Suche löschen...
02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 19.01.1880
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1880-01-19
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18800119027
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1880011902
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18800119
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1880011902
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1880
- Monat1880-01
- Tag1880-01-19
- Monat1880-01
- Jahr1880
- Links
-
Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
«rlchriit W,che»t>», 2 Mal. Früh 6'/. Uhr. Nachmittag 5*/, Uhr. boiin- und FcsttagS nur früh si'/, Uhr. Urtacllon und <lpktttlo» Jodaiiniszasse 33. slur di» Riiikqi!>r riNA>I»ndlrr icccxic m^ch! »ch »«r Rcv^clton inäst v«rdini>Uch. Aninchmr drr für die nächst- solgcndr Morgcn-Ansgabc be stimmten Instr„te an Wochen lagen vis 3 Uhr Nachmittags, an Lvnn- und Feittagrn früh bi» '/,«.» Uhr. Zn »r» Filialen siir Ins-Äanabme: OttoKlemm, Universilättnr. 22. Louis Löschc,8att''r>ilc»'n. I9,p. nur dis '/,3 U>>r. Abend-Ausgabe. TaMall Anzeiger. DrW für Politik, Localgcschichle, HandclS- und GcschäfWcrkchr. »u«la,k >«.«««. -diankmenlipreii virrtelj. S Mt, incl. Bringerlohn 6 Mk.. durch die Post bezogen S Mt. Jede einzelne Nummer 25 Pf. Belegexemplar 10 Pf. Gebühren für Extrabeilagen ohne Posibtsördcrung 39' Nil. mit Postbesörderniiz 49 Ml. Znscralr 5gesp. Petttzeile 28 Pf. Größere «christen laut unserem PreiSvcrzeichmß. — Tabellarischer Lay nach höherem Tarif. ttcclamrn uniec tcm Scracti»a»jtrtch die Spaltzcilr 40 Pf. Inserate sind stets an d. Lrpetitt«» zu senden. — Rabatt wird nicht gegeben. Zahlung prL» i,un>oe»u>1o oder dur» Postvorschutz. Montag den 19. Januar 1880. 74 Jahrgang. Leipzig, 19. Januar. Zur Parlamentarischen Lage wird uns a>»s Berlin vom Sonntag geschrieben: „Die Budget-Com ni ission des Abgeordneten hauses beschäftigte sich in ihrer letzten Sitzung mit dem Gesetzentwürfe, betreffend die Verwendung der aus dem Ertrage von Reichssteuern an Preußen zu überweisenden Geldsummen. In eingcbender Discussion wurde von liberaler Seile nachdrücklich betont, daß der von der Regierung vvraelegte Entwurf nicht dem Sinne und der Absicht des im vorigen Jahre getroffenen Abkommens entspreche, da nach demselben der LanteSvertretung die Möglichkeit entzogen würde, jährlich im Etat fest- zusetzen, welcher Betrag an Elasten- und Einkom mensteuer nicht erhoben werden soll. Die Majo rität der Commission schloß sich dieser Auffassung an, welche demnächst in der Gestaltung des tz. 2 des Gesetzentwurfs ihren Ausdruck fand. Zunächst wurde der tz. l der RegicrungS-Vvrlage mit einem Zusatz versehen, nach welchem die Bestimmungen des Gesetzes auch auf diejenigen Summen An wendung finden sollen, welche etwa in Folge noch zu erwartender weiterer Steuerreformen des Reiches Preußen überwiesen werden möchten. Der tz. l erhielt darnach folgende Fassung: Die dem preußischen Staat aus dem Ertrage der Zölle und der Tabaksteuer (tz. 8 des ReichSgcsctzco vom 13. Juli 1879 Reichs- aesetzblatt Seite 207) oder in Folge weiterer Steuerreformen des Reiches jährlich zu überwei senden Summen — unter Zurechnung resp. Ab rechnung desjenigen Betrages, um welchen für dasselbe Jahr der von Preußen zu leistende Matricularbeitrag weniger oder mehr beträgt, als die' im StaatShauöhaltsetat für 1879/80 vorgesehene Summ« — werden nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen rnm Erlaß emeS ent sprechenden Betrages an Classen- und Einkommen