Suche löschen...
Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 04.05.1881
- Erscheinungsdatum
- 1881-05-04
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-188105047
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18810504
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18810504
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1881
- Monat1881-05
- Tag1881-05-04
- Monat1881-05
- Jahr1881
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 04.05.1881
- Autor
- Links
-
Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
Erscheint täglich früh 6'/, Uhr. Le-aclion und Lrprditiou Johanne-gaste 33. SprechKouden drr Kkdactiou-. Bornuttagt 10—12 Uhr. Nachmittags 4—6 Uhr. dt» RN«>i»d« e,»,«ja»d«<r Maouicrivie »acht ftch d» dtcdacl,«» aichl »udmtlich. «»«atme »er sür die «ächftf,I,en»e Nummer bestimmte» Inserate an «achentaae» bi« S Uhr Nachmitta,», ««Sonn- und Festtage» früh bi« '/,v Uhr. 3n den Filialen für Ilts.-Jnnaljme. vtt« klemm. UniversitätSstraße 22, Lauts Lüsche, Katharincnstraße 18, p. nur bi» Uhr. npriaerLagtlilait Anzeiger. Organ für Politik, Localgeschichte, Handels- «nd Geschäftsverkehr. Mefi-Auflage L6,8SV. Ädonnementspreis viertelj. 4'/, 4NK., incl. Brinaerlohn 5 Mk., durch die Post bezogen 6 Mk. Jede einzelne Nummer 25 Pf. Belegexemplar 10 Ps. Gebühren sür Extrabeilagen ahne Postbesördcrung 39 Mk. mit Postbesördcrung 48 Mk. Inserate 6gespaltene Pctitzcile 20 Pf. Größere Schriften laut unserem Preis- verzeichniß. Tabellarischer Satz »ach höherem Tarif. Nerlamrn unter den lledactioiisltrich die Spaltzeile 50 Pf. Inserate sind stet- an die Oxpeditton zu senden. — Rabatt wird nicht gegeben. Zahlung praeuumoramio oder durch Post- Nachnahme. 1L4. Mittwoch den 4. Mai 1881. 75. Jahrgang. Amtlicher Theil. Bekanntmachung. In Gemüßbcit deS FinanzgesetzcS vom 8. Mürz vorigen IahrcS und der Ausführungsverordnung dazu von demselben Tage ist die staatliche Cinkommeasteuer in, lau tenden Jahre nebst einen, Zuschläge von 30 Proc. tu drei Terminen zu entrichten, wovon der erste Termin den 30. April diese- JabreS z« einem Dritttheile deS GesammtbctrageS fällig ist. Die hiesigen Steuerpflichtigen werben daher aufgefordert, ihre Steuerbeträge ungesäumt und spätestens binnen 3 Wochen, von dem Termine ab gerechnet, an unsere Stadt-Steuer- Einnahme, Brühl 51, 2. Stock, bei Vermeidung der nach Ablauf dieser Frist gegen die Säumigen eintretenden gesetz lichen Maßnahmen abzufübren. Denjenigen Steuerpflichtigen, denen ein Tteuerzettel nicht hat behandigt werden können, bleibt eS nach der in dem Schlußsätze des tz. 46 deS Einkommensteuergesetzes vom 2. Juli 1878 enthaltenen Bestimmung überlassen, stch wegen Mtttheilung de- EtnschatzungSergebuiffeS au die Ttadt-Lteuer-Einnahme zu wenden. Hierbei wird noch ganz besonder» auf 8. 49 de» bereits angezogenen Einkommensteuergesetzes hingewicsen, nach welchem die Reklamation bei Dermetdung der AuS- schltestnng binnen 3 Wochen von Behänbigung de- Steuerzettels ab gerechnet bet der Königlichen Bezirk--Steuer-Einnahme hier schriftlich einzu- drtugen ist, diese Frist aber für diejenige», denen ein Steuerzettel nicht hat behäudigt werden können, von der in tz. 40 de- mehrgeuanuten Gesetze- vorgeschriebenen öffentlichen Aufforderung, mit hin für da- laufende Jahr von dem unterfertigten Tage ab zu berechnen ist. Leipzig, den 30. April 1881. Der Rath der Stadt Leipzig. vr. Georgi. Koch. Bekanntmachung 