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02-Abendausgabe Dresdner Nachrichten : 06.10.1904
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1904-10-06
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id501434038-19041006025
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id501434038-1904100602
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-501434038-19041006
- oai:de:slub-dresden:db:id-501434038-1904100602
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungDresdner Nachrichten
- Jahr1904
- Monat1904-10
- Tag1904-10-06
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AN- Iünd>aunaen aul der Vrivaiieli« Keile 2s Pi» i die Livaltiae Keil« aui Lerl leite so Pia., als Einaclandt Zeile ko Pia. In Nummern »ach Lon»- und Keiertaarn i ivaliiae Grundieilr so Pia. aul Privatleute ao P-a. ripaliiae Zeile aui Teriieite und a j Emaeianül so Pia. Auswurtjae Aus- träae nur aeacn Vorauadejaliluiia. Belcadlätrer werden mit 10 P',. derechnel. kteruivrechauichlud: Amt I Ar. U und Nr. SOS«. AIuA. ^üknsckepfLZvkne -°p7^°"ü7'-a ^luf^üZe sNen Nr. 278. Ami Lippesche Erbfolge. Neueste Dratftberichte. veihaudlungcn. Hofuachrichteii. Evangelischer Bund. GerichtS- Die llieiseueurose. Tonnerstag, 6. Oktober 1904. Der Lippische Vrbfolgestreit. Dem heute in Detmold zuiammcnlreteiideu Landtage des Fürstentums Lippe wird von der lippiichen Staatslegierung nachstehende, hochbedeutsame Vorlage unterbreitet werden: «Der Tod Seiner Erlaucht des Viralen Ernst zur Lippc- Blesterfeld. Regenten des Fürstentums Lippe, hat iür das Land eine so ernste Lage geschaffen, das; die Siaatsregicuing cs für ihre unabweisliche Pflicht hält, unverzüglich den Landtag zulamnieu- zubemfen, um mit ihm die zur Sicherstellung der Lniidesinteressen erforderlichen Matznahmen zu beraten. Der Ernst dieser Lage wird noch dadurch gesteigert, datz nach amtlicher gestern liier rin- gegangener Mitteilung die Regierung des Jürstenlums Echaum- durg-Lippe gegen die Uedernahme der Regeullchnst durch den gegenwärtigen Regenten, Grafen Leopold zur Linve-Bieiterfeld, bei dem Bnndesratr Protest erhoben hat und datz Seine Majestät der Kaiser auf die allerhöchstdemiclben gemachte Anzeige von dem Tode des Gras-Regciilen und ans die Meldung von der Ucber- nahme der Regentschaft durch den Grasen Leopold zur Lippe- Biesterfeld zu erklären geruht hat, diese Regentschaft?- Uebernahme nicht anerkennen zu können. Das von Seiner Majestät dem Kaiser an Seine Erlaucht den Graf-Regenten dicserhalb geftndte Antwort-Telegramm lautet wörtlich: .Romintrn, 26. 9. 1901, 6 56 llbr nachm. Graf LiPPc- Blesterseld, Detmold. Spreche Ihnen mein Beileid zum Ab leben Ihres Herrn Valers aus. Da die Rechtslage in keiner Weise geklärt ist. kann ich eine Regentschafts-Uebeuiahme Ihrerseits nicht anerkennen und lasse auch das Militär nicht vereidigen, lgez.) Wilhelm I. U." Dielen Vorgängen gegenüber steht die sülilliche Staatsrcgic- rung aus dem unerschütterlich klaren und festen Ncchtsslandpunkte, datz alle Kundgebungen gegen die Tatsache der Regentschaft Sr. Erlaucht des Grasen Leopold zurLippc-Bicsierjeid »ach Matz gabe der lipplschcn Landesgesetzgebung an und für sich eine recht liche Wirkung nicht zu äutzern ve,mögen. Durch den Eclatz des Gesetzes vom 24. März 1898. betreffend eine Abänderung des RegcntjchaftSgejrtzes vom 24. 