steuer verwendet, insoweit darüber nicht mit Zu stimmung der Landesvertretung behuss Bedeckung der StaätSauSgabsn oder behufö der Ucberwcisung eines Theils des Ertrages der Grund- und Gebäude- stcuer an die Communalverbände anderweit Ver fügung getroffen ist. Demnächst wurde der tz. 2 in folgender Gestalt angenommen: Ueber die Ver wendung der nach tz. 1 für die daselbst bezeicb rie ten Zwecke verfügbaren Summen oder eines TheileS derselben zum Elasten- und Einkommen steuererlaß wird aus Grund der Voranschläge durch den StaatshaushallSetat Bestimmung getroffen. Nach dieser principiellen Entscheidung, wurde die weitere Berathung wegen de- Beginns der Plcnarbcrathungen deS Hauses vertagt. Bor einigen Tagen brachte die „Rat.-Zlg." die Notiz, daß der König von Dänemark bei seiner Anwesenheit am Berliner Hofe dem Kaiser Wilhelm mitgetheilt habe, daß sein Schwieger sohn, der Herzog von Cumberland. sich entschlossen habe, in keiner Weise nachruaeben. Das Kopen- hagencr Blatt „Dagens Nyhcder" erklärt diese Nachricht für völlig unbegründet. In den Verhandlungen mit den hessischen Agnaten ist — so schreibt man unS aus Kassel vom 18. d. M. — abermals eine neue Phase ein- gctreten, deren thatsächlichcr Hintergrund die zwi schen der Regierung einerseits und den drei der klägerischcn Agnaten, welche einer Rentenabsindung zustimmen, bereits verabredeten Stipulationen wie derum illusorisch zu machen droht. Wie wir bereits mittheilten, geht die Vertragsbestimmung dahin, daß den aus ihre Rechte am Fideicommißvermögen zu Gunsten Preußens verzichtenden Contrahenten neben der jährlichen Apanage je eine Abfindung zuge billigt wird, welche in einer Jabrcsrente von ca. .'»6,100 Mark besteht und für 8 Jayxe pränumerando bezahlt werden soll, sowie ferner, daß jeder der Agnaten eines der disponiblen Schlösser erhält. Nun soll aber die erforderliche Summe von rund 1,354,000 Mark aus dem einen intcgrirenden Thcil deS Fideicominißvermözens bildenden sog. .Hausschatze entnommen werden, während die osserirten Schlösser in Wabern, Rotenburg und Schönfeld ebenfalls Bestandtheile deS in Rede stehenden Vermögens selbst sind. Gegen eine solchergestalt zusammenzubringcnde Abfindung pro- testirt aber wiederum der dissentirende Prinz Wilhelm, der eine Bezahlung Dritter auS einem Vermögen, auf das auch er Anspruch hat, nicht zulasten will und sich hierbei aus daö Urtheil deS Kasseler KreisgerichtS vom April 1877 stützen kann, das dem Fiscus ausdrücklich jeden Eingriff in das Vermögen untersagt, — und als ein Ein griff müßte eS doch wohl gelten, wenn Preußen das Kansgeld hieraus erlegen wollte, ohne sich gleichzeitig mit sä in m tl ichcn Klägern abzusinden! Hiernach dürste wohl ein Vergleich nicht eher möglich sein, bis auch die Verhandlungen mit dem Prinzen Wilhelm ein positives Resultat ergeben haben. Am Sonnabend fand in Wien eine Sitzung der ungarischenDelegation statt. DaS„W.T.-B." berichtet über die Verhandlungen wie folgt: Der Referent Falk leitete die Debatte über das Budget deS Ministeriums des Auswärtigen mit einer Rede ein, in welcher er namentlich auf die be ruhigenden Erklärungen des Ministers des Auswär tigen binwies, die Festigung des werthvollen Bundes mit Deutschland betonte und die Erwartung aus sprach. daß ein gerechter Ausgleich der volkswirth- schafllicben Interessen mit Deutschland stattfinden werde. — Szilagi meinte, daß das Bündniß mit Deutschland seinen Werth durch Erfolge und Thaten zu beweisen haben werde. Eine allgemeine Beruhigung, wie sie von dem Berliner Vertrage erhofft worden sei, sei