7^ In Thoma-mLhl« ist «ne jtzeuermeldok^ll« eingerichtet worden und e» werden daselbst Tag und Nacht Keuermeldungen entamenaenommen. Leipzig, am 30. rHril 1881. Der Räth der Stadt Leipzig. vr. Georgi. Harrwitz. VekäMmachnn-. Wegen Vornahme von MacadamisirungSarbeiten wird die Blet-engaffe vom Peter-steinweg dt- zur Harkort irraffe von Mittwoch, den 4. »lese- Monat- ab bi« auf Weiteres für den Fährverkehr gesperrt. Leipzig, am 2. Mai 1881. Der Rath der Stadt Leipzig. vr. Georgi. Harrwitz. Bekanntmachung. Der Bau der Schleuste in der Mühlgaffe und dem an grenzenden Theil der Harkortstraße ist vergeben. Die nicht berücksichtigten Submittenten werden ihrer Offerten entlasten. Leipzig, am 30. April 1881. Der Rath der Stadt Leipzig. Vr. Georgi. Cickoriu«. Nichtamtlicher Theil. / Leipzig. 4. Mai. Zur auswärtigen Lage wird uns au- Berlin geschrieben: In der Austastung der tunesischen Frage ist hier seit Kurzem eine Wendung eingetrcten. welche als An zeichen einer friedlicheren Gestaltung der Lage angesehen werden darf. Die Beseble sür die Aus rüstung von Kriegdschiffsn, welche zum Schutze der deut schen Interesten nach Tunis gehen sollten, waren zwar noch nickt auSgesertigt, wie von sonst gut unterrichteten Stellen behauptet wurde, jedenfalls aber bestand die feste Absicht, den geeigneten Zeitpunct für die Entsendung eines Geschwaders »u ergreifen. Jetzt hören wir, daß für die Behandlung dieser heiklen Angelegenheit Rücksichten maßgebend geworden sind, welche ihren Ursprung in einem Memorandum deS deutschen Botschafter« in Paris haben und welche ei« gewisses Ent gegenkommen gegen die Vorstellungen Frankreichs bekunden, e« halte seine Flotte für ausreichend zum Schutze aller euro päischen Angehörigen in Tunis. Die Entsendung deutscher Kriegsschiffe ist hiernach nicht ausgegeben, aber sie kann al» vertägt bezeichnet werden. Mit besonderem Interest« verfolgt man hier übrigen» die Haltung, welche Gambetta zu der tunesischen Frage einnimmt. E» wird bemerkenSwerth gefunden, daß sich der Dauphin der Republik in ein ungewohnte« und vieldeutige» Schweigen hüllt, welche- eben so gut al» Zustimmung zu der Politik de« Pariser Cabinet» wie al« Verwerfung dieser Politik gedeutet werden kann, mit dem Borsa^ zu geeigneter Zeit mit einem Machtwort zu interveniren. T>aß man sich hier überwiegend zu der letzteren Ansicht neigt, ist charakte ristisch sowohl für Gambetta selber als mehr noch für die Würdigung, welche seine Bedeutung in der Wilhelmstraße findet. EmeS gilt von vorn herein al» au«geschloffen, daß nämlich der Präsident der französischen Deputirlenkammer au« einem Gefühl kleinlichen Neide« gegen kriegerische Lorbeeren einer Negierung, an deren Spitze nickt er selber steht, dieser Regierung Opposition mache. Es wäre ihm. wenn er gewollt hätte, nicht schwer geworden, sich nach- träglich »l« den Urheber deS tunesischen OrcupationSplanr- aufmspielen. Dagegen glaubt man in der hiesigen diplomatischen Welt Beweise dafür zu haben, daß Gambetta nicht ohne Sorge die Folgen eine« ernsteren sranzöstfcken Engagement« an der nordafrikanischen Küste erwäge, und daß er (bezeichnend genug sich bemüht Hab«, im Quirinal die Befürchtung vor einem Eingriff Frankreich« in die italienische Interessensphäre ,« beschwichtigen. Der republikanisch« Staatsmann kennt die Bchürfniste und Wünsche seiner Landsleute zu gut, um nicht zu wissen, daß ein Ruhm nur um des Ruhmes willen, ein, Lieg