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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 04.03.1859
- Erscheinungsdatum
- 1859-03-04
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-185903046
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18590304
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18590304
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Bemerkung
- Images schlecht lesbar
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1859
- Monat1859-03
- Tag1859-03-04
- Monat1859-03
- Jahr1859
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 04.03.1859
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Anzeiger. Amtsblatt des Königs. Bezirksgerichts ovd de- Rath- du Stadt Leipzig. M 62. . Donnerstag den 3. Mürz. 1859. Die hausirenden Linder. Ein Lebensbild von Friedrich Funke. ,,Zu schlimmer That schön reden, ist nicht gut, Das heißt Gerechtigkeit und Tugend höhnen." Schiller. Die Blicke nach außen hin richten, um die Natur und die Menschen der Ferne kennen zu lernen, da- ist gewiß eine eben so nützliche als angenehme Beschäftigung. Es giebt zu diesem Zwecke der guten Ferngläser genug, durch welche das geistige und leibliche Auge volle Befriedigung findet, soweit dies überhaupt durch Schrift und Bild möglich ist. Nur muß man sich wohl vorsehen, daß diese- lobenswerthe, zur geistigen Bildung als ein Hauptfactor mitwirkende Bestreben nicht in die Sucht ausartet, nur Fremdes sehen, hören und interessant finden zu wollen, ein Mißbrauch, der im Reich der Mode fast herrschende Gewalt geworden ist. Wir finden in unsrer Nähe so manche- wenig beachtete Beachtenswerthe, welches doch unsre ganze Aufmerksamkeit verdient, und insbesondere wird, der beobachtende Menschenfreund in den socialen Verhältnissen vieles in dem Schatten Stehende gewahren, was ihn mindestens eben so lebhaft interessiren dürfte, als die in weiter Ferne gespielterr Scenen der großen Weltbühne. Im Nachfolgenden will ich nun versuchen, ein Bild auS dem Volksleben zu skizziren und die Retouche desselben der Phantasie deS geehrten Lesers überlassen. Einen erfreulichen Eindruck wird eS allerdings nicht Hervorbringen, da es einen Zustand auS der Kinderwelt der ärmern Volksclaffen darstellt, welcher nicht nur die Jugendzeit der betreffenden Kinder auf das Ernstlichfte gefährdet, sondern auch am Horizonte ihres spätem Leben- Gewitterwolken zusammenzieht, aus denen nicht blos einmal schon der Verderben schleudernde Strahl geblitzt hat. Die geehrten Leser werden dem zu behandelnden Gegenstände um so mehr ihre Aufmerksamkeit zuwenden, als der Schauplatz der Thatsachen Leipzig und dessen nächste Umgebung ist. Gewiß sind Sie schon oft Kindern begegnet, oder haben die selben in Ihren Wohnungen oder öffentlichen Localen angetroffen, welche mit Thon, Streusand, Bast, Blumen, Pappsiauren und andern Dingen mehr hausirten. Ihnen einen- möglichst vollkom menen Einblick in das Leben und Treiben der meisten zu verschaffen, will ich im Nachstehenden versuchen. Möge die Wahrheit der Darstellung für die schmucklose Ausstattung entschädigen! Folgen Sie mir zu diesem Behufe in den Morgenstunden vor eine- der Thore der Stadt. Aus der Nähe und Ferne ziehen die Arbeiter, gleich den tausendfach gegliederten Adern des Leibe- nach dem, noch in Morgengrauen eingehüllten, vom regen Verkehr bereit- dumpf brausenden Leipzig, diesem mächtig pulsirenden Herzen der Wissen schaft, de- Handels und Gewerbes. Kleine Kinder, meist dürftig gekleidet, eilen trippelnden Schritte-, ihr bescheidenes Frühstück unter dem Arme, an uns vorbei, um zur rechten Zeit in die Säle der Cigarrenfabriken oder in die Arbeitsstuben einzelner Cigarren macher zu gelangen. Man muß diese armen Wesen von Herzen bedauern, denen man eS ansieht, wie gern sie außerhalb der vier Wände blieben, anstatt halbe Tage und noch länger in der bei ßenden, Geist und Körper angreifenden Tabaksluft zu arbeiten. Der kalte Morgenwind hat die Wangen der meisten geröthet, für gewöhnlich blicken wir in blasse, krankhaft überschattete, vom Rosen hauche der Jugend nur noch spärlich verklärte Gesichter. Mag man auch einigen dieser Kinder äußerlich keine Noch ansehen, so bewährt die- doch nur die LebenSreael: „Eine- schickt sich nicht für Alle", und am beklagenswertbesten ist <-, wenn man Kinder von kaum sechs Jahren, die doch der körperlichen Entwickelung und der gesunden Luft so sehr bedürfen, zur