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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 23.12.1905
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1905-12-23
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19051223011
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1905122301
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1905122301
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Handelszeitung
- Jahr1905
- Monat1905-12
- Tag1905-12-23
- Monat1905-12
- Jahr1905
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BeznqS'VreiS i» do» Ha»ptrxp«dttto» oder deren A»sgab» stell«, abgrholt: vtertellährltch L40, bet täglich zweimaliger Zustellung in« Hans vierteljährlich S.—Durch onlere aus wärtigen Au-gabestellen und durch die Post bezogen für Deutschland und Oesterreich vierteljährlich 4.L0, iür die üdrigeo Länder laut ZeitungSpretslist«, Redaktion und Expedition» Johaniit-gajj« 8. Lele-Ho« Nr. ILch Ar. WS, Nr. U7S verllner Redaktion».vurea«: Berlin KW 7, Dvrotheeustrast« VS, Del. 1, Nr. W7L. vre-dner Siedaktton»-vuream Lrerdeu-L^lköllnerivstr.»^ D«l.j.Nr.äKSL Morgen-ÄnSgabe. UrWWr TliMalt Handelszeitung. Amtsvkatt des Äönigl. Land- und des Äönigk. Ämisgerichles Leipzig, des Aatcs und des Volizciamtco -er Ltadt Leipzig. Nr. «52. Sonnabend 23. Dezember 1905. Anzekqlil'PrelS die »gespalten, Petitgeit« lt V«nrtUr»> vohnung«- und Stelle» Anzeigen 20 Pf. ytnanziell« Anzeigen, Geschästton,eigen unter Text -der au besonderer Ltell« nach Darts. Für da» Erscheinen an bestimmten Tagen u. Plätzen wird lein« Garantie übernommen. Anzeigea-Anuahma Augustutplatz 8, Eck» Johaunisgafla, Di« Expedition ist Wochentag« ununter' rochen geöfsnet von irLH 8 bi« abend« 7 Uhr. Filial-Expedition: Verl tu, Lützowftr. la. - » Dresden, Maneostr.84. Druck und Verlag vou E. Polz tu Leipzig Herausgeber: vr. Viktor Kltnkhardt. 99. Jahrganq. Var lvicdliarle vom Lage. * Wie wir aus NegierungSkreisen Horen, wird die deutsche Negierung darauf bestehen, das; al» Ort der Marolkolonferenz AlsteciraS beibehalten und der Beginn der Konferenz nicht überGebührverlangert wird. * Am 17. Dezember fand in Südwestasrika südlich von Toaii» ein erfolgreiches Gefecht gegen Manasse Noroseb uns Simon Köpper statt. (S. Deutsche» Reich.) * Nach Melkungen au» verichiedenen preußischen Städten beabsichtigt die So zia ldem okral ie zugunsten einer Massen- «Uenronstration gegen da» preußijche LandtagSwahl- recht am 14. Januar eine allgemeine Flugblaltoer- tei lung und am 2 l. Januar Beranstaltung von Ber fa mm lun gen in ganz P> rußen. " Die Pforte bat die Auslieferung de» zum Tode verurteilten Belgiers Joris in Belgien verweigert. Dieses wtrv vermutlich die Signalurmächte anrujen. vürgettum «na Zorialllemotzraiie. Auch wer daS Ringen zwischen der Sozialdemokratie und den Anhängern der bisherigen bürgerlichen und staatlichen Ordnung als eine der ernstesten Erscheinungen der Weltgeschichte auffaßt und sich vor jeglichem Opti- misnius hütet, wird zugeben, das; sich eine Verschie bung zumNachteilderSozialdeinokratie vollzogen hat. „Man soll nicht eher Hering rufen, als bis man ihn beim Schwanz hat", sagt ein altes Sprich wort. Eingedenk dessen wollen wir uns darauf be schränken, die eingctrctene Aenderung ganz