem dem großen dichte rischen Vorbildc folgt, kann doch nur für iy» sprechen, niemals argen ihn. Und wie vollendet versteht er es, seinen» Meister nachzucmpsindcn. Kongenial geht er mit ihm ,» den Stimmungen deS ersten, in entzückender Maienland schast spielenden BildcS: dann in den Verwandlungen zn dem satten Herbste des zweiten Aktes, »m schließlich, den seelischen Vorgängen entsprechend, in den beklemmenden Ton des öden Winters cinziislimmen, aus dem die musilo lische Verklärung deS Heiligen Abends durch Kindermund — „Christ ward geboren, der zum Heiland euch erkoren, Hirten ihr von Israel" — als alles versöhnendes Moment herauslcuchtet. Das ist eine Kunst, die ganz gewiß nicht nach Brot geht, sondern eine, die ans innerem Drange schafft. Wir hören und sehen das Werk, gleich wie in den ersten Vorstellungen vor sieben Jahren, auch in seiner Neu einstudierung tn hoher Vollendung. Als vorbildlich ist zunächst v. Schuchs Beseelung deS Ganzen, die geistvolle Ausgestaltung der ungezählten Details, der Schwung, das aus alle Mitwirkendcn sich übertragende Tempcrameiil rühmend hcrvorzuhcben. Alles atmet und lebt tn vollen Zügen, als ob cs so und nicht anders sein könnte. So ans den Flügeln der lebendigsten, reichsten Phantasie mitgenvm inen und fortgerisscn, folgen wir willig auch in den Momen ten, die bei der kritischen Durchsicht der Partitur stutzig machen und bedenklich erscheinen können. Bon den Dar stellern steht Herr Burrian obenan. Er hält sich, soweit es das französische Textbuch znläßt, an Goethes „Werther". Als reiner, ruhiger Mann, mit dem ganzen Glück im Herzen tritt er zuerst vor uns hin, i» voller Harmonie jugendlicher »Schwärmerei. Dann wcuidelt sich, wie es die Handlung mit sich bringt, die sonnige Jugend zur völligen Ermattung und zun« seelischen Zusammenbruch. Sehr schön, ohne romantische Ueberspannung. ohne jeden patho logischen Schrecken, malt er das Sterben: „Alles Sehnen gestillt, all', was uns entzweit . . . liegt nun so wc«l." Er scheidet von uns ohne Phrase »nd Pose, ganz in Musik auf gelöst und verklärt. Aus gleichhohcr Stufe wie als Darsteller sieht er al- Sänger. Im,„er ist er von hinreißender Größe
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