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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 02.01.1900
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1900-01-02
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19000102026
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1900010202
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1900010202
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1900
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Nsrl»««» um« dnnN^aeNmMMch (da*, spalte») do^h, „r d«a Aamtlienaachrtchkea (S^spaU«i) «qg, Größer« Tchristen laut unssem Gmt«. verzeichniß. Labrllaristh« und Msswissatz »ach höher«» Laris. ^xtra»Beilage» (gesalzt), nur mit dec tltorgm-Auögabe, ad»« Postdesöederun, Xl Sv.-, mit Postbesürderuag 70.-. Ilnuahmeschtnß für Anzeigen: Ad rud-AuSgab«: Bornrsttag« 10 Uhr Morgen-NuSgab«: Nachmittag« «Uhr. Bet deu Filialen »nd Annahmestellen jr eine halb« Stunde früher. Anzeigen sind stet« an di« Erpeditia» zu richten. Druck und B«rlag von E. Polz t» Leipzig ^-3. 9t. Jahrgang. Dienstag den 2. Januar 1900. Politische Tagesschau. * Leipzig, 2. Januar. Daß der erste Tag de« neuen Jahre« und officiellen Jahrhundert« nicht vorübergeben werde, ohne besonders in Preußen eine Reihe von Ernennungen und anderen Aus zeichnungen zu bringen, war vorauSzuseben. Und dock über rascht die gestern erschienene Sonderausgabe de« „Deutschen Reichs-Anzeiger« und Königlich Preußischen StaatS-AnzeigerS". Dielen wird sie eia politische« Rälbsel aufaeben, dessen Lösung sie mit Ungeduld erwarten. Dem Oberst-Schenk de« Kaiser«, Fürsten Hermann von Hatzfeld zuTracken- berg, Ober - Präsidenten der Provinz Schlesien, ist, wie der Telegraph bereit« gemeldet hat, unter der Bezeichnung eine« Herzog« zu Trachenberg, Fürsten von Hatzfeld, die Herzogswürde verlieben und der deutsche außerordentliche und bevollmächtigte Botschafter am öster reichisch-ungarischen Hofe Graf Philipp zu Eulenburg, Freiherr von und zu Herlefeld, ist al« Fürst zu Euleuburg und Herlefeld, Graf von Sandel«, in den Fürsten stand mit dem Prädicat „Durchlaucht" erhoben worden. Die Verleidung der Herzogswürde an den Ober-Präsidenten von Schlesien wird vielleicht weniger überraschen, als die Nichtverleihung der gleichen Würde an den Reichs kanzler und preußischen Ministerpräsidenten Fürsten Hohenlohe. Man wird, wenn nicht bekannt werden sollte, daß der jetzige Reichskanzler von einer solchen Verleihung Abstand zu nehmen gebeten hätte, au« seiner Uebergebung vielfach schließen, daß der Fürst dem Ende seiner Laufbahn sich nähere und daß ihm für diese« Ende die Auszeichnung aufbewahrt werden solle, die jetzt dem Fürsten v. Hatzfeld zu Trachenberg zu Tbeil geworden ist, und in dieser Dermuthung wird man sich bestärkt fühlen durch die Erhebung deö Grafen Philipp zu Eulenburg, der schon wiederholt als „der Mann der Zu kunft" bezeichnet worden ist, in den Fürstenstand. Man wird, da man von der politischen und diplomatischen Thätigkeit des deutschen Botschafter- in Wien selten etwa« zu kören bekommt, seine Erhebung nur verstehen, wenn man sie als Vorbereitung zu seiner Berufung auf einen höheren Posten auffaßt. Jeden falls beweist sie, daß der deutsche Botschafter in Wien trotz aller Angriffe, die sich gegen ihn richten, so ofl er genannt wird, der ungeschmälerten Gunst seines kaiserlichen Herrn sich erfreut. ES ist daher auck wobl