nüchtern dar- zustellcn, und dabei nicht die Möglichkeit eines Uni- schwunges nach entgegengesetzter Richtung leugnen. Lange hat die Sozialdemokratie Vorteil aus den Fehlern der bürgerlichen Parteien gezogen. Wenn wir auch ge wärtig sein müssen, daß sie dazu auch fernerhin Gelegen heit finden werde durch daS Verhalten der Reaktionäre, so sollen doch die liberalen Parteien nicht übersehen, welche Fehler jetzt die Sozialdemokratie macht, die zum Vorteil des Liberalismus auSschlagcn können, wenn die liberalen Parteien die Augen ausmachen. Die Fehler der Sozialdemokratie lassen sich in das eine Wort „Radikalismus" zusammen fassen. Seit es gelungen ist, das, was man noch bis vor wenigen Jahren mit diesem Wort be zeichnete, weit zu überbieten, seit der Bebel von 1900 als ein gemäßigter Mann erscheint neben den; Bebel von 1905, stutzt die Gefolgschaft der Noten. Mit dem Partei tag in Dresden begann die Verschiebung. Um den üblen Eindruck zu verwischen, verhielt man sich in Bremen im Jahre 1904 so langweilig wie möglich. Dann ging es in diesem Herbst in Jena von neuem los. Herr Bebel war wohl weniger der schiebende als der geschobene Teil. Hinter ihm standen heißere Gemüter, nennen wir sie, ohne damit die Liste erschöpfen zu wollen, Singer, Stadt hagen, Rosa Luxemburg und Mehring. Bebel fürchtete, daß ihm die Herrschaft entgleiten könne und trat in Jena so blutig auf, daß er selbst darauf aufmerksam machte. Er, der früher den Generalstreik in Grund und Boden verurteilt hatte, redete ihm nun daS Wort, wenn auch unter Beschränkung auf die Fälle einer Bedrohung des KoalitionSrcchts und des allgemeinen Wahlrechts. Augenscheinlich hat der Verlauf in Rußland, der in ge wissem Sinne erfolgreiche Vorstoß der Revolution gegen die bestehende Ordnung mit Hilfe allgemeiner Arbeits einstellung, auch in Deutschland Leidenschaften gelöst, die bisher von den sozialdemokratischen Parteiführern ge zügelt werden konnten. Bebel, vor die Wahl gestellt, ob er mit ihnen gehen oder die maßgebende Gewalt ver lieren solle, zog das erstere vor. Die Einmütigkeit, mit der die Versammlung von Jena ihm zustimmte, hat den wahren Sachverhalt verborgen. In Wahrheit war doch eine starke entgegengesetzte Unterströmung da, wenn nicht auf dem Parteitag, dann doch im Lande. DaS hat der Verlauf des häuslichen Zankes in der „VorwärtS"-Nedak- tion gezeigt. Der greise Frohme in Hamburg, die Ge werkschaftsführer Legier», v. Elm, dann Leimpcters, Hue und andere in Rheinland-Westfalen, haben sich nach und nach in eine ausgesvrochene Oppositionsstellung gebracht. Die eigentlichen Revisionisten, die Bernstein, Braun, David usw., sind dabei gerade auffallend im Hinter grund geblieben. Auch dasTreiben inSachsen, das die Nach- ahmung russischer Vorbilder vorbereiten und durch ein Experiment feststellen sollte, wieviel sich wohl deutsche Behörden bieten ließen, gehört in dieses Beispiel hinein. Unsere Leser wissen, wie scharf wir das geltende sächsische LandtaaSwablrecht verurteilen, wie viel Schuld wir ihm an der Verschärfung der sozialen Kämpfe beimessen, wie notwendig wir eine Reform halten. Hier lagen schwere Fehler von bürgerlicher Seite vor, die sich denn auch in der Beförderung der Sozialdemo kratie handgreiflich gezeigt haben. Nun fängt sie