bis jetzt noch nicht eingetreten. Weitere Opfer seien zu vermeiden. Die Machtstellung Oesterreich-Ungarns im Oriente habe sich nicht gestärkt. Seme (des Red ners) Partei werde eine abwartende Haltung beob achten. — Graf Andrassy betonte dem Vorredner gegenüber, daß die Opposition seiner Zeit unermeß liche Verwickelungen prophezeit habe. Er und Baron Havmerle hätten sich in ihren Erwartungen nicht getäuscht, die Monarchie sei im Oriente auf die ihren gerechten Ansprüchen entsprechende Stufe ge hoben worden. Die Aufgabe der Zukunft werde es sein, die errungenen Vortbeile zu verwertben. Graf Andrastv rechtfertigte sodann sein Verhalten gegenüber Serbien und erklärte, daß er unter den damaligen Verhältnissen alles Mögliche gelhan habe. Der Sectionsck'ef Callah betonte, daß die aus dem Bündniß mit Deutschland resultirende Erkaltung des Friedens für beide Theile viel wichtiger sei, als manche andere positive Thalsache. Das Freundschasts verhältniß könnte nicht von gewissen Resultaten ab hängig gemacht werden, sondern diese Resultate wür den erst in Folge deS intimen Verhältnisses erreicht werden. Hieraus beruhe auch die Hoffnung auf die Beseitigung der volkswirlbschaftlichen Schwierigkeiten. Die Delogation nahm schließlich das Budget des Aeußeren und dasjenige de- Finanzministeriums un verändert an. Der türkische Minister des Auswärtigen, Sawas Pascha, hat an die Vertreter der Pforte im Auslande eine Depesche gerichtet, welche sich über die Kämpfe an der montenegrinischen Grenze verbreitet, zwei Telegramme vom 8. und 10. Januar, die dem montenegrinischen Geschäfts träger in Konstantinopel zugegangen sind, mit- therlt und daran die Bemerkung knüpft: Ew. Excellenz werden benierken, daß diese beiden Telegramme des Ministers der auswärtigen Ange legenheiten des Fürstenthums sich in der augenfällig ften Weise widersprechen. Nach dem ersten vermeiden die Montenegriner den Kampf, um kein Blutvergießen zu veranlassen. Dem zweiten zufolge werfen sie die Albanesen zurück und bringen ihnen beträchtliche Ver luste bei. Thatsacbe ist, daß die Montenegriner zum dritten Male mit Gewalt in das Gebiet von Gussinje eingedrungen sind und daß in Folge dessen Blut vergesse» wurde. Man braucht nur einen Blick auf eine Karte zu werfen, um zu erkennen, daß Velica und die an deren Orte, wo der Kampf stattgefundcn, auf dem Gebiete von Gussinje liegen. Uebrigens reicht schon der gesunde Menschenverstand bin, um jede Möglich keit einer Expedition der Bewohner von Gussinje«um Zwecke des Einfalles in Montenegro auszuschließen. AuS dem Vorstehenden erhellt, daß die von der Re gierung Montenegros ausgehenden Anschuldigungen der Begründung entbehren und daß die kaiserliche Regierung bei diesem wie bei allen anderen Anlässen mit der größten Loyalität vorgeht. Aus St. Petersburg erhält die „Post" den folgenden interessanten Bericht: „Alle Gerüchte, als ob Se. Majestät der Kaiser an seinem Regie rungs-Jubiläum, dem 19. Februar (2. März), die Regierung dem Großsürstcn-Cesarcwltsch übergeben und sich in daS Privatleben zurückrielzcn wolle, sind vollkommen aus der Luft gegriffen. Ganz im Gegentbeil wird dieses wichtige Fest mit beson derer Feierlichkeit begangen werden. Bei dieser Gelegenheit werden in fast allen größeren Städten und von vielen Corporation»«! milde Stiftungen ins Leben gerufen werden. Der Adel deS Gou vernements'Woronesch wird ein Capital spenden, um in der GouverncmentSstadt eine Universität zu gründen. Auch hofft man. daß zu derselben Zeit der Finanzministcr endlich die Concession zu der seit