möglich, daß der Aus zeichnung sowohl des Oberpräsidenten von Schlesien als des Wiener Botschafters keine säculare und lediglich eine persön liche Bedeutung zukommt. In unsere gespannten politischen Verhältnisse wird sie aber ein Moment neuer Spannung bringen und wahrscheinlich dazu beitragen, daß die conser- vativ-agrarischen Gegner deö Fürsten Hohenlohe mit ver stärktem Eifer und erhöhter Zuversicht an seiner Stellung rütteln. Die Beschlagnahme de« deutschen Reicks po st da mpferö „BundeSrath" durch ein englische« Kriegsschiff hat nicht nur in Hamburg, wo die Handelskammer die Ver mittelung des Reichskanzler« erbeten hat, sondern überall im Reiche peinliches Aufsehen erregt und noch peinlicheres muß die im heutigen Morgenblatle mitgetheilte Meldung des „Reuter'schen BureauS" auS London erregen, daß trotz des sicherlich bereit« gemachten VermittelungSversuchs unseres Auswärtigen Amtes der Dampfer bi« zur Entscheidung des PrisengerichtS in Durban unter Beschlagnahme bleiben soll. E« beißt allerdings, die Maßregel sei ergriffen worden, weil der Eommandant des englischen Schiffe« an Bord de« deutschen Osficiere vermuthet habe, die in den Reihen der Boeren kämpfen wollten, und wenn das richtig ist, so ist da« Berliner Auswärtige Amt nicht in der Lage, eine Bürgschaft für die Irrigkeit einer solchen Der- mutbung zu geben, denn die ReichSpostdampfer sind Schiffe im Privatbesitz, die in bestimmten Zwischenräumen die Post nach unseren Colonien zu befördern verpflichtet sind und deren Eigentümer dafür eine Subvention vom Reiche er halten, aber in Bezug auf die Ladung und die Passagiere der Schiffe nicht vom Reiche controlirt werden. Immerhin ist es mindestens fraglich, ob England trotz jener Vermutung zu einer Beschlagnahme schreiten durfte. Einem Berliner Blatte wird darüber geschrieben: „Völkerrechtlich liegt die Sache so, daß das Schiss einer neutralen Macht — Deutschland — nach dem Gebiet eines ebenkalls neutralen Staates — Portugal — segelte. Kriegsmaterial sür Transvaal hat der Dampfer in Hamburg nicht an Bord nehmen können, weil dies nach der Neutralitätserklärung Deutschlands die entsprechenden Bestimmungen gar nicht gestatten. Nur vermöge falscher Vorspiege lungen konnte an Bord des „Bundesrath" Kriegscontrebande gelangt sein, d. h. Kisten, deren Inhalt z. B. als Baumwollwaare declarirt ist, dir aber Gewehre enthalten. Vor Betrug ist eben Niemand sicher. Ater liegt ein solcher Betrug vor und wird er in Louren^o MarqneS aufgedcckt, so ginge die Sache doch nur Portugal an. Dieses batte aus Grund seiner neutralen Stellung die Verpflichtung, die nölhigen Schritte zu thun, d. h. die weitere Absendung des Kriegsmaterials zn verhindern und die Hand darauf zu legen. Niemals aber batte England ein Recht, sich darein zu mischen, dessen Vorgehen daher den einfachsten Bestimmungen des Völker rechts widerspricht. Das wissen die Briten natürlich genau so gut wie wir. Sie glauben auch gar nicht, daß der Dampfer Kriegs contrebande habe. Wurde daher der „BundeSrath" wirklich nach Durban gebracht, so dürfte es zuvor zwischen unserem Capitän und dem des englischen Kriegsschiffs „Magicienne" zu einer argen Differenz gekommen sein, die aus der Forderung der Engländer, den Dampfer zu durchsuchen, und dem energischen Protest unseres Capitän« entstanden ist. Und das Ganze ist wohl nur ein Manöver gewesen, um deu Passagieren Ungelegenheiten zu bereiten und