ohne Früchte, der praktischen Nüchternheit der Franzosen I chwcrlich geoügen kann; auch mag er vor einer Verzettelung I der nationalen Kraft zurückschrecken angesichts de» Ziele«, da» ' ibm aus europäischem Boden vorschwebt und daS hier nicht näher erörtert zu werden braucht. WaS Deutschland betrifft, so kann eS allen Folgen, welche auS derartigen Erwägungen der Pariser Machthaber entspringen mögen, mit Ruhe entgegensehen. Zunächst intcr- essiren hier nur die Aussichten, welche für die tunesische Frage auS dieser Sachlage hervorgehen und welche man nach dem Gesagten sür friedlichere hält, al« die steigende Erregung im Londoner Cabinet und in Italien glauben machen könnte. Eine bewußte Entfremdung Italiens wird hier sür eine so unkluge Handlung der französischen Staatsmänner erklärt, daß inan ibnen Klugheit genug zutraul, sich von dieser Un bedachtsamkeit fern zu halten. Verhandlungen der Mächte über die Stellungnahme zu dem russischen Conscrenzv erschlage finden, wie unS mit Bestimmtheit versichert wird, z. Z. nickt statt. Weder ist von irgend einem der Cabinctc bereits eine Antwort auf die Anregung bezüglich gemeinsamer Schritte gegen de» Fürstcnmorb eingelauscn, noch steht eine solche Antwort linnen Kurzem zu erwarten. WaS Deutschland betrifft, so ist man geneigt, erst dann vorzugche», wenn man über daS Verhalten der Wcstmächte bester als gegenwärtig infor- inirt ist. Die Nachricht, daß dort bereits die Entscheidung >egen daS Eonserenzproject gefallen sei, und daß sich das talicmsche Cabinet dem ablehnenden Verhalten der Regie rungen von England und Frankreich angeschlosten habe, wider legt sich einfach durch sich scll ., sobald man da» Datum der russischen Circularnotc in Betracht zieht. Dieselbe ist erst in der Woche nach Ostern, also zur Zeit der allgemeinen ParlamenlSserien, an iyre Bestimmung gelangt. Eü konnte daher von den constitutionellen Regierungen in London. Paris und Nom schwerlich nur eine einzige in sich selber über die Frage schlüssig geworden, geschweige denn mit anderen Cabi- ncten in Verbindung getreten sein. Seit 8 Tagen sind die Vorgänge in Athen in ein Dunkel gehüllt, welches die ein- oder zivrunalige blitzartige Erleuchtung durch ein abgerissenes Telegramm nur noch räthselhaster gemacht hat. Aus die am 7. April iu Athen Überaebene identische Note der Mächte hat da« griechische Eabinet bekanntlich am 13 April geantwortet und ist ihm hierauf eine zweite Note der Mächte am 20. April zuae- aangen. Bei der Berathnng über diese Rote am 21. stellte sich eine Differenz heraus, welche den Rücktritt de« Krieg-minister» zur Folge hatte. ES hieß dann, die griechisch« Antwortnote, über deren Inhalt bereit« eingehende Mjz. theilungen an die europäische Presse gelangten, solle nach den griechischen Osterseiertagen. also am 28.. übergeben werden. Statt Dessen meldete der Telegraph am 27. April, daß die Vertreter der Mächte sich zu Herr» KomunduroS begeben und mit demselben einen mündlichen Nu«- tausch gehabt, besten Bedeutung nichts weniger als ver ständlich war, und seitdem ist jede aufklärende Nachricht auSgeblieben. Wenn mau Dessen ungeachtet in hiesigen Regierungskreisen die Frage für abgethan hält, so stützt sich Dies darauf, daß Griechenland der in der zweit«! Collectivnote vom 20. April ausgesprochenen Austastung nicht widersprochen hat, nach welcher die griechische Antwortnote vom 13. als eine Annahmeerklärung der am 