25 Winfried Werner Ludwig Richter - ein sächsischer Künstler in Böhmen Die künstlerische Erschließung Böhmens von Sachsen aus begann bereits in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts, als Johann Alexander Thiele (1685-1752) böhmische Ansichten gestal tete. Thiele, den Paul Ferdinand Schmidt mit Recht den ersten Prospektmaler nenntwurde im Jahre 1726 nach Dresden berufen. Als Kind seiner Zeit ist er ein typischer Vertreter des barocken Naturalismus. Seine Auffassung und Gestaltungsweise wurden in mancher Hinsicht wegweisend für die spätere realistische Landschaftsdarstellung. Auch hatte er maßgeblichen Anteil daran, daß sich die landschaftliche Radierung von der Mitte des 18. Jahrhunderts an allmählich zum Hauptzweig der gesamten Graphik entwickelte. Die Kunst der Landschaftszeichnung und -radierung wurde in Dresden von Adrian Zingg (1734-1816) fortgeführt und zu außerordentlich hoher Blüte gebracht. Die besondere Natur verbundenheit dieses aus der Schweiz stammenden Künstlers fand in der Schönheit der näheren und weiteren Umgebung Dresdens stets neue Nahrung. Dazu gesellte sich eine ausgesprochene Freude an der Entdeckung immer neuer, darstellungswürdiger Motive, die wiederum Zinggs Wandertrieb stärkte. In der Konsequenz zog es auch ihn über die sächsischen Grenzen hinaus, und als er »den Engpaß der Elbe bei Niedergrund durchwandert und sich vor ihm angesichts des Tetschener Schlosses die Schönheiten des Böhmischen Mittelgebirges offenbarten«, da hatte er »wieder eine neue Welt für seinen Zeichenstift gefunden.« 2) Es ist bezeichnend für ihn, daß er nicht nur, wie damals allgemein üblich, über den Erzgebirgskamm (Nollendorfer Paß) nach Böhmen gelangte, sondern ebenso den Weg durch das Elbsandsteingebirge nahm. Er ließ sich weder durch die Sprachengrenze noch durch die relativ großen Entfernungen oder andere Widrigkeiten abschrecken und dehnte seine Streifzüge bis tief ins Landesinnere aus. Vom Tollenstein im Osten bis nach Eger im Westen erwanderte er so manchen Landstrich, wovon uns eine Vielzahl von Zeichnungen und Radierungen Kunde gibt. Große Bedeutung erlangte die Bergwelt des Böhmischen Mittelgebirges schließlich auch für Caspar David Friedrich (1774-1840), dem sie für seine symbolhafte Bildsprache viele Motive bot. Die Begegnung mit den auffälligen Vulkankegeln in dieser Gegend führte bei ihm zu einer eigenständigen Bildaussage, indem er die Sinnbildlichkeit »des Berges« in Böhmen entdeckte und in der Folge den für die Romantik so wichtigen Begriff der »Erhebung« anschaulich machte. Dabei spielen fast alle markanten Berge Nordböhmens im Werk Friedrichs eine Rolle; etwa zwanzig Arbeiten des Künstlers konnten erst in jüngster Zeit von Karl-Ludwig Hoch als böhmische Motive wiedererkannt oder bestimmt werden. 3)