ihre Landung zu hintertreiben. Das Schiff ist mit deutschen uud holländischen Herren vollbesetzt, deren Ziel die Delagoa-Bay ist, und aus dem Argwohn der Engländer, es möchten diese Reisenden Osficiere sein, welche in die Reiben der Boeren treten wollen, dürste der Zwischenfall entstanden sein " Hoffentlich wird da« deutsche Auswärtige Amt Alles thun, was sein Recht und seine Macht ihm gestatten, um nicht nur die Freigabe des „Bundesrath" zu erwirken, sondern auch den deutschen Handels- und Postverkehr an der Ostküste Afrikas überhaupt zu sichern. Aber leider ist bei der geringen Stärke unserer Wehrkraft zurSee dieMacht der deutschenDiplomatie eine sebr beschränkte. Der ganze Vorfall, der schwerlich eingetreten wäre, wenn der „BundeSrath" unter dem Schutze eines deutschen Linienschiffes gestanden hätte, bekräftigt also aufs Nene das Kaiserwort: „Bitter noth ist un« eine starke deutsche Flotte" und wird daher, wie wir stoffen, von günstigem Einflüsse auf das Schicksal der in Aussicht stehenden Flottenvorlage sein. Ueber die Haltung Egypten« Vcm TranSvaalkrie» gegen über schreibt un« unser ständiger Herr Mitarbeiter in Kairo vom 15. December: Die Vorausficht, daß die Ereignisse In Südafrika auf di« hiesigen Gemüther eine gewisse Rückwirkung üben würden, scheint sich be wahrheiten zu sollen. Wenigstens drängt sich diese Annahme auf, wenn man in den jüngsten Erzeugnissen der arabischen Press« eine Widerspiegelung der in der einheimischen Bevölkerung herrschenden Strömungen erblicken will. Seitdem da- extreme „Journal Egyptien", daS bekanntlich an der Spitzt jeder Nummer unter dem Titel „les Lugaxowents äs la Oranäe Bretagne" alle die der- einstige Räumung EgyptenS verheißenden Aeußerungen maßgebender englischer Staatsmänner abzudrucken pflegt, zu Anfang des Jahres zu erscheinen aufgehürt hatte, war man nicht mehr gewohnt, von den stillen Hoffnungen egyptischer Patrioten etwas zu vernehmen. Um so ausfallender berührt es daher, daß der „Al-Moayad" in seiner franzö sischen SonntagSauSgabe vom 10. d. M. zwei Artikel bringt, die der englischen Negierung in unverhohlener Weise ihre Verpflichtungen ins Gedächtnis rufen und an die Einlösung deS gegebenen Wortes mahnen. Wenn auch der „Moayad" dabei äußerlich von der in Folge des Wingate'schen Sieges bei Om Dobrikat vollendeten Pacificirung des Sudans ausgeht, so hätte er sich doch kaum veranlaßt gesehen, das halb vergessen« heikle Thema von Neuem zu berühren, wenn nicht die Mißerfolge der englischen Waffen in Transvaal den Moment hierfür al- besonders geeignet hätten erscheinen lassen. Nach den Siegen Kitchener's hatten sich die Egypter, die sich, mehr noch als andere mohamedanischen Völkerschaften, durch den Erfolg bestimmen lassen, mit dem Gedanken an eine dauernde Oberherrschaft Englands über Eaypten abgesunden; Las gegenwärtige Mißgeschick Englands wird, wenn es andauern sollte, die nativistischen Strömungen mächtig an schwellen lassen. Mittlerweile hat, wie gemeldet, der egpytische Agitator Mustapha Kamil seine die Bevölkerung erregende geheime Tbäligkcit begonnen. Er beabsichtigt eine demselben Zwecke bienende Zeitung herauSzugeden, und die Engländer haben alle Ursache, seine Propaganda mit wachsamem Auge zu verfolgen. Der Krieg in Südafrika. -p. Es beginnt wieder Leben in die Bewegungen aus den verschiedenen Tbeilen deS Kriegsschauplatzes zu kommen. Die wichtigste Meldung, welche alle