2lpiil 1695 haben Negierung und Landtag Fürsorge auf den jetzt eingetretcnen lieischmerzlicbcn Todesfall getroffen, haben das Land vor neuen Erschütterungen be wahrt und hierbei in einer nach Reichs- und LandesgcsetzgebnNg schlechthin unanfechtbaren Zuständigkeit gehandelt. Darnach können Nechtsgültigkeit und Vollzug des Landcsgejetzes vom 24. März 1898 durch keinen wie immer georteten Widerspruch gehemmt werden. Die Staatsrcgierung hält cs dem Lande gegen über für ihre heilige Pflicht, gegen die in den Protesten sich aussprechcnde Rechtsausfassnng, durch welche die Grundlagen der Reichsoersassung in Frage gestellt werden, alsbald bei dem hohen Bnndcsrate die energischste Verwahrung einzulcgen, und stellt es dem Landtage anheim, sich dieser Verwahrung anzuschlicken und damit Kundgebungen der Nichtachtung lippischer Landes gesetze zurückzuweisen. Kundgebungen solcher Art verkennen völlig Bedeutung und Tendenz des Gesetzes vom 24. März 1898. Das selbe ist nicht geschaffen, um unter Verletzung der Rechte Dritter zu eigenen Gunsten eine antizipierte Thronfolge hcrbeizusnhren. sondern hat im wesentlichen den Zweck und die 'Absicht, für den Fall des Todes des Graf-Regenten Ernst zur Lippc-Biestcr- seld einen gesicherten Fortgang der Regierung zu ermöglichen und unter geordneten Verhältnissen im Lande die nach Eilatz des Schiedsspruches vom 22. Juni 1897 neu hervorgctretencn Ansprüche der jüngsten erbhcrrlichen Linie zur rechtlichen Ent scheidung zu bringen. Es ist auch die feierlich ausgesprochene Willensmeinung Seiner Erlaucht des Gras-Negcntc», datz den sein Thronfolgerecht bestreitenden Mitgliedern des Gesamthaiiscs in keiner Weise die Geltendmachung ihrer 'Ansprüche verkürzt werde. Das lippische Land »nd das lippische Volk aber haben das dringendste Interesse daran, das; die Thronstreitigkciten noch vor dem Ableben Seiner Durchlaucht des Fürsten Alexander zur Lippe endgültig und für immer zur Erledigung gelangen. 'Aach wie vor steht die Fürstliche Staatsregicrung aus dem grundsätz lichen Standpunkte, datz cs durchaus in der unanfechtbaren ver- sassungsmätzigen Zuständigkeit des Bundesstaates Lippe gelegen ist, den Thioiislreit durch Akt der LandeSgeietzgebung zu, Ecledignng zu bringen. Sie verzichtet aber auf die augenblicklicbe Gellend- machung dieses Standpunktes, nachdem dieser Weg sich zur Zeit als ungangbar erwiesen hat, Um io mehr muß sie daraus bestehen, datz ein anderer gangbarer Weg ermittelt werde. Um einen solchen zu ermöglichen, hat Se. Erlanchl der Graf-Regent selbst, obschon nach Sinn und Wortlaut des Schicdsverlragcs von 25 /29. Juni und 8, Juli 1896 und im 'Verhalt des lippischcir Landcsgeictzcs vom l7. Oktober 1896 mit der Fällung des Schiedsspruches der Thrvir- streit überhaupt für alle Mitglieder der drei erbherrlichen Linien erledigt war. in »nberigsamem Vertrauen auf sein gutes Reckst doch sich bereit erklärt, nochmals dem Urteile eines unparteiischen Gericht Hafts sich zn unterstellen. Es ist der Wunsch des Regen ten, datz eine io herbeiprführendc Entscheidung baldkunlichst erfolgt, damit die Rübe »nd Sicherheit im Lande nicht ferner gestört und die Gewähr iür eine geordnete Eiiiwicklmig befestigt werde. Zu dem Zwecke wird das Slaalsmiuistcrium inr höchsten Austrage bei dem Bundesrate den Antrag stellen, der hohe Buirdcsrat wolle dabin wirken, dus; im Wege der Reichsgcsctzgebuiig rin unpartei ischer ordentlicher Gerichtshof, sei cs das Reichsgericht, sei es das König!. Preußische Kammergericht, sei es der Königs Bäuerische Oberste Gerichtshof oder