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Hohenstein-Ernstthaler Tageblatt : 25.10.1907
- Erscheinungsdatum
- 1907-10-25
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1841109282-190710258
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1841109282-19071025
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1841109282-19071025
- Sammlungen
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungHohenstein-Ernstthaler Tageblatt
- Jahr1907
- Monat1907-10
- Tag1907-10-25
- Monat1907-10
- Jahr1907
- Titel
- Hohenstein-Ernstthaler Tageblatt : 25.10.1907
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WjeHÄ-Whalkr EWU Amtsblatt für los Nchl. Mtsgerichl md I>e» Zlaitrat zu HchOin-krOhul. Anzeiger für Hohenstein Ernstthal, Oberlungwitz, Gersdorf, Hermsdorf, Bernsdorf, Meinsdorf, Langenberg Falken, Reichenbach, Callenberg, Langenchursdorf, Grumbach, Tirsch» heim, Kuhschnappel, Wüsteubrand, Grüna, Mittelbach, Ursprung, Kirchberg, Lugau, Erlbach, Pleißa, Rußdorf, St. Egidien, Hüttengrund u, s. w. Erscheint jeden Wochentag abends für den folgenden Tag und kostet durch die Austräger das Bierteljahr Mk. 1.55, durch die Post bezogen Mk. 1.92 frei ins Haus. Fernsprecher Nr. tt. Inserate nehmen außer der Geschäftsstelle auch die Austräger auf dem Lande entgegen, auch befördern die Annoncen-Erpeditioneu solche zu Originalpreisen Nr. 250. Zreitag, den 25. Oktober ,907. lLÄLL'-ÄLL 57. Zahrg Das Wichtigste. *) Die Leitung der sächsischen konservativen LandtagSfraktion nimmt in einer Erklärung zu der Bildung der frei ko n serv ativen Gruppe Stellung. * *) Bor dem Schöffengericht in Berlin begann am Mittwoch der Prozeß Moltke-Harden. Die geschiedene Frau des Grafen Moltke hat diesen auf das schwerste belastet. * Zum päpstlichen Nuntius in Mün chen wurde vom Papste der Dominikanergeneral Pater Andreas Fürwirth, ein geborener Oberöster- reicher, ernannt. * *) Der für den Kriegsfall zum TruppentranS- port eingerichtete Fracht- und Passagier- Dampfer „Borussia" der Hamburg-Amerika- Linie ist Mittwoch früh in der Mündung des Tajo bei Lissabon gesunken. * *) Erfolreiche Flugversuche mit einem neuen Aeroplan wurden zu Buc bei Paris auSgeführt. * In Südfrankreich haben erneute Ueber- schwemmungen große Schäden verursacht. * *) Erdbeben und Unwetter haben in Portugal am letzten Sonnabend ungeheure Ver heerungen und Verwüstungen ungerichtet. * *) Bulgarische Banden haben in Maze donien neue schwere Untaten verübt. * *) Das Gordon-Bennett-Rennen der Lüfte in Nordamerika hat am Mittwoch der Deutsche Erbslöh mit „Pommern" gewonnen. * *) Der Schah von Persien unterzeichnete in Gegenwart des Parlamentspräsidenten einen Erlaß, durch den das Kabinett entlassen wird. * In Kiew und Mohilew hat die Cholera derartige Dimensionen angenommen, daß sämtliche Krankenhäuser und Cholerabaracken überfüllt sind und die Kranken in ihren Privatwohnungcn belassen werden müssen. Edison erklärte in einer Versammlung, daß es ihm jetzt gelungen sei, einen Akkumulator von unbegrenzter Kapazität zu konstruieren *) Näheres an anderer Stelle. Sächsischer Landtag. Iwrit» Kammer. 