anderen an Bedeutung über ragt, »st die, daß die Boeren südlich von de Aar und zwar weit nach Beaufort West bin an verschiedenen Puncten sich festgesetzt haben und energische Vorstöße macken, um die Bahn zu zerstören. Bei Victoria Road sind Versuche gemacht worden und bei Victoria West, wo ein britisches Lager die Bahn deckt, hat ein Zusammen stoß mit den Boeren stattgesunden, ebenso bei Deel- fontein. Diese haben also nickt blos Lord Methuen von dem wichtigen Proviant- und Munitionslager in de Aar abgeschnitten, sondern sind bereits an der Arbeit, die von Capstadt erwarteten englischen Verstärkungen aufzuhalten, um sich in dem dort wieder gebirgig werdenden Terrain ähnlich zu verschanzen, wie sie cS auf ter Straße von Oranjeriver- Station bis zum Modder gelhan halten — eine Gasse, durch welche Lord Methurn bekanntlich untrr schweres B«rlusten Spießrutden laufen mußte. E« scheint, die Boeren nehmen an, daß Lord Roberts, der neue englische Oberbefehlshaber, die im Norden der Capcolonie zerstreuten Streitkräfte ver einigen und sie mit der Hälfte der noch unterwea« auf dem Meere befindlichen Ersatztruppen gegen den Modderrirer werfen wird, um sie mit Lord lRethurn zu vereinigen, Kimberley zu entsetzen und auf Bloemfontein vorzumarsckiren. Vielleicht deutet darauf auch die Nnckwärtsbewegung der voereu hinter LoleSberg hin, welche englische Quellen al« „eine völlige" Niederlage bezeichnen. Un« wird hierüber berichtet: * London, 1. Januar. Die Blätter veröffentlichen folgendes Telegramm auS Rendsburg vom heutigen Nachmittage: General French brachte den Boeren «ine völlige Niederlage bei, nahm Colesberg ein und bedrängte den Feind am Sonnabend und Sonntag so heftig, daß «r ihm keine Zeit dazu ließ, länger» Widerstand zu leisten. Am Morgen hielten die englischen Truppen die Entfernung sür genügend, um einen Angriff zu unternehmen. Gegen Abend brach die ganze Cavallerie, Artillerie und Infanterie zu einem Nachtmarsche aus. Es handelte sich um «ine Umgehung de« rechten Flügels der Boeren. Diese- Unternehmen gelang ausgezeichnet. Infanterie und die Feldbatterien entwickelten einen Arontangriff auf die Boeren, während gleichzeitig di« Eavallrrie und dir leichte Artillerie den rechten Flügel umgingen. Die Boeren waren, als sie ihre Rückzugslinie bedroht sahen, völlig überrascht und flohen in Unordnung nach Osten zu, indem sie ColeSberg in den Hän den der Engländer ließen. Don diesem englischen „Siege" weiß da« KriegSamt vor läufig noch nicht«. General French berichtete nur, die Boeren hätten ihre verschanzten Stellungen bei Rendsburg verlassen und sich nach ColeSberg zurückgezogen. Wir nehmen an, daß die neuerliche Operation nur in der Fortsetzung de« Rück gang« der Boeren besteht, dem aller Wahrscheinlichkeit nach der strategische Plan,Concentrirnng nack dem westlichenKriegSsckau- latzezuGrunde liegt. Nördlich von Colesberg bleibt der Colonnr Frenck, wenn sie in den Oranjefreistaat eindringen will, noch der Oranjcfluß zu überschreiten. Vielleicht wollen die Boeren den General French pur zu diesem „Bravourstück" verlocken, um ihm dann da« Bad in gleicher Weise wie Buller am Tugrla zu segnen. Die Uebergänge über den schwer passirbaren Strom sind natürlich von den Boeren entsprechend „präparirt". Ob Lord Methuen sich noch bi« zum Vorgeben General Roberts', d. h. noch gegen drei Wochen, wird halten können, erscheint zweifelhaft. Noch weniger