aber an, mit der Revolution zu spielen. DaS wird sich hoffentlich rächen. Unsere Zu stände sind nicht wie die in Rußland und im Donaustaat. Herr Bebel hat einen harten Kopf, aber wenn er sich auch mit Rosa Luxemburg und Kautsky vereinigt, um gegen die bestehenden Verhältnisse in Deutschland anzurennen, er wird doch nichts er reichen, als sich den Schädel zu zerbrechen. DaS fühlen Millionen, die ihm in seiner Kritik gegen daS Bestehende zujubclten, und die nichts dagegen haben, wenn man sie unter die Anhänger dcS ZukuuftSstaateS einreiht. ES ist eine Lage eingetreten, die dem libe ralen Bürgertum günstiger erscheinen muß, al» leit lange. Sie prägt sich u. a. in auffallend geringer Zunahme der Sozialdemokratie bei den .ÄsuumuuUwahlen in diesem Spätherbst au». Vie hat offenbar den Kanzler angefeuert, sich in seinem Kampfe gegen Bebel über sich selbst zu erheben und wirk sam zur Offensive überzugehen. Mögen nun nicht unsererseits Fehler gemacht werden, die die Sozialdemokratie aus ihrer miß lichen Lage befreienl Die Gefahr ist stets da. Sie ist brennend bei den Steuervorlagen. Die Gesamtsumme der Forde rungen geht über das wirklich gebotene Maß weit hinaus. Es ist nicht notwendig, 230 Millionen neuer Lasten zu be willigen, auch wenn man die Flottcnfordcrungen in vollem Umfange bewilligt. Militärische Mchrforde- rungcn belaufen sich auf 25 Millionen; cs wird der sorg samsten Untersuchung bedürfen, ob die politische Lage, angesichts der Zerrüttung Rußlands, mehr gebietet. Die Mehreinnahmen aus dein neuen Zolltarif sind viel zu niedrig veranschlagt, mindestens muß inan abwarten, ob sie wirklich so klein ausfallen. Denn man riskiert bei Mehreinnahmen, daß sich im Handumdrehen Verwen dung für das Geld findet, und daß spätere unumgäng liche Ansprüche erschöpfte Quellen finden. Bleiben die Erträge hinter den Erwartungen zurück, so ist cs immer noch Zeit, das Fehlende zu ergänzen. Von den vorge- schlagcnen Steuern ist nur die Erbschaftssteuer populär, alle anderen sind verhaßt. Mit Frachtbrief-, Postpaket- und LuittungSstempcl greift man tief und fühlbar in das tägliche Geschäftsgebaren des Mittelstandes, nament lich des mittleren Großhandels und des Kleinhandels ein. Tas tägliche Kleben von Stcmpelmarken wird eine Ver drossenheit erzeugen, die man nicht unterschätzen sollte. DaS Gleiche gilt vom Bier und Tabak. Unterschätze nian nicht die Stimmung der Leute, die die Zigarre, das Glas Bier entweder kleiner oder teuerer oder schlechter finden. Wir sind weit entfernt, diese Lasten in Bausch und Bogen zu verwerfen, aber wir mahnen Hur äußersten Vorsicht, denn die Sozialdemokratie wird nicht er mangeln, aus der unausbleiblichen Unzufriedenheit Vor teil zu ziehen und den „Militarismus" und „Marinis- mus" dafür verantwortlich zu machen. Dann aber soll man nicht vergessen, daß die Branntweinsteuer-Liebes- gäbe noch besteht, und daß deren Fortdauer den neuen Lasten einen besonders erbitternden Charakter verleiht. Endlich steht unsere Zeit vor dem Problem, in einigen deutschen Einzelstaaten das Wahlrecht zu ver bessern. Sachsen und Preußen sind in erster Linie zu nennen. Nur erwähnen wollen wir es heute, nicht darauf eingehcn. Wenn man dafür den richtigen Weg findet, kann man der Sozialdemokratie in diesem kriti