fünfzehn Jahren erwarteten sibirischen Eisen bahn crtheilen werde Das seit einigen Tagen be kannt gewordene Finanz-Budget für 1880 schließt niit 660 Millionen Eiliiiahnien und Ausgaben. Das brillante Resultat des Abschlusses für 1878 läßt hoffen, daß die für das lausende Jahr gestellten Erwar tungen sich erfüllen werden. Ein Deficit dürste schwerlich zu befürchten sein. Traurig ist es. daß die Staatsschulden auf dem Budget mit mehr als 170 Mill. Rubeln verzeichnet sind. Sie nehmen also mehr als ein Viertel der Staats-Einnahmen in Anspruch. Eine solche Ziffer zeigt klar und deutlich, daß für Rußland ein europäischer Krieg Wahnsinn wäre, und können daher alle Gerüchte über Rüstungen au der Westgrenze nur als erfun den bezeichnet werden. Wie aus Paris gemeldet wird, besteht das Project, eine Fusion zwischen der „Gauche Röpn- blicaine" und den fortschrittlichen Mitgliedern des linken CentrumS wie den gemäßigten Elementen der „Union Röpublicaine" zu einer einheitlichen Gruppe hcrbeizusühren, welche dann die ministerielle Minorität wäre. Man bemerkt in politischen Kreisen, daß die drei Hauptorgane de« linken Centruins, „Journal desDebats", „Globe" und„Par- lanienl", in tbeils spöttischem, theils verächtlichem Tone die ministerielle Declaration kritisircn. Wahr scheinlich wird die Gruppirung der Republikaner dem Ministerium gegenüber die folgende sein: Etwa zwanzig konservative Dissidenten des linken Cen trumS, scchszig bis achtzig unversöhnliche Radikale und 280 bis 300 entschieden Ministerielle. Man legt dem Cabinet die Absicht unter, sich umgehend von befreundeter Seite über daS Programm inter- pelliren zu lasten, um gleich vorweg ein Vertrauens votum zu seiner parlamentarischen Stärkung zu erlangen. Beachtenswert!' ist, daß im großen Publicum die ministerielle Declaration mit be zeichnender Gleichgültigkeit alisgcnvmmcn wird. Die beschäftigungslosen Arbeiter Dublins, mehrere Tausende an Zahl, veranstalteten am letzten Donnerstag eine Demonstration aus Harolds- crvß-greenc und marschirten sodann in geschloffener Ordnung nach dem Mansion House, uni dem Lord- Mayer ihre hülslofe Lage vorzustellen. Deni Zuge voran wurde eine schwarze Fahne und eine Stange, aus deren Spitze ein Brod steckte, getragen. Der neue Lordmayor der irischen Metropole, Parlaments mitglied Gray, hielt eine Ansprache an die De monstranten. worin er ihnen die wenig tröstliche Mittheilung machte, in vielen Theilen ÄrlandS sei der Nothstand so groß, daß binnen drei Wochen Hunderte von Menschen buchstäblich verhungern »Kirben. In Afghanistan sieht es wieder schlimm aus. Die Insurgenten haben sich nun auf die Ver bindungen deS Generals Roberts geworfen und Dakka und Lundi-Kotal heftig angegriffen. Man mußte eiligst nach den bedrohten Punctcn Verstärkungen schicken. Der in Allahabad er scheinende „Pioneer" erwähnt gewisser Enthüllungen .'vlitischer Natur, die dazu angethan seien. Besorg nisse zu erregen. Sie stehen mit Rußland und dem Maharadscha von Kaschmir im Zusammen- I/anae, zwischen welchen angeblich Beziehungen cerrschten, die Indien berühren dürsten. Es ver lautet, daß da» Indische Aint in England bereits Kcnntniß von diesen Enthüllungen habe. Festmahl der Gemeinnützigen Gesellschaft. * Leipzig, l9. Januar. In treuer Befolgung eines patriotischen Brauches versammelten sich gestern die Mitglieder der Gemeinnützigen Gesell schaft und zahlreiche Gäste im Saale des Kauf männischen Vereinshauses hehnfs der Erinnerungs- seier deS Jahrestages der Proclamirung deS deutschen Kaiserreiches zu einem solennen Festmahle. Der