dürfte Kimberley und Mafektn« sich halten. In dem letzteren Platze muß die Lage mittlerweile eine reckt verzweifelte geworden sein, denn der jüngste Ausfall, welcher zu dem Ges eckt beiMalopo führte, war offenbar die letzte große Krastanstrengung der kleinen Garnison, um sich Luft zu verschaffen. Unter Baden-Powell standen nach der bisherigen Angabe in Mafeking nickt ganz 2000 Mann; wenn nun, wie berichtet wurde, 109 Mann getödtet und verwundet wurden, so ist da« schon ein sehr erheblicher Verlust. General «ataere ist nach seiner Niederlage bei Stormbrrg uud seinem Rückzug nach Molteno und Sterkstroom mit den Boeren wieder »ns FeitLNeton. Die ganze Hand. Roman von Hans Hopfen. Nachdruck vrrboten. I. Sie sah nachdenklich mit einem wunderlichen Zug um die feingeschwungenen Lippen vor sich hin, sah weit hinaus, wo ein Bilid ihrer Phantasie, dos nur sie, und von dem sie wußte, daß nur sie eS im Gewimmel dieser »Überlauten Gesellschaft wahr nahm sie lächeln machte, ein stilles, verschwiegenes Lächeln, aus bowußtem Gliück und harmlosem Spott gemischt, ein eigenthüm- liches Lächeln, das so reizend war und doch den jungen Mann vor ihr in Verzweiflung brachte. Er glaubte sehr eindringlich gesprochen zu haben und wartete auf Antwort. Um seine Ungeduld nicht merken zu lassen, faßte er ein« Figur im Teppichmuster mit gedankenloser Spannung ins Auge und strich mit dem Rand seines zusammengeklappten Hutes langsam auf seinem Knie hin und her. Wachsender Ver- druß und schwindende Zuversicht schienen seine Züge zu ver längern. Seine Lippen verkrochen sich unter die sacht nagenden Zähne. Wieder hob er den Blick zu ihr. Sie schwieg noch immer und lächelte geistesabwesend vor sich hin. Mit nervSsem Mittelfinger gab er seinem aufwärts dressirten blonden Schnurrbärtchen einen kurzen Ruck nach rechts und einen kürzeren nach links; beinahe hätte er mit der Fußspitze den Bvden geklopft. Bescheidenheit und Geduld In allen Ehren, aber das Schweigen dauerte ihm denn doch zu lang« . . . Steh' auf und laß sie fitzen, riefe» in ihm, aber sie hatte ihm nie besser gefallen, als eben jetzt. Es war so viel gute Ross« in diesem vornehmen Gesichtchen uiüd in der ungezwungenen Haltung ihre» schlanken Körper». Saß sie nicht da wie da« Schloßfräuleln, da« eben seinen Falken vom Finger gestoßen hat, ihm zuguckt, wie er im leidenschaftlichen Zickzack siegreich seiner Jagdgier srähnt und nun allbald gehorsam wieder zurückkehren wird, um, wie gewöhnlich, verkappt zu werden? Mochten Ritter und Gefolgt hinter ihr toben nach Belieben, was kümmerte sie sich darum. Nun, sehr eilig schien I der Falke ihre» Gedankens mit der Umkehr eben nicht zu haben. Sie schwieg immerzu. Der mit dem Schnurrbtirtchen seufzt«. Er bohrte seine Blicke in sie, als wollt' er ihr durch Mieder und Haut ins Herz schauen. Er hielt's nicht länger aus, räusperte sich und sagte dann heiser uno leise: „Fräulein von Wesselbrunn, was meinen Sie zu meinem Vorschlag?" „Zu welchem Vorschlag?" fragt« sie, wie aus einem Traum geschreckt, aber sie legte nun ihre graublauen Augen mit voller Freundlichkeit in sein verdutztes Gesicht. Trotzdem fühlte rr ihre «Frage wir einen Schlag. „Ist das Muthwillen oder Bosheit, gnädiges Fräulein?" „Keins von beiden", antwortete sie gutmiithig und langsam. „Den ernstgemeinten Antrag eines redlichen Mannes üb-r- hört man doch nicht wie eine Drehorgel, die einen beim Arbeiten stören