7. Übermittelten Borschläge gilt. Auch der unklare Schlußvorbebalt jener Not« zu Gunsten der epirotischen Hellenen hat bei dem letzten mündlichen Austausch, wie man hier zu wissen glaubt, niehr den Charakter eine» blo« platonischen Wunsche« angenommen. Andererseits aber ist eS nicht weniger ausfallend, daß auch von Kvnstantinopcl jede Meldung über eine Erklärung der Pforte aus die ihr am 19. April überreichte Collectivnote ausbleibt. Ta übrigen- die griechischen Kammern demnächst wieder zusammentreten sollten, muß von dort au» alsbald die erwartete Aufklärung kommen. Trotz der Drohung deS Fürsten Bi«marck, d«n Reich« tag von Berlin nach irgend einem Ort in der Provinz zu verlegen, gilt rS in parlamentarischen Kreisen al« > cht ausgeschlossen, daß noch in dieser Session eine Vorlage wegen Errichtung eines neuen Parlamen t«ge- bäudeS eingehen werde. Wenigsten« kann al« gewiß gelten, daß eine solche Vorlage noch vor ganz kurzer Frist ernstlich zcplant wurde. Man neigt sich denn auch theilweise der klnsicht zu. daß die im Hintergrund gezeigte Herabsetzung der Hauptstadt nur den Werth eine« taktischen Zuge« hatte, um die Parteien vor einer abermaligen Verschleppung der Reich«- tagSbausrage zu warnen und ihnen al» Eonsequenz fortge setzten Zaudern- eine Strafversetzung in die Provinz auSzu- malen. Dem gegenüber wird aber doch zu bemerken snn, daß diejenigen Fractionen, auf welche dies« Taktik berechnet werden möchte, nämlich da- Ccntrum und die Conservativen, in der angedrohten „Entcapitalisirung" Berlin« eher die Auffordening erblicken werden, eine etwaige Vorlage bezüglich de« neue» ReichStagSgebäude« abzulehnen als anzunehme». WaS die Liberalen betrifft, so waren sie eS niemals, an denen alle bisherigen Entwürfe in dieser Richtung scheiterten. DaS „Kleine Journal", da« Organ StrouSbera'S, will die Aeußeruna de« Fürsten BiSmarck über die Ver legung deS SitzeS der Regierung von Berlin in eine andere Stadl nicht leicht genommen wissen. Da» Blatt bemerkt u. A. Die Gründe, welch« Fürst BiSmarck hervorhebt, daß gegen den ferneren Aufenthalt der Reich«ceg,erung in Berlin sowohl die äußerliche Gefährdung der höchste, Behörden und de« Reichstage«, al« auch der Einfluß, welchen das Tagen in einem Oet von mehr al» 1 Million Bevölkerung sich geltend mache, sind jedenfalls nicht einfach von der Hand zu weisen. Zwar gelten dieselben sür jede größere Stadt und namentlich auch für die Hauptstädte der anderen Reiche. Aber e« müssen doch wohl ganz besondere Beranlassnngen im Hintergründe stehen: denn schon mehrfach ist mitgetheilt worden, und erst in neuerer Zeit wieder mir besonderem Nachdruck, daß di« Zahl der Drol>i»rieje gegen de» ReichSka»zler, di« au« Berl inan denselben gerichtet werden, sich in ganz enormer Weise mehre. E« müssen auch sonst wohl Anzeichen vorhanden sein, daß die internationale Berichworerband« ihre Verbindungen nach Berlin erstreckt und dort ihr« Fäden spinnt. . . . Ueberhauot dürfe» wir un« in Berlin keinen Illusionen hingeben, Berlin ist die am wenigsten populäre Stadt m Deutschland und diejenige, welch« verhältnißmLßig de» geringsten politische» Einfluß unter alle» großen Städten anSüdt. DaS .Kleine Journal" pflegt dem SensationSbedÜrfniß seiner Leser bäusig Rechnung zu tragen; darin aber hat da« Organ Vr StrouSberg'S reckt, daß der politische Einfluß drr Stadt Berlin in Deutschland sehr gering ist. Im Foyer de» Reichstags wurde neulich