schen Augenblick einigen Abbruch tun. Verpaßt man ihn, so wird die Sozialdemokratie in unseren Fehlern das Mittel finden, sich von den ihrigen zu erholen. Möge man den Ernst der Lage nicht unterschätzen. ebina eine gelabt für ktltSpa? Die Ausschreitungen von Chinesen gegen Europäer in Shanghai haben wieder die Aufmerksamkeit aus die Ber- hältnisse in China gelenkt. Die Ursache der Ruhestörungen war zwar nur lokaler Natur, da sich die Chinesen der von dem britischen Beisitzer der gemilchten Gerichtshofes unge ordneten Abführung einiger chinesischer Weiber in das Ge fängnis widersetzten. Aber man muß doch nicht geringe Be- sorgni» vor einer Ausdehnung der Unruhen gehabt haben, sonst wären nicht von allen Kriegsschiffen schleunigst Truppen gelandet und nicht daS europäische Freiwilligen- korpS sofort mobil gemacht worden. Andererseits darf nicht übersehen werden, daß die Hafenstadt Shanghai viele Elemente birgt, die an Ruhestörungen und Tumulten gern teilnehmen und sich von fremdenfeindlichen Führern auf stacheln lassen, ohne daß solche Tumulte gleich als Symptome einer tiefer liegenden allgemeineren Bewegung gegen die Europäer betrachtet zu werden brauchen. Daß der Fremdenhaß in China ein Faktor ist, mit dem nach wie vor gerechnet werden muß, darf allerdings al» sicher ange- nommen werden, und nur als einem Zeichen, daß dieser Jremdenhaß noch herrscht, ist dem jüngsten Exzeß in Shanghai Beachtung zu schenken. Er ist ja nicht der einzige Borgang, der beweist, wie sehr die Abneigung gegen alles Ausländische Gemeingut der breiten Masse in China ge worden ist. Der so strikt durchgeführte Boykott gegen ame rikanische Waren hat ja bereit- die fremdenfeindliche Stimmung klar dokumentiert. Seitdem sind von den ver schiedensten Seiten Klagen über die wachsenden Schwierig keiten bei geschäftlichen Unternehmungen eingelaufen. Erst kürzlich mußte der Vorsitzende de» Peking Syndikats, Carl Meyer, auf der Londoner Jahresversammlung dieser Ge- sellschaft die Mitteilung machen, daß in China in steigendem Grade die Tendenz hervortrete, weitere Handelskonzessionen an Europäer überhaupt nicht mehr zu vergeben. E» ist also «ine abwehrende, um nicht zu sagen aggres sivere Haltung gegen Europäer und Amerikaner in den Handel», wie niederen Volkskreifen in China unverkennbar, seitdem der für Rußland unglückliche AuSgang de» Kriege» den Nimbus der selbstverständlichen Ueberlegenheit, dessen sich die weiße Rasse in den mongolischen Ländern, vorzüglich in China erfreute, gründlich zerstört hat. ES tritt hinzu, daß Japan seinen Beziehungen zu China eine oanz besondere Pflege angedeihen läßt, sich bemüht, dort Kultur und Aus- klärung im modern-japanischen Sinne zu verbreiten und da» Bewußtsein und den Anspruch politischer Macht in dem chinesischen Volk« zu wecken. Die Gefahr, daß diese Erziehung»- und Aufklärungs arbeit. in ihrer Bedeutung und ihren Zielen von der Masse mißverstanden oder überschätzt, etwa» andere» bewirken könnte, al» die japanische Regierung beabsichtigt und daß ähnliche Zustände wirderkehren könnten, wie si« im Jahre 1S00 der Doxerausstand gezeitigt hat, läßt sich nicht ganz von der Hand weisen. Aber wie damals, würden auch jetzt wieder, wenn e» dazu käme, die Mächte zusammenstehen, um ihr Recht und