4. öffentliche Sitzung vom 23. Oktober. Am Rcgierungstisch: Minister Dr. Graf v. Kohrn- thal und zwei Kommissare. Den einzigen Gegenstand der Tagesordnung bildet die Interpellati*« Dürr. Dr Krückner und «nkr, die folgenden Wortlaut hat' „Das König!. Ministerium des Innern hat durch Verordnung vom 6. Dezember 1906 die Genehmigung zur Vereinigung der Kandgemeinde« Möckern, Stötteritz, Probstheida, Stünz, Dösen und Dölitz mit der Ktadtgemrindr Kripp« versagt. Gedenkt die König! Staatsregierung auf diesem Standpunkte zu ver harren, wenn die beteiligten Gemeinden erneut an das König!. Ministerium des Innern in dieser Einverleibungs frage herantreten?" . Abg. Dürr-Leipzig (kons.) begründet die Interpellation. Bei dem Wachstum der Stadt wie der Vororte sei es nur natürlich, daß sich zwischen beiden Gruppen ganz intime Wechselbeziehungen herausgebildet haben. Manche Ver waltungsmaßregel sei nur möglich, wenn ein gemeinsames Band den ganzen Komplex umschließe. Das bisherige Vorgehen Leipzigs sei nichts weiter, als die Fortsetzung der 1889 begonnenen Einverleibungspolitik. Die Regierung könne sich bei ihrer ablehnenden Entscheidung allerdings auf das Gebahren der unteren Instanzen stützen, aber deren Entscheidung beruhe auf einer ZusallSmehrheit. Die Regierung habe direkt den Gemeinden verboten, sich mit Leipzig >n der Frage in Verbindung zu setzen. Dazu se' sic nicht berechtigt, sie habe wohl das Aufsichtsrccht, aber das Recht der Gemeinden, sich j„ wirtschaftlichen Fragen mit anderen in Verbindung zu setzen lasse er sich nicht bestreiten und werde es verteidigen, io lange er die Ehre habe, an dieser Stelle zn stehen. Er richte an die Regierung, die sicherlich nnr nicht gründlich orientiert gewesen sei, nochmals die Bitte, in erneute Verhandlungen einzutreten. Es handle sich bei der Eingemeindungsfrage darum, ob die Orte noch eine Zukunft haben sollten oder ob sie mit Mauern umgeben werden sollten, die ihre weitere Entwickelung unmöglich machten. (Bravo') Minister Dr. Graf v. Hohenthal erklärt, daß von einer Voreingenommenheit der Regierung und speziell seiner Person gegen Leipzig nicht die Rebe sein könne. Er wisse, daß Leipzig eine hervorragend gut verwaltete Stadt sei, die sich stets durch regen Gemeinsinn aus gezeichnet habe. Er persönlich betrachte Leipzig als seine zweite Heimat. DieS genüge wohl für die Versicherung, baß das Verhalten der Regierung von rein sachlichen Er wägungen bestimmt worden sei. Es ist uns nicht ein gefallen, die Autonomie der Gemeinden dadurch antasten zu wollen, daß wir den Landgemeinden eröffnet haben, sie möchten in Zukunft die Amtshauvtmannschaft bei der artigen Verhandlungen zuziehen. Es versteht sich von selbst, daß eine derartige Eingemeindung nicht für die Gemeinden allein von Äedeutung ist, sondern auch für die übrigen Gemeinden, die nicht mit einbezirkt werden sollen, und infolgedessen ist es ganz selbstverständlich, daß die Amtshauptmannschaft, die auch die Interessen der anderen Gemeinden wahrzunehmen hat, in diese Ver handlungen mit einbezogen werden muß. An diesem Grundsätze werden wir auch fernerhin festhalten. Was die Schlußfrage der Interpellation anlangt, so bin ich außerstande, diese Frage einfach zu bejahen oder zu ver neinen. Ich stehe jedoch nicht an, der Kammer von den jenigen Grundsätzen Kenntnis zu geben, nach denen die Einverleibungen