Arbeit in der Tadaks- atmosphLre zwingt. Ueberdie- hat der Gegenstand außer dm phy fischen Nebeln auch noch in moralischer Hinsicht seine Schatten seiten z doch davon vielleicht ein andre- Mal. Nach kurzer Wanderung gelangen wir an den Ort T., dessen Bewohner zum großen Thelle in Leipzig ihre Beschäftigung finden. Da eS gerade um die Schulzeit, so ist die Straße belebt durch eine große Anzahl Kinder, welche mit Büchertaschen und Tornistern nach den Schulen steuern. Es ist immer von Interesse, Kinder auf diesen Wegen zu beobachten; denn abgesehen davon, daß man von ihrem Aeußern, wenn auch nicht mit Sicherheit, aber doch mit einiger Wahrscheinlichkeit auf die pecuniären Verhältnisse der Bewohner eine- Orte- schließen kann, so liefert auch da- Ver halten der Kinder gegen Erwachsene und unter einander einen ziemlich sichern Maßstab für die häusliche Zucht und für die Macht oder Machtlosigkeit der Schule den Verhältnissen gegenüber. Hier trifft man die schneidendsten Contraste mit den verschiedensten Ab stufungen. Unterlassen wir jedoch auf diesem Puncte die psycho logischen Beobachtungen; setzen wir lieber unsern Spaziergang fort, indem wir hier noch einen flüchtigen Blick auf die Gruppe kleiner Mädchen werfen, welche mit emsigen Blicken ihre zu Hause ge lösten Aufgaben vergleichen und wo nöthig — verbessern; lassen wir ferner dort jenen Knaben, ruhig auf einem Ecksteine sitzend, seine versäumte Arbeit auf der Tafel nachholen, die leider nichts weniger als Fleiß und Gründlichkeit erwarten läßt, und wenden wir nun unsre Aufmerksamkeit dem grauröckigen Burschen zu, der, ebenfalls Bücher in der Hand, mit einer Nonchalance sich an den Häusern hin bewegt, die ihn uns sofort als leichten Passagier kemüeichnet. Don der Stadt her trägt jetzt der Wind den gedämpften Schall der Glocken; eS schlägt 8 Uhr, und nun sucht die noch im Freien befindliche Kinderwelt mit beflügelten Schritten ihre Bestimmungs orte auf. Auch auf unsern Graurock wirkt da- Signal, jedoch in anderer Weise. Fassen wir ihn jetzt scharf in- Auge: ein scheuer Blick nach allen Seiten, eine scharfe Wendung und — durch eine Häuserspalte ist er verschwunden. Wir benutzen aber schnell den vor un- befindlichen Durchgang nach jener Seite, haben so den Burschen wieder vor uns und kommen gerade noch zur rechten Zeit, um zu sehen, wie er seine Schulgeräthschaften in einen Garten- zaun wirft und sich anschickt eine Promenade im erhöhten Tempo anzutteten. Allein er mag sich überlegen, daß die blätterlose Ein friedigung doch kein sicheres Versteck für die Bücher ist; er mag sich besinnen, daß dieselben öfter- hier gefunden und abgelirfert worden find, denn rasch kehrt er zurück, ergreift sie wieder und verbirgt sie in einer nahen Schleuße, ohne deren innern Zustand erst einer großen Untersuchung zu unterwerfen. (Im Sommer dient wohl auch ein Kartoffel- oder Getreidefeld als Depot.) Nun aber eilt der Knabe mit Doublirschritten fort. Ader wohin? werden Sie fragen, fort nach Süden; doch nicht nach dem schönen Italien mit seinen Feigen und Citronen, mit seinem tiefblauen Himmel und seiner sammetgrünen Erde, mit seinen Banditen und Lazza- roni's, obgleich eine entfernte.Verwandtschaft zwischen letzteren und dem Burschen nicht zu verkennen ist. Nein, so weit geht die Reise nicht. „Folgen Sie mir, ich weiß hier Bescheid," rief einst Friedrich der Große seinen Begleitern bei der Einnahme Lissa'S zu. — Setzen wir ruhig unsern Weg bi- zu den letzten Häusern des außerordent lich in die Länge gewachsenen Orte- fort, wenden un- dann links und bald befinden wir unS am Ziele unserer Wanderung — an dm Thongruden. Hier liegt stet- eine Masse ausgeworfener Töpfer thon, welcher der kunstfertigen Hand wartet, die ihn seiner mannich- faltigen Bestimmung entaegenbringen soll. Hier treffen wir auch den Deserteur wieder nebst einigen andern Knabm, von denen viel leicht einer oder mehrere auf ähnliche Weise wie ihr Kumpan der Schule sich zu entziehen und ihrer Bücher sich zu entledigen gewußt haben. Au Zeiten finden wir auch Mädchen hier E- hat nun Niemand etwa- dagegen, wenn diese jungen Spekulanten, denn solche sind e-, den Thon für ihrm Gebrauch au- dm Wänden der Gruben herau-haum wollen; da jedoch die Sache einige Mühe verursacht und auch rin Werkzeug dazu nöthig wäre, welche- doch erst an Ott «nd Stelle geschasst und »Leder zurÜckgehracht »erden
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