ihre Interessen zu schützen. Erfreulich ist. daß auch die englische Presse sich zu dieser Solidarität der Mächte beleuut uud nicht ansteht, an di« Regierung in Loki» die dringende Mahnung zu richten, daß die in China an- lässigen oder vorübergehend sich aushaltenden Japaner, wenn sie sich einer den internationalen Abmachungen nicht entsprechenden Haltung schuldig machen, in ihre Heimat zu rückgerufen werden müßten. In England wird also dem japanischen Element ein gewisser Anteil an den jüngsten Unruhen beigemessen. Indessen braucht man die Möglichkeit einer neuen frem denfeindlichen Bewegung von der Art deS Boxerausstande» nicht tragisch zu nehmen. Die Aussichten für eine solche Volksbewegung sind heute schlechter als je, weil sich die chine- fische Negierung hüten würde, mit den Führern, wie es 1900 geschah, zu paktieren. Sie hat die Erfahrung gemacht, daß in allen Fragen, die sich um eine ruhige fortschrittliche Ent wicklung Chinas in europäischem Sinne drehen, die Inter essen Europas und Amerikas parallel laufen. Im eigent- liehen Sinne gefährlich für die europäisch-amerikanischen Kulturinteressen in Qstasien kann China nur in dem Maße werden, als sich seine Militärmacht in bedrohlicher Weise entwickelt. Die chinesische HeereSorganisation birgt den Schlüssel zu der Zukunft Chinas als eines einheitlichen, unabhängigen, in sichgeschlossenen und aktiv in die Weltwirt, schäft und Weltpolitik eingreifenden StaotSwcsenS. Es fehlt nun nicht an Männern, die. mit Land und Leuten im himmlischen Reiche gilt vertraut, dem Chinesen rundweg jede Fähigkeit, kriegerische Eigenschaften zu entwickeln, ab sprechen. Zu diesen gehört z B. der chinesische General a. D. v. Hanneken, der zu Li Hung TschangS Zeiten Instrukteur in l^hina war. Uebereinstimmend mit ihm ist das Urteil deS Sinologen Ular, der seinen Pessimismus gegen die chine sischen Heeresreorganisationsbestrebungen mehr aus Gründe sozialer und politischer, als technischer Natur gründet. Die drei modernen Heere, meint er, die seit dem Boxerausstande in China organisiert und ausgerüstet worden sind, mögen individuell ganz gut sein, aber sie können keine nationale Armee bilden. China sei und bleibe eine lockere Verbindung autonomer Provinzen. Seine nationale Einheit sei nichis als bloßer Schein. Der Chinese habe kein Vaterland, von politischen Problemen verstehe er nichts; er beschäftige sich nur mit wirtschaftlichen Problemen. Die sozialeqFrage, die Sorge um die familiäre und persönliche Wohlfahrt hätten in China alle politischen Probleme immer Io lehr in den Hinter- gründ gedrängt, daß die Bildung eines zusammenhängenden, einheitlichen StaatSwescns noch nie möglich gewesen wäre. Es steckt jedenfalls ein gut Teil Wahrheit in all diesen Gründen, die die Aussichten der chinesischen Heeresreorgani- sation fragwürdig erscheinen lassen. Bei alledem gibt es anderseits untrügliche Merkmale, daß sich Chinas Entwick lung gerade als Kriegsmacht in aufsleigender Linie be wegt. und es ist in höchstem Maße beachtenswert, daß gerade aus militärischem Gebiete mit dem Uebergang zu einem zentralen Verwaltungssystem der Anfang gemacht worden ist. Das chinesische Heerwesen wird heute schon durch einen Generalstab einheitlich verwaltet, ohne daß dessen Maßnahmen bei den