ein anderes höchstes Gericht, bestellt werde, durch welche» die van der Fürstlich Cchaiimbiirg-Livvrschcn Staaisregierirng erhobenen Ansprüche, wie solche in dem Proteste vom l2. November 1897 und dem Aulrage vom 26 Januar 1898 dargelegt sind, zur richterlichen, alle Betclligre» bindenden Ent scheidung zu bringen sind. Die Verwirklichung dieses Antrages begünstigt niemanden und schädigt niemanden, er gibt icdcm volle Freiheit in Angriff und Verteidigung und dielet die beste Gewahr für einen gerechte» Auslrag der Sache. Der Antrag entspricht den irr den früheren Verhandlungen des Landtages allseitig osscn- barlen und bei Erlcff des Regcntichasisgcsetzes vom 21. April 1895 ausdrücklich detoirle» Wünschen und ist umsomehr innerlich gerecht fertigt, als von autoritativer Seite und an matzgebender Stelle ichon vor Jahren beionders hervorqclwbeir ist, datz eine Ent scheidung irr der Sache vom BundcSrat leibst nickt erststgcn werde. Das Staalsminislerium eriucht den Laubrag. durch Beschluß dieftin Aulrage beizutreten und durch die Bedeu tung. welche Beschlüssen dieses Faktors der Landesgesetz- gebung innewobnt. das Gewicht des Antrages zu erhöhen. Sollte endlich der zu erhoffende Fall nich! cintreten, datz es gelingt, den Thronstrcit vor dem Ableben Seiner Durchlaucht des Fürsten Alexander zum rechtskräftigen richterlichen Auslrag zn bringen, so würde dem Lande von neuem di: Gerabr einer Unsicherheit der öffentlichen Rechtsverhältnisse erwachsen. Solcher Gefahr vorzubcrrgen, ist eine unerläßliche Pflicht der Staats organe, wenn anders die Aktionsfähigkeit und das Selbstbestim- inungsrechl des lippischerr Staates ausrecht erhalten werden sollen. Auf dreier zwingenden Erwägung beruht die Vorlage des gleichzeitig eingehenden Gesetzentwurfes, um dessen sofortige Erledigung die Staatsregicrung zu bitten genötigt ist. Detmold, den 1. Oktober 1904. Fürstliches Staalsministerium. Gevekot." Tie zum Schluffe dieser Erklärung des Staatsministeririms erwähnte Gci'etzesvorlage stellt sich als eine Novelle zum lippi- schen Regeirtschaslsgesetze vorn 24. April 1895 dar, Sic enthält folgenden einzigen Paragraphen: Ter 8 3 des Gesetzes, be treffend die Einsetzung einer Regentschaft aus Anlatz des Todes Seiner Durchlaucht des Fürsten Waldemar, vom 24. April 1895, erhält als Absatz 4 folgende Ergänzung: „Im Falle des Ab lebens Seiner Durchlaucht des Fürsten Alexander wird die Re gentschaft von dem Grafen Leopold zur Lippe-Biesterfeld, Re genten des Fürstentums Lippe, bis zur endgültigen Entscheidung über die erneuten Thronslreitigkeilcn sortgesührt." Tie Begründung sagt: „Gemäß 8 3 Abs. 3 des Gesetzes, bctr, die Einsetzung einer Regentschaft aus Anlatz des Todes Seiner Durchlaucht des Fürsten Waldemar, vom 21. April 1895 in der Fassung des Gesetzes, eine Abänderung des Regentschastsgcsetzes vom 24, April 1895 betreffend, vom 24, März 1898 hat die Nachfolge in die Regentschaft nach dem Ableben Seiner Erlaucht des Graf-Regenten Ernst zur Lippc-Bicstcrseld ihre Erledigung dahin gefunden, datz der älteste Sohn des Hochseligcn Regenicn. der Gras Leopold, die Regentschaft übernommen hat. Das so beklagenswerte wie unerwartete Ableben des tzochseligen Regenten legt der Staatsrcgierung und dem Landtage, als den zur Landes- gesetzgcbung bernienen Organen, die Verpflichtung aus, für dev Fall des Ablebens Seiner Durchlaucht des Fürsten Alexander, ivenn bis dahin die Thronsolgestreitigkeit ihre Erledigung