überhaupt beurteilt werden und im vor liegenden Falle beurteilt worden sind. Die Gutachten der beteiligten Aufsichtsbeamten werden stets bei der Ent schließung des Ministeriums einen wesentlichen Faktor bilden. Dies würde nur dann nicht der Fall sein können, wenn das Ministerium die Ueberzeugung gewänne, daß die erstatteten Gutachten der Begründung tatsächlich ent behren. Die Mehrheit im Bezirksausschuß und Kreis ausschuß hat sich gegen die Einverleibung ausgesprochen. Dem Gewicht dieser gutachtlichen Aussprachen konnte sich das Ministerium um so weniger verschließen, als es die Ansicht teilte, daß eine zwingende Notwendigkeit für die Einverleibung dieser Vororte nicht bestand. Bei Be urteilung der Frage, ob die Einverleibung notwendig sei, mußten alle diejenigen Erwägungen ausscheiden, welche darauf beruhen, daß die Einverleibung das einzig mög liche Hilfsmittel sei. Daher hat daraus keiu Gewicht ge legt werden können, wenn die Gemeinden in der Hoff nung auf die Einverleibung die genügende Erfüllung der ihnen obliegenden Aufgaben versäumt haben, denn andern falls würde die Entschließung des Ministeriums nur vom Belieben dieser Gemeinden abhängen. Der Stadtrat zu Leipzig selbst schrieb 1906 an die Stadtverordneten, die Steuerfähigkeit dieser Gemeinden befinde sich in auf steigender Richtung, die Vermögens- und Steuerverhält nisse der meisten dieser Gemeinden seien keine trostlosen, ein besonder- hoher Steuersatz zeige sich mir bei Stünz; Mißstände, welche nur durch eine Einverleibung gehoben werden können, seien kaum vorhanden. Das Ministerium hat sich bereit erklärt, in weitere Erwägungen einzutreten, wenn das Gesuch seitens des Stadtrates auf einzelne Gemeinden beschränkt würde. Ein derartiges Gesuch ist bis jetzt noch nicht eingegangen. Das Ministerium hat daher sich noch nicht schlüssig machen können, ob und betreffs welcher Gemeinden die Notwendigkeit der Ein gemeindung vorliege. Auf Antrag des Abgeordneten Dr. Krückner-Leipzig beschließt die Kammer die Besprechung der Interpellation, an der sich die Abgg. Gnke-Leipzig, Dr. Schill-Leipzig, Dürr-Leipzig, Voldstein-Zwickau, Kunath-Dresden und Ahnert-Zwenkau beteiligen. Es wird dann ein Antrag aus Schluß der Debatte angenommen, gegen den Abg. Kär (freis.i protestiert, da seine Fraktion nicht zum Wort gekommen sei. Nächste Sitzung Donnerstag, den 24. Oktober, 10 Uhr: Allgemeine Vorberatung über den „Kunstbericht". Llus dem Vrtcpe, Die freikonserdative Gruppe * Nachdem Nichts mehr verheimlicht werden kann, rückt endlich die Leitung der deutschkonser- oativen LandtagSfraktion mit der Erklärung heraus, daß tatsächlich in der Partei tief gehende Differenzen bestehen und daß sich ein Teil der konservativen Kammermitglieder zu einer „f r e i t o n s e r v a t i v e n Gruppe" zu- sammengeschlossen habe. ES heißt in dieser offi ziellen Erklärung, daß „die angebliche Spal- lnng der konservativen Fraktion darauf zu rückzuführen sei, daß sich innerhalb der kon servativen Fraktion eine „Freikonservative Gruppe" gebildet habe. Die Erklärung fährt dann fort: „Wie seit Jahren bereits wirtschaftlich einander nahestehende Mitglieder innerhalb der konservativen Fraktion bei besonderen Gelegenheiten zu Grup pen zusammen getreten