erzählt, der Abg. Windthorst bade scherzhaft geäußert, er wolle gern sämmtlichc Koste» deS haniwverschen Verein» tag» der Fortschrittspartei, zu dem Herr Eugen Richter ab gereist sei, tragen; Derselbe arbeite ja gegen die National- iberalen mid damit aus daS Allersckönste sür seine, de» Abg. Windthorst, Sache. Bezeichnendere« sür die Art und die Wirkung der Agitation der Fortschrittspartei ist noch nicht gesaqt worden. Es sind mehrfach Klagen auS den Kreisen der Wähler an die Abgeordneten gelangt de» Inhalts, daß diePctilionen, die an den Reichstag gerichtet worden, in hockst inangel- >aster Weise berücksichtigt würden. In parlamentarischen Kreisen wird die Berechtigung dieser Beschwerden zwar an erkannt, zugleich aber »nt Bedauern aus die bedrängte Geschäftslage des Hauses hingewiescn, die ein »äbereS Ein gehen aus die Hunderte, ja Tausende, zum Theil ganz persönlicher und nicht immer leicht zu prüfender Wünsche verbiete. Es ist daS ei» Uebelstand, der schon in früheren Sessionen sich fühlbar gemacht und der zu den mannigsaltiasten AbhülfSvorschtägcn Veranlassung gegeben. War doch schon angeregt worden, allerdings ohne Erfolg, eS möge eine ver korkte PetilionS - Commission gebildet und dieser die ndgültige Beschlußfassung über die einaelaufeilcii Be- chwcrdcn, ohne nochmalige Prüfung deS Plenums, über tragen werde». In jedem Fall ist es kein normaler Zustand, daß daS PctitionSrechl de- BolkcS theoretisch ein unbc- chränkteö, praktisch aber ein gänzlich verkümmertes ist. ES wird nicht vermieden werden können, daß zunächst in den Petenten, dann aber auch in den weiteren Schichten ha- bittere Gefühl von der Nutzlosigkeit jeder Beschwerde an die deutsche Volksvertretung sich festsetzt. Bei einzelnen der diesmal dem Reichstage zugcgangcnen Petitionen wird eS reilich auf allen Seiten des Hause» mit Genugthuung aus genommen werden, wenn die Geschäftslage eine Erörterung derselben abschncidet. Sie entkalken so viel deS politischen Zündstoff» und sie würden denselben zu so ungeeigneter Zeit und Gelegenheit zur Erplosion dringen, daß bei keiner Partei ein Interesse daran besteht, sie zum Gegenstand voi« Debatten zu machen. Dahin gehören u. A. alle jene Eingaben, die sch aus die obligatorische Civilehe beziehen, dahin gekört aber auch beispielsweise eine höchst merkwürdige Petition auS mehreren kleinen Dörfern de» hannoverschen Elbuser-, worin ' hr kategorisch um die Einbeziehung der Unterelbe in den oüvereln gebeten wird. Eine Berathung gerade dieses iegenstandeö in einem Augenblick, wo die Zollanschlußver- handlungcn mit Hamburg im Gange sind, wäre so unzweck mäßig wie nur möglich. Das VerfassungSänderunqsgesetz hat die deutsch- konservative Partei in vollein Ümsang wiederherzuftcllen beantragt. Die Commission batte von dem Gesetzentwurf Nichts übrig gelasten als den Antrag, die Verpflichtung aus- zusprcchcn, den Reichstag alljährlich im Octobcr zu berufen, ein Antrag, der den Absichten seines Urhebers so direct wie möglich widerspricht. Für diese» Antrag wird stch auch voraussichtlich eine Mehrheit de« Reichstags, bestehend auö Liberalen und Ccntrum, entscheiden. An den Erfolg ibres Antrags werden die Conservativen wohl selbst »ichl denken, um so weniger, als seit den CommissionSberalhungcn die Neigung de« Centn»»«, dem Kanzler Dienste zu erweisen, nicht gewachsen sein dürste. Die Conservativen haben ihren Antrag auf Wiederherstellung der Vorlage wohl