einzelnen Gouverneuren und Generalgouverneuren aus Schwierigkeiten stießen. EL läßt sich ferner nicht leugnen, daß die durch japanische Offi ziere ausgebildeten Soldaten nach dem Urteile von Kennern mit den ehemaligen Klopffechtern, dem zuchtlosen Gesindel, woraus die kaiserlichen Truppen größtenteils sich zusammen setzten, nicht das mindeste mehr gemein haben. Ebensowenig läßt sich bestreiten, daß der Chinese bei guter Führung Person- liche Tapferkeit an den Tag zu legen vermag, jedenfalls völlig gleichgültig oder furchtlos gegenüber Verwundung und Tod ist und die größten Strapazen mit Gleichmut erträgt. Noch aber regt sich der politische Einheitsgedanke im chine sischen Volke erst schwach, noch fehlt ihm der rechte militärische Geist. Der „Militarismus" hat für den Chinesen noch keinen Sinn, und falls darin eine Wandlung erfolgt, gehört dazu Zeit und nochmal» Zeit. Deutsches Deich. Leipzig. 23. Dezember. * Lcntsch-rusfischer Handelsvertrag. D e Aeltesten der Kaufmaiiulchajt von Berlin hatten sich an den ReichSkantter gewandt mit der Bitte, bei der russischen Regierung dafür einiutreten, daß da» Jnkraftireien de» neuen russischen Zoll- laris« um einen Monat hinausgeschoben werde. In seniei» Aiitivorischreiben vom 21. b. M. teilt der Reichskanzler mit, daß bei der russilche» Negierung nicht die Absicht bestehe, den Termin der Jmrastsetzung hinau»;uschieben. Er werde jedoch in Beiückstchiigung der derzeitigen Lage, soweit mög- lich, auj^lchonende Ueberleitunz in vi« neuen russischen Zott- verhattutsse hiuwirken. * Neue Erfolge tn Eüdwestafrika. Amtlich wird ge- meldet: In derselben Gegend östlich von Annnuis, in der am 1. und L. Dezember Gesechte gegen Manasse Noroseb und Simon Nopper slaltgrsunden hatten, griff Ma;or v. v. Heyde am 17. Dezember mit Mannichaslen der vielten und neunten Kompagnie de-Fleregiment» 1 und der vierten Batterie eine au- Leuten Manasse» und Simon Köppers zusammengesetzte Bande an und schlug sie bei Toasi» nach zweistündigem Kampfe in die Flucht. Der Feind ließ zwei Tote »urück. Bon un» fielen Hauptmann Kliefoth und zwei Mann: zwei Mann wurden verwundet. — Nach dem Gefechte stellte« sich 25<> Hottentotten. Doch steht die Zibl der darunter befindlichen Männer noch nicht fest. In Gideon haben sich bisher ins gesamt L95 Hottentotten, darunter 24» Männer und 35" Weiber und K ncer. gestellt. Doch find bis jetzt erst 90 Ge- wehre abgelirser» worden. — Der iu dem Gefecht gefallene Hauptmann Kliesoth ist am 1. Januar 1382 in Lübibeen (Mecklenburg-Schwerin) geboren. Er wurde an» N. Sep tember 1883 Leutnant, am 27. Januar 1388 Hauptmann und Kompagnieches im Jnsanlerie-Regiment Nr. »4. Am 16. Dezember 1899 wurde er zur Schuvtruppe für Lüdwest- asrika versetzl. Er war bereit» 4 Jahre im Schutzgebiet „nd zwar zuletzt al» Distriltschrf und Edel der allen 4. Feld kompagnie in Ouijo, al» der Hereroausstand lo-brach. Gleich bei den eisten Gesecttten wurde Kliefoth an der Spitze seiner Kompagnie unweit Etaneno am 28. Januar 1904 durch einen Viust- und Gchulteischuß schwer verwundet. Jniolge seiner Verwundung mußt« er in die Heimat zurückreisen. Kaum wiederhergeßellt, trat er abermals am 22. November 1904 di« Lnsrrtse au. Er erhielt wttder di« t. Kompagnie jetzt Feld-Regiment 1, die iu