Saal war in entsprechender Weise durch eine» decorativen Pflanzenaushau, aus dessen Grün die Kaiscrbüste hcrvorlriichlcte, geschmückt. Den ersten Trinkspruch, auf Se. Maj. den deutschen Kaiser, brachte der Präsident der Handelskammer, I>r. Wachsin» th, aus. Der Redner sagte ungefähr Folgendes: Während in den monarchischen Nachbarstaaten Deutschlands nur Ein politischer Festtag gefeiert zu werden pflege — der Geburtstag des Fürsten — habe man «n Deutschland, seit der deutsche Siaal aus dem Gcbiclc der idealen Wünsche heraus in die Wirklichkeit getreten sei, neben der Feier des Geburts tages unseres Kaisers auch die Feier des 18. Januar feügehalten. des Tages, an welchem in ewig denk würdiger Stunde in dem Königssck'loß von Ver sailles angesichts der noch tinbezwuiigkiien feindlichen Hauptstadt durch den rinmülhigen Willen der deutschen Fürsten und des Volkes das deutsche Kaiserreich er standen sei. Der Geburtstaa des Kaisers fordere uns auf, uns des errungenen Besitzes bewußt zu bleibe» : der 18. Januar möge zum Mindesten der lebenden Generation als ein Gcdentlag an den Kampf um diesen Besitz gelten; denn u»serer Generation gekörten zum Thcil noch die Vorkämpfer und Märlvrcr der deutschen Einheitsbestrcbungen an. Nach einem tiessinniaen Worte Goethe's sei der Undank zumeist die Folge des schlechten Gedächt nisses: die Schärfung der Erinnerung an die Zu stände Deutschlands vor der Wiedergeburt des Deut schen Reiches müsse demnacki dem Undank wehren, das Gefühl der Dankbarkeit beleben. Die Durcbführuna einer Vergleichuna der Bergan gcnheit und Gegenwart im Einzelnen sei in dieser Stunde nicht möglich; es genüge, nur Einiges her- vorzubeben. Während früher das Bckenntniß, ein Deutscher zu sein, unirennbar gewesen sei von dem Gefühl der Beschämung über die Zerrissenhcir und Ohnmacht des Vaterlandes, traae jeder Deutsche jetzt das Bewußtsein des deutschen Staatsbürgerrccbts in sich; selbst der Seemann fühle aus den Wellen des Lceans sich noch auf dem festen Boden des Vaterlandes. Die ein- »eitliche Wehrvcrfassung mache cs unmöglich, daß der Deutsche je wieder Blut und Leben für andere Zwecke als die des Gesammtvaterlandcs hingebc, wie Dies eider früher so oft geschehen. Das Heer, früher ein todtes Werkzeug, das man zur Zeit der Noth hervor- uckte, sei letzt, was die Schöpfer der Volkswehr verfassung schon 1813 gewollt, der bewaffnete Arm des Staates geworden, ein lebendiges Glied des staatlichen Gemeinwesens. Wahrend vor der Reichsversaffung die Einheit des Rccbls, wo sie überhaupt beabsichtigt, an der Unge- ügigkett von Scbauniburg und Lippe habe scbettern können, werde jetzt daS Reckt in gleichmäßiger Ge richtsverfassung geübt von den Usern beS Bodensee bis zur 'Nord- und Ostsee, stehe das materielle ein heitliche Reckt für das nächste Tecennium in Aussicht. Die Unsen, welche früher in regelmäßigen Zeit räumen die Zvllcinhcit — danials den stärksten polnischen Verband — bedroht, seien jetzt undenkbar. Die lästige und verlustbringende Buiilscheckigkett des Münz- und Gewicblswesens sei in überraschend kuizcr Zeit der einheitlichen Gestaltung gewichen, aus alten Gebieten des wirtbsckastlicben Lebens Ordnung und Einbeit geschaffen oder angebahnl. Vor Allem aber sei noch zu gedenken des hohen Friedensamtes, dessen das sonst verachtete, nun mächtig gewordene, aber aus friedlichen Verkehr mit allen Nachbarn angewiesene Deutschland letzt walte. Wolle man in wenigen Worten sich klar werden, wie hock die Gegenwart über der Vergangenheit emporragt, so vergegenwärtige man sich, daß