nur de« „PrincipS" halber eingebracht. Die am Montag stattgcsundeue Sitzung der Unfall- aesetzeo »lMission wurde m Fortsetzung der Debatte über tz. 1 vom Abg. Stötzel eröffnet, der sür VersicherunaS- zwang sprach und alle Actiengesellsckasten auSschlicßen wollte. Abg. Holtzmann warnte davor, den Grundsatz aufzustcllen, daß Icker, der eine ethische Aufgabe erfüllen soll, dabei kein Geld verdienen dürfe. Bei Privatverstcherungen würden die Mitglieder durch ihr pccuniäreS Interesse dahin geführt, Halb invaliden mit leichterer Arbeit weiter zu beschäftigen, und diese Leute dadurch abzuhaltcn, als Staatspcnsionäre dem Müßiggang zu verfallen. Abg. von Schorle mcr-Alst glaubte die subsidiären Anstalten der Einzelstaaten besür Worten zu sollen, wandte sich gegen die Ausführungen der RegierunqScommistare und erörterte eingehend, warum die land- wirthschastlichen Arbeiter in daS Gesetz nickt eingescklostcn werden können. Geh Rath Lohmann bekämpfte die fünf bis jetzt ein- geganaenen Anträge zu 8- 1. und suchte nachzuweiscn, daß nach Annahme desselben alle anderen Bedenken einem späteren Paragraphen Vorbehalten werden könnten. Abg. Wöllmer dertbeidigte seinen Antrag wiederholt, welchem Abg. ServaeS entgegentrat. Der letzte empfahl seinen Antrag, wonach Eisenbahnen, welche lediglich den Zwecken eines WcrkSbetricbe« dienen, diesem Gesetz unterstehen. Abg. Stumm dielt die ReichSanstalt für ndlhwendig, auS welcher sich Genoffensckaften in dem Sinne, daß Arbeitgeber und -Nehmer nach gesetzlich bestimmter Höhe zur Erreichung de» vorliegenden Zwecke- beitragen, entwickeln könnten. In wie weit hierfür ein Einzelstaat cintretcn solle, könne dem Beschluß de» Bundes ratb» überlasten bleiben. Jedenfalls sei der 8 k vor läufig unverändert anzunehme», und die etwaigen Ausnahmen später zu normiren: diesen Ausführungen schloß fick Abg. v. Maltzahn-Gültz im Wesentlichen an. Vr. Bubl hat mit seinen politischen Freunden vorläufige Normativbestimmungen entworfen, welche den Weg bezeichnen, wie neben einer notbwendigcn ReichSanstalt die Privatver sicherung erhalten bleibt. Redner erklärte dieselben eingehend unk glaubte, daß mit ihnen die weitgrbendste Sicherheit ge boten sei. Auch die nachfolgenden Redner erkannten >m Wesentlichen den VersichcrungSzwang an. während die Frag der Versicherungsanstalten streitig blieb. Die gegen die B u b r scben Vorschläge gemachten Einwendungen widerlegte der Abg. Marquarkscn. Nachdem noch die RegierungSvenreter. Geh. Rälbe Meyer und Loh mann, die IlnauSsührbarkeit der einzelstaatlichcn Anstalten nachgewicsen, wurde die Versamm lung vertagt. Der Gesetzentwurf über den elsaß-lothringischen LandeSauSschuß ist, soviel sich sestftellen läßt, gleichmäßig von den liberalen wie von den conservativen Parteien ange nommen worden, während daS Centrum mit seinen Anhängseln gegen ihn gestimmt bat. Die ossiciöse Press« hat sofort den Versuch gemacht, aus der Thatsache der Annahme sowie aus dem ganzen Verlause der parlamentarischen verbantlungen über die Vorlage ein Vertrauensvotum sür die Politik de» Statthalters heraus zu deuten. Unseres EracktenS schießt diese Deutung über daS Ziel hinaus. So wie die Dinge in Elsaß-Lothringen sich einmal entwickelt haben, ist di« Orffent lichkeit der LandesauSschußverhandluiigen eine praktische Noth- wendigkcit; und ganz selbstverständlich ist, daß, wenn die Ver handlungen öffentlich gepflogen werden. sie in deutscher