Aminui» stationiert war. Unweit AminuiS hat er nunmehr den Heldrniov gesunde«. L. Zur sächsischen Wahlrechtsreform. Nachdem Minister v. Metzsch am 14. d». MlS. im Landtage erklärt hat, die Negierung werde dankbar dafür sein, wenn sie in ihren Be- miibuugea um die Lötung der Wahlrechtoresormfrage durch Vorschläge aus der Zweiten Kammer unterstützt winde, laufen br> der Negierung und dem Bureau zahlreiche solche Vor schläge ein. DaS ist zwar eia sedr erlreulicke» Zeichen für den Fleiß und den rrustlichtN Willen unserer BoltSoeriretung, in der brennendsten Frage unseres heuligen politischen Leden» zu einer Lvjung zu gelangen. Wir können aber gleichwohl unsere bereit- einmal ausgesprochene Belürchiung wieder holen, es w rde ein derartige Chaos von Vorschlägen ent stehen. raß nachher nicht mehr rurchzufiuven sei. So viel uus bekannt geworden, sind t»S jetzt folgende Vorschläge ge macht woiden: Pros. Dr. Rühlma an (natl.) hat einen Vor schlag audgear beitet, der aus dem Pluralwablsystem berultt; der loiiservalive Abg. Trübe will, Wit bereits milgeteilt, zum Wahlrecht von 1808 »urücklehreii, jedoch veu Zensus vou 3 aus 8 ^tk, dem Sinken des Geldwert» entsprechend, er höhen. Tie sreisiunigcn Abgg. Günther und Bär sorceru da- allgemeine, gleiche, direkte und geheime Wahlrecht, wie jur den Reichstag, cvenl. Rückkehr zum 1868er Wahlrecht, »owie eine Neuelutciluiig der Wahlkreise, wobei der llnter- ttviev zwischen Nädlischen und ländlichen wegfallen soll. Endlich sind noch von den konservativen Abgg. Dr. Brück- ner-Leipsig und Dürr-Leipzig AhänberungSoorlchläge ge macht worden. Daß die Einführung dcS ReichSlagewahl- rechts für den Lanrtag nicht- ankere» beißen würre, als die Zweite Kammer ver Sozialdemokratie überliefern, haben wir dargelegt. Wie Abg. Goldstein bei Begründung seiner Jnlerpellaiiou am 14. diese» Monat- jagte, wird sich aber die Sozialdemokratie auch mir einem an deren Wahlrecht „begnügen*, wenn e» nur freier und gerechter ist, al» da» jetzige. Nach von un» bereit» ia- haltlich wiedergegebenen, von den „DreSv. Nachr.* mit Un recht angezweiselten Ausstreuung«« de» Minister» v. Metzsch zu einigen Abgeordneten ist der betr. Gesetzentwurf noch in der tausenden LaodtagSsession zu erwarten. Zu wünschen ist nur, baß mit diesem Entwurf zugleich auch ein zwetler erscheint, der die Neueinleilung ber Wahl kreise vorstehl und die Unterscheidung zwilchen städtischen unv ländlichen Wahlkreisen beleiligt, die lediglich eine ganz un^erechlserligie Bevorzugung de» platten Lanke» auf Kosten ber Siävie darstellt. Die Neueinierlung der Wahlkreise ist eme nnerläßliche Vorbedingung für jede gesunde Wahlreforru. * Zur Vraunfchwctgrr Krage. Wie un» ein Prrv al le le gram m melket, hält rer „Hannoveriche Anzeiger* ent gegen dem Braunschweiger Dementi leine erste Meldung über einen bevorstehenden Negentichafttwechiel in Braunschweig, vorberkitcl duich die letzte Kaiserrcise, aufrecht. DaS Blatt bringt die weitere Meldung hierzu, daß Dr. jur. Wirk, Her^ ausgcder der „Brunoma", kürzlich in Gmunden gewesen sei uud daß Reser versichere, der Herrog vou Cumberland sei jeden Tag bereit, Frieden mit Preußin zu schließen und sich al» echter deutscher BunveSfürst zu gerieren. Uebcr den am 21 Tezrmbcr verstorbenen Staatsrat