nicht gesunden hat, die Frage gesetzlich zu regeln, wer alsdann zur Regentschaft beruft» sei. Die Ausfüllung dicker Lücke in der Landesgesetzgebulig crlchcint im Interesse der öffentlichen Lrdnnng und zur Gewährleistung eines ungestörten Fortganges der Landes Verwaltung als jetzt nicht mehr zu umgehende Notwcudigfti:. Es wird besonders bcroorgehobeu, datz durch die vorgcichlagcue Regelung der Regenlichaslssragc der Thronfolge nach keiner Rich tung hin präjndizicrt werden soll." — Der Landtag wird er sucht, der Vorlage seine verfassungsmäßige Zustimmung zu er- teilen. Neueste Dralitmeldnngen vom 5. Oktober Der russisch-japanische Krieg. London. Ter „Morning Post" wird aus Schanghai ge meldet: In Port Arthur macht sich Wassermangel geltend. Tie fchwcren Gefchütze der grasten Kreuzer „Bajan" und Pallada". sowie der Linienschiffe „Poltawa", „Sebastovo!" und „Pobjcda" werden ansgeschisft. Bei Mukden finden fort gesetzt Gefechte statt. Tic rufsisäien Stellungen am Huufluk werden verstärk!. Tie Japaner werden vom Ballon aus beob achtet. London. Aus Mulden wird der „Moruiua-Post" gemeldet: Eine etwa 4000 Mann starke Abteilung von Japanern und Chunchnscn ist etwa 30 Kilometer südlich von Siminting tätig. Tic Ehnnchuscn werden von den Japanern als reguläre Trnpven benntzt und nehmen an den täglichen Gefechten teil. „Daily Mail" meldet ans Tschisu: Tic russischen Verluste in den Kämpfen um den Hohen Hügel jPort Arthurs werden mn 2000 Tote und Verwundete angegeben. Nach Berichten von Chinesen versuchten die Javaner vor dem Fort Jtzeichan unter heftigem Feuer der Russen schwere Geschütze aufzustellen. — Die japanische Torpedoboolsslottille im Gelben Meere wurde von Stürmen hcimgcsucht. Sie erlitt starke Beschädigungen und mutzte an der Küste Schutz suchen. Aus Söul wird demselben Blatte berichtet: Nach einer Meldung aus Gensan sind 9 Kilo meter von vamheung 600 Russen angekommen. 2000 Russen mit sechs Jeldgefchützen werden in Puklschoena erwartet. Die Basis der Rufsen in Nordkorea werde ^oengtschena sei», wo 3000 Mann stehen. Die nördlich von Hamheuug stehenden Russen entwickeln eine grohe Tätigkeit. Petersburg. Generalmajor Orlow, der bei Liau- jang die 54. Jnftliterie-Tivinon kommandierte, ist abberuscn und dem Generalstabe zugeteilt worden. — Der „Rufs. Telear.- Agentur" wird aus Charbin von gestern telegraphiert: AuS Soul wird hierher das Gerücht gemeldet, die Japaner er warteten dort 12000 Mann Verstärkungen. Auch zur Ver stärkung der Garnison von Gensan wurden Maßnahmen ge troffen. Petersburg, Der „Birschewya Wftdomosti" wird aus Mukden von gestern gemeldet: Tie Japaner werben Chi nesen zu Kriegsdiensten an und bilden ganze Abteilungen aus ihnen. Diese Truppen erhalten die Benennung „Miliz chine sischer Freiwilliger" und werden mit allen Mimögcwchrcn aus gerüstet. Eharbin. Nach hier vorliegenden Meldungen scheint General Kuroki die linke Flanke der Russen umgehen zn wollen. Außerdem scheint die mpanischc Armee den Vormariä) gegen das Zentrum zu unternehmen. In der letzten Zeit soll eine Ausschiffung japanischer Truppen stattgesunden haben. Japanische Transportschiffe bringen Verpflegungsmittcl zur Mündung des Jalu, von wo sie aus Dfchunkcn nach Schachcdsi gefchasst und weiter durch Kulis nach Fönghwang- tscheng befördert werden. An dem Ban einer Bahn, von Fönghwangljchcng nach Schachcdst für den Betrieb mit Pferden Kunst «nd Wissenschaft. Mitteilung aus dem Bureau der