will." , Ich überhörte ihn auch nicht", versetzte sie mit gleicher Ruhe, wenn auch etwas ernsthafter. „Nun, und verdient er keine Antwort?" Die lächelnden Mundwinkel verbitterten sich ein wenig, aber nur für einen Augenblick. Sie beugte langsam widerstrebend den vollen Oberkörper vor, einer Blume vergleichbar, die nicht vom Stengel fallen will, so fest der Wind gegen sie anbläst. Sie sucht« sichtlich nach einem Worte, daS nicht verletzen und sie doch unwill kommenen Andringens entledigen sollte. Dem werbenden Manne wuchs mit der Ungeduld der Zorn. Hörbar ging sein kurzer Athen» aus den runden Nasenflügeln. Er sah nicht anders aus, als wollt' er sich mitten in dieser lustigen Gesellschaft auf sie stürzen und sie Mißhandeln. Unwill kürlich hob sie die Hand in die Luft, und ließ sie wie bereit zur Mwehr sieben zwischen ihr und ihm. Grell stach ihr blühweißer Handschuh von seinem kohlschwarzen Frack ab, während sie mit sanfter Stimme sprach: „Lieber Freund, warum quälen Sie mich? Wenn ich Ihre Worte Nicht unbescheiden auSlege, so bieten Sie mir nicht mehr und nicht weniger an, alS: ich soll Sie heirathen. Ich will aber nicht Heiratheu." „Mich nicht!" kam e» erbittert zurück. „Ueberhaupt nicht! Ich will bleiben, waS ich bin: ledig, die Tochter meinet Vater«, die Stütze seine« Alter- . . ." Die Worte, die ihr eben noch so leicht vom Munde geflossen waren, tröpfelten jetzt langsam und unentschlossen. Do machten sie auch auf den Hörer nicht den gewollten Eindruck, und er ließ ihr nicht Zeit, sich auf Ausflüchte zu besinnen. „Versuchen Sst'S, mit solchen Reden Andere zu täuschen, nicht mich", sprach er sehr leijse, denn ab und zu stressten Neugierige bedenklich nahe den Sitz der Beiden, die in ihrem laugen Gespräch wachsender Auf sehen erregten. „Ich habe allen Respekt vor dem würdigen Herrn «Geheimrath, unter dem ich meine Bureaukratenlausbahn be gonnen habe, ich bin ihm aus mehr als einem Grunde zu Dank verpflichtet, aber das kann mich nicht über di« traurigen Verhält nisse täuschen, in denen sich der zu früh pensionirte Herr leider Gottes zur Zeit befindet. Mucken Sie nicht aus, mein gnädiges Fräulein, Niemand ist von der Absicht, Sie zu kränken, weiter ent fernt, alS ick, aber FhresVatersVerhäl'tnisse, also auch die Ihrigen, sind traurig. Ich weiß es, denn ich habe mich in der redlichen Absicht, die ich Ihnen vorhin auszudrücken gewagt habe, genau um diese Verhältnisse erkundigt, erkundigen müssen. Der alte Herr hat vor Jahren das zweifelhaft« Glück gehabt, ein be scheidenes kleines Erbtheil in kleinen, klugen Börsenspeculationen zu verdreifachen, vielleicht zu vervierfachen. Die Folge war, daß er, der einmal Blut geleckt halte, sich in größeres und dreisteres Spiel einließ und Alles dabei zusctzte, was er besaß, Gewinn uns Einsatz, und noch etwas mehr dazu . . . Nicht nein sagen! Es ist so . . . Seine Pension reicht kaum hin, das Abkommen mit seinen Gläubigern zu befriedigen, und seinen Lebensunterhalt bestreiten Sie, mein gnädiges Fräulein, mit Ihrer weißen Hände mühsamer Arbeit." Er blickte seitab in den Knäuel ver Gäste, die sich jetzt im Tanze drehten, und athmete hastig, wie Einer, der zu weit gelaufen »st. Das Fräulein sah ihn scharf an und sagte nur: „Hab' ich mich, hat sich mein Valer jemals über unseren Zustand be klagt?" Er zuckte stumm die Achseln. Und sie fuhr fort: „Nun denn, glauben Sie, daß es einem Vergnügen macht, in