von Eisenhart schreibt unser Münchner Korrespondent: Seit vielen Jahren schwerleibend, war er der heutigen Generation fast unbekannt, leinen Namen aber wirb die Geschichte aufbcwabreu. In verhältn>Smäßig jungen Jahren war Ei'euhart in da» Kab nett v>S Königs Ludwigs II. be rufen woiden, und ein gütige» Ge chick wollte eü, daß er am 1. Januar 1870 zum Äabinettssekretär deS Königs ernannt wuive, eine Siellung die damals wichtiger und einflußreicher war al» alle Hosämier unv Minister zusammen. Bald war Etteuhart in der Lage, sich unvergängliche Verdienste zu er werben. Er war e» in erster Linie, der den König zu seinem raichen Entschlüsse, an di« Seite Preußen» zu treten, bestimmte und ihn in seinem nationalen Fühlen bestärkte. Er war e» auch, der in der Folge den König auf da» uneigennützigste beriet und ihn im günstigste« Sinne beeinflußte. So gelang e« ihm manche Intrige zu durchkreuzen und z. B. den König von dem Gedanken der Bildung eine» ultramontanen Ministeriums abrubringen. Im Jadre 1876 fiel er plötzlich in Ungnade. Noch tag» vorher hatte ihm Ludwig ll. lostbare Hulbbewcise gegeben. Al» er am nächsten Tage mit gepackten Koffern auf den Wagen wartete, um den König für längere Zeit nach Schlag Berg zu begleiten, traf statt der Equi page da» EnUassungSvekret ein. Lange hätte, wie sich in wenigen Jahren zeigte. Eisenhart den Dienst beim Könige nicht mehr vergehen können. Unter den un glaublichen Anstrengungen und Aufregungen — er mußte ». B. nicht fetten ,n der Sonnenhitze, aber auch in tieser Nacht dcm Könige stehend drei- unv medrstüntiue Borträge halten und sich wegen jeder Miene und rer leisesten Be wegung verantworten — hatte lein Körper ichwer gelitten und rin Nervenleiden machte den hochgebildeten, scinstnngen und bis zum Tove geistig sr-lchen Mann srübzeit g zum hin fälligen Greise. Troycem börle mun von ihm nur Gute» über Ludwig II. und er erzählte oft ron der drzaudernren Lieben-würkigleit, mit der er alle- wierer gut zu machen verstand. Freilich stand er dem unglücklichen Monarchen in einer Zeit nahe, in welcher kie Gelsteskrantheit noch nicht so offensichtlich zuiagc trat, oder bester getagt, in welcher deren Aeußerungen von ber Umgebung de» König» noch al» Exzentrizität« aufgefaßt wurden. Der bescheidene Mann, der «un, 78 Jabr« alt, gestorben ist, hätte sich rübmev können, daß er sich der besonderen Wertschätzung de- Fürstt« Bismarck erfreut bat. Sein bester Jugendfreund war Vi tor Scheffel. Er war vermählt mit Loutte v. Kobell, der bekannten Schriftstellerin, die auch zur Geschichte re» Jabre» 1870 und der Gründung de» Reiche» so interessante Beiträge lieferte und ihrem Manne vor einigen Jahren im Tove vorau-ging. * «etchskanzler »ntz H«n»el«la». Ma« schreibt vn«: Wie wenig Gewicht d>« Reichsregierung aus Aeußerungen der berufenen Vertreter un'eie» Handel» zu geben für nöt g hält, zeigt sich wieder einmal recht deutlich an folgendem Fall. Der Deutsche Handelßtag batte am 5. Juni 1901 an de» Reichskanzler, damals noch de« Fürsten Hobenlvbe, eine Ein gabe gerichtet, dabin ,u wirken, daß eine AuSkunstSsttlle für den Außenhandel iR,ich»haadrl»stelle) du,ch die Reichs» oerwaUung und aus Koste» des Reiches errichtet und ver-
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