Königlichen Hof theater. Im Opernhause wird Sonntag, den 9. Oktober, Shakespeares „Sommcrnachtstr,aum" mit der Musik von Felix Mendelsjohn-Bartholdu ausgesührt. Ter Vorverkauf be ginnt Sonnabend, de» 6. Oktober, o» der Kasse des Königlichen Opernhauses. Die Rcise-Renrose. Unter diesem Titel plaudert Max Nordan in der „N. Fr. Pr." über die jüngsten Erscheinungen des Reisefiebers, deren Wandlungen er mit folgenden Betrachtungen begleitet: „Der regelmäßige Ferienbummel der Millionen, die jährliche Reise als Lebensnotwendigkcit bis tief in die kleinbiirgerftäien Schich ten hinab, ist eine ganz neue Massenerscheinung, Tampffchits und Eisenbahn haben ein halbes Jahrhundert gebraucht, um den Völkern die Leidenschaft der Ortsvcränderung als Selbst zweck anzuerzichen. Tie Gewohnheit ist jetzt erworben. Sie ist allgemein und gebieterisch. Sic beherrscht den Dörfler nicht minder als den Großstädter. Sie mutz befriedigt werden, auch wenn es beinahe unerschwingliche Ogster erheischt. Mehr als irgend «ine Einrichtung ist das Reifen demokratisiert worden, umi seine Beweggründe, seine Bedingungen, seine Wirkung haben eine vollständige Umwandlung erfahren. Auch vor der Eiscn- bahnzeit gab eS, genau so wie heute, Luxus- und Pflichtreisen, aber es waren andere Gesellschaftskateaorien, die sie unternahmen. An den Pslichtreisen freilich hat sich nicht viel geändert: sie sind nur etwas — nickt viel! — bequemer, crbcblich billiger und sehr viel sicherer geworden. Ter Kaufmann reist heute wie früher in Geschäften. Es macht ihm kein besonderes Vergnügen, im Bahnabteil zu rollen, aber er nimmt das Ungemach von Nacht fahrten in Gesellschaft von sieben oder neun Schnarchern philo sophisch hin wie seine Vorfahren das glicdcrbrcchendc Schütteln der Postkutsche oder noch weiter zurück den einsamen Ritt durch mcheunliche Wälder. Er weiß, warum er es tut: um Geld zu verdienen. Diese Mühsal ist ein Teil seines Berufes. Der Reiseonkel sucht keine Eindrücke, sondern Bestellungen oder Ein- kaufsmärkte. Er geht in die Ferne, doch nicht in die Fremde: denn er ist sprachkundig und hat Verbindungen, die ihn überall heimisch machen. Er kümmert sich um keine Sehenswürdigkeiten, sondern um „feine" Häuser, um gute Gasthöft und, wenn er den jüngeren Jahrgängen angchörl, um die Vcrgnllgungslokale der Städte, die er besucht. Ter Reiseonkel kann viel erzählen: das ist sogar bekanntlich seine liebenswürdige Schwäche: und man kann viel von ihm lernen: aber kein Wort über das, wovon die rolgcbnndencn Führer handeln. Tenn er hält sich eisern an die bekannte Rciscregel der Zyniker: „Berge von unten — Kirchen von außen — Kneipen von innen." An einem anderen Licbbabcr der Ortsveränderung ist der Wandel der Einrichtungen gleichfalls ziemlich spurlos vorüber- gegangen: am Stromer. Ter Mann aus der Walze ist heule wie je mit Ränzcl und Ziegenhainer ausgerüstet und gelangt aus Schusters Rappen von Land zu Land. Tie Eisenbahn ist für ihn nicht erfunden. Er ist aber immer noch der unüber troffene, der unerreichte Typus des impreisionistischen Reisenden. Er genießt alle Schönheiten der Landschaft und die schlichten Ur- freuden, welche die Natur bietet: den Baumschatten im Sonnen- brand. die Erquickung des kühlen, sprudelnden Quells, die Ruhe im schwellenden Pfühl der Moosbank. Er lernt die Länder, durch die er zieht, wirklich und allseitig kennen: dos Ungeziefer der Herbergen und die Hausordnung der Polizcigewohrsame und Gefängnisse: aber auch die Einrichtung der Bauernhäuser, den Betrieb des Handwerks, die Lebensweise und Sitten des Volkes, die Tischgebräuche und Gewohnheiten der Schlaskammer. Ein Stromer, der sich umgetan hat, gibt auch heute noch jedem akademischen Ethnologen Punkte vor. Die Reise ohne unmittel baren oder mittelbaren Erwerbszweck, als bloßer Luxus war ftühcr nur der vornehmsten Auslese zugänglich. Die ,,große Tour" bildete den Abschluß der slandesaemätzcn Erziehung >unger Leute aus guter Faimlic. Sie kostete Jahre und ein Vermögen. Das Wichtige dabei war nicht die Besichtigung merkwürdiger Stätten, sondern die Berührung mit hervorragenden Menschen. Der Reisende wollte die berühmtesten Zeitgenossen und das höhere Gcsellschastsleben der verschiedenen Lander kennen lernen. Ein führungsschreiben waren für die Neiseausstattung ebenso wesent lich wie der Kreditbrief. Unter diesen Bedingungen war das Reism ein Fest, dessen köstliche Genüsse den gewöhnlichen Leuten ohne ausgezeichnete Verbindungen versagt bfteben. Dieses Fest ist für die oberen Zehntausend heute prächtiger und rauschender als früher, ohne seinen Charakter geändert zu haben. Lb sic im Luxuszug mit dem Schlaf-, Speise- nnd Salonwagen, in dem schwimmenden Palast einer Lustjacht oder im raffiniert sinnreich ansgeslattetcn, bequemen^36 Pserdckraft- Motorwagen das Land durchkreuzen oder die See durckpf'lügen, sie finden überall dasselbe Behagen und dieselbe Sorge um ihre großen und kleinen Bedürfnisse. , Sic behalten überall ihre Lcbensgcwobnhciten bei. essen dieselben Gerichte zu denselben Stunden wie daheim, schlafen in denselben Betten, wohnen in ähnlich ausgeslattelcn Räumen und bleiben auch geistig in dem selben Gesichtskreise von Vorstellungen, Interessen nnd Gesprääfs- stoffen. Die qanze gesittete Welt ist für sie ein einziger Salon, wo sie in allen Ecken dieselben Gesichter wiedersinden. Im Luxuszug Petersburg—Paris und Paris—Rom oder -Paris- Lissabon, im „Savoy-Hotcl", im „Hotel Ritz" oder im „Pyra- miden-Hotel", im Roval-Jachtklub von Ryde, im Kasino von Biarritz und im Cercle de la Mc-diterranöe von Nizza ist cs dieselbe Gesellschaft, die sich zu bestimmten Jahreszeiten begegnet und ihren etwas einförmigen Dramen einen srischen Reiz abge winnt, well jeder Aufzug in einer verschiedenen Dekoration spielt. Es Hilst dem Personal der weltlichen Komödie, das Ausstattungs stück seines inhaltlosen Lebens kurzweiliger zu finden, wenn es seine lebenden Bilder immer in einen anderen Rahmen stellen kan». Für den Mann in mittelmäßigen Verhältnissen ist aber auch heute noch das Reisen etwas anderes als für die Aus lese. die sich beim Kostenpunkt nicht aufzuhaltcn braucht. Das Reift» ist sehr billig geworden, frohlocken die Volkswirte, die sich leicht an Statistiken mit stattlich zunehmenden Ziffern bc- rauschen. Allerdings; es ist aber auch danach. Es chbt wenige Abenteuer, die mühseliger und widerwärtiger sind, als eine billige Fernrcise. Vom Kampf um de» Platz im überfüllten -lblell und von den Schwierigkeiten mit der Unterbringung des Handgepäcks, mit den Trägern, mit den einzuschreibendcn Koffern bis zu den Zollscherercien an den Grenzen und der Unterkunft in teuren und für den bescheiden auftretenden Reisenden ungast- lichcn Hotels ist alles dazu angetan, das feinere Gekühl zu per- letzen, den Rechtssinn zu empören, die Gewohnheiten Mer Er ziehung zu mißhandeln. /
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