Sprache gehalten sein müssen. Der Gesetzentwurf charaktc- ristrte sich somit als die Verwirklichung einer auS der dermaligen Sachlage sich ganz von selbst ergeben den Forderung, und eS lag keinerlei zwingende Veran- lastung vor, ihn alS «ine EigenthUiiilickkeit der Mantcufsel'- schen Politik zu behandeln, ihn mit der letzteren in Verbin dung zu bringe». Damit wollen wir freilich nickt leugnen, daß er die Handhaben zu einer umfasscndcn Kritik de» Man- tcuffel'scken Regimes hätte bieten können nnd daß Viele, angesichts der zahlreichen gegen die- Regime erhobenen An klagen. auch derartige Debatten erwartet haben. Wenn indes; der Reichstag die Gelegenheit zu solcker Kritik unbenutzt vor- übergehen ließ, so kann daraus höchstens geschloffen werde», daß er sich über den dermaligen Zustand in den ReickSlandcn nicht genügend unterrichtet hält, um ein Urthcil auözusprecken. ES ist für die Mitglieder deS Reichstags ja überaus schwer, in Dingen klar zu sehe», betreffs deren die meisten der eigenen An schauung entbehren, vielmehr lediglich auf die einander widerspre chende» Berichte der unmittelbar Bctheiligten anaewiesen sind. Da ziemt sich denn eine gewisse Zurückhaltung in dcr Benrlheitung um so mehr, alS die Verwaltung dcs Rcichslandc« bis zu einem gewissen Grade mit Recht wie ein Stück der auswärtigen Politik be trachtet wird. Aber schwerlich werden die Abgeordneten von den Bedenken ganz unberührt geblieben sein, welche sich schon so manchem Beobachter des Maiilcufscl'schen Vorgehens aus- gedrängt haben. Ob der Grundsatz, die Clsaß-Lotbringcr durch persönliche- Entgegenkommen durch persönliche Liebenswürdig keit zu gewinne», in dem Umfange »nd in der Weise, wie sic vom Stattbalter geübt wird, von zweckmäßiger, einen dauernden Ge winn für Deutschland sichernder Wirkung sei, unterliegt doch be rechtigtem Zweifel. Und die Art, wie Herr v. Manteusfel den klerikalen Forderungen »achgiebt, — ein neuerliches Beispiel hat die Zurückschraubilnz der Schullehrerseminarc aus den «tandvunct rein consessioneller Anstalten geliefert —, - mag wohl Herrn Windthorst zu Vcisallspenden veranlassen, gewiß aber nicht die Liberalen. Gerade für die Letzteren also, d. h. für die volle Hälfte Derjenigen, welche da» Gesetz über den LandeSauSschuß angenommen, konnte kein Grund vorhanden sein, dieser Abstimmung die Bedeutung eine» ausdrücklichen Vertrauensvotum» sür den Statthalter ^zu gebe» Man kann aus liberaler Seite selbstverständlich, wie alle Patrioten, nur wünschen, daß Herr v. Manleuffel sein Ziel, die innere Wiedergewinnung Elsaß-Lothringens, erreiche, über die Richtigkeit seiner Methode aber wird man abschließend erst urlheilen könne», wenn die Probe, als welche er selbst die nächsten ReichSlagswahlen bezeichnet hat, gemacht sein wird. Eine große StaatSactio» auS dem tileinstaatereigebiete Mitteldeutschlands ist die Neuigkeit dcö TageS. Der Fürst von SonderShausrii ist bemüht, die Domänensrage mit dem Landtage und für alle möglichen Eventualitäten zu regulircn, und Dem entsprechend hat die SondcrShauser Regierung den bereits durch die Presse bekannt gewordenen Gesetzentwurf eingebracht, über den die LandtagS-Commission gegenwärtig noch Berathungen hält. In Rudolstadt hat man aber gesunden, daß dieser Gesetzentwurf in verschiedenen Bestimmungen „die Rechte und Interessen a» dem Stamm gute des fürstlich schwarzburgischen GesammthauseS" berührt, und ist deshalb von der Rudolstädtischen Negierung nach Sonderöbausen eine Verwahrung dagegen ergangen, daß daS SondcrSyauser Domänengesetz ohne vorherige Vereinbarung mit den fürstlichen Agnaten sestgestellt werde. ES hat noch nicht verlautet, wie der Rudolllädter Protest i» SonderS- hauscn ausgenommen und bezw. beantwortet worden ist. Die „Norddeutsche Allgemeine Zeitung" constatirt da« Wachsen der socialdcmokrati scheu Bewegung. So wird dem officiöscn Blatte auS Forst in der Lau»tz geschrieben: „Daß llbrigcnö gegen die socialdemokratischcn Bestrebungen auch in hiesiger Gegend noch fortwährend Vorsicht geboten ist und die gesetzlichen Maßregeln der Abwehr noch keineswegs überflüssig sind, lehrt der jüngst auö CottbuS gemeldete Vor fall, dem sich überdies leicht änuliche Vorkommnisse hinzusügen ließen. Auf dem Bahnhof in Spremberg wurden erst neulich zwei Individuen verhaftet, welche dort socialdemokratischc Pamphlete auSgestreut batten. Auch hier in Forst werden des Morgens aus den Straßen oder in den Hausfluren noch immer ab und zu derartige Brandschristen gefunden, die dort nächtlicher Weile niedergclcgt worden sind und den Beweis liefern, daß ein Theil unserer Fabrikarbeiterbcvölkcrung noch immer nicht wieder zu gesunden praktischen Anschauungen zurückgekehrt ist." In Wien sind seit einigen Tagen allerlei Gerüchte im Umläufe, welche behaupten, daß einer ganzen Reihe Wiener Banken, auch mehreren Großcapitalisten anonyme Briefe zu- gcgangen, welche jene mit einer Dynamitcxpl osion be drohen. Solche Drohbriefe sollen, wie man wissen wollte, die Bankhäuser S. M. Rothschild. Wodianer. die Crcditanstalt, die Ocsterreichisch-Ungarischc Bank, die Union- uud VcrkchrSbank erhalten haben. Die Drohbriefe wurden selbstverständlich der Polizei übergeben, welche die Angelegen heit sehr gcheminißvoll behandelte und den Urhebern der Drohbriefe nachsorschte. Inzwischen wurde aber, wicwobl man die betreffenden Geldimtitute sorgsam überwachte, im Treppenflur der Crcditanstalt ein größeres Spreng geschoß gesunden, dessen Hülle au« einem GlaScylindcr He iland! — Merkwürdig ist, daß diese unheimliche Entdeckung gerate in dem Augcubli ke gemacht wurde, als in der Credit- anstalt eine Polizei che Commission zur Durchsuchung der Räume anwesend war. DaS Vorgefundene Sprenggeschoß konnte deshalb sofort polizeilich beschlagnahmt werden. Es wurde nach dem Polizeipräsidium zur chemischen Untersuchung gebracht. Über welche bis jetzt noch Nichts bekannt geworden. Viele Leute meinen, die ganze Sache lause nur auf eine srecke Büberei hinaus, während Andere den Vorgang mit socialdemokratischen Drohungen in Verbindung bringen. Die am Sonnabend in Wien stattgesundene ReichS- rathSsitzung, die sich abermals mit der Budgetsrage beschäftigte, dauerte ohne Unterbrechung volle neun Stunden. Sachliches wurde eigentlich wenig vorgcbracht, desto heftiger aber entbrannte wieder der Zank der nationalen Parteien. Auch der Finanzminister TunajewSki vermochte die Auf merksamkeit deS HauseS nicht auf den eigentlichen Gegenstand der Sitzung zu lenken und erzielte mit seiner Versickerung, die Durchführung seiner Gesetzentwürfe würden eine» Mehr betrag von 14 —15 Millionen Gulden ergeben, wenig Wir kung. Sowohl die Redner der rechten, als die der linken Seite deS HauseS ritten ausschließlich ihre nationalen Stecken«
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder
Erste Seite
10 Seiten zurück
Vorherige Seite