noch im Jakre 1863 die Hoffnungen unserer kühnsten Politiker für unsere Generation sich nicht über ein Zollparlament erhoben hätten — während in der Tbat das Erreichte weit binausgehe über die Pläne des Jahres 1848, in welchem dock Raum für jede Neugestaltung, für jedes phantastische Staatsgebild geschaffen schien. Diese Erinnerungen an das Jahr 1848 j„ welchem die edelsten Kräfte der Nation an drr Neugestaltung Deutschlands gearbeitet, auS welchem neue Kämpfe und Leiden für das Vaterland hervorgegangen, rich teten unsere Blicke aus den Bcaründer des Deutschen Reicks. Klar habe er damals in einem Briese an Dahlmann die Ziele der dculschc» Politik be zeichnet; und deshalb sei die Ablehnung der denlschen Kaiserkrone im Jahre 1849, der Tag von Olntütz, eine Erfahrung herbster Art für ibn ge wesen. Und als er dann die Waffe für die deulsche Einheit, dic Heeresversasfung — sein eigenstes Werk— geschaffen, habe er zugleich mit seinem großen Staats mann lange Jahre hindurch den Schmerz aus sein gütiges und meiiscbcnsrcundliches Herz nehmen müssen, stch von seinem Volke verkannt zu senen. Das dankbare Erinnern an die Vorkämpfer des Deutschen Reicks, die Freude am Vaterlaudc und die Hoffnungen für die Zukunst faßte Redner zusammen in einem Hock auf Kaiser Wilhelm, desten greise Tage Gott segnen möge. Die Versaninilung batte sich bei den letzten Worten des Redners von den Sitzen erhoben und stimmte begeistert in daS Hoch aus den deutschen Kaiser ein. Der zweite Trinkfpruch, von Herrn Geh. Rath Pros. I)r. Wind scheib ausgebracht, galt Sr. Maj. dem König Albert von Sachsen. Der Redner betonte, wenn wir uns der hoben Be deutung des Tages für Deutschland freuten, so unterläste inan nicht, auch des engeren Kreises, deS Landes, dem wir als Bürger cingehören, zu ge denken. Das Reich sei eine Einheit in der Viel heit und es beschränke die Selbstständigkeit seiner Glieder nicht mehr, als znr Erreichung seiner Zwecke nothwcndig sei. Bei dem Gedanken an unser Land wendeten wir unscre Blicke empor zu dem Manne, der desten Krone zu tragen be rufen sei. Vom deutschen Volke gelte der Satz, daß cs überwiegend monarchisch gesinnt sei. Wenn DaS wahr sei. so müßten wir es »lit Dank aner kennen. daß die Vorsehung Deutschland eine Reibe von Regenten gegeben, welche es dein Deutschen leicht geiiiacht haben, seinem nivnarchische» Herzenö- brdürsniß zu genügen, welche in ihren Staaten als besten erste Diener herrsche». Wenn sich der Sachse so gern von dem kriegerischen Ruhme seines Königs erzählen laste, wenn der Leipziger eine be sondere dankbare Freude darüber empsinde, daß König Alberl mit Leipzig durch seine Hobe Eigen schaft als oberster Rector der Universität eng verbunden sei, so interessirc uns doch noch mehr die Frage, waö der König für Sachsen ist. Und da gebe sich uns die Antwort, daß König Albert ein einfacher, schlichter Mann ist. der nicht mehr scheinen will, als er in Wirklichkeit ist, der nick'1 im Genuß, sondern in treuer Arbeit die Erfüllung seines LebenSbcruseS sucht, der feine ernsten Studien und gereisten Lcbensersahrungen zur Wohlfahrt seines Volkes anwentet und in Wahrheit der erste Bürger seines Landes ist. Die Versammlung entsprach ebenfalls mit Begeisterung der Aufforderung des Redners, Sr. Maj. dem König Albert ein drei faches Hock auszubringen. Herr Stadtratk Ludwig-Wolf gedachte im nächstfolgenden Trinkspruch deS deutschen Heeres, der eigensten Schöpfung unseres Kaisers, welche
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder
Erste Seite
10 Seiten zurück
Vorherige Seite