einem fremden Salon, den man vielleicht be sucht, um Manches, was Einen daheim bedrückt, zu vergessen, genau daS Alle« haarklein dargelegt zu hören?" ES macht' ihm selbst leid thun, dennoch preßt« rr die drängende Mahnung durch die Lippen: „Denken Sie doch an die Zukunft! WaS soll werden, wenn ....?" Sie ließ ihn nicht vollenden. Sie war aufgestanden und sah über seine Schulter weg in die Menge mit demselben woitauS- schaucnden Blick innerlicher Freud« wie vorhin, dabei ries sie: „Denken Sie, statt an die Zukunft, doch lieber an die Gegenwart! Wir fallen auf mit unserem allzu ernsthaften Zwiegespräch. Man becbachtet uns. Das paßt mir nicht." Auch er war aufgesprungen und mustert« die Zunächststehen- den mit herausforderndem Blicke. Sie lächelte ihm begütigend zu, und, den Zeigefinger gegen die Portiöre deS TanFalons hebend, sprach sie: „Sie tanzen schon wieder . . . tanzen noch, während draußen schon da» Unterholz zu grünen beginnt. Thut nicht». Tanzen ist immer schön, wenn mun's kann. Sie können's gut, Assessor. Wollen wir einmal Herumwulzen?" Der Gefragte, verzweifelnd und doch auch geschmeichelt, ver neigte sich und bot ihr den Arm mit dem Ausruf: „Wer aus Ihnen klug würde, Sirene, Circe, Helena!" „Das Alles soll ich sein?" Sie schüttelte verneinend den Kopf. „Ich bin das einfachste Wesen von der Welt, und Sie thun mir mit diesen Vergleichen zu viel Ehre an." .Mein", antwortete er barsch, während er sie gegen den Tanz saal führte. „Sie einfach? Sie haben mehr als doppelten Boden." „Ach?" und sie kicherte hell aus. „Jawohl. Auch Ihre Weigerung kann nicht ohne Grund sein. Sie haben ein Geheinmiß." Sie blieb, wie von solch' kühner Phantasie betroffen, mitten im Zimmer stehen und warf lachend das Haupt in- Genick. Jh. feines Profil mit dem spitzen Näschen und den halboffenen Lippen, dadurch kleine, weiße Zähne schimmerten, däuchte ihm entzückender als ihre Worte. „WaS seid Ihr Männer doch für eitle Narren! Wenn man nicht vom Fleck weg heirathen mag. so genutzt Euch di« einfachst« Erklärung durchaus nicht, es m u tz ein Geheimniß dahinter stecken." „Steckt auch!" schnaiulbte der Assessor uud blickte grimmig um sich, als wollt' er mit sämmtlichen schwarzen Fräcken in der Runde herum anbinden. Plötzlich preßte rr ihr« Hand, die auf seinem Arme lug, an sich und fragte: „Wer bst der Mensch dort drüben?" „Wo drüben? Und was für eia Mewsch?" entgegnet« sie mit Gelassenheit, di« Schwelle zwischen beiden Zimmern über schreitend. „Der blasse, glattrafirte Wichtigthuer dort neben dem be kannten NeichstagSabgeordneten, dem konservativen Landrach Wendewalt . . . nein, nicht hier, dort hinter dem Clavier, der sich jetzt gegen die Gummibäum« dreht. Sieht aus. halb Schau spieler, halb Prrbigcamtscandldat, und sticht einen ordentlich mit stinen frechen schwarzen Augen, derweilen er mit gefall süchtiger Hand über die borstenarkig gestutzten schwarzen Haar? streicht." „Theurer Assessor", fugte sie, in ihre kurze Schleppe fassend, „wer lann alle die neugebackenen Berühmtheiten kennen, mit denen unsere gute Seckenstedt ihre Salon» zu überfüllen trachtet. Jck> bin zu kurzsichtig, um meinen besten Freund auf drei Meter Entfernung wahrzunehmen, und wenn Sie so auffallend zwischen beiden Dalon» stehen bleiben, kann ich mich unmöglich umlrdren und mein Lorgnon ziehen, denn Ihr Männer seid, wie schon
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