sind, so wird auch d i e Freikonseroative Gruppe in allen den Fällen, die ste hierzu für geeignet erachtet, sich zu Beratungen vereinigen. Im übrigen ist aus der konservativen Fraktion noch zu berichten, daß dieselbe, um auch äußerlich zu do- knmentieren, daß ste die Interessen der In dustrie genau so zu fördern und zu unterstützen bereit ist, wie die Interessen aller Berufsstände und Produktionszweige, neben dem bisherigen Vorsttzen- oen, Geheimen Hofrat Opitz, einen hervorragen- den Industriellen in der Person des Eisenhütten- werkLbesitzers von Querfurth zum Mitvor sitzenden berufen hat. Beide Herren werden alter- nierend den Vorsitz führen. In Sachsen vereinigen sich daher, wie bisher, so auch künftig in der konser- vativen Fraktion der II. Kammer die Angehörigen aller konservativen Richtungen." So ist in wochenlangen Verhandlungen müh sam ein Weg gefunden worden, um äußerlich den Anschein zu erwecken, als ständen die Konservativen Sachsens nach wie vor auf dem gleichen politischen Boden. Die Ereignisse der kommenden Wochen sckon werden dartun, daß die Einigkeit nur auf dem Papiere steht: für freikonservative Industrielle und deutschkonservatioe Agrarier muß die Gemein samkeit der Interessen erst noch gefunden werden! Der zweite deutsche Arbeiterkongretz hat außer den schon erwähnten noch folgende An träge angenommen ES wird im Interesse der ge sundheitlichen Verhältnisse in der HauSindstrie vom Reichstag und Bundesrat verlangt I) Einbe ziehung der HauSindu st rie in die Verstcher- ungSgesetzgebung, 2) Ausdehnung der Gewerbe- inspektion auf die Hausindustrie, 3) Schaffung von Instanzen für ein E i n i g u n g s - oder Tarifamt zur Regelung von Lohn- und Ar- beitSverhältnisseu in der Hausindustrie, die mit Ver- Handlungszwang für beide Jnteressentengruppen aus- gestattet werden müssen. Ferner wird verlangt, Gleichstellung des Wahlrechts für alle sozialen Institute, Schaffung einer modernen Gesinde- o r d n u n g, Verkürzung der Arbeitszeit für die Frauen und das Verbot der Frauenarbeit in der gesundheitsgefährlichen schweren Industrie. Eine Teuerungsstatistik. lieber die Preis st eigerung der wich tig st en Lebensbedürfnisse innerhalb deS letzten Jahrzehnts hat der „Preußische Beamten- verein zu BreSlau" soeben eine auf Grund von Umfragen aufgestellte Statistik veröffentlicht, aus der folgende Angaben entnommen sind: Die Steigerung beträgt hiernach lür Brot, Fleisch und Milch 10—20 Proz., Butter 25 Proz., Eier 28 Proz., Kartoffeln 22 Proz., Mehl 10 Proz., Obst 14 Proz , Hülsen, früchte 27—85 Proz., Weißbrot 27 Proz., Heringe 20 Proz., Feuerungsmaterial 15—22 Proz. und Hausgeräte 15—20 Proz. Die Löhne der Dienst- boten sind um 25 Proz., der Aufwartefrauen um 33'/g Proz. und der Waschfrauen um 33>/g—60 Proz. gestiegen. Die Preissteigerung beträgt für die Kopfbedeckung 10—30 Proz., Leibwäsche 33^/z Proz., Unterkleidung 16—28 Proz., Schuhe 10—25 Proz., Schirme, Handschuhe u. dergl. 25—28 Proz. Auch die Miete ist um fast 25 Proz., das Schulgeld um 20 Proz. und der Schulbedarf um 5—10 Proz. ge stiegen. Endlich ist noch die Erhöhung der Fahr- kirten, deS Portos, der Steuern, der Arzthonorare, der Bäder, der Bier- und Tabakpreise und vieler anderer Sachen zu erwähnen. Prozeß Harde«-Moltke. Unter gewaltigem Andrange begann am Mitt woch vor dem Schöffengericht in Berlin der Prozeß Harden-Moltke. Der Kläger General z. D. v. Moltke und der Beklagte Schriftsteller Maximilian Harden sind persönlich zur Stelle; ferner sind anwesend als Zeugen: Oberstleutnant Graf v. Moltke, Herr v. Meyringk, Graf Edgar Wedel, Graf Reventlow, Freiherr v. Berger, Gräfin Danckelmann, Frau v. Elbe und eine Reihe anderer von der Verteidigung geladener Persönlichkeiten. Fürst Philipp v. Eulen- bürg ist nicht erschienen; er ist in Berlin anwesend, aber krank. Er erklärt sich bereit, wenn das Gericht es beschließt, auszusagen. Er könne dies aber nicht vor Gericht tun. Graf Friedrich v. Eulenburg ist ebenfalls nicht erschienen. Vom Ge richt waren ferner geladen: Reichskanzler Fürst Bülow, der Chef des Militärkabinetts Graf v Hülsen-Haeseler und Graf v. Lynar. Von diesen drei Zeugen find Entschuldigungsschreiben eingegangen. Der Chef der Reichskanzlei Herr o. Löbell schreibt, daß der Reichskanzler erst nach dem 23. Oktober in Berlin eintceffen werde, und daher der Vorladung nicht Folge leisten könne. Dem General o. Hülsen-Haeseler konnte die Vorladung nicht zugestellt werden, da er sich auf Reisen be findet. Graf o. Lynar hat ein ärztliches Zeugnis eingereicht, nach dem er an Leberschwellung leidet und nicht als Zeuge erscheinen kann. Justizrat Bernstein erklärt, daß er noch folgende Personen ge laden habe: Giäfin Klara v. Wartensleben, den General Alfred v. Hülsen-Haeseler, General v. Kissel und den Grafen Alex v. Wartensleben. Nach der Verlesung der Anklageschrift erklärt Harde« auf die Frage, ob er schon einmal wegen Beleidigung bestraft sei: Jawohl; wegen Majestäts beleidigung zweimal mit je 6 Monaten Festung, ferner einige Male mit Geldstrafen. Alsdann folgt die Verlesung verschiedener Artikel der „Zukunft", in denen die Beleidigung gefunden wird. Auf die Frage des Vorsitzenden, ob Harden mit diesen Artikeln den Kläger der Homosexualität habe bezich- Ligen wollen, erwidert Harden: „Ich habe mit den Artikeln einen politischen Zweck verfolgt; um dieses Zweckes willen, den ich für gut halte, habe ich die Person des Klägers beiläufig erwähnt. Ich habe nie ein Wort davon zurückgenommen und nehme nie ein Wort davon zurück. Ich habe nicht gesagt: Der Kläger ist homosexuell, aber ich habe gesagt, der Kläger sei ein Mann, der vollständig abnorm empfinde, wobei er nicht sexuell handle. Ich habe die Beweise, daß in jener Gruppe die schwerste Homosexualität getrieben worden ist, und habe nie davon geschrieben, denn ich bin kein Denun ziant. Aber ich habe die Beweise hier und kann es beweisen, wenn eS verlangt wird. Auf eine Zwischenfrage des Justizrats Dr. o. Gordo«, des Vertreters deS Generals Moltke, wird Harde« sehr erregt; er schlägt mit der Hand auf den Tisch und ruft: „Ich habe Hunderte Male Er- klärungen abgegeben, waS ich mit meinen Artikeln meinte. Liegt mir daran, den Kläger ins Gefängnis zu bringen? Nein, ich habe nicht ein Wort mehr gesagt, als nötig war. Ich kenne die Geschichte der Ehescheidung des Klägers ganz genau; aber ich habe mich nie darüber indiskret geäußert. Ich vertrete meine Ueberzeugung, daß der Kläger, Herr von Moltke, ein vollständig abnorm empfindender Mann ist. Justizrat Dr. v. Gordo« erklärt darauf im Namen seines Klienten, daß diesem^eine Gruppe der geschilderten Art vollkommen unbekannt sei. Es existiere kein „Grüppchen", keine „Kamarilla". Die Freundschaft des Grafen Kuno Moltke mit dem Fürsten Philipp von Eulenburg sei rein und erhaben wie die Sonne. Selbstverständlich sei, daß die sechs Generaladjutanten deS Kaiser? kamerad schaftlich zusammenhielten, aber über Verdächtigungen seien sie turmhoch erhaben. Auf die Aufforderung des Vorsitzenden an den Grafen Kuno Moltke, sich selbst zu äußern, er- klärt dieser, ein Kreis, wie ihn der Beklagte an deute, existiere nicht, könne auch nicht existieren, zu mal er so nahe an die höchste Person herangerückt wäre. Seine alte Freundschaft mit dem Fürsten Eulenburg sei durchaus einwandsfrei. Es gebe keinen Kreis, der pervers empfinde. Den Botschafts rat Lccomte habe er, Kläger, vor vielen Jahren am Starnberger See kennen gelernt, dann habe er ihn 10 bis 12 Jahre nicht gesehen, erst wieder, als er nach Berlin kam. Alle Angriffe seien ungerecht- ertigt. Justizrat Bernstein, der Vertreter HardenS, tellt die Behauptung auf, in der betreffenden Gruppe eien verschiedene Stufen der Homosexualität vor- sanden. Ich muß jetzt, fährt Bernstein fort, be- timmte Namen nennen. Es sind vier Männer, einer dieser vier ist der Kläger. Hat der Kläger gewußt, daß Graf Hohenau derartig veranlagt ist? Gibt er zu, daß er trotzdem mit ihm verkehrt hat? Graf Molike r Niemals! Mir ist das absolut unbekannt. Harde«: Dann bitte ich, den Platz major v. Hülsen-Häseler und den General v. Kessel zu laden. Beide werden bekunden, daß dem Kläger die Veranlagung deS Grafen Hohenau bekannt war. Die Verhandlung wendet sich dann der Ehe deS GrafenMoltke zu. Justizrat Dr. Ber«- tein bemerkt, es stehe fest, daß die Ehe niemals n normaler Form bestanden habe, und daß Frau von Elbe, die geschiedene Frau deS Grafen Kuno Moltke, geäußert habe, die Beziehungen des Klägers zum Fürsten Eulenburg seien verdächtiger Natur. Karde«: Die von imr behaupteten Tatsachen waren mir bekannt, bevor ich Frau v. Elbe kennen lernte. Ich werde den Beweis erbringen, daß kompetente Persönlichkeiten, hohe Offiziere usw. sich in der rassesten Weise ausgesprochen haben, und zwar vor Hunderten von Zeugen. Ueber die bekannten Tat sachen habe ich 5 Jahre lang geschwiegen. Hätte ich ste bekannlgegeben, so hätte der Kläger den Rock auSziehen müssen. Ich habe cs nicht getan. Meine Angaben werden die frühere Frau des Klägers, deren Sohn, ihr Vater und ihre Mutter bestätigen. Um 12 Uhr mittags schlägt der Vorsitzende in eindringlichen Worten einen Vergleich vor. Harde« wies ihn zurück und erklärte, sogar eine Zuchthausstrafe einem Vergleich vorzuziehen. ES würde ihm falsch ausgelegt werden, wenn er sich jetzt auf einen Vergleich einließe. Auch machten ihm dies die Ausführungen der Gegenseite unmöglich. In der NachmittagSsttzung wurde die ge schiedene Gräfin v. Moltke, jetzige Frau oon Elbe, vernommen, nachdem das Gericht beschlossen hatte, Beweiserhebung darüber zuzulassen, daß der Privatkläger eine besondere Abneigung gegen